BGE 103 II 84 vom 4. Mai 1977

Datum: 4. Mai 1977

Artikelreferenzen:  Art. 9 ZGB, Art. 500 ZGB, Art. 501 ZGB, Art. 518 ZGB, Art. 520 ZGB , Art. 500 und 501 ZGB, Art. 501 Abs. 2 ZGB, Art. 501 Abs. 1 ZGB, Art. 500 Abs. 1 und 2 ZGB, Art. 9 Abs. 1 ZGB

BGE referenzen:  146 III 1 , 89 II 367

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

103 II 84


13. Urteil der II. Zivilabteilung vom 4. Mai 1977 i.S. C. gegen X. und Y.

Regeste

Klage auf Ungültigerklärung eines Testamentes ( Art. 520 ZGB ); Zeugenbescheinigung bei der öffentlichen letztwilligen Verfügung ( Art. 501 Abs. 2 ZGB ).
1. Passivlegitimation des Willensvollstreckers bei der Ungültigkeitsklage (E. 1).
2. In der Zeugenbescheinigung braucht weder eine Bestätigung enthalten zu sein, wonach der Testator die Urkunde vor den Zeugen und der Urkundsperson unterschrieben habe (E. 2a), noch bezeugt zu werden, dass der Testator die in Art. 501 Abs. 1 ZGB vorgeschriebene Erklärung in Gegenwart der Urkundsperson abgegeben habe (E. 2b).

Sachverhalt ab Seite 85

BGE 103 II 84 S. 85
Am 21. März 1969 errichtete der ledige Arnold E., geb. 1877, eine öffentliche letztwillige Verfügung. Er wies verschiedene Liegenschaften zum Ertragswert seinem Neffen Josef X. zu und bestimmte Rechtsanwalt Y. zum Willensvollstrecker. Das Testament wurde durch Gemeindeschreiber Z. verurkundet. Als Zeugen wirkten Margrith A. und Marie B. mit. Die in der letztwilligen Verfügung enthaltene Zeugenbescheinigung lautet wie folgt:
"Die unterzeichneten Zeugen... bezeugen, dass der Erblasser Arnold E. vor Ihnen die Erklärung abgegeben hat, dass er, der Testator, die vorstehende letztwillige Verfügung gelesen habe, und dass diese seinen letzten Willen enthalte.
Sie erklärten ferner, dass sich der Erblasser nach ihrer Wahrnehmung bei der Abgabe dieser Erklärung im Zustande der Verfügungsfähigkeit befunden hat."
Arnold E. starb am 26. November 1972. Als gesetzliche Erben hinterliess er eine grosse Zahl von Nachkommen vorverstorbener Geschwister. Das Testament wurde am 23. Oktober 1973 eröffnet.
Mit Eingabe vom 18. Juli 1974 erhob die gesetzliche Erbin C. beim Kantonsgericht gegen den Begünstigten und den als Willensvollstrecker eingesetzten Rechtsanwalt Klage auf Ungültigerklärung des Testaments. Zur Begründung machte sie geltend, die darin enthaltene Zeugenbescheinigung entspreche den gesetzlichen Anforderungen nicht; es fehle die Bestätigung, dass der Erblasser die Urkunde vor den Zeugen und der Urkundsperson unterschrieben sowie dass er jenen in Gegenwart des Beamten erklärt habe, das Schriftstück enthalte seinen letzten Willen.
Mit Urteilen vom 24. September/29. Oktober 1975 und vom 3. Dezember 1976 wiesen Kantons- und Obergericht die Klage ab.
Gegen den zweitinstanzlichen Entscheid hat die Klägerin unter Erneuerung ihres im kantonalen Verfahren gestellten Begehrens beim Bundesgericht Berufung erhoben.
Die Beklagten beantragen deren Abweisung.

Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Wie schon in den kantonalen Verfahren bestreitet der Zweitbeklagte, passivlegitimiert zu sein, indem er darauf hinweist,
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dass er lediglich als Willensvollstrecker in die Klage einbezogen worden sei. Allein, dies vermag seine Passivlegitimation nicht auszuschliessen. Denn bei einer Gutheissung müsste auch die Anordnung über die Willensvollstreckung dahinfallen, da sich die Klage gegen das Testament als Ganzes richtet (vgl. TUOR, N. 31, und ESCHER, N. 28 zu Art. 518 ZGB ).

2. Die angefochtene letztwillige Verfügung wurde nach Massgabe der Art. 500 und 501 ZGB errichtet. Danach gibt die Urkundsperson dem Erblasser das von ihr anhand der Mitteilung des letzten Willens aufgesetzte Testament zu lesen, worauf dieser die Urkunde zu unterzeichnen hat ( Art. 500 Abs. 1 und 2 ZGB ). Weiter ist vorgeschrieben, dass der Erblasser unmittelbar im Anschluss daran den beiden beizuziehenden Zeugen in Gegenwart des Beamten erkläre, er habe die Urkunde gelesen und sie enthalte seinen letzten Willen ( Art. 501 Abs. 1 ZGB ). Dass dies im vorliegenden Fall tatsächlich so geschah, ist unbestritten.
Gemäss Art. 501 Abs. 2 ZGB haben die Zeugen sodann mit ihrer Unterschrift auf der Urkunde zu bestätigen, "dass der Erblasser vor ihnen diese Erklärung abgegeben und dass er sich nach ihrer Wahrnehmung dabei im Zustande der Verfügungsfähigkeit befunden habe". Es ist zu prüfen, ob die Zeugenbescheinigung im angefochtenen Testament dieser Vorschrift genügt.
a) Von vornherein nicht zu der von den Zeugen abzugebenden Bestätigung gehört die Erklärung, der Erblasser habe die Urkunde vor ihnen und der Urkundsperson unterschrieben. Der Grund liegt darin, dass jene bei der Unterzeichnung des Schriftstücks durch den Erblasser gar nicht anwesend zu sein brauchen ( BGE 60 II 275 ; TUOR, N. 1, und ESCHER, N. 1 zu Art. 501 ZGB ; TUOR/SCHNYDER, Das schweiz. Zivilgesetzbuch, 9. Aufl., S. 377; PIOTET, Droit successoral, S. 212). Mit ihrer gegenteiligen Auffassung verkennt die Klägerin, dass es sich beim Lesen und Unterzeichnen der Urkunde durch den Erblasser einerseits und der Mitwirkung der Zeugen andererseits um zwei getrennte Akte handelt, die lediglich zeitlich in einem engen Zusammenhang stehen, weil sie unmittelbar aufeinander folgen müssen.
b) In zweiter Linie wird geltend gemacht, die im angefochtenen Testament enthaltene Zeugenbescheinigung sei auch
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deshalb mangelhaft, weil eine Bestätigung darüber fehle, dass der Erblasser die in Art. 501 Abs. 1 ZGB vorgeschriebene Erklärung in Anwesenheit der Urkundsperson abgegeben habe. Richtig ist, dass letzteres vom Gesetz verlangt wird ( BGE 60 II 276 ; ESCHER, N. 3 zu Art. 501 ZGB ). Eine andere Frage ist es jedoch, ob die Zeugenbestätigung die Erfüllung dieser Voraussetzung erwähnen muss. Nach dem Gesetzeswortlaut ist dies nicht erforderlich, denn in Art. 501 Abs. 2 ZGB heisst es lediglich, die Zeugen hätten zu bestätigen, dass der Erblasser die Erklärung "vor ihnen" ("en leur présence", "in loro presenza"), also vor den Zeugen selber, abgegeben habe. Es fragt sich, ob über diesen klaren Wortlaut hinaus verlangt werden könne, dass die Zeugen ausserdem bestätigen, auch der Urkundsbeamte sei anwesend gewesen.
Gegen die Bejahung dieser Frage spricht zunächst das Gebot der Rechtssicherheit. Die Einhaltung der für die Testamentserrichtung vorgeschriebenen Form ist von so grosser Tragweite, dass die am Rechtsakt Beteiligten in ihrem Vertrauen auf eine möglichst wörtliche Befolgung des Gesetzes zu schützen sind. Die Formerfordernisse dürfen schon aus diesem Grunde nicht über den Gesetzeswortlaut hinaus ausgedehnt werden. Dazu kommt, dass der Zweck der gesetzlichen Regelung dies gar nicht erfordert. Mit dem Beizug zweier Zeugen und ihrer Bescheinigung auf der Testamentsurkunde soll nämlich eine klare Feststellung darüber erwirkt werden, dass der Erblasser sich von der Übereinstimmung des Urkundeninhalts mit dem von ihm kundgegebenen Willen Gewissheit verschafft und darüber eine ausdrückliche Erklärung abgegeben hat ( BGE 89 II 367 E. 2) sowie dass er sich dabei - soweit ersichtlich - im Zustande der Verfügungsfähigkeit befand. Auf diese Wahrnehmungen muss sich deshalb die Bestätigung der Zeugen vernünftigerweise beschränken können.
Der Hinweis der Klägerin auf Anregungen, die verschiedene Autoren für die Formulierung der Zeugenbescheinigung gemacht haben, ist unbehelflich. Diese Vorschläge sind zum Teil weiter gefasst als unbedingt notwendig, sei es aus Vorsicht, sei es im Bestreben, möglichst viele Tatsachen dem erleichterten Beweis durch eine öffentliche Urkunde ( Art. 9 Abs. 1 ZGB ) zuzuführen. TUOR weist in seinem Kommentar ausdrücklich darauf hin, dass in der von ihm vorgeschlagenen Bestätigungsformel
BGE 103 II 84 S. 88
die Worte "in Gegenwart von Notar..." streng genommen fehlen dürften (N. 11 zu Art. 501 ZGB ). Auch aus den andern einschlägigen Werken geht mindestens indirekt hervor, dass sich der notwendige Inhalt der Bestätigung der Zeugen auf deren Wahrnehmung über die vom Erblasser abzugebende Anerkennungserklärung und dessen Geisteszustand beschränkt (ESCHER, N. 5/6 zu Art. 501 ZGB ; TUOR/SCHNYDER, a.a.O. S. 378; PIOTET, a.a.O. S. 212: vgl. auch BGE 42 II 204 E. 1).

Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts vom 3. Dezember 1976 bestätigt.

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