Urteilskopf
105 Ia 122
26. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 10. Juli 1979 i.S. Théodoloz gegen Gemeinde Unteriberg und Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste
Art. 4 BV
.
Eine Behörde handelt willkürlich, wenn sie ein öffentlichrechtliches Dienstverhältnis nachträglich in eine zivilrechtliche Anstellung umdeutet, weil es angeblich gewissen Vorschriften des Beamtenrechts nicht entspricht.
A.-
Auf Antrag des Schulrats wählte der Gemeinderat Unteriberg am 22. März 1973 Liliane Théodoloz zur Primarlehrerin der 6. Klasse. Der am gleichen Tag mit dem Schulrat geschlossene Anstellungsvertrag sollte ein Jahr gelten und jeweils um ein weiteres verlängert werden, wenn er nicht drei Monate vor Ablauf gekündigt wurde. Wahlakt und Vertrag wurden vom Erziehungsrat genehmigt.
Liliane Théodoloz trat das Amt am 1. Mai 1973 an. Nachdem das Anstellungsverhältnis wiederholt stillschweigend erneuert
BGE 105 Ia 122 S. 123
worden war, beschloss der Gemeinderat am 5. März 1976 auf Antrag des Schulrats, die Lehrerin Théodoloz für eine Amtsdauer von einem Jahr wiederzuwählen. Er führte dazu insbesondere aus, nach § 3 des Volksschulstatutes vom 8. September 1975 betrage die Amtsdauer der Lehrer im öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis vier Jahre; bei besonderen Verhältnissen könne die Wahl aber auch für eine kürzere Dauer vorgenommen werden.
Am 21. Januar 1977 beschloss der Gemeinderat auf Antrag des Schulrats, Frau Théodoloz wegen mangelnder Zusammenarbeit mit der Lehrerschaft auf Ende des Schuljahres 1976/77 aus dem Dienst zu entlassen. Im Mai 1977 erhob die Lehrerin Anspruch auf ein weiteres Jahresgehalt, weil ihr zur Unzeit gekündigt worden sei.
B.-
Da die Gemeinde Unteriberg eine Schuldpflicht bestritt, liess Frau Théodoloz sie beim Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz für Fr. 31'585.65 nebst Zins belangen; sie machte damit die Differenz zwischen ihrem Gehaltsanspruch bis zum 9. April 1978 und anderweitigen Einkünften in der gleichen Zeit geltend.
Mit Urteil vom 29. Dezember 1978 hiess das Verwaltungsgericht das Begehren der Klägerin für die Zeit bis 2. Mai 1977 im Betrage von Fr. 1018.65 nebst Zins gut, wies es im übrigen aber ab.
C.-
Die Klägerin hat dagegen Berufung und staatsrechtliche Beschwerde eingelegt.
Mit der Beschwerde beantragt die Klägerin, den angefochtenen Entscheid wegen Verletzung von
Art. 4 BV
aufzuheben.
Die Gemeinde Unteriberg und das Verwaltungsgericht beantragen, die Beschwerde abzuweisen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Primarlehrer stehen im Kanton Schwyz, wie in anderen Kantonen, regelmässig in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Gemeinwesen und gelten daher als Beamte. Ob im März 1973, als die Beschwerdeführerin zum ersten Mal gewählt wurde, ausnahmsweise auch eine Anstellung durch zivilrechtlichen Vertrag möglich war, steht nicht fest; das Verwaltungsgericht liess ausdrücklich offen, ob der Vertrag vom 22. März 1973 öffentlich- oder zivilrechtlichen Charakter hatte.
Für die Zeit der Erneuerungswahl vom 5. März 1976, die
BGE 105 Ia 122 S. 124
gestützt auf das inzwischen in Kraft getretene neue Volksschulstatut vorgenommen wurde, ist die Rechtslage dagegen geklärt. Dieses Statut schreibt für den hier nicht gegebenen Fall einer befristeten Lehrbewilligung zwingend eine zivilrechtliche Anstellung vor (§ 3a); es verweist im übrigen auf das kantonale Beamtenrecht, welches bei Angestellten mit zeitlich befristeten oder untergeordneten Aufgaben ein solches Vorgehen ebenfalls zulässt. Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, die Gemeinde Unteriberg habe die Klägerin auf dieser Grundlage nach dem Zivilrecht anstellen dürfen.
a) Die Beschwerdeführerin bestreitet das nicht, sondern rügt als willkürlich bloss die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Gemeinde in ihrem Falle von der Möglichkeit einer zivilrechtlichen Anstellung Gebrauch gemacht habe. Sie beruft sich auf den Beschluss des Gemeinderates vom 5. März 1976 über ihre Wiederwahl; darin werde ausdrücklich erklärt, dass die Amtsdauer der Lehrer im öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis vier Jahre betrage, bei besonderen Verhältnissen unter Berücksichtigung des administrativen Schulschlusses bzw. -beginnes aber auch auf kürzere Zeit beschränkt werden könne.
Dass der Gemeinderat auf diese Weise den öffentlichrechtlichen Charakter der von ihm vorgenommenen Wiederwahl zum Ausdruck gebracht hat, ist offensichtlich; das entsprach durchaus seiner Absicht, was er noch in seiner Vernehmlassung zur Beschwerde anerkennt. Seine Erwägungen zur Nichtwiederwahl der Beschwerdeführerin vom 22. September 1977 stimmen damit überein; er fand damals, dass mangels einer befristeten Lehrbewilligung kein Grund bestanden habe, sie für das restliche Jahr nur zivilrechtlich anzustellen.
Davon ist auszugehen, mag das Verwaltungsgericht die Auffassung des Gemeinderates auch für rechtsirrtümlich halten und damit zu entschuldigen versuchen, dass weder dieser Behörde noch dem Schulrat Personen mit juristischen Fachkenntnissen angehörten. Die Vorinstanz übersieht, dass von der Beschwerdeführerin ebenfalls keine solche Kenntnis erwartet werden konnte und dass der Erziehungsrat, der den Wahlbeschluss erhielt, es nicht für notwendig fand, ihn zu berichtigen.
b) Das Verwaltungsgericht hält für entscheidend, dass die neuen, für 1976 geltenden kantonalen Vorschriften eine öffentlichrechtliche Anstellung von Lehrern nur auf eine vierjährige Amtsdauer zuliessen, weshalb die Wiederwahl der Klägerin vom
BGE 105 Ia 122 S. 125
5. März 1976 auf ein Jahr nur ein zivilrechtliches Arbeitsverhältnis habe begründen oder erneuern können. Ob dennoch ausnahmsweise eine abgekürzte Amtsdauer auch mit einer öffentlichrechtlichen Wahl vereinbar wäre, wie das der Gemeinderat angenommen hat, kann offenbleiben. So oder anders ist nicht zu bestreiten, dass die Amtsdauer die rechtliche Qualifikation eines unklaren Anstellungsverhältnisses erleichtern kann. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, weil der Gemeinderat ausdrücklich ein öffentlichrechtliches Dienstverhältnis mit der Beschwerdeführerin begründen wollte, als er sie wiederwählte. Dieses Verhältnis nachträglich nur deshalb in eine zivilrechtliche Anstellung umzudeuten, weil es gewissen Vorschriften des Beamtenrechts nicht entsprochen hat, ist unhaltbar. Die Beschwerdeführerin bemerkt mit Recht, dass auch ein rechtswidriger Beschluss über eine Wiederwahl mangels Anfechtung verpflichten kann. Die gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichts scheitert schon daran, dass die Parteien das durch den Beschluss über die Wiederwahl begründete Dienstverhältnis während eines ganzen Jahres tatsächlich erfüllt haben.
Der Einwand der Gemeinde, ihre falsche Rechtsauffassung habe den rechtlichen Charakter der Anstellung nicht ändern können, hilft darüber nicht hinweg, zumal es um eine Lehrerwahl ging, die nach dem massgebenden kantonalen Recht grundsätzlich ein Beamtenverhältnis begründete, während eine ausnahmsweise zivilrechtliche Anstellung zwar im Ermessen der Wahlbehörde lag, aber ausdrücklich hätte vorgesehen werden müssen.
c) Das Verwaltungsgericht hielt der Klägerin entgegen, dass sie schon 1976 vom kantonalen Schulinspektor über den zivilrechtlichen Charakter des Dienstverhältnisses unterrichtet worden sei und sich damit abgefunden habe, was mit der Beschwerde aber bestritten wird. Die Vorinstanz stützte sich dafür auf die Vernehmlassung des Schulinspektors vom 15. Februar 1977, mit der dieser zu einer Beschwerde der Lehrerin wegen ihrer Nichtwiederwahl Stellung nahm und das Vorgehen von Schulrat und Gemeinderat verteidigte. Der Schulinspektor führte damals "zur rechtlichen Situation" insbesondere aus, es treffe entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin nicht zu, dass er ihr anlässlich der provisorischen Wiederwahl von 1976 mitgeteilt habe, sie hätte diesbezüglich nichts unternehmen
BGE 105 Ia 122 S. 126
können. Er habe der Lehrerin auf Anfrage hin vielmehr erklärt, dass die Gemeinde berechtigt sei, "sie nur noch für 1 Jahr zu wählen (Versetzung vom öffentlichrechtlichen in den zivilrechtlichen Status)", und dass er diese Massnahme begreife und befürworte.
Daraus erhellt, dass die Beschwerdeführerin sich beim Schulinspektor erkundigt hat, ob der Gemeinderat ihre Wiederwahl auf ein Jahr beschränken dürfe, und dass die Frage vom Inspektor bejaht worden ist. Unklar ist dagegen, ob dieser auch der Beschwerdeführerin gegenüber von der Versetzung in den zivilrechtlichen Status gesprochen oder darauf in Klammern bloss hingewiesen hat, um seine Auskunft nachträglich zu rechtfertigen. Ob das Verwaltungsgericht ohne Willkür ersteres annehmen durfte, kann jedoch dahingestellt bleiben. Selbst wenn der Schulinspektor sich damals im Sinne des Klammersatzes geäussert haben sollte, vermochte das am gegenteiligen Standpunkt, den der Gemeinderat bei der Wiederwahl bewusst und gewollt eingenommen hat, nichts zu ändern. Nach Auffassung des Schulinspektors stand die Beschwerdeführerin zuvor in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis, und das Verwaltungsgericht schliesst diese Möglichkeit nicht aus. Um so weniger kann angenommen werden, mit der streitigen Wiederwahl sei die Beschwerdeführerin entgegen dem unmissverständlichen Wortlaut des Gemeinderatsbeschlusses in eine zivilrechtliche Anstellung versetzt worden.
2.
Die Begründung des Verwaltungsgerichts erweist sich damit als unhaltbar und sein Entscheid als willkürlich. Indem die Gemeinde Unteriberg und mit ihr auch die Vorinstanz versuchen, die ausdrücklich auf öffentliches Recht gestützte Wiederwahl nachträglich in eine zivilrechtliche Anstellung umzudeuten, verletzen sie den aus
Art. 4 BV
fliessenden Grundsatz, dass berechtigtes Vertrauen des Bürgers insbesondere gegen widersprüchliches Verhalten der Behörden zu schützen ist (
BGE 103 Ia 508
; GRISEL, Droit administratif suisse, S. 187). Die Beschwerde ist daher gutzuheissen und das angefochtene Urteil wegen Verletzung von
Art. 4 BV
aufzuheben.
Die kantonalen Behörden gehen in ihren Vernehmlassungen zur Beschwerde mit Recht davon aus, dass die Klage vom Verwaltungsgericht gestützt auf öffentliches Recht neu zu beurteilen ist, falls die staatsrechtliche Beschwerde gutgeheissen wird. Im vorliegenden Verfahren ist daher nicht zu entscheiden,
BGE 105 Ia 122 S. 127
ob die Beschwerdeführerin unbekümmert darum, dass sie den Beschluss über die Wiederwahl vom 5. März 1976 nicht angefochten hat, Ansprüche für eine vierjährige Amtsdauer geltend machen kann und ob ihr die Nichtwiederwahl gemäss Beschluss vom 21. Januar 1977 rechtzeitig mitgeteilt worden ist. Was dem angefochtenen Urteil dazu zu entnehmen ist, beruht auf der Annahme eines zivilrechtlichen Arbeitsverhältnisses; das Verwaltungsgericht hat sich jedenfalls hinsichtlich des Kündigungstermins deshalb auch nicht mit den besonderen öffentlichrechtlichen Vorschriften auseinandergesetzt, auf welche sich der Gemeinderat sowohl bei der ersten Anstellung im Jahr 1973 wie bei der Wiederwahl im März 1976 ausdrücklich berufen hat.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Verwaltungsgerichts (Kammer III) des Kantons Schwyz vom 29. Dezember 1978 aufgehoben.