Urteilskopf
100 IV 31
9. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 15. Februar 1974 i.S. Beuret gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
Regeste
Art. 144 StGB
.
Ein Zertifikat über Namenaktien hat die Eigenschaften eines Wertpapiers und stellt eine Sache im Sinne der
Art. 137 ff. StGB
dar.
Aus den Erwägungen:
Der Beschwerdeführer bestreitet den objektiven Tatbestand der Hehlerei mit der Begründung, ein Zertifikat über Namenaktien sei keine Sache im Sinne des
Art. 144 StGB
, da ein Nichtberechtigter über dasselbe nicht verfügen könne und anderseits der Berechtigte dieses Papier nicht benötige, um seine Rechte als Aktionär geltend zu machen.
Das Zertifikat, das der Beschwerdeführer angenommen und verheimlicht hat, bezeichnet sich als "Zertifikat Nr. ... über 20 Namen-Aktien Nr. ... bis Nr. ... im Nennwert von je eintausend Franken, Fr. 20 000.-- Gesamtwert". Es enthält anschliessend den Namen des Eigentümers und die datierte und unterzeichnete Erklärung der Siewerdt-Garage AG, der Eigentümer sei mit den darin bezeichneten volleinbezahlten Aktien als Aktionär an dieser Gesellschaft "mit allen Rechten und Pflichten beteiligt, wie sie durch Gesetz und Statuten festgesetzt sind". Auf der Rückseite befindet sich ein tabellenmässiger Vordruck zur Aufnahme von Übertragungserklärungen und zur Bescheinigung der bezüglichen Vormerkung im Aktienbuch.
Dieses Zertifikat vertrat wie in dem in
BGE 86 II 95
ff. veröffentlichten Fall die Aktien. Es lautete auf den Namen und unterstand dem
Art. 684 OR
, wonach die Übertragung von Namenaktien durch Übergabe der indossierten Aktientitel
BGE 100 IV 31 S. 32
an den Erwerber erfolgen kann. Es war ein Wertpapier, wie Namenaktien Wertpapiere sind. Dass es statt durch Indossament auch durch einen besonderen Abtretungsvertrag nach
Art. 165 OR
hätte übertragen werden können, ändert nichts, denn auch diese Art der Übertragung erfordert zusätzlich die Übergabe des Titels; das gilt für ein auf den Namen lautendes Aktienzertifikat sogut wie für Namenaktien (
BGE 86 II 98
). Ebensowenig fehlt ihm die Eigenschaft als Wertpapier deshalb, weil im Verhältnis zu der Gesellschaft als Aktionär nur betrachtet wird, wer im Aktienbuch eingetragen ist (
Art. 685 Abs. 4 OR
). Die Eintragung in das Aktienbuch setzt einen Ausweis über die formrichtige Übertragung der Aktie bzw. des Zertifikates voraus (
Art. 685 Abs. 2 OR
) und ist durch die Verwaltung der Gesellschaft auf dem Titel zu bescheinigen (
Art. 685 Abs. 3 OR
). Die Eintragung in das Aktienbuch wirkt nicht konstitutiv. Die Aktiengesellschaft kann nicht jemanden, der das Eigentum an der Aktie bzw. am Zertifikat nicht erworben hat oder sich darüber nicht ausweist, durch Eintragung zum Aktionär machen. Auf eine Eintragung, die sich nicht auf den Ausweis über die formrichtige Übertragung der Aktie bzw. des Zertifikates stützt, kann sich weder der Eingetragene noch die Gesellschaft berufen (
BGE 87 II 256
;
BGE 90 II 171
E. 3). Selbst wenn die Gesellschaft die Eintragung in das Aktienbuch aus Gründen, die in den Statuten vorgesehen sind, oder ohne Angabe von Gründen verweigern kann (
Art. 686 Abs. 1 und 2 OR
), verliert die Namenaktie bzw. das Zertifikat die Eigenschaft eines Wertpapieres nicht. Der Erwerber vinkulierter Namenaktien, dem diese ordnungsgemäss indossiert worden sind, erwirbt trotz der Nichtgenehmigung der Übertragung seitens der Gesellschaft nicht nur die Vermögensrechte aus den Aktien, sondern auch das Eigentum an den Titeln; dem Veräusserer bleiben nur die Mitgliedschaftsrechte; nur diese kann er ohne das Papier geltend machen (
BGE 83 II 302
E. 4;
BGE 90 II 239
E. 2).
Das Zertifikat, das der Beschwerdeführer angenommen und verheimlicht hat (und später vernichtete), war somit eine Sache im Sinne der
Art. 137 ff. StGB
. Das gilt für den Hehler sogut wie für den Dieb. Dass auch
Art. 144 StGB
die Wertpapiere den Sachen gleichstellt, wurde nebenbei schon in
BGE 81 IV 158
ausgeführt.
Es trifft nach dem Gesagten nicht zu, dass die Stellung des
BGE 100 IV 31 S. 33
Eigentümers des Zertifikates durch die Wegnahme und Verheimlichung des Papiers nicht beeinträchtigt worden sei. Falls die Aktien der Siewerdt-Garage AG vinkuliert waren (was die Vorinstanz nicht festgestellt hat) konnte der Bestohlene zwar seine Mitgliedschaftsrechte in der Gesellschaft weiterhin ohne das Papier geltend machen; seine Vermögensrechte waren aber an den Besitz des Papiers gebunden, und ohne diesen Besitz konnte er sie nicht übertragen. Falls die Aktien nicht vinkuliert waren, konnte der Eigentümer auch seine Mitgliedschaftsrechte nicht ohne den Besitz des Papiers abtreten. Auf die Behauptung des Beschwerdeführers, die Siewerdt-Garage AG habe nur drei Aktionäre und diese kennten einander, kommt nichts an. Hehlerei setzt sowenig wie Diebstahl voraus, dass das gestohlene Wertpapier leicht veräussert werden könne und der Erwerber nicht Gefahr laufe, bei der Geltendmachung der Rechte aus dem Papier als Nichtberechtigter entlarvt zu werden. Unerheblich ist auch, dass der Bestohlene das Papier kraftlos erklären lassen kann. Ebensowenig kommt auf die Auffassung des Beschwerdeführers,der Bestohlene hätte sich nach der Entdeckung der Tat einen Interimsschein ausstellen lassen können, der ihm während der der Kraftloserklärung vorausgehenden Auskündungsfrist von mindestens sechs Monaten alle Rechte verschafft hätte, etwas an; ganz abgesehen davon, dass der angerufene
Art. 686 OR
den Eigentümern abhanden gekommener Aktien oder Aktienzertifikate keineswegs Anspruch auf die Ausstellung von Interimsscheinen gibt. Der objektive Tatbestand der Hehlerei ist daher erfüllt.