BGE 104 III 42 vom 4. Juli 1978

Datum: 4. Juli 1978

Artikelreferenzen:  Art. 292 StGB, Art. 107 SchKG, Art. 109 SchKG, Art. 275 SchKG , Art. 107 Abs. 4 SchKG, Art. 107 Abs. 2 SchKG

BGE referenzen:  97 III 60, 102 III 140, 103 III 91, 124 III 170, 125 III 391, 136 III 437, 144 III 198 , 102 III 143, 97 III 64, 95 III 15, 102 III 140, 103 III 37, 101 III 63, 88 III 118, 97 III 60, 103 III 92, 103 III 91, 103 III 37, 101 III 63, 88 III 118, 97 III 60, 103 III 92, 103 III 91

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

104 III 42


13. Auszug aus dem Entscheid vom 4. Juli 1978 i.S. Bank X.

Regeste

Widerspruchsverfahren; Arrest.
Verwirkung des Widerspruchsrechts infolge arglistiger Verzögerung der Anmeldung des Drittanspruchs beim Betreibungsamt.
1. Der Vorwurf der arglistigen Verzögerung kann sich schon dann rechtfertigen, wenn der Dritte mit der Anmeldung seiner Rechte ohne beachtlichen Grund längere Zeit zuwartet, obwohl ihm bewusst sein muss, dass er damit den Gang des Betreibungsverfahrens hemmt (Bestätigung der Rechtsprechung).
2. Im Arrestverfahren ist der Drittanspruch schon im Anschluss an den Arrestvollzug, nicht erst nach erfolgter Pfändung, anzumelden (E. 4b).
3. Die Berufung auf das Bankgeheimnis vermag in der Regel die Verzögerung der Anmeldung des Drittanspruchs nicht zu rechtfertigen (E. 4c).

Sachverhalt ab Seite 43

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A.- Gestützt auf den Arrestbefehl Nr. 23, den die F. AG, Bern, für eine Forderung von Fr. 342'576.- nebst Zins zu 6% seit 2. November 1976 gegen O. erwirkt hatte, belegte das Betreibungsamt Zürich 1 am 28. Januar 1977 bei der Bank X. in Zürich den Inhalt von Sicherheitsfächern sowie Kontokorrentguthaben und Wertschriftendepots des Arrestschuldners mit Arrest. Die Bank X. verweigerte "usanzgemäss" jede Auskunft über das Vorhandensein von Arrestgegenständen. Der Arrest wurde fristgerecht prosequiert.
Am 9. Juni 1977 schrieb die Bank X. dem Vertreter der Arrestgläubigerin, sie besitze gegen den Arrestschuldner eine Kreditforderung, die durch die Verpfändung von Wertschriften sichergestellt sei. Da der Wert der verpfändeten Titel ständig abnehme, ersuche sie dringend um Ermächtigung, diese freihändig zu verwerten. Ein allfälliger Mehrerlös, der ihre Forderung übersteige, würde weiterhin gesperrt bleiben. Das Betreibungsamt Zürich 1, das eine Kopie dieses Briefes erhalten hatte, forderte hierauf die Bank X. mit Schreiben vom 13. Juni 1977 auf, innert 10 Tagen über die vom Arrest erfassten Vermögenswerte Auskunft zu erteilen und die Höhe ihrer Pfandrechtsansprachen bekanntzugeben; nach Ablauf dieser Frist könnten Pfandrechtsansprachen nicht mehr entgegengenommen werden. In ihrer Antwort vom 16. Juni 1977 teilte die Bank X. dem Betreibungsamt mit, dass sie dem Arrestschuldner mit Kreditvertrag vom 1. Dezember 1971 eine Kreditlimite ausgesetzt habe, die durch die Verpfändung von Wertschriften gemäss allgemeiner Pfandverschreibung vom gleichen Datum sichergestellt sei; der Kredit sei derzeit beansprucht mit Fr. 419'580.15, während der Kurswert der vom Arrestschuldner verpfändeten Wertschriften Fr. 301'100.- betrage.

B.- Mit Verfügung vom 17. Juni 1977 setzte darauf das Betreibungsamt der Arrestgläubigerin gemäss Art. 109 SchKG Frist zur Einreichung der Widerspruchsklage an. Gegen diese Verfügung beschwerte sich die Arrestgläubigerin beim Bezirksgericht Zürich als unterer kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs mit dem Antrag,
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es sei festzustellen, dass die Bank X. ihr behauptetes Pfandrecht an den bei ihr deponierten Vermögenswerten des Arrestschuldners in der hängigen Arrestprosequierungsbetreibung verspätet angemeldet und deshalb verwirkt habe; demzufolge sei die Verfügung des Betreibungsamtes vom 17. Juni 1977 aufzuheben.
Mit Entscheid vom 16. Dezember 1977 hiess das Bezirksgericht die Beschwerde gut und entsprach dem Begehren der Arrestgläubigerin. Hiegegen rekurrierte die Bank X. an das Obergericht des Kantons Zürich als obere kantonale Aufsichtsbehörde mit dem Antrag, auf die Beschwerde der Arrestgläubigerin sei nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen. Das Obergericht wies den Rekurs mit Beschluss vom 18. April 1978 ab und bestätigte den Entscheid des Bezirksgerichts.

C.- Gegen den Beschluss des Obergerichts rekurrierte die Bank X. unter Aufrechterhaltung ihres im kantonalen Verfahren gestellten Antrags an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer weist den Rekurs ab.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Gemäss Art. 275 SchKG wird der Arrest nach den für die Pfändung aufgestellten Vorschriften vollzogen. Zu diesen Vorschriften, die auch beim Arrestvollzug anwendbar sind, gehören insbesondere diejenigen über das Widerspruchsverfahren ( Art. 106-109 SchKG ). Ein Widerspruchsverfahren ist dann durchzuführen, wenn eine gepfändete bzw. arrestierte Sache vom Schuldner als Eigentum oder Pfand eines Dritten bezeichnet oder von einem Dritten als Eigentum oder Pfand beansprucht wird. Die Eröffnung des Widerspruchsverfahrens setzt voraus, dass das Betreibungsamt vom Schuldner oder vom Dritten über dessen Anspruch unterrichtet wird. Unterlässt es der Dritte, seinen Anspruch anzumelden, und tut dies auch der Schuldner nicht, so kann das Widerspruchsverfahren nicht durchgeführt und der Anspruch in der hängigen Betreibung nicht berücksichtigt werden. Über die Frist, innert welcher der Dritte seine Rechte anmelden muss, damit sie noch berücksichtigt werden können, enthält das Gesetz keine ausdrückliche Bestimmung. Das Bundesgericht vertrat in BGE 37 I 465 ff. E. 2 die Auffassung, es bestehe diesbezüglich eine Gesetzeslücke, die in dem Sinne zu füllen sei, dass der Dritte seinen Anspruch bei Gefahr der Verwirkung spätestens zehn
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Tage seit Kenntnisnahme von der Arrestierung oder Pfändung anzuzeigen habe. Diese strenge Praxis wurde in der Folge gemildert, indem vor allem auf eine feste zeitliche Begrenzung der Anmeldefrist verzichtet und statt dessen darauf abgestellt wurde, ob sich die Verzögerung der Anmeldung nach den Umständen rechtfertigen oder doch entschuldigen lasse ( BGE 48 III 49 ff., BGE 49 III 108 ff., BGE 64 III 13 ff.). Noch weitergehend wurde in BGE 67 III 67 festgehalten, der Drittansprecher verwirke sein Widerspruchsrecht nur dann schon vor der Verteilung des Erlöses, wenn er die Anmeldung seines Anspruchs arglistig verzögere, d.h. mit seiner Säumnis darauf ausgehe, das Betreibungsverfahren zu stören. Nach der neueren Rechtsprechung kann sich jedoch der Vorwurf der arglistigen Verzögerung schon dann rechtfertigen, wenn der Dritte mit der Anmeldung seiner Rechte ohne beachtlichen Grund längere Zeit zuwartet, obwohl ihm bewusst sein muss, dass er damit den Gang des Betreibungsverfahrens hemmt ( BGE 102 III 143 ff. E. 3, BGE 97 III 64 ff. E. 2, BGE 95 III 15 und insbesondere 88 III 117 ff. E. 2-4, mit Hinweisen).

3. In seiner Besprechung von BGE 102 III 140 ff. in ZBJV 114/1978 S. 12 ff. hat AMONN die bundesgerichtliche Rechtsprechung kritisiert und eine Überprüfung der Praxis angeregt. Er weist darauf hin, dass der Dritte nach der gesetzlichen Regelung vor der Verteilung des Erlöses nicht mit der Verwirkung seines Anspruchs rechnen müsse. Aus Art. 107 Abs. 4 SchKG gehe im Gegenteil hervor, dass er bis zu diesem Zeitpunkt seinen Anspruch auf das zu verwertende Vermögensstück oder den bereits daraus erzielten Erlös geltend machen könne, sofern ihm nicht vorher Frist zur Klage angesetzt worden sei. Auf diese Bestimmung müsse er sich verlassen können. Die Verwirkung des Widerspruchsrechts infolge Verzögerung der Anmeldung ohne klare gesetzliche Grundlage sei umso problematischer, als der betroffene Drittansprecher noch gar nicht in gesetzmässiger Weise ins Betreibungsverfahren einbezogen worden sei. Freilich sei es wünschbar, dass Streitigkeiten über die Rechte Dritter an zu verwertenden Gegenständen möglichst frühzeitig erledigt würden. Um dies zu erreichen, genüge es jedoch, den Dritten, der ohne beachtlichen Grund, aus Nachlässigkeit oder aus bösem Willen, mit der Anmeldung seines Anspruchs allzulange zuwarte, für den auf diese Weise schuldhaft verursachten Schaden haften zu lassen. Die Annahme der Verwirkung sei nur dann gerechtfertigt, wenn die Berufung auf
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Art. 107 Abs. 4 SchKG geradezu rechtsmissbräuchlich sei. Verwunderlich sei sodann, dass das Bundesgericht hinsichtlich der Verwirkung des Drittanspracherechts nicht zwischen Arrest und Pfändung unterscheide. Solange das fragliche Vermögensstück erst mit einem vorläufigen Sicherungsbeschlag belegt sei, habe der Dritte noch keinen zwingenden Anlass, durch Anmeldung seines Rechts einen unter Umständen nutzlosen und oft kostspieligen Widerspruchsprozess heraufzubeschwören, denn ob der Arrest überhaupt aufrechterhalten bleibe und erfolgreich bis zur Pfändung prosequiert werde, stehe noch völlig offen. Das Interesse des am Verfahren unbeteiligten Dritten, vor unnötigem Aufwand und Umtrieben verschont zu werden, gehe dem Interesse des Arrestgläubigers, möglichst bald den Exekutionswert des beschlagnahmten Substrats zu kennen, um sich über Nutzen und Notwendigkeit weiterer Vorkehren ein Bild machen zu können, vor. Vorbehalten bleibe auch hier die allfällige Schadenersatzpflicht des Drittansprechers, so wie der Dritte, der die Auskunft über bei ihm verwahrte und mit Arrest belegte Gegenstände verweigere, nach der Rechtsprechung dem Arrestgläubiger für den dadurch entstandenen Schaden hafte ( BGE 103 III 37 /38 E. 1, BGE 101 III 63 E. 3 mit Hinweisen). Was insbesondere die Banken anbetreffe, so hielten sie mit der Anmeldung von Drittansprüchen im Arreststadium deswegen zurück, weil sie nur so dem verpönten Sucharrest wirksam entgegentreten könnten.

4. a) Diese Argumente sind beachtlich. Sie rechtfertigen es indessen nicht, von einer in ihren Grundzügen beinahe 70 Jahre alten Praxis abzugehen. Die Gründe, die das Bundesgericht seinerzeit dazu veranlasst haben, die ohne triftigen Grund nicht innert angemessener Frist angemeldeten Rechte eines Dritten an einem mit Vollstreckungsbeschlag belegten Gegenstand als verwirkt zu betrachten, behalten vielmehr auch heute noch ihre Berechtigung. Wie bereits in BGE 37 I 466 (vgl. auch BGE 88 III 118 ) dargelegt wurde, liegt der Festsetzung kurzer Verwirkungsfristen für die Bestreitung von Drittansprachen und für die Klage auf An- oder Aberkennung solcher Ansprachen (Art. 106 Abs. 2, 107 Abs. 1 und 109 SchKG) sowie der Bestimmung, dass die Betreibung bis zur Erledigung des Widerspruchsprozesses eingestellt wird ( Art. 107 Abs. 2 SchKG ), offensichtlich das Bestreben zugrunde, Streitigkeiten über die Rechte Dritter an mit Beschlag belegten Gegenständen
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möglichst rasch und in einem frühzeitigen Stadium des Betreibungsverfahrens austragen zu lassen. Diesem Bestreben des Gesetzgebers würde es zuwiderlaufen, wenn der Dritte mit der Anmeldung seiner Rechte nach Belieben und ungestraft bis zur Verteilung des Erlöses zuwarten dürfte. Vor allem der Gläubiger hat ein erhebliches Interesse daran, dass Drittansprachen möglichst rasch angemeldet werden. Weiss er von Anfang an, dass die gepfändeten Gegenstände nicht dem Schuldner gehören, kann er sich die Umtriebe und Kosten der Weiterführung der Betreibung ersparen. Er kann sofort Nachpfändung verlangen oder die Ausstellung eines Verlustscheins erwirken, der ihn zur Arrestnahme und zur Anfechtungsklage berechtigt (Art. 271 Abs. 1 Ziff. 5 und 285 Abs. 2 Ziff. 1 SchKG). In dieser Möglichkeit, sich Nachdeckung zu verschaffen, wäre er beeinträchtigt, wenn der Dritte seine Rechte erst am Ende des Verfahrens geltend machen müsste, weil der Schuldner inzwischen möglicherweise sein Vermögen völlig verloren oder es beiseite geschafft hat oder weil andere Gläubiger es gepfändet haben.
Den Gläubiger diesem Risiko auszusetzen, würde sich nur dann rechtfertigen, wenn der Dritte ein schützenswertes Interesse daran hätte, mit der Anmeldung seiner Rechte beliebig, allenfalls bis zur Verteilung des Erlöses, zuzuwarten. Das ist aber in der Regel nicht der Fall. Vom Drittansprecher wird nur verlangt, dass er seine Rechte innert angemessener Frist bekanntgebe. Diese einfache Massnahme, die ihm keinerlei Nachteile bringt, ist ihm zuzumuten. Sie drängt sich auch ohne ausdrückliche gesetzliche Vorschrift und ohne formellen Einbezug in das Verfahren jedem auf, der ein Recht an einem Vermögensstück beansprucht, das vom Betreibungsamt mit Beschlag belegt worden ist. Freilich hat der Dritte darüber hinaus zu gewärtigen, mit dem Gläubiger einen Widerspruchsprozess führen zu müssen, obwohl vielleicht mit dem Schuldner über den Bestand des beanspruchten Rechts kein Streit besteht. Das liegt aber in der Natur des Widerspruchsverfahrens und liesse sich auch dann nicht vermeiden, wenn der Widerspruchsprozess erst in einem späteren Stadium der Betreibung durchgeführt würde. Den Dritten bloss für den aus der Verzögerung der Anmeldung seines Anspruchs entstanden Schaden haften zu lassen, statt den Anspruch als verwirkt zu betrachten, genügt sodann nicht, um das Interesse des Gläubigers an der sofortigen Durchführung des Widerspruchsverfahrens aufzuwiegen.
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Diese Lösung hätte zur Folge, dass der Gläubiger nach allen Umtrieben noch einen Schadenersatzprozess führen müsste. Das ist ihm nicht zuzumuten. Abgesehen davon bietet der Schadenersatzanspruch dem Gläubiger keinen vollkommenen Schutz; seine Durchsetzung kann auf Schwierigkeiten stossen, etwa weil der Drittansprecher im Ausland wohnt (vgl. z.B. den Sachverhalt in BGE 97 III 60 ff.) oder weil er inzwischen in Konkurs gefallen ist. Schliesslich besteht auch kein Anlass, die Verwirkung der Drittrechte nur dann eintreten zu lassen, wenn die Verzögerung der Anmeldung geradezu rechtsmissbräuchlich ist. Hat der Dritte triftige Gründe, mit der Anmeldung seiner Rechte zuzuwarten, so hat er nichts zu befürchten. Fehlen aber solche Gründe und muss er sich bewusst sein, dass er durch sein Zuwarten den Gang des Betreibungsverfahrens stört, so verdient er keinen Schutz und kann sich nicht in guten Treuen auf Art. 107 Abs. 4 SchKG berufen.
b) Besonderes Gewicht legt AMONN bei seiner Kritik auf den Unterschied zwischen Pfändung und Arrest. Seine Ausführungen laufen im Ergebnis darauf hinaus, dass das Widerspruchsverfahren nicht schon im Anschluss an den Arrest, sondern erst nach erfolgter Pfändung in Gang gesetzt werden sollte. Das widerspräche aber der ausdrücklichen Bestimmung von Art. 275 SchKG , wonach der Arrest nach den in den Art. 91-109 für die Pfändung aufgestellten Vorschriften, zu denen gerade auch diejenigen über das Widerspruchsverfahren gehören, vollzogen wird. Das Bundesgericht hat deshalb die Regel, dass Drittansprachen bei Gefahr der Verwirkung unverzüglich anzumelden sind, von Anfang an auch auf den Fall des Arrestes angewandt (vgl. schon BGE 37 I 463 ff.), und es hat in der Folge stets an dieser Praxis festgehalten. Die Besonderheit des Arrestes als eines bloss provisorischen Sicherungsbeschlages rechtfertigt denn auch keine von der Pfändung abweichende Regelung. Auch beim Arrest hat der Gläubiger ein berechtigtes Interesse daran, von Anfang an zu wissen, ob Drittansprachen an den beschlagnahmten Vermögensstücken bestehen. Nur so kann er ermessen, ob sich für ihn die Prosequierung des Arrestes überhaupt lohnt oder ob er nach weiterem arrestierbarem Vermögen forschen soll. Könnte mit der Anmeldung des Drittrechts bis zur Pfändung zugewartet werden, so müsste der Gläubiger damit rechnen, dass das Vollstreckungssubstrat nachträglich wegfällt, so dass er die Umtriebe des Arrestprosequierungsprozesses,
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der unter Umständen jahrelang dauern und grosse Kosten verursachen kann, umsonst auf sich genommen hätte. Mit einem blossen Schadenersatzanspruch gegen den Dritten wäre dem Gläubiger nur schlecht gedient, würde man ihm doch bei dieser Lösung neben dem Arrestprosequierungs- und dem Widerspruchsprozess noch einen dritten Prozess und allenfalls ein Vollstreckungsverfahren zumuten. Dass Banken, die als Dritte im Arreststadium die Auskunft verweigern, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts dem Arrestgläubiger ebenfalls nur zivilrechtlich haften und keine schärfere Sanktion zu gewärtigen haben, jedenfalls soweit sich der Gläubiger nicht auf einen vollstreckbaren Titel stützen kann, kann zu keinem andern Ergebnis führen. Diese Rechtsprechung beruht darauf, dass gegen Dritte im Stadium des Arrestes keine direkten Zwangsmittel eingesetzt werden dürfen und als indirektes Mittel zur Erzwingung der Auskunft nur die zivilrechtliche Haftung in Frage kommt. Bei der arglistigen Verzögerung der Anmeldung von Drittrechten verhält es sich jedoch anders, steht doch hier als weiteres indirektes Zwangsmittel und als adäquatere Sanktion, als es die Schadenersatzpflicht des Dritten wäre, die Verwirkung des Widerspruchsrechts zur Verfügung.
Dass der Dritte, der seine Rechte schon im Anschluss an den Arrest anmelden muss, unter Umständen gezwungen sein kann, einen Widerspruchsprozess zu führen, zu dem es nicht gekommen wäre, wenn die Anmeldung erst bei der Pfändung hätte erfolgen müssen, dann nämlich, wenn der Gläubiger den Arrest gar nicht prosequiert oder wenn er im Arrestprosequierungsprozess unterliegt, muss freilich in Kauf genommen werden. Immerhin dürften diese Fälle verhältnismässig selten sein, so dass sie kaum ins Gewicht fallen. Häufig wird es nämlich gar nicht erst zum Widerspruchsprozess kommen, so vor allem, wenn das Drittrecht liquid ist. Gerade Banken dürfte es in der Regel leicht fallen, den Bestand der von ihnen geltend gemachten Pfand- bzw. Retentionsrechte durch Vorlage von Urkunden sofort zu beweisen, so dass der Gläubiger zum vornherein auf einen Prozess verzichten wird.
c) Schliesslich ist auch einzuräumen, dass auf die Banken ein indirekter Zwang ausgeübt wird, das Bankgeheimnis preiszugeben, wenn sie ihre Rechte an den bei ihnen liegenden und mit Arrest belegten Vermögensstücken schon im Arreststadium
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anmelden müssen. Man kann sich daher fragen, ob die Berufung auf das Bankgeheimnis nicht schlechthin als beachtlicher Grund für die Verzögerung der Anmeldung von Drittansprüchen anerkannt werden sollte. Indessen hat die bundesgerichtliche Praxis, von der abzuweichen kein Anlass besteht, stets daran festgehalten, dass das Bankgeheimnis grundsätzlich vor den betreibungsamtlichen Beschlagsrechten zurückzutreten hat und dass die Banken insbesondere auch im Arrestverfahren auskunftspflichtig sind ( BGE 103 III 92 E. 1 mit Hinweisen). Verpönt ist einzig die Erzwingung der Auskunft durch Androhung von Ungehorsamsstrafe im Sinne von Art. 292 StGB , jedenfalls soweit der Gläubiger nicht einen Vollstreckungstitel vorweisen kann ( BGE 103 III 91 ff. mit Hinweisen). Müssen aber die Banken dem Betreibungsamt ohnehin Auskunft erteilen über die bei ihnen deponierten Gegenstände Dritter, die mit Arrest belegt sind, so können sie durch die Anmeldung ihrer Drittrechte die Pflicht zur Wahrung des Bankgeheimnisses nicht verletzen. Sie haben daher nicht zu befürchten, zivil- oder strafrechtlich haftbar zu werden, wenn sie ihre Rechte schon im Arreststadium anzeigen. In der Praxis fühlen sich die Banken denn auch nicht gehindert, ihre Drittansprüche ungeachtet des Bankgeheimnisses schon im Anschluss an den Arrest anzumelden, obwohl sie sich sonst im allgemeinen strikte weigern, bereits in diesem Stadium des Verfahrens Auskunft zu erteilen (vgl. den Hinweis auf ein entsprechendes Zirkular der Schweizerischen Bankiervereinigung bei AUBERT/ KERNEN/SCHÖNLE, Le secret bancaire suisse, S. 131 N. 417; DUPERREX, De quelques problèmes soulevés par le séquestre en banque, in: Mémoires publiés par la faculté de droit de Genève, No 21, S. 90; KLINGENBERG, Aktuelle Probleme des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, in: Rechtsprobleme der Bankpraxis, S. 104; vgl. auch BODMER/KLEINER/LUTZ, Kommentar zum schweizerischen Bankengesetz, N. 32 am Ende zu Art. 47; SCHWAGER, Das schweizerische Bankgeheimnis, Diss. Freiburg 1973, S. 108). Unter diesen Umständen kann die blosse Berufung auf das Bankgeheimnis als solche nicht genügen, um eine Verzögerung mit der Anmeldung vom Drittrechten zu rechtfertigen (a.M. AUBERT/KERNEN/SCHÖNLE, a.a.O. S. 131/132, die jedoch im Widerspruch zur bundesgerichtlichen Rechtsprechung davon ausgehen, die Bank sei im Arrestverfahren überhaupt nicht auskunftspflichtig).
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Ein Abweichen von diesem Grundsatz liesse sich höchstens als Abwehr gegen die verpönten Sucharreste, zumal wenn sich der Gläubiger auf keinen Vollstreckungstitel stützen kann, in Erwägung ziehen. Dann wäre es aber Sache der Bank, zu behaupten und glaubhaft zu machen, dass es sich im konkreten Fall um einen derartigen Sucharrest handelt. Sie kann das ja mit ihrem Kunden abklären und diesen darauf hinweisen, dass sie zur Wahrung ihres Drittrechts gezwungen ist, dem Betreibungsamt Auskunft zu erteilen, wenn ihr nicht Unterlagen für die Glaubhaftmachung eines solchen besonderen Falles (oder für anderweitige berechtigte Interessen, das Bankgeheimnis vorderhand nicht zu lüften) zur Verfügung gestellt werden, und man wird ihr auch die erforderliche Zeit für solche Abklärungen zubilligen.

5. Im vorliegenden Fall erhielt die Rekurrentin am 28. Januar 1977 Kenntnis vom Arrest, der bei ihr vollzogen wurde. Ihr Pfandrecht an den mit Arrest belegten Wertpapieren meldete sie jedoch erst am 16. Juni 1977 an, zu einem Zeitpunkt, als sowohl das Rechtsöffnungsverfahren wie auch der Arrestprosequierungsprozess (je für einen Teil der in Betreibung gesetzten Forderung) bereits eingeleitet waren. Für diese Verzögerung hatte sie keinen beachtlichen Grund. Mit ihrer Berufung auf das Bankgeheimnis vermag sie ihr Verhalten, abgesehen von den in E. 4 c genannten allgemeinen Gründen, umso weniger zu rechtfertigen, als sie nicht zögerte, es preiszugeben, sobald es um ihre eigenen Interessen ging und sie die einem Wertverlust ausgesetzten verpfändeten Wertschriften verwerten wollte. Überdies stellt sie sich auf den Standpunkt, die Arrestgläubigerin habe schon längst Kenntnis von den Geschäftsbeziehungen zwischen ihr und dem Arrestschuldner gehabt. Dann aber bestand vollends kein Anlass, mit der Anmeldung des Pfandrechts zuzuwarten. Von einem Sucharrest kann unter diesen Umständen offensichtlich nicht die Rede sein. Rechtsmissbrauch kann schliesslich der Arrestgläubigerin nicht vorgeworfen werden, wenn sie gestützt auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung darauf beharrt, dass das von der Rekurrentin geltend gemachte Pfandrecht in der vorliegenden Betreibung ausser acht zu lassen sei. Die Rekurrentin bringt diesbezüglich einzig vor, der Arrestgläubigerin sei bekannt gewesen, dass sie, die Rekurrentin, dem Arrestschuldner einen Kredit gewährt habe, der durch die Verpfändung eines Grundstücks
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gesichert worden sei. Daraus folgt aber nicht zwingend, dass die Gläubigerin auch von der Höhe dieses Kredites und von der Verpfändung der Wertpapiere Kenntnis hatte. Es war jedenfalls nicht ihre Sache, die Rekurrentin zur Bekanntgabe ihrer Ansprüche aufzufordern, selbst wenn sie aus ihrem Wissen um die Geschäftsbeziehungen zwischen der Rekurrentin und dem Arrestschuldner mit allfälligen Pfandrechten am arrestierten Wertpapierdepot hätte rechnen müssen.
Bestand aber für das Zuwarten mit der Anmeldung des Pfandrechts kein beachtlicher Grund, so hat die Vorinstanz dieses Pfandrecht zu Recht als im Rahmen der vorliegenden Betreibung verwirkt betrachtet. Der Rekurs ist daher abzuweisen.

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