Urteilskopf
102 Ia 553
75. Urteil vom 22. Dezember 1976 i.S. Martha Kury-Kilchherr und Mitbeteiligte gegen Einwohnergemeinde Reinach sowie Enteignungsgericht und Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft
Regeste
Enteignungsverträge; Art. 2 ÜbBest. BV
Für einen schon in einfacher Schriftform gültigen öffentlichrechtlichen Enteignungsvertrag besteht erst Raum nach formgerechter Einleitung des Enteignungsverfahrens. Verträge auf Grundstücksabtretung, die vor Verfahrenseinleitung abgeschlossen werden, unterstehen dem Privatrecht und bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung. Die Regelung eines kantonalen Enteignungsgesetzes, wonach eine einfache schriftliche Zustimmungserklärung des Eigentümers das ordentliche Enteignungsbewilligungsverfahren ersetzt und schon für sich allein die Abtretungspflicht gültig begründet, steht im Widerspruch zum Bundeszivilrecht (E. 4).
Die Erben des Xaver Kury, deren in Reinach/BL gelegenes Haus vom Kanton unter Heimatschutz gestellt und von der Gemeinde in eine Zone für öffentliche Bauten und Anlagen eingewiesen worden war, erblickten hierin eine materielle Enteignung und ersuchten die Gemeinde um käufliche Übernahme der Liegenschaft. Da über den Kaufpreis keine Einigung erzielt werden konnte, gab der damalige Rechtsvertreter der Erben Kury die schriftliche Erklärung ab, dass sich seine Mandanten einem formellen Enteignungsverfahren freiwillig und vorbehaltlos unterzögen. Es wurde daraufhin ohne vorherige Durchführung des gesetzlich vorgesehenen Enteignungsbewilligungsverfahrens vor dem kantonalen Enteignungsgericht das Schätzungsverfahren eingeleitet. Die Erben Kury bestritten in der Folge die Verbindlichkeit der erwähnten Zustimmungserklärung, da ihr damaliger Rechtsvertreter bei Abgabe derselben mandatswidrig gehandelt habe, und ersuchten um Abschreibung des Expropriationsverfahrens. Das Enteignungsgericht verwarf diesen Einwand; es stellte fest, dass die Abtretungspflicht durch die fragliche Zustimmungserklärung gültig begründet worden sei, und sprach die Liegenschaft unter Festsetzung einer Enteignungsentschädigung, die weit unter den Forderungen der Erben Kury lag, der Gemeinde Reinach zu. Die Enteigneten führen hiegegen nach erfolgloser Anrufung des kantonalen Verwaltungsgerichtes staatsrechtliche Beschwerde, mit der sie vorab die Enteignung als solche anfechten.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut aus folgenden
Erwägungen:
1.
(Prozessuales: Mit der im Anschluss an das Verwaltungsgerichtsurteil erhobenen staatsrechtlichen Beschwerde kann, da die Frage der Gültigkeit der Zustimmungserklärung dem Kognitionsbereich des Verwaltungsgerichtes entzogen war, auch noch die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des Enteignungsgerichtes verlangt werden.)
BGE 102 Ia 553 S. 555
2.
Nach § 2 des basellandschaftlichen Gesetzes über die Enteignung vom 19. Juni 1950 (EntG) kann das Expropriationsrecht geltend gemacht werden für Werke, die im Interesse des Kantons oder eines grossen Teils desselben oder einzelner Gemeinden liegen; es kann auch für andere im öffentlichen Interesse liegende Zwecke verlangt werden, sofern diese durch ein besonderes Gesetz oder durch eine auf einem solchen beruhende Verordnung anerkannt sind. Die
§
§ 36-46 EntG
regeln das Verfahren zur Bewilligung der Enteignung, die
§
§ 47-81 EntG
das Schätzungsverfahren. Zur Ausübung des Enteignungsrechtes durch den Kanton oder zur Gewährung dieses Rechtes an Dritte bedarf es eines Beschlusses des Landrates (
§ 36 EntG
). Für Werke von Einwohnergemeinden wird das Enteignungsrecht durch die Einwohnergemeindeversammlung geltend gemacht. Dieser Enteignungsbeschluss bedarf zu seiner Gültigkeit der Genehmigung des Regierungsrates; er kann ausserdem von jedem Stimmberechtigten innert 10 Tagen beim Regierungsrat angefochten werden (
§ 38 EntG
). Wie das Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft in einem Entscheid vom 29. Mai 1967 feststellte, steht die Legitimation zur Anfechtung nicht nur dem Stimmbürger, sondern jedermann zu, der in seinen rechtlichen Interessen betroffen ist, und es können in diesem Rechtsmittelverfahren auch Fragen enteignungsrechtlicher Art aufgeworfen werden (Bericht des Verwaltungsgerichtes 1967 S. 20). Nach Gewährung des Enteignungsrechtes findet ein Plangenehmigungsverfahren statt (§§ 39-43). Der Werkplan und die Grunderwerbstabelle werden in den Gemeinden, auf deren Gebiet die Enteignung erfolgen soll, öffentlich aufgelegt. Gleichzeitig werden die betroffenen Grundeigentümer von der Planauflage in Kenntnis gesetzt; sie erhalten einen Auszug aus der Grunderwerbstabelle zugestellt unter Hinweis darauf, dass sie gegen "ihre Inanspruchnahme" binnen 10 Tagen seit Planauflage schriftlich Einsprache erheben können und innert der gleichen Frist ihre Entschädigungsforderungen anzumelden haben (§ 40). Es kann, sofern die von der Enteignung Betroffenen genau bestimmbar sind, auch ein abgekürztes Plangenehmigungsverfahren durchgeführt werden, bei dem auf eine öffentliche Planauflage verzichtet wird (§ 41). Die Plangenehmigung obliegt dem Regierungsrat, der auch über die eingegangenen Einsprachen entscheidet(§ 42). Für Werke von Einwohnergemeinden
BGE 102 Ia 553 S. 556
enthält
§ 43 EntG
wiederum eine Sonderbestimmung: Es findet ebenfalls das vollständige oder abgekürzte Planauflageverfahren statt, doch erfolgt die Plangenehmigung durch den Gemeinderat; sein Entscheid kann von jedem abgewiesenen Einsprecher an den Regierungsrat weitergezogen werden. Der Abschluss des Plangenehmigungsverfahrens wird dem Präsidenten des Enteignungsgerichtes mitgeteilt (§ 42 Abs. 3 und § 43 Abs. 3).
§ 44 EntG
bestimmt unter dem Randtitel "Verträge" folgendes:
"1 Erklärungen, in welchen die Pflicht zur Duldung der Enteignung freiwillig und vorbehaltlos anerkannt wird, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form.
2 Streitigkeiten, welche aus solchen Erklärungen entstehen, entscheidet das Enteignungsgericht endgültig."
Vorschriften, welche die Möglichkeit einer vertraglichen Verständigung vorsehen, finden sich auch im Gesetzesabschnitt über das Schätzungsverfahren. Der Präsident des Enteignungsgerichtes führt ein Vorverfahren durch mit dem Ziel, über die Enteignungsentschädigung eine "gütliche Verständigung" herbeizuführen oder die Grundlage für die nachfolgende Hauptverhandlung zu schaffen (§ 50). Können sich die Parteien in diesem Vorverfahren über die Entschädigungsansprüche einigen, so kommt dem Protokoll, vorbehältlich von § 68 Abs. 2, die Wirkung eines rechtskräftigen Entscheides zu (§ 60). § 68 Abs. 2 bestimmt, dass die "während des bisherigen Verfahrens" zustandegekommenen Vereinbarungen durch das Enteignungsgericht zu genehmigen sind, welches bei offensichtlicher Benachteiligung des Enteigneten die Entschädigung abweichend von der Vereinbarung festsetzen kann. Nach § 79 bedarf eine "nach Einleitung des Enteignungsverfahrens, aber ausserhalb des Verfahrens" zustandegekommene Verständigung über die Entschädigung zu ihrer Verbindlichkeit der schriftlichen Form und unterliegt ebenfalls der Genehmigung durch das Enteignungsgericht.
3.
a) Im vorliegenden Fall wurde das Verfahren, das nach
§ 38 EntG
zur Geltendmachung des Enteignungsrechtes für Werke von Einwohnergemeinden erforderlich ist, nicht durchgeführt. Die Gemeinde Reinach besitzt im Sinne von §§ 112 ff. des kantonalen Gemeindegesetzes vom 28. Mai 1970 eine ausserordentliche Gemeindeorganisation, nach der die
BGE 102 Ia 553 S. 557
der Gemeindeversammlung zustehenden Befugnisse einem Einwohnerrat (Gemeindeparlament) übertragen sind. Auch die Geltendmachung des Enteignungsrechtes ist in Reinach heute Sache des Einwohnerrates (§ 23 Ziff. 8 der Gemeindeordnung vom 7. Juni 1971, in Kraft seit 1. Januar 1972).
Das formelle Enteignungsverfahren gegen die Beschwerdeführer wurde vom Gemeinderat eingeleitet, ohne dass, wie in
§ 38 EntG
verlangt, das gesetzlich zuständige kommunale Organ (die Gemeindeversammlung bzw. seit Inkrafttreten der neuen Gemeindeordnung der Einwohnerrat) das Enteignungsrecht geltend gemacht und der Regierungsrat die zur Gültigkeit eines solchen Beschlusses erforderliche Genehmigung erteilt hätte. Es bestand dementsprechend auch keine Möglichkeit zur Ergreifung des in
§ 38 Abs. 3 EntG
vorgesehenen Rechtsmittels.
b) Das Enteignungsgericht nahm an, dass der von einem Enteignungsbegehren betroffene Grundeigentümer durch Abgabe einer Duldungserklärung gemäss
§ 44 EntG
sowohl auf die Planauflage als auch auf sein Einspracherecht verzichten könne. Die in § 44 vorgesehene Verständigungsmöglichkeit bezwecke eine Vereinfachung des Enteignungsprozesses und habe nur einen Sinn, wenn dadurch ein Grossteil des langwierigen Enteignungsbewilligungsverfahrens, nämlich die Planauflage und die Einsprachebehandlung, entfalle. Das Enteignungsgericht mass aber im folgenden der Duldungserklärung gemäss § 44 nicht nur diese beschränkte Bedeutung bei, sondern es ging ohne weitere Begründung davon aus, dass durch eine derartige Erklärung auch das besondere Verfahren zur Ausübung oder Geltendmachung des Enteignungsrechtes (
§
§ 36-38 EntG
) ersetzt werde und diese Erklärung schon für sich allein die Abtretungspflicht des Eigentümers zu begründen vermöge. Ob der Gemeinderat Reinach ohne Zustimmung weiterer Organe ein Enteignungsverfahren einleiten konnte, prüfte das Enteignungsgericht lediglich unter dem Gesichtswinkel der Krediterteilung; es nahm an, der zum Erwerb der Liegenschaft erforderliche Kreditbeschluss der Gemeindeversammlung könne auch erst nach Einleitung des Enteignungsverfahrens gefasst werden.
c) Der zwangsweise Entzug einer Liegenschaft stellt einen besonders schweren Eingriff in das Eigentum dar. Das Bundesgericht prüft daher im Rahmen der vorliegenden, auf
BGE 102 Ia 553 S. 558
Art. 22ter BV
gestützten Beschwerde wenn nicht die Bemessung der Entschädigung, so doch die Auslegung von
§ 44 EntG
, von der die Zulässigkeit der Enteignung als solcher abhängt, mit freier Kognition (
BGE 99 Ia 250
f. E. 2 mit Hinweisen).
d) In welchem Sinne der Gesetzgeber durch
§ 44 EntG
die Möglichkeit einer freiwilligen Regelung der Abtretungspflicht eröffnen wollte, ist aufgrund des Wortlautes dieser Bestimmung nicht ganz klar.
§ 44 EntG
bezieht sich aber offensichtlich auf das in den vorangehenden Vorschriften (§§ 39-43) behandelte Plangenehmigungsverfahren, und es liegt schon aus diesem Grunde nahe, die Bestimmung dahin auszulegen, dass der Eigentümer "die Pflicht zur Duldung der Enteignung" in dem Sinne durch schriftliche Erklärung "anerkennen" kann, dass er auf das ihm im (normalen oder abgekürzten) Plangenehmigungsverfahren zustehende Einspracherecht verzichtet. Die Auffassung des Enteignungsgerichtes, der Eigentümer könne aufgrund von § 44 darüber hinaus auch auf das der Plangenehmigung vorangehende Verfahren zur Feststellung des Enteignungsfalles verzichten und auch ohne Vorliegen eines gültigen Enteignungsbeschlusses gegenüber jedem potentiellen Enteigner durch einfache schriftliche Erklärung die unwiderrufliche Verpflichtung zur Eigentumsabtretung eingehen, dürfte schwerlich dem Sinne des Gesetzes entsprechen. Es ist immerhin darauf hinzuweisen, dass nach
§ 68 Abs. 2 und
§ 79 EntG
jede Vereinbarung über die Höhe der Entschädigung, die der Enteignete mit dem Enteigner nach Einleitung des Expropriationsverfahrens innerhalb oder ausserhalb desselben trifft, zu ihrer Verbindlichkeit der Genehmigung durch das Enteignungsgericht bedarf; eine derartige obligatorische behördliche Kontrolle ist in den meisten anderen Enteignungsgesetzen nicht vorgesehen. Es ist nicht anzunehmen, dass der basellandschaftliche Gesetzgeber, in völligem Gegensatz zu der für die Entschädigungsbemessung geltenden Regelung, bezüglich der Abtretungspflicht als solcher eine derart weitgehende Gestaltungsfreiheit der Parteien begründen wollte, wie das Enteignungsgericht annimmt.
e) Der Gemeinderat Reinach weist in seiner Vernehmlassung darauf hin, dass sich das Grundstück der Beschwerdeführer in der Zone für öffentliche Werke und Anlagen befinde. Gemäss § 24 des kantonalen Baugesetzes vom 15. Juni 1967
BGE 102 Ia 553 S. 559
(in Kraft seit 1. Januar 1969) könne das Gemeinwesen für Grundstücke in einer solchen Zone das Enteignungsrecht in Anspruch nehmen. Diese Bestimmung enthält indessen lediglich im Sinne von
§ 2 EntG
die gesetzliche Anerkennung eines Enteignungszweckes. Es ist klar, dass das Enteignungsbewilligungsverfahren nach
§
§ 36 ff. EntG
vorbehalten bleibt und die Abtretungspflicht des Eigentümers nicht schon unmittelbar mit der Zoneneinteilung begründet wird (vgl. Aargauische Gerichts- und Verwaltungsentscheide 1969 S. 134 f.). Lediglich bei Strassennetzplänen schliesst die Genehmigung des Planes durch den Regierungsrat aufgrund der ausdrücklichen Vorschrift von § 26 des Baugesetzes zugleich die Gewährung des Enteignungsrechtes in sich, wobei sich dieses Verfahren in der im Enteignungsgesetz vorgesehenen Form abwickelt.
4.
Wieweit sich die Unrichtigkeit der vom Enteignungsgericht vertretenen Auffassung schon aus dem Gesetz selber ergibt, braucht indessen nicht weiter untersucht zu werden. Die Auslegung, die das Enteignungsgericht
§ 44 EntG
geben will, verstösst jedenfalls gegen Art. 2 ÜbBest. BV (derogatorische Kraft des Bundesrechtes), auf welche Verfassungsnorm sich die Beschwerdeführer zwar nicht ausdrücklich, aber doch sinngemäss berufen, was nach der Rechtsprechung genügt (
BGE 101 Ia 567
,
BGE 95 I 163
). Ob ein kantonaler Rechtssatz bzw. die ihm im Einzelfall gegebene Auslegung mit dem Bundesrecht vereinbar ist, prüft das Bundesgericht frei (
BGE 102 Ia 155
,
BGE 96 I 716
mit weiteren Hinweisen).
a) Nach
Art. 657 Abs. 1 ZGB
und
Art. 216 Abs. 1 OR
bedürfen Verträge auf Übertragung von Grundeigentum zu ihrer Verbindlichkeit der öffentlichen Beurkundung. Diese zivilrechtliche Formvorschrift ist nicht anwendbar auf sogenannte Expropriationsverträge, die öffentlichrechtlicher Natur sind und den besonderen Normen des eidgenössischen oder kantonalen Enteignungsrechtes unterstehen. Für derartige im Rahmen eines Expropriationsverfahrens getroffene Vereinbarungen wird regelmässig nur die einfache Schriftform verlangt (IMBODEN, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, ZSR 77/1958 II S. 142a, MEIER-HAYOZ N. 81 zu
Art. 657 ZGB
und N. 32f zu
Art. 666 ZGB
; ULRICH THALMANN, Der Vertrag im Enteignungsverfahren, Diss. Zürich 1970, S. 108; ROBERT HAUSER, Das Expropriationsverfahren nach zürcherischem und eidgenössischem Recht, Diss. Zürich 1946, S. 86; Art. 54 des eidg. Enteignungsgesetzes).
BGE 102 Ia 553 S. 560
Im Vordergrund steht dabei die Möglichkeit der vertraglichen Festlegung der Enteignungsentschädigung. Ein Enteignungsvertrag kann sich aber auch auf Bestand oder Umfang der Abtretungspflicht beziehen, sei es im Sinne einer selbständigen Abmachung oder als Teil einer die Entschädigungsfrage mitumfassenden Gesamtregelung (THALMANN, a.a.O. S. 88-104; IMBODEN, a.a.O. S. 143 f.; HAUSER, a.a.O. S. 85;
BGE 99 Ib 273
,
BGE 77 II 78
). Die Einigung über die Abtretungspflicht kann sich darin erschöpfen, dass der Enteignete auf eine Einsprache gegen die Enteignung verzichtet oder eine bereits erhobene Einsprache zurückzieht; es ist aber auch möglich, dass in Abweichung von den aufgelegten Plänen eine Reduktion oder Ausdehnung der Enteignung vereinbart wird (THALMANN, a.a.O. S. 93-97).
b) Ob und in welcher Form derartige Vereinbarungen zwischen dem Grundeigentümer und dem Exproprianten zulässig sind, beantwortet sich zunächst nach den Vorschriften des betreffenden Enteignungsgesetzes. Es besteht aber allgemein Übereinstimmung darüber, dass für einen schon in einfacher Schriftform gültigen öffentlichrechtlichen Vertrag erst Raum besteht, nachdem das Enteignungsverfahren formgerecht eingeleitet worden ist, und dass Vereinbarungen über die Abtretung von Grundstücken, die vor der Verfahrenseinleitung zustandekommen, den Normen des Privatrechtes und damit auch den privatrechtlichen Formvorschriften unterworfen sind (IMBODEN, a.a.O. S. 139, 142 f.; MEIER-HAYOZ, a.a.O.; THALMANN, a.a.O. S. 105, 116; HAAB, N. 50 zu
Art. 656 ZGB
; HESS, N. 3 zu Art. 54 des eidg. EntG, S. 139;
BGE 99 Ib 273
,
BGE 77 II 78
).
c) Diese Abgrenzung lässt sich, was die unterschiedliche Form der Verträge anbelangt, auch sachlich begründen. Mit dem für privatrechtliche Grundstücksveräusserungsverträge aufgestellten Formerfordernis der öffentlichen Beurkundung wollte der Bundesgesetzgeber die Parteien vor unbedachten Vertragsabschlüssen schützen und ausserdem im Interesse der Rechtssicherheit die Präzision und Klarheit solcher Verträge sicherstellen (MEIER-HAYOZ, N. 2-4 zu
Art. 657 ZGB
). Unter beiden Gesichtspunkten unterscheiden sich die Verhältnisse beim Abschluss eines Expropriationsvertrages von jenen des privaten Rechtsverkehrs. Die Präzision und Klarheit des Vertrages ist durch die Mitwirkung des Enteigners, der in der
BGE 102 Ia 553 S. 561
Regel über fachkundiges Personal mit der notwendigen Erfahrung verfügt, gewährleistet. Aber auch die Gefahr von unbedachten Vertragsabschlüssen fällt im Rahmen eines Expropriationsverfahrens weit weniger ins Gewicht. Wenn sich der Enteignete mit dem Enteigner einigt, so tut er dies, nachdem gegen die betroffenen Grundeigentümer in prozessähnlicher Form, d.h. in der Regel durch Auflage eines Enteignungsplanes und durch persönliche Benachrichtigung der Betroffenen mit gleichzeitigem Hinweis auf das Einspracherecht, ein Verfahren eingeleitet worden ist. Dies gibt dem Grundeigentümer Anlass und Gelegenheit, sich darüber schlüssig zu werden, ob und zu welchen Bedingungen er allenfalls sein Grundeigentum dem Enteigner freiwillig abtreten will. Die formgerechte Verfahrenseinleitung übernimmt in einem gewissen Sinn die Funktion der öffentliche Beurkundung; sie schliesst die Gefahr einer Überrumpelung des Grundeigentümers praktisch ebenfalls aus (Botschaft zum eidg. EntG, BBl 1926 II S. 62 f.; GRISEL, Droit administratif suisse, S. 391), weshalb die blosse Schriftform für Enteignungsverträge als genügend erachtet wird.
d) Für den Abschluss eines öffentlichrechtlichen, nicht den Regeln des Bundesprivatrechtes unterstehenden Enteignungsvertrag kann jedoch erst Raum bestehen, nachdem das Enteignungsrecht für das in Frage stehende konkrete Projekt durch die gesetzlich zuständige Behörde zumindest provisorisch, d.h. unter Vorbehalt weiterer Prüfung in einem noch stattfindenden Einsprache- und Plangenehmigungsverfahren, erteilt oder geltend gemacht und der Umfang der geplanten Expropriation in einem Enteignungsplan festgelegt ist (IMBODEN, a.a.O. S. 142a f.; THALMANN, S. 105; BBl 1926 II S. 62). Diese erste Phase, durch die jedes formelle Enteignungsverfahren, wie unterschiedlich seine Ausgestaltung auch sein mag, regelmässig eingeleitet wird, kann nicht bereits ihrerseits durch eine blosse schriftliche Zustimmungserklärung des Grundeigentümers ersetzt werden. Eine derartige Vereinbarung fiele nicht mehr unter den Begriff des Enteignungsvertrages, wie er in Doktrin und Judikatur verstanden wird. Die besondere enteignungsrechtliche Grundlage, die den zwischen einem Grundeigentümer und einem enteignungsberechtigten Subjekt getroffenen Vereinbarungen öffentlichrechtlichen Charakter verleiht und sie dem Anwendungsbereich des Privatrechtes entzieht,
BGE 102 Ia 553 S. 562
kann nicht vertraglich geschaffen werden. Sie liegt erst vor, wenn das Expropriationsverfahren gestützt auf einen Enteignungsbeschluss der zuständigen Behörden im dargelegten Sinne formgerecht eröffnet und damit die Notwendigkeit und Zulässigkeit der geplanten Enteignung zumindest provisorisch festgestellt ist. Solange es an dieser Voraussetzung fehlt, kann sich der Grundeigentümer gegenüber dem Enteigner nur nach Massgabe der Regeln des Privatrechtes verpflichten, und ein solcher vor Verfahrenseinleitung abgeschlossener Vertrag über die Abtretung von Grundstücken bedarf - was nach dem unter Erw. 4c Gesagten auch sachlich gerechtfertigt ist - zu seiner Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung.
Die gegenteilige Auffassung hätte unhaltbare Konsequenzen: Wenn die blosse schriftliche Anerkennung der Abtretungspflicht die formgerechte Eröffnung des Enteignungsverfahrens zu ersetzen vermöchte, so könnte das Gemeinwesen, da auch die Enteignungsentschädigung durch schriftlichen Vertrag geregelt werden kann, im Hinblick auf sein abstraktes Expropriationsrecht stets durch einfache schriftliche Vereinbarung Grundeigentum erwerben. Der Bundesrat hat jedoch einer kantonalen Vorschrift, nach der Kaufverträge über Grundstücke schon aufgrund der blossen Möglichkeit der Geltendmachung des Enteignungsrechtes (d.h. auch ohne Einleitung eines Enteignungsverfahrens) in einfacher Schriftform zulässig gewesen wären, mit Recht die Genehmigung verweigert (vgl. GALLUSSER, Das Enteignungsrecht des Kantons St. Gallen, Diss. Bern 1952, S. 121, und IMBODEN, a.a.O. S. 143a).
Entsprechendes muss gelten für eine Vereinbarung der hier fraglichen Art, durch die zwar nicht die Entschädigungshöhe, aber doch die Abtretungspflicht als solche ohne formgerechte Verfahrenseröffnung rein vertraglich festgestellt wird und mit der sich der Eigentümer einem nachfolgenden Schätzungsverfahren bedingungslos unterzieht. Falls ein solches Vorgehen aufgrund von § 44 des basellandschaftlichen Enteignungsgesetzes zulässig sein sollte, könnte es sich nur um einen Vertrag des Privatrechtes handeln. Ob ein solcher Vertrag ohne gleichzeitige Festlegung der Abtretungsentschädigung bzw. des Kaufpreises überhaupt statthaft wäre, bleibe dahingestellt (vgl.
Art. 184 Abs. 3 OR
und GUHL/MERZ/KUMMER, OR 6. A. S. 295). Auf jeden Fall bedürfte eine derartige Vereinbarung
BGE 102 Ia 553 S. 563
zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung. Soweit
§ 44 EntG
dahin ausgelegt wird, dass eine blosse schriftliche Zustimmungserklärung des Eigentümers das Enteignungsbewilligungsverfahren, d.h. namentlich die Feststellung des Enteignungsfalles durch die zuständige Behörde (§§ 36-38), ersetzt und schon für sich allein die Abtretungspflicht begründet, steht die Vorschrift im Widerspruch zum Bundeszivilrecht und verstösst damit gegen Art. 2 ÜbBest. BV.
e) Dass die Beschwerdeführer seinerzeit selber die Gemeinde um Übernahme des Grundstückes ersucht und sich gestützt auf die streitige Zustimmungserklärung ihres früheren Rechtsvertreters auf das Schätzungsverfahren zunächst eingelassen haben, vermag den grundlegenden Mangel, der der angefochtenen Expropriation anhaftet, nicht zu heilen. Ziff. 1 des Entscheides des Enteignungsgerichtes, der die schriftliche Zustimmungserklärung der Beschwerdeführer trotz fehlender formgerechter Verfahrenseinleitung als gültig bezeichnet, erweist sich als verfassungswidrig, was nach den Ausführungen unter Erw. 1 die vollumfängliche Aufhebung beider angefochtenen Entscheide nach sich zieht.