BGE 100 III 64 vom 7. August 1974

Datum: 7. August 1974

Artikelreferenzen:  Art. 197 SchKG

BGE referenzen:  96 III 107 , 97 III 96, 96 III 107, 85 III 91, 85 III 158, 99 III 14, 99 III 14

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

100 III 64


17. Entscheid vom 7. August 1974 i.S. Konkursmasse Holzbau AG.

Regeste

Kompetenzverteilung zwischen Aufsichtsbehörden und Richter
Die endgültige Entscheidung über die Frage, was als Vermögen des Gemeinschuldners zur Konkursmasse gehört und was Dritte beanspruchen können, obliegt dem Richter.

Sachverhalt ab Seite 64

BGE 100 III 64 S. 64

A.- Am 9. Januar 1974 eröffnete der Präsident des Bezirksgerichts Frauenfeld den Konkurs über die Holzbau AG. Unmittelbar nach der Konkurseröffnung befriedigte diese die drei betreibenden Gläubiger. Insbesondere bezahlte sie dem Vertreter der Edwin Vogt AG, Dr. Kurt H. Etter, einen Betrag von Fr. 11 550.50. Gleichzeitig erhob sie Beschwerde gegen das Konkurserkenntnis, welcher der Präsident der Rekurskommission des Obergerichtes des Kantons Thurgau aufschiebende Wirkung beilegte. Die Rekurskommission wies indessen die Beschwerde ab und legte den neuen Konkurseröffnungstermin auf den 14. Februar 1974 fest. Mit Verfügung vom 27. Februar 1974 wies hierauf das Konkursamt Frauenfeld Dr. Etter an, die bei ihm deponierte Summe von Fr. 11 550.50 unverzüglich dem Betreibungsamt Matzingen auszuzahlen, da diese Summe in die Konkursmasse falle.

B.- Gegen diese Verfügung beschwerte sich die Edwin Vogt AG bei der Rekurskommission des Obergerichtes des Kantons Thurgau als kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs. Am 5. April 1974 fällte diese folgenden Entscheid:
"1. Die Beschwerde wird geschützt. Der angefochtene Entscheid wird aufgehoben und die Beschwerdeführerin als berechtigt erklärt, den am 9.1.1974 seitens der Holzbau AG bezahlten Betrag von Fr. 11 550.50 als Zahlung für sich zu behalten.
BGE 100 III 64 S. 65
"2. ... (Mitteilungen)."
In der Begründung führte die Rekurskommission aus, der Schuldner bleibe bis zur Bestätigung des Konkurserkenntnisses durch die Rekursinstanz dispositionsfähig, wenn der Beschwerde gegen die Konkurseröffnung aufschiebende Wirkung beigelegt werde. Insbesondere könne er rechtsgültig Schulden tilgen. Die streitige Zahlung der Holzbau AG stehe daher der Edwin Vogt AG und nicht der Konkursmasse zu.

C.- Mit dem vorliegenden Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts beantragt des Konkursamt Frauenfeld namens der Konkursmasse der Holzbau AG, der Entscheid der Rekurskommission sei aufzuheben und die Edwin Vogt AG zu verpflichten, ihm den Betrag von Fr. 11 550.50 zuhanden der Konkursmasse auszuhändigen.
Die Edwin Vogt AG beantragt in ihrer Vernehmlassung die Abweisung des Rekurses.
Mit Verfügung vom 8. Mai 1974 erteilte der Präsident der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer dem Rekurs aufschiebende Wirkung.

Erwägungen

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

1. Als Konkursverwaltung hat das Konkursamt die Interessen der Masse zu wahren. Es ist daher legitimiert, den diese Interessen berührenden Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde im Namen der Masse an das Bundesgericht weiterzuziehen ( BGE 97 III 96 , BGE 96 III 107 , BGE 85 III 91 /92 mit Hinweisen).

2. Angesichts der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BGE 85 III 158 , BGE 79 III 46 ff., BGE 54 III 11 f.) bestreitet das Konkursamt zu Recht nicht, dass die Schuldnerin bis zur Bestätigung des Konkurserkenntnisses durch die Rekurskommission dispositionsfähig blieb und daher an sich bis zu diesem Zeitpunkt in der Lage war, die Schuld gegenüber der Edwin Vogt AG rechtsgültig zu tilgen. Es macht jedoch geltend, in der Aushändigung des streitigen Betrages an Dr. Etter sei keine eigentliche Zahlung zu erblicken. Die Hingabe des Geldes sei vielmehr unter der Bedingung erfolgt, dass das Konkursdekret aufgehoben werde. Diese Bedingung sei aber in der Folge nicht eingetreten, da die Rekurskommission das Konkurserkenntnis
BGE 100 III 64 S. 66
im Gegenteil bestätigt habe. Deshalb müsse der Betrag der Konkursmasse zurückbezahlt werden.
Ob die Zahlung den ihr vom Konkursamt beigelegten Sinn gehabt habe und ob die Edwin Vogt AG das Geld behalten dürfe, ist indessen nicht von den Aufsichtsbehörden zu entscheiden. Es handelt sich dabei um eine materiell-rechtliche Auseinandersetzung zwischen der Konkursverwaltung und einem Dritten darüber, was als Vermögen des Gemeinschuldners zur Konkursmasse gehört und was der Dritte beanspruchen kann. Die endgültige Entscheidung über eine solche Frage obliegt jedoch dem Richter (JAEGER, N. 4C zu Art. 197 SchKG ). Befindet sich die vom Dritten beanspruchte Sache in dessen Gewahrsam, so kann die Konkursverwaltung sie nur durch Klage zur Masse ziehen; durch blosse Verfügung kann sie dagegen den Dritten nicht zur Herausgabe der Sache verpflichten ( BGE 99 III 14 ff. mit Hinweisen). Im Ergebnis hat daher die Rekurskommission richtig entschieden, wenn sie die Beschwerde der Edwin Vogt AG gegen die Verfügung des Konkursamtes, gemäss welcher der streitige Betrag in die Konkursmasse einzuwerfen war, guthiess. Sie war dagegen nicht kompetent, darüber zu befinden, ob die Edwin Vogt AG das Geld behalten dürfe. Der diesbezügliche Passus ist deshalb aus dem Dispositiv des angefochtenen Entscheids zu streichen.

Dispositiv

Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:
In teilweiser Gutheissung des Rekurses wird folgender Teil von Dispositiv Ziffer 1 des angefochtenen Entscheids gestrichen: "und die Beschwerdeführerin als berechtigt erklärt, den am 9.1.1974 seitens der Holzbau AG bezahlten Betrag von Fr. 11 550.50 als Zahlung für sich zu behalten". Im übrigen wird der angefochtene Entscheid im Sinne der Erwägungen bestätigt.

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