Urteilskopf
101 Ia 182
32. Urteil vom 17. Juni 1975 i.S. Ammann und Mitbeteiligte gegen Grosser Rat des Kantons Freiburg.
Regeste
Art. 4 BV
; Freiburger Gesetz vom 25. September 1974 über die Besteuerung der Schiffe.
Rechtliche Natur der Schiffssteuer (E. 1).
Art. 2 Abs. 3 des Gesetzes, der die Steuer für ausserhalb des Kantons ansässige Schiffshalter auf das Doppelte erhöht, verstösst gegen den Grundsatz der rechtsgleichen Behandlung (E. 2).
Eingeschränkte Befugnis des Verfassungsrichters zur Überprüfung des Steuertarifs an sich (E. 3).
Der Kanton Freiburg erliess am 25. September 1974 (publiziert am 8. November 1974) ein Gesetz über die Besteuerung der Schiffe, die im Kanton Freiburg ihren Heimathafen haben. Die Steuer beträgt für Ruderboote Fr. 20.--, für Segelboote (je nach Segelfläche und Ausrüstung mit oder ohne Motor) Fr. 20.-- bis Fr. 70.--, für Motorboote bis 10 PS Nutzlast Fr. 40.-- mit einem Zuschlag von je Fr. 5.-- für zusätzliche Voll- oder Teil-PS. Gemäss Art. 2 Abs. 3 des Gesetzes wird die Steuer für Schiffshalter, die ausserhalb des Kantons Wohnsitz haben, auf das Doppelte erhöht.
Gegen den Gebührentarif und Art. 2 Abs. 3 des Gesetzes erheben 20 Schiffshalter mit Wohnsitz in anderen Kantonen
BGE 101 Ia 182 S. 183
staatsrechtliche Beschwerde. Sie behaupten einerseits, es handle sich bei der umstrittenen Abgabe entgegen der irreführenden Bezeichnung des Gesetzes nicht um eine Steuer, sondern um eine Verwaltungsgebühr; diese sei daher nach den für Gebühren geltenden Bemessungsgrundsätzen zu erheben. Andererseits machen sie geltend, die Verdoppelung der Abgabe für die Schiffshalter mit Wohnsitz in anderen Kantonen verletze die in
Art. 4 BV
garantierte Rechtsgleichheit. Selbst wenn die Abgabe als Steuer zu betrachten wäre, müssten alle Bootshalter ohne Rücksicht auf ihren Wohnsitz innerhalb oder ausserhalb des Kantons rechtsgleich belastet werden.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Beschwerdeführer bestreiten in erster Linie den Steuercharakter der von den Schiffshaltern erhobenen Abgabe. Es stellt sich daher zunächst die Frage nach der rechtlichen Natur dieser Schiffssteuer.
Nach dem Gesetz betreffend die Besteuerung der Schiffe vom 25. September 1974 wird die umstrittene Abgabe von den Schiffshaltern voraussetzungslos erhoben; die Leistungspflicht trifft unabhängig von einer Gegenleistung des Staates oder von der Einräumung eines besonderen Vorteils all jene Personen, die den vom Gesetz als abgabepflichtig bezeichneten Sachverhalt erfüllen, das heisst all diejenigen, die Halter eines Schiffes sind, dessen Heimathafen Sich im Kanton Freiburg befindet. Dieses Merkmal der Voraussetzungslosigkeit stempelt die Abgabe zur Steuer, und zwar, da sie an den Besitz eines Schiffes angeknüpft wird, zur Objektsteuer oder Besitzessteuer auf Schiffen. Der Ertrag der Abgabe wird denn auch nicht für einen besonderen Staatszweck vorbehalten. Die Tatsache, dass der Kanton Freiburg die betreffenden Einnahmen zur Deckung der Unkosten verwenden will, die dem Kanton aus der Schiffahrt erwachsen, macht die Schiffssteuer nicht zur Gebühr, sondern lässt sie als Zwecksteuer erscheinen (vgl.
BGE 90 I 94
f. mit Hinweis auf weitere Urteile). - In der von den Schiffshaltern erhobenen Abgabe sind jedoch auch Elemente einer Gebühr enthalten. Sie schliesst einerseits ein Entgelt für die polizeiliche Überwachung der Schiffe ein, andererseits eine Gebühr für die Bewilligung, die Schiffe auf den öffentlichen Gewässern ständig zu stationieren, was als gesteigerter
BGE 101 Ia 182 S. 184
Gemeingebrauch oder, je nach kantonalem Recht, als konzessionspflichtige Sondernutzung betrachtet werden kann (vgl.
BGE 95 I 249
). Damit qualifiziert sich die fiskalische Belastung von Schiffshaltern - ähnlich wie die kantonale Motorfahrzeugsteuer - als eine Gemengsteuer, die nach ihren überwiegenden Merkmalen rechtlich als Steuer zu behandeln ist (
BGE 99 Ia 540
,
BGE 99 Ia 240
mit Literaturhinweisen; BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 3. A. S. 162).
2.
Der Freiburger Gesetzgeber hat die Steuern für die Schiffshalter, die ausserhalb des Kantons Freiburg wohnen, verdoppelt. Er trifft die Unterscheidung damit nicht nach dem Bürgerrecht der Steuerpflichtigen, was gegen
Art. 60 BV
verstossen würde (
BGE 99 Ia 632
), sondern nach dem Wohnsitz. Mit dieser Differenzierung hat sich das Bundesgericht in jüngster Zeit verschiedentlich auseinandergesetzt. Es hat dabei festgestellt, dass sich ein Unterschied in der steuerlichen Belastung nur dann vor
Art. 4 BV
rechtfertigen lässt, wenn der rechtlichen Ungleichbehandlung eine tatsächliche Verschiedenheit der zu regelnden Verhältnisse zu Grunde liegt. So hat es in
BGE 99 Ia 355
und
BGE 100 Ia 75
Kurtaxengesetze als verfassungswidrig erklärt, die ausserkantonale Eigentümer von Ferienhäusern trotz gleichen tatsächlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen schlechter stellten als die im Kanton ansässigen Hauseigentümer. Es stellt sich auch hier die Frage, ob in den tatsächlichen Verhältnissen vernünftige Gründe vorhanden sind, um vom Grundsatz der Allgemeinheit und Gleichheit der Besteuerung abzuweichen.
In der Botschaft an den Grossen Rat hat der Staatsrat die gerügte Differenzierung wie folgt begründet:
"Dieser Zuschlag rechtfertigt sich. Er wird auch in anderen Bereichen zugelassen. Der Preis eines Fischer- oder Jagdpatents ist z.B. um 100% höher, wenn der Fischer oder Jäger nicht mindestens seit 6 Monaten im Besitz einer Niederlassungsbewilligung unseres Kantons ist. Die Schulgebühren sind ebenfalls erhöht, wenn der Schüler ausserhalb des Kantons wohnt.
Die Entwicklung der Schiffahrt auf unseren Seen brachte Ausrüstungs- und Interventionskosten mit sich. Die Kantonspolizei musste sich entsprechend ausrüsten. Auf administrativer und technischer Ebene musste das Amt für Strassenverkehr und Schiffahrt eine ganze Organisation einführen. Daraus entstanden natürlich Kosten, die durch Erhebung von Steuern und Gebühren gedeckt werden müssen. Man darf aber nicht nur von den freiburgischen Steuerzahlern eine grössere finanzielle Leistung verlangen. Eine erhöhte Beteiligung, in
BGE 101 Ia 182 S. 185
Form von differenzierten Steuerbeträgen von Seiten der ausserkantonalen Bootsinhaber ist angebracht. Die Neuenburger Behörden haben sich kürzlich in einem neuen Gesetz das gleiche System zu eigen gemacht. Im Jahre 1973 brachten die Steuern für Schiffe 19'453 Franken (richtig gemäss französischem Text: 200'700 Franken) ein. Der Tarif, den wir Ihnen vorschlagen, wird Einnahmen von 470'000 Franken mit sich bringen."
Diese Ausführungen vermögen die Ungleichheit in der Behandlung der Steuerpflichtigen jedoch nicht zu begründen. Die Kantone können auf Grund ihrer Hoheit über die öffentlichen Gewässer das Stationieren von Ruder-, Segel- und Motorbooten als bewilligungs- oder konzessionspflichtig erklären, je nachdem, ob man dieses Stationieren nur als gesteigerten Gemeingebrauch oder als Sondernutzung betrachtet. Bestünde nun die Gefahr, dass die Anzahl der Schiffe auf einem kantonalen Gewässer derart gross würde, dass die kantonseigenen Einwohner in der Ausübung der Schiffahrt eingeschränkt würden, so stellte sich die Frage, ob ein Kanton befugt sei, die Zahl der auf einem Gewässer zugelassenen Schiffe im öffentlichen Interesse mit fiskalischen Mitteln zu begrenzen, ähnlich wie es für zulässig erachtet wurde, durch erhöhte Fischereigebühren für ausserkantonale Fischer eine "Überfischung" der kantonalen Gewässer zu bekämpfen (
BGE 95 I 499
). Solches wird aber vom Kanton Freiburg nicht geltend gemacht. Es erschiene im übrigen auch sinnvoller, die Zahl der Anlageplätze zu beschränken, um eine Überbelegung der Seen mit Schiffen zu verhindern. Im Kanton Freiburg kann jedoch gemäss Art. 10 der interkantonalen Verordnung betreffend die Schiffahrt jedermann eine Bewilligung zur Schiffahrt erlangen. Der Kanton verfolgt mit seinem Gesetz keinerlei durch das öffentliche Interesse gebotene Beschränkung der Schiffahrt. Der Hinweis auf das Fischerei- und Jagdrecht in der Botschaft an den Grossen Rat geht deshalb fehl. Auch der Vergleich mit den erhöhten Schulgebühren für ausserkantonale Schüler geht an der Sache vorbei. Der Kanton erbringt sehr erhebliche Aufwendungen für die Ausbildung der im Kanton wohnhaften Jugend, die die öffentlichen Schulen unentgeltlich oder gegen sehr geringe Gebühren besuchen kann. Die Schulen sind grundsätzlich auf die Bedürfnisse der einheimischen Bevölkerung ausgerichtet. Es verstösst deshalb nicht gegen
BGE 101 Ia 182 S. 186
Art. 4 BV
, wenn ausserkantonale Kinder oder Jugendliche, die ausnahmsweise zu diesen Schulen zugelassen werden, erhöhte Schulgebühren bezahlen müssen.
Die hier zu beurteilende Steuer soll aber, auch wenn sie nicht ausdrücklich als Zwecksteuer ausgestaltet ist, vor allem die Kosten decken, die mit der Entwicklung der Schiffahrt auf den Seen des Kantons verbunden sind. Diese Kosten werden von den Auswärtigen und den Kantonseinwohnern in gleicher Weise verursacht. Es wird denn auch mit Recht nicht geltend gemacht, die Schiffe ausserkantonaler Halter verursachten mehr Kosten und Umtriebe als die Schiffe der Halter mit Wohnsitz im Kanton. Auch unter dem Gesichtspunkt des Gewässerschutzes liesse sich eine Differenzierung der Steuer zulasten der ausserkantonalen Schiffshalter nicht rechtfertigen. Falls Massnahmen gegenüber Motorbooten wegen Verschmutzung - oder auch wegen Lärm - zu treffen sind, haben sie sich in gleicher Weise gegen alle Schiffshalter zu richten. Somit fehlt jedes sachliche Motiv dafür, die Kosten zu einem überproportionalen Teil auf die ausserkantonalen Schiffshalter zu verlegen.
Soweit die Steuer über die Kosten der Seepolizei hinaus zu zusätzlichen Einnahmen führt oder führen sollte, ist ebenfalls nicht einzusehen, weshalb von der Gleichbehandlung aller Steuersubjekte abgewichen werden dürfte. Richtig ist zwar, dass die im Kanton domizilierten Schiffshalter auf ihren Schiffen zusätzlich noch eine Vermögenssteuer bezahlen, die bei den ausserkantonalen Schiffshaltern entfällt. Dies rechtfertigt indessen keine Ungleichbehandlung, ist es doch den Kantonen gemäss der Rechtsprechung zu
Art. 46 Abs. 2 BV
nicht gestattet, auf beweglichem Vermögen ausserkantonaler Steuerpflichtiger, das im Kanton deponiert oder stationiert ist, eine Vermögenssteuer zu erheben (konstante Praxis seit BGE 1 S. 13). Es kann deshalb auch nicht unter Berufung auf die begrenzte kantonale Steuerhoheit von ausserkantonalen Steuersubjekten eine erhöhte Besitzessteuer als Ersatz für die nicht zulässige Vermögenssteuer erhoben werden.
Selbst wenn die Schiffssteuer die Kosten der Seepolizei nicht mehr voll deckt, wenn auch die ausserkantonalen Halter nur noch die einfache Steuer bezahlen, lässt sich daraus nichts zu Gunsten der vom Kanton Freiburg getroffenen Regelung ableiten. Vielmehr ist es Sache des Gesetzgebers, die Höhe der
BGE 101 Ia 182 S. 187
Steuer so zu bemessen, dass sie die Kosten auch dann voll deckt, wenn alle Schiffshalter rechtsgleich behandelt werden.
Es liegt demnach kein vertretbarer Grund vor, um die ausserkantonalen Schiffshalter schwerer zu belasten als die im Kanton ansässigen. Art. 2 Abs. 3 des Freiburger Gesetzes über die Besteuerung der Schiffe ist deshalb aufzuheben.
3.
Insofern die Beschwerdeführer den Gebührentarif für die Besteuerung der Schiffe an sich als übersetzt und daher willkürlich anfechten, ist die Beschwerde dagegen abzuweisen.
Die Kantone sind auf Grund ihrer Finanzhoheit frei, auf Schiffen, die auf ihren Gewässern ihren Heimathafen haben, nicht nur Gebühren, sondern auch Steuern zu erheben, deren Ertrag über den für die Kontrolle der Schiffahrt benötigten Aufwand hinausgeht. Dieses Recht wird übrigens im Entwurf zu einem Bundesgesetz über die Binnenschiffahrt (Botschaft in BBl 1974 I 1549) ausdrücklich anerkannt (Art. 59). Innerhalb der Schranken, die durch die Grundsätze der Allgemeinheit und der Gleichheit der Besteuerung gegeben sind, verfügt der kantonale Gesetzgeber bei der Festlegung der Steuern über eine grosse Gestaltungsfreiheit (
BGE 96 I 566
f.,
BGE 99 Ia 653
f.). Das Bundesgericht hat sich daher bei der Würdigung der kantonalen Steuertarife Zurückhaltung aufzuerlegen. Als verfassungswidrig könnte das Freiburger Gesetz über die Besteuerung der Schiffe nur bezeichnet werden, wenn es sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen liesse, sinn- und zwecklos wäre oder neben der Verdoppelung der Steuern für Ausserkantonale weitere rechtliche Unterscheidungen treffen würde, für die ein vernünftiger Grund in den tatsächlichen Verhältnissen nicht ersichtlich wäre. Dies wird aber von den Beschwerdeführern nicht dargetan. Die Rüge, die neufestgesetzte Abgabe für Motorboote sei gegenüber den bisher geltenden Ansätzen geradezu prohibitiv, ist unbehelflich. Das Verbot der sog. Prohibitivsteuern bezieht sich nur auf die eigentlichen Gewerbesteuern, zu welchen die Schiffssteuer im Kanton Freiburg, die - wie bereits erwähnt - eine Besitzes- oder Objektssteuer darstellt, nicht gezählt werden kann (AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, S. 692 ff., insbes. Ziff. 1945, 1948; BURCKHARDT, Kommentar, S. 247 ff.; BLUMENSTEIN, a.a.O. S. 164).
BGE 101 Ia 182 S. 188
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und Art. 2 Abs. 3 des freiburgischen Gesetzes vom 25. September 1974 über die Besteuerung der Schiffe aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.