Urteilskopf
104 IV 77
24. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 14. April 1978 i.S. L. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich
Regeste
Art. 3, 6, 152, 167 StGB; Auslieferungsrecht.
1. Die Verletzung des Grundsatzes der Spezialität ist mit Nichtigkeitsbeschwerde geltend zu machen. Der Beschuldigte, der mit seiner Zustimmung vom Ausland bedingungslos an die Schweiz ausgeliefert wurde, kann seine Verurteilung in der Schweiz nicht wegen Verletzung des Grundsatzes der Spezialität anfechten (E. 2).
2. Zahlungsunfähig im Sinne des
Art. 167 StGB
ist eine Aktiengesellschaft, wenn ihre Aktiven die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger nicht mehr decken. Die Deckung muss auch Forderungen erfassen, die noch nicht fällig sind, aber mit grosser Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft fällig werden (E. 3).
3. Wer fortgesetzt Briefpapier mit unwahrem Briefkopf für Äusserungen unterschiedlichen Inhalts verwendet, macht keine öffentliche Mitteilung gemäss
Art. 152 StGB
(E. 5).
4. Die in der Schweiz begangene Teilnahme (Anstiftung) an einer im Ausland ausgeführten Haupttat (Fälschung von Ausweisen) gilt als im Ausland verübt. Der Teilnehmer ist in der Schweiz nur unter der Voraussetzung zu verfolgen, dass er nach schweizerischem Recht für Auslandstaten (hier nach
Art. 6 Ziff. 1 StGB
) strafbar ist (E. 7).
Aus den Erwägungen:
2.
Mit der Beschwerde wird geltend gemacht, das angefochtene Urteil verletze Auslieferungsrecht, nämlich den schweizerisch-französischen Auslieferungsvertrag vom 9. Juli 1869 (BS 12, S. 96).
a) Der vom Obergericht des Kantons Zürich am 16. Februar 1976 zur internationalen Fahndung ausgeschriebene Beschwerdeführer wurde am 12. Juni 1976 in Frankreich verhaftet. Der darauf den französischen Behörden zugestellte Haftbefehl und das entsprechende Auslieferungsbegehren vom 16. Juni 1976 verwiesen im einzelnen auf die erstinstanzliche, noch nicht rechtskräftige Verurteilung vom 30. Juni 1975 sowie auf das obergerichtliche Urteil vom 14. April 1972 und den noch nicht rechtskräftigen Beschluss des Bezirksgerichts Zürich vom 30. Juni 1975 betreffend den Vollzug der am 14. April 1972 ausgefällten Strafe. Ebenfalls am 16. Juni 1976 verlangte auch die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich die Auslieferung des Beschwerdeführers zur Verbüssung einer vom zürcherischen Obergericht am 7. Februar 1975 ausgesprochenen Strafe von drei Monaten Gefängnis.
Am 3. August 1976 teilte das französische Aussenministerium mit, der Angeklagte habe einer Auslieferung an die
BGE 104 IV 77 S. 79
Schweiz "sans formalités" zugestimmt. Die Auslieferung erfolgte am 16. August 1976.
b) Die Beschwerde richtet sich nicht gegen die Auslieferung an sich, sondern gegen die zweitinstanzliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Gläubigerbevorzugung und unwahrer Angaben über Handelsgesellschaften sowie gegen die Anordnung des Vollzuges der am 14. April 1972 ausgesprochenen Strafe von acht Monaten Gefängnis. Keiner der beiden genannten Straftatbestände falle unter den in Art. 1 des Staatsvertrages aufgestellten Katalog der Auslieferungsdelikte, und auch der Widerruf des bedingten Strafvollzuges werde dort nicht vorgesehen. Das angefochtene Urteil verletze somit den in Art. 8 des Abkommens aufgestellten Grundsatz der Spezialität.
Der Kassationshof hat sich bereits in
BGE 81 IV 290
auf den Standpunkt gestellt, die Verletzung des Grundsatzes der Spezialität durch den kantonalen Richter könne vom Ausgelieferten als Verletzung eidgenössischen Rechts beim Bundesgericht gerügt werden. Dieser Auffassung hat sich nach einem Meinungsaustausch mit dem Bundesrat und dem Kassationshof auch die staatsrechtliche Kammer des Bundesgerichts angeschlossen (
BGE 82 I 169
f.; vgl. auch VEV 1957 Nr. 83, 82). An der geltenden Rechtsprechung, nach welcher der Grundsatz der Spezialität als strafrechtliche Bestimmung im Sinne des
Art. 84 Abs. 1 lit. c OG
und nicht als strafprozessuale angesehen wird, ist festzuhalten. Hinzu kommt, dass der Grundsatz der Spezialität kein verfassungsmässiges Recht im Sinne von
Art. 84 lit. a OG
ist. Da somit
Art. 269 Abs. 2 BStP
nicht eingreift und eine Verletzung der Spezialität nur vorfraglich in einer Bundesstrafsache geltend gemacht wird, geht die Nichtigkeitsbeschwerde der staatsrechtlichen ohnehin vor (
Art. 84 Abs. 2 OG
). Auf die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher einzutreten.
c) Der Beschwerdeführer macht insbesondere geltend, er habe - entgegen der Annahme der Vorinstanz - nicht vorbehaltlos der Auslieferung für alle im Haftbefehl vom 16. Juni 1976 aufgeführten Delikte und zum Vollzug der bedingten Gefängnisstrafe von acht Monaten zugestimmt.
Der Beschwerdeführer hat die Vorinstanz missverstanden. Sie geht davon aus, zwischenstaatliche Auslieferungsverträge berechtigten und verpflichteten ausschliesslich die beteiligten
BGE 104 IV 77 S. 80
Staaten, nicht die Verfolgten. Es erübrige sich daher zu prüfen, welche Umstände im vorliegenden Fall Frankreich veranlasst hätten, einer umfassenden Beurteilung des Angeklagten für alle im Auslieferungsgesuch enthaltenen Delikte durch die schweizerischen Gerichte zuzustimmen.
Die Frage, ob und inwieweit der Verfolgte sich auf zwischenstaatliche Auslieferungsverträge berufen kann, ist umstritten (vgl. VEB 1957, Nr. 83). Dazu ist hier nicht allgemein Stellung zu beziehen. Was der Beschwerdeführer in Wirklichkeit anficht, ist der Auslieferungsentscheid des Appellationsgerichtes Reims bzw. die gestützt darauf durch die französische Regierung erfolgte Auslieferung des Beschwerdeführers an die Schweiz. Diese Hoheitsakte Frankreichs sind weder mit staatsrechtlicher noch mit Nichtigkeitsbeschwerde anfechtbar. Die Zustimmung zur Auslieferung beurteilt sich überdies nach fremdem Recht (Art. 15 des französischen Auslieferungsgesetzes vom 10. März 1927; vgl. DALLOZ, CPP, nach Art. 696 CPP) und unterliegt daher nicht der Überprüfung des Bundesgerichts. Zudem bestünde kein Anlass, die Gültigkeit der Einwilligung des mit einem Anwalt verbeiständeten Beschwerdeführers nach französischem Recht in Frage zu stellen. Anders wäre die Stellung des Angeklagten, wenn er geltend machen würde, die Schweiz halte die ihr vom ersuchten Staate auferlegten Auslieferungsbedingungen nicht ein. Dies aber behauptet der Beschwerdeführer nicht.
Die auslieferungsrechtlichen Einwendungen des Beschwerdeführers gegen die Verurteilung wegen Gläubigerbevorzugung und wegen unwahrer Angaben über eine Handelsgesellschaft sowie gegen den Vollzug der am 14. April 1972 ausgefällten Strafe von acht Monaten Gefängnis sind demnach nicht begründet.
3.
Wegen Bevorzugung eines Gläubigers (
Art. 167 StGB
) hat sich der Schuldner zu verantworten, der im Bewusstsein seiner Zahlungsunfähigkeit und in der Absicht, einzelne seiner Gläubiger zum Nachteil anderer zu bevorzugen, darauf abzielende Handlungen vornimmt, insbesondere nicht verfallene Schulden bezahlt, eine verfallene Schuld anders als durch übliche Zahlungsmittel tilgt, eine Schuld aus eigenen Mitteln sicherstellt, ohne dass er dazu verpflichtet war. Bedingung ist, dass über den Schuldner der Konkurs eröffnet oder gegen ihn ein Verlustschein ausgestellt worden ist. Wird die Gläubigerbevorzugung
BGE 104 IV 77 S. 81
im Geschäftsbetrieb einer Aktiengesellschaft begangen, so findet die Strafbestimmung auf die Direktoren, Mitglieder des Verwaltungsrates usw. Anwendung, welche die Handlung begangen haben (
Art. 172 Abs. 1 StGB
).
a) Der Beschwerdeführer war Alleinaktionär, Geschäftsführer und einziges Mitglied des Verwaltungsrates der am 15. Juli 1966 gegründeten Firma "Caropa AG, Zürich", die am 8. August 1969 in "Caropa-Treuhand AG, Zürich" umbenannt wurde (im folgenden "Caropa" genannt).
Die Caropa hatte im Sommer und Herbst 1971 mit zahlreichen Gebietsvertretern Alleinvertretungsverträge abgeschlossen, in denen sich die Vertreter verpflichteten, von der Caropa bestimmte Mengen von Waren, vorwiegend Fischköderpaste, käuflich zu übernehmen. Die Caropa ihrerseits verpflichtete sich, diese Waren zu liefern und die Werbung zu besorgen. Die Fischköderpaste wurde indessen viel zu teuer an die Vertreter verkauft, denn sie konnte von den Endverbrauchern anderswo zu einem preis bezogen werden, der unter dem von der Caropa bezahlten Einstandspreis lag. Viele Vertreter fochten deshalb den Vertrag an, erklärten den Rücktritt vom Vertrag und verlangten von der Caropa die Rücknahme der Ware gegen Rückerstattung des bezahlten Preises. Ein solcher Anspruch stand jedoch nur neun Gebietsvertretern zu, denen gegenüber die Caropa in der Zeit vom 30. Oktober 1971 bis 1. Februar 1972 die vertragliche Verpflichtung eingegangen war, die Restbestände zum Ankaufspreis der Vertreter zurückzunehmen, sofern die Ware nicht innert sechs Monaten nach ihrer Lieferung vollständig verkauft werden könne.
Die Bilanz der Caropa vom 13. Dezember 1971 wies nebst einem Aktienkapital von Fr. 50 000.- ein Fremdkapital von Fr. 133 263.40, d.h. Passiven in der Höhe von Fr. 183 263.40 aus, denen nur Aktiven von insgesamt Fr. 143 822.85 gegenüberstanden. Das Fremdkapital bestand aus Forderungen des Beschwerdeführers gegen die Caropa für Investitionen. Davon zog er am 30. April 1972 Fr. 131 698.20 zurück, indem er eine Reihe aktiver Konten auf sein Fremdkapitalkonto überschreiben liess. An Aktiven verblieben in der Firma gemäss Zwischenbilanz vom 30. April 1972 nur noch Fr. 8257.- auf dem Warenkonto.
Mit Vertrag vom 1. Mai 1972 überliess der Beschwerdeführer sämtliche Aktien X. Am 7. November 1972 wurde über die
BGE 104 IV 77 S. 82
Caropa der Konkurs eröffnet, der am 12. November 1972 mangels Aktiven eingestellt wurde.
b) Die Gläubigerbevorzugung im Sinne des
Art. 167 StGB
sah das Obergericht darin, dass die Caropa bereits vor ihrer Übertragung vom 1. Mai 1972 überschuldet und zahlungsunfähig gewesen sei. Der in geschäftlichen Dingen erfahrene Beschwerdeführer sei sich dessen bewusst gewesen, denn er habe die Aktien praktisch verschenkt, die zahllosen Schwierigkeiten aus den Alleinvertretungsverträgen wegen der Unverkäuflichkeit der Ware gekannt und nicht übersehen können, dass aus den eingegangenen Rücknahmeverpflichtungen einwandfreie Forderungen gegen die Caropa und entsprechende Verluste in der Höhe von rund Fr. 80 000.- zu erwarten gewesen seien. Trotzdem habe er sich durch Verrechnung seiner Forderung gegenüber der Caropa mit Aktiven dieser Gesellschaft fast vollständig bezahlt gemacht, sei also darauf ausgegangen, sich zum Nachteil anderer Gesellschaftsgläubiger zu bevorzugen. Als benachteiligte Gläubiger betrachtete die Vorinstanz die neun Gebietsvertreter, denen ein Anspruch auf Rückgabe der unverkäuflichen Ware zugesichert worden war.
c) Geht man von den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz aus, so war der Rückzug der Guthaben des Beschwerdeführers gegen die Caropa geeignet, ihn zum Nachteil anderer Gesellschaftsgläubiger zu bevorzugen. Er hat diesen möglichen Erfolg vorausgesehen und ihn zumindest für den Fall seines Eintritts in Kauf genommen. Als Organ der Caropa ist er dafür strafrechtlich verantwortlich. Auch die Konkurseröffnung als objektive Bedingung der Strafbarkeit ist eingetreten. Zwischen der Handlungsweise des Beschwerdeführers und der Konkurseröffnung besteht mindestens dann ein rechtlich genügender Zusammenhang, wenn Gläubiger zu Schaden kamen, die am 30. April 1972 Forderungen gegen die Caropa hatten.
d) Näher zu prüfen ist, ob die Gebietsvertreter mit garantiertem Rückgaberecht am 30. April 1972 im Sinne des
Art. 167 StGB
bereits Gläubiger waren, obschon die Verpflichtung der Caropa zur Rücknahme der Ware damals noch nicht fällig war, und ob gesagt werden kann, die Caropa sei schon damals zahlungsunfähig gewesen.
Mit Recht zieht das Obergericht zur Bestimmung der Zahlungsfähigkeit einer Aktiengesellschaft das Aktienrecht heran
BGE 104 IV 77 S. 83
und erachtet die Zahlungsunfähigkeit als gegeben, wenn die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger nicht mehr durch die Aktiven gedeckt sind. Besteht nämlich begründete Besorgnis einer Überschuldung, so hat die Aktiengesellschaft aufgrund der Veräusserungswerte eine Zwischenbilanz zu erstellen. Ergibt diese, dass die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger durch die Aktiven nicht mehr gedeckt sind, hat die Verwaltung den Konkursrichter zu benachrichtigen, der den Konkurs ausspricht, wenn keine Aussicht auf Sanierung besteht (
Art. 725 Abs. 2-4 OR
,
Art. 192 SchKG
).
Zahlungsunfähig ist eine Aktiengesellschaft nicht nur dann, wenn fällige Forderungen nicht mehr gedeckt sind. Die Deckung muss auch solche Forderungen erfassen, die erst in naher Zukunft fällig werden. Nach der ausdrücklichen Vorschrift des
Art. 670 Abs. 2 OR
ist die Aktiengesellschaft von Gesetzes wegen verpflichtet, für Vermögenseinbussen, die aus Eventualverpflichtungen (Bürgschaften usw.), aus der späteren Erfüllung von Lieferungs- und Abnahmeverpflichtungen oder ähnlichen schwebenden Geschäften zu erwarten sind, in der Bilanz durch Rücklagen Deckung zu verschaffen. Die Höhe der Rückstellungen ist so zu bemessen, dass sie mindestens Verluste decken, die mit grosser Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind (BÜRGI, Art. 670 N. 6 und 7). Dementsprechend werden denn auch Forderungen mit aufschiebender Bedingung oder mit ungewisser Verfallzeit im Konkurs zum vollen Betrag zugelassen und nach Eintritt der Bedingung bzw. des Verfalltages mit einer Dividende abgefunden (
Art. 210 SchKG
).
Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz war schon im April 1972 mit grösster Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass die Gebietsvertreter ihre Forderung auf Rücknahme der Ware gegen Bezahlung des Kaufpreises innert wenigen Wochen oder Monaten geltend machen und der Gesellschaft daraus Verluste erwachsen. Die Rücknahmeverpflichtungen der Caropa waren somit Schulden der Gesellschaft, für die in der Zwischenbilanz vom 30. April 1972 hätten Rückstellungen gemacht werden müssen. Werden sie mitberücksichtigt, war die Gesellschaft offensichtlich überschuldet und zahlungsunfähig im Sinne des Gesetzes. Die Übertragung der Caropa an einen Dritten bot keine begründete Aussicht auf eine Sanierung, denn der Beschwerdeführer konnte nicht damit rechnen, dass der Übernehmer der Gesellschaft in der Lage sein werde, genügend
BGE 104 IV 77 S. 84
neue Geldmittel zur Deckung der Schulden bereitzustellen. Die Transaktionen vom 30. April 1972 stellten daher eine Bevorzugung des Beschwerdeführers zum Nachteil anderer Gesellschaftsgläubiger dar. Er wurde zu Recht nach
Art. 167 StGB
verurteilt.
5.
Dem Beschwerdeführer wird zur Last gelegt, er habe sich der unwahren Angaben über Handelsgesellschaften im Sinne von
Art. 152 StGB
schuldig gemacht.
Das von der Caropa verwendete Briefpapier gibt rechts oben die Firmabezeichnung "Caropa AG" mit der genauen Adresse wieder. Links trägt der Briefkopf in drei Sprachen die Bezeichnung "Finanz und Treuhand AG". Beanstandet wird die letztere Bezeichnung, namentlich die Verwendung des Wortes "Finanz". Das Briefpapier mit den erwähnten Firmenaufdrucken diente für die Abwicklung der umfangreichen Korrespondenz der Caropa, die Niederschrift von Handelsvertretungsverträgen und für Liefer- und Schuldscheine, welche die Caropa ausstellte.
a) Mit Recht hält die Vorinstanz den in der Firmabezeichnung "Finanz und Treuhand AG" liegenden Hinweis auf enge Beziehungen mit einer Finanzgesellschaft oder die eigene Betätigung von Finanzgeschäften für unwahr und von erheblicher Bedeutung im Sinne des
Art. 152 StGB
. Solche industrielle oder kommerzielle Finanzgesellschaften können wesentliche Beteiligungen an industriellen oder kommerziellen Unternehmungen ihrer Schuldner besitzen, als Dach- oder Holdinggesellschaft an der Spitze eines Konzerns stehen oder innerhalb eines Konzerns die Aufgabe haben, den mit ihnen verbundenen Unternehmungen finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Unter besonderen Voraussetzungen können sie sogar ganz oder teilweise dem Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen unterstellt sein (Bankengesetz Art. 1;
BGE 87 I 500
). Jedenfalls weist die Erwähnung der Finanzgesellschaft auf eine grössere Unternehmung oder grössere Unternehmungszusammenhänge hin, die in Wirklichkeit nicht bestanden. Der Hinweis auf eine Finanzgesellschaft kann denn auch, entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers, in keiner Weise mit dem Ausdruck "Geschäfte aller Art" als Angabe des im Handelsregister eingetragenen Firmenzweckes verglichen werden.
b) Zu prüfen bleibt, ob in der Verwendung von Briefpapier mit dem genannten Briefkopf eine öffentliche Mitteilung im
BGE 104 IV 77 S. 85
Sinne von
Art. 152 StGB
gesehen werden kann. Die Vorinstanz bejaht dies, weil das Briefpapier in zahllosen Exemplaren verbreitet worden ist.
Es habe eine nach Zahl und Zusammensetzung nicht begrenzte, mehr oder weniger durch Zufall bestimmte Mehrheit von Personen erreicht, welche die unwahren Angaben hätten wahrnehmen können.
Die zahlreiche Verwendung eines Briefpapiers mit unwahrem Briefkopf genügt jedoch nicht, um eine Mitteilung zu einer öffentlichen zu machen. Wer eine schriftliche Äusserung nacheinander an eine Mehrzahl von Einzelpersonen verschickt, wendet sich nicht an die Öffentlichkeit, mag auch die individuelle Mitteilung schliesslich an eine unbestimmte Zahl von Empfängern gelangen. Eine öffentliche Mitteilung erreicht regelmässig sofort eine grosse Zahl von Personen und unterscheidet sich daher in der Wirkung von der bloss fortgesetzten Mitteilung, die allmählich verbreitet wird. Ein weiteres Merkmal der öffentlichen Mitteilung besteht darin, dass die an eine Personenmehrheit gerichtete Äusserung stets die gleiche ist. Als solche Mitteilung kann aber nicht schon der Gebrauch eines unwahren Briefkopfes allein gelten, sondern erst dessen Verwendung in einer inhaltlich gleichlautenden Mitteilung. Im vorliegenden Fall wurde das Briefpapier mit unwahrem Briefkopf in Mitteilungen verwendet, die unterschiedliche Äusserungen zum Gegenstand hatten und zu verschiedenen Zeiten gemacht wurden.
Der Beschwerdeführer ist somit von der Anklage unwahrer Angaben über Handelsgesellschaften freizusprechen.
7.
a) Der Beschwerdeführer wies B. mit Brief vom 11. Oktober 1976, den er ihm aus dem Gefängnis zukommen liess, an, für die geplante Flucht falsche Papiere zu beschaffen. B. kam dieser Aufforderung sofort nach. Er kaufte in Frankfurt am Main einen für den Beschwerdeführer bestimmten, mit dessen Bild versehenen und auf einen anderen Namen lautenden falschen deutschen Reisepass. Einen weiteren falschen Pass erstand er für sich selber. Die beiden Ausweisschriften sollten nach der Befreiung des Beschwerdeführers bei Bedarf und nötigenfalls auf der Flucht benützt werden.
Der Beschwerdeführer wurde deswegen der Anstiftung zur Fälschung von Ausweisen im Sinne von
Art. 252 Ziff. 1 und
Art. 24 Abs. 1 StGB
schuldig gesprochen.
Gegen diese Verurteilung wendet der Beschwerdeführer ein, die falschen Papiere seien im Ausland beschafft worden. Die Absicht, sie im Inland zu verwenden, sei nicht nachgewiesen. Damit entfalle die Strafbarkeit.
b) Als strafbare Handlung kommt hier nur die Fälschung von Ausweisschriften nach
Art. 252 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
in Frage. Sie wurde ganz in Deutschland verübt. Gebrauch gemacht worden ist von den falschen Pässen überhaupt nicht, so dass die Frage, ob sie in der Schweiz oder im Ausland hätten benützt werden sollen, belanglos ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gilt die in der Schweiz begangene Teilnahme an einer im Ausland ausgeführten Haupttat nach dem Grundsatz der Akzessorietät als im Ausland verübt (
BGE 80 IV 34
,
BGE 81 IV 37
). Das Territorialprinzip (
Art. 3 StGB
) findet also keine Anwendung auf den Teilnehmer. Denn der Teilnahmehandlung kommt insofern keine selbständige Bedeutung zu, als sie nur die tatbestandsmässige Ausführung der Haupttat und deren Erfolg begünstigt. Dem entspricht, dass
Art. 7 StGB
den Begehungsort der Teilnahmehandlung nicht festlegt und auch den Ort, wo der Haupttäter den Entschluss zur Tat gefasst oder die Tat vorbereitet hat, ausser acht lässt, sondern nur auf den Ort der Ausführung und des Erfolgseintritts abstellt. Damit stimmt überein, dass sich der interne Gerichtsstand der Teilnehmer am Ort der Ausführungshandlung der Haupttat befindet (
Art. 349 und 346 StGB
). Angesichts des engen Zusammenhanges zwischen Tat und Teilnahme wäre es auch unbefriedigend, den Täter, der die Tat im Ausland begeht, sie aber in der Schweiz beschliesst oder vorbereitet, gemäss
Art. 3 StGB
der schweizerischen Strafhoheit nicht zu unterstellen, den in der Schweiz handelnden Anstifter oder Gehilfen dagegen im Inland zu verfolgen und zu bestrafen, gleichgültig, ob die Haupttat auch im Ausland strafbar ist oder nicht. Im Unterschied zum deutschen Strafrecht, das die inländische Teilnahme an einer Auslandtat schlechthin deutschem Recht unterwirft (§ 9 Abs. 2 Satz 2 des Strafgesetzbuches in der Fassung von 1975), wird auch in Frankreich die inländische Gehilfenschaft zur Auslandstat nur verfolgt und beurteilt, wenn sie sowohl nach französischem als auch nach ausländischem Recht als Verbrechen oder Vergehen strafbar ist (Art. 690 des französischen Code de procédure pénale von 1957). Die bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung,
BGE 104 IV 77 S. 87
soweit sich die Doktrin mit ihr befasst, wird von SCHWANDER (Recueil de travaux suisses présentés au VIIIe Congrès international de droit comparé, Basel 1970, S. 372) gebilligt und von SCHULTZ (AT, 3. Aufl., S. 89) als zulässige Ergänzung der gesetzlichen Regelung insoweit anerkannt, als er die Strafbarkeit am Ort der Haupttat fordert. Es besteht kein Anlass, von dieser Praxis abzugehen.
c) Ist demnach die Haupttat im Ausland verübt worden, ist der Beschwerdeführer nach
Art. 6 Ziff. 1 StGB
in der Schweiz nur strafbar, wenn die Passfälschung ein Auslieferungsdelikt darstellt, die Tat am Begehungsort strafbar ist und der Angeklagte sich in der Schweiz befindet oder der Eidgenossenschaft wegen dieser Tat ausgeliefert wird. Ist das Gesetz des Begehungsortes für den Täter milder, so ist dieses anwendbar.
Diese Voraussetzungen sind erfüllt, soweit sie das Bundesgericht nach
Art. 269 BStP
überprüfen kann. Der Beschwerdeführer ist Schweizer. Die Passfälschung ist eine Ausweisfälschung im Sinne von Art. 252 Ziff. 1 Abs. 2 in Verbindung mit
Art. 255 StGB
und stellt sowohl nach Art. 3 Ziff. 25 des Auslieferungsgesetzes (SR 353.0) als auch nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen (AS 1967, 814), dem die Bundesrepublik Deutschland mit Wirkung ab 1. Januar 1977 beigetreten ist (AS 1977, S. 911), ein Auslieferungsdelikt dar. Denn im Gegensatz zu dem in
BGE 81 IV 37
behandelten Fall ist eine echte Fälschung im Sinne dieser Vorschriften gegeben. Der Begriff der Urkundenfälschung ist im weiten Sinne zu verstehen und umfasst zweifelsohne auch die Passfälschung (vgl. SCHULTZ, Schweizerisches Auslieferungsrecht, S. 306). Der Beschwerdeführer befindet sich ferner in der Schweiz, ohne dass auslieferungsrechtliche Gründe einer Verurteilung wegen dieser Tat im Wege stünden.
Ob die Tat auch nach deutschem Recht strafbar ist und ob dieses Recht allenfalls milder ist, beurteilt sich nach internem deutschem Recht. Fremdes Recht ist aber nicht Bundesrecht im Sinne von
Art. 269 StGB
. Zur Prüfung dieser Frage ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.