BGE 103 IV 267 vom 15. Dezember 1977

Datum: 15. Dezember 1977

Artikelreferenzen:  Art. 49 SSV , Art. 49 Abs. 4 lit. a SSV, Art. 90 Ziff. 1 und 27 Abs. 1 SVG, Art. 49 Abs. 1 SSV

BGE referenzen:  85 IV 156, 90 IV 99, 92 IV 212, 101 IV 338

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

103 IV 267


74. Urteil des Kassationshofes vom 15. Dezember 1977 i.S. G. gegen Statthalteramt des Bezirkes Zürich

Regeste

Art. 49 Abs. 4 lit. a SSV .
Richtiges Verhalten vor einer Lichtsignalanlage, insbesondere beim Aufleuchten des Gelblichts.

Sachverhalt ab Seite 268

BGE 103 IV 267 S. 268

A.- G. fuhr am 1. Oktober 1976 nach 11 Uhr mit seinem Lastwagen innerorts durch die Zürcherstrasse in Dietikon Richtung Zürich. Als er sich der Schönenwerdkreuzung näherte, schaltete die Signalanlage von Grün auf Gelb. Statt zu bremsen, beschleunigte G. seine Geschwindigkeit von ca. 60 km/h noch etwas, um vor dem Wechsel auf Rotlicht durchzukommen. Die Ampel schaltete auf Rot, als der Lastwagen noch 5 m von der Anlage entfernt war. G. fuhr trotzdem in unvermindertem Tempo über die Kreuzung. Der Fahrtschreiber zeigte eine Höchstgeschwindigkeit von 65 km/h.
Hätte G. beim Aufleuchten des Gelblichtes sofort gebremst, so wäre es ihm mit normaler Betriebsbremsung möglich gewesen, vor dem Signal anzuhalten.

B.- G. wurde vom Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich wegen Missachtung des Rotlichts gemäss Art. 90 Ziff. 1 und 27 Abs. 1 SVG sowie Art. 49 Abs. 1 SSV zu Fr. 50.-- Busse verurteilt. Das Obergericht des Kantons Zürich wies am 21. Juni 1977 seine Nichtigkeitsbeschwerde ab.

C.- Mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde macht G. geltend, er habe sich auf die normale Dauer der Gelbphase von vier Sekunden verlassen dürfen; nur weil die Phase mit drei Sekunden anormal kurz gewesen sei, habe er nicht mehr durchfahren können. Er sei nicht verpflichtet gewesen, eine Schnellbremsung vorzunehmen, was zu Auffahrkollisionen hätte führen können.

Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Soweit die tatsächlichen Verhältnisse vom Beschwerdeführer anders dargestellt werden als von der Vorinstanz, ist er nicht zu hören. Einwendungen gegen das Beweisverfahren und die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz sind unzulässig (Art. 273 Abs. 1 lit. b, 277bis Abs. 1 BStP). Es ist also von der Tatsache auszugehen, dass der Lastwagen mit normaler Betriebs- und nicht etwa nur mit brüsker Notbremsung rechtzeitig vor dem Signal hätte angehalten werden können, wenn der Beschwerdeführer beim Lichtwechsel auf Gelb sofort gebremst hätte. Ebenso steht fest, dass das Licht auf Rot schaltete, als der Lastwagen noch 5 m entfernt war.
BGE 103 IV 267 S. 269

2. Die Bedeutung der Gelblichtphase zwischen Grün und Rot ergibt sich für den vernünftigen Fahrer von selbst und ist in Art. 49 Abs. 4 lit. a SSV lapidar wiedergegeben: "Halt für Fahrzeuge, die noch vor der Verzweigung halten können". Ausführlicher umschrieben ist sie in BGE 85 IV 156 , BGE 90 IV 99 und BGE 92 IV 212 . Durch die Lichtsignale soll verhindert werden, dass mehrere Verkehrsströme gleichzeitig die gleiche Verkehrsfläche benützen. Dabei hat das stehende Gelblicht den Zweck, dem Fahrer vor dem Aufleuchten des absolut Halt gebietenden Rot die Möglichkeit zu geben, mit normaler Bremsung anzuhalten oder, wenn das nicht mehr möglich ist, die geschützte Verkehrsfläche zu verlassen, bevor der andere Verkehrsstrom Grünlicht erhält. Es folgt daraus, dass der Fahrer bei Grün in normalem, den Verhältnissen angepasstem Tempo weiterfahren darf, immerhin im Hinblick auf den möglichen Farbwechsel mit Bremsbereitschaft, um nötigenfalls sofort anhalten zu können. Gelingt ihm dies nicht mehr ganz vor einem Haltebalken, so hat er womöglich vor der gemeinsam benützten Verkehrsfläche zu halten, wenn auch nach dem Balken ( BGE 101 IV 338 ). Keinesfalls darf er bei Rotlicht noch in diese Verkehrsfläche hineinfahren.

3. Der Beschwerdeführer hätte beim Aufleuchten des Gelblichtes noch mit normaler Bremsung vor dem Licht anhalten können. Noch besser wäre er dazu in der Lage gewesen, wenn er bei der Annäherung an die Kreuzung nicht noch etwas beschleunigt hätte, sondern mit der örtlichen Lage angepasster Geschwindigkeit, d.h. nicht mit der Innerortshöchtsgeschwindigkeit, weitergefahren wäre. Mit diesen Feststellungen ist bereits dargetan, dass der Beschwerdeführer zu Recht bestraft wurde. Die Dauer der Gelblichtphase spielt keine Rolle. Hielt der Beschwerdeführer vorschriftsgemäss nach Aufleuchten von Gelb an, so hatte er sich auf jeden Fall richtig verhalten, gleichgültig, wie lange das Signal gelb leuchtete. Hielt er dagegen nicht, obwohl er hiezu in der Lage war, so verstiess er wiederum auf jeden Fall gegen Art. 49 SSV , selbst wenn es ihm bei besonders langer Gelbphase möglich gewesen wäre, die Kreuzung vor dem Wechsel auf Rot zu überqueren.

4. Niemand kann sich der Tatsache verschliessen, dass die Gelbphase häufig dazu missbraucht wird, noch rasch durchzufahren, obwohl an sich angehalten werden könnte. Auch ein
BGE 103 IV 267 S. 270
sehr verbreiteter Missbrauch vermag jedoch die Rechtslage nicht zu ändern.
Höchstens kann einem Fahrer zugestanden werden, dass er es im Zweifelsfall nicht darauf ankommen lassen muss, nur mit brüskem Bremsen oder nicht mehr ganz rechtzeitig vor dem Licht (und eventuell dem Haltebalken) anzuhalten, namentlich wenn dicht aufgeschlossen weitere Fahrzeuge folgen. Eine nicht übertrieben strenge Beurteilung lässt sich besonders bei Fahrzeugen mit langem Bremsweg und geringen Ausmassen bei guter Beschleunigung (z.B. Motorräder) rechtfertigen, die die kritische Verkehrsfläche rasch freigeben. Das Gegenteil trifft für Lastwagen und erst recht für Lastenzüge zu. Diese müssen daher generell mit mässiger Geschwindigkeit auf Verkehrslichter zufahren.

Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.

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