BGE 105 IA 271 vom 4. Mai 1979

Datum: 4. Mai 1979

Artikelreferenzen:  Art. 337 OR, Art. 4 BV , Art. 88 OG, Art. 103 OG, ; 97 I 265, ; 95 I 106

BGE referenzen:  103 IA 574, 104 IA 26, 108 IA 264, 109 IA 252, 120 IA 110, 126 I 81, 129 I 113 , 104 IA 26, 98 IA 654, 103 IA 69, 97 I 265, 95 I 106, 99 IB 236, 99 IB 237, 98 IA 652, 103 IA 574, 102 IA 94, 99 IA 107, 98 IA 651, 97 I 884, 94 I 555, 95 I 106, 99 IB 236, 99 IB 237, 98 IA 652, 103 IA 574, 102 IA 94, 99 IA 107, 98 IA 651, 97 I 884, 94 I 555

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

105 Ia 271


51. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 4. Mai 1979 i.S. Dr. X. gegen Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft (staatsrechtliche Beschwerde)

Regeste

Nichtwiederwahl eines kantonalen Beamten
1. a) Sofern das kantonale Recht den Beamten keinen Anspruch auf Wiederwahl gewährt, greift die Wahlbehörde durch die Nichterneuerung des Beamtenverhältnisses nicht in rechtlich geschützte Interessen des Beamten ein, so dass diesem aufgrund von Art. 88 OG die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde fehlt (E. 2 a-c).
b) Hingegen kann er die Verletzung jener Parteirechte rügen, die ihm nach dem kantonalen Verfahrensrecht oder unmittelbar aufgrund von Art. 4 BV zustehen (E. 2d).
2. Vor der bloss antragstellenden Behörde besteht unmittelbar gestützt auf Art. 4 BV kein Anspruch auf rechtliches Gehör (E. 3b).

Sachverhalt ab Seite 272

BGE 105 Ia 271 S. 272
Dr. X. wurde 1971 zum Hauptlehrer für Geschichte und Französisch am Gymnasium Münchenstein gewählt und in der Folge für die Amtsdauer 1972-1977 wiedergewählt. Die Subkommission Münchenstein der Aufsichtskommission der Gymnasien und des Lehrerseminars beschloss am 17. November 1976, ihn für die im Frühjahr 1977 beginnende neue 5jährige Amtsdauer dem Regierungsrat nicht mehr zur Wiederwahl vorzuschlagen, da sie zur Auffassung gelangt war, ihm fehle trotz hoher wissenschaftlicher Qualifikation die Berufseignung zum Lehrer. Dr. X. wurde am 6. Dezember 1976 von diesem Beschluss in Kenntnis gesetzt. Am 17. Dezember 1976 fand ein Lehrerkonvent statt, an dem auch Mitglieder der Subkommission sowie ein Vertreter der Erziehungsdirektion teilnahmen. Dr. X. erhielt dort Gelegenheit, seinen Standpunkt zu vertreten. Die Subkommission befasste sich am 4. Januar 1977 nochmals mit der Sache, beschloss jedoch, auf ihre Stellungnahme nicht zurückzukommen. Hierauf fasste der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft am 25. Januar 1977 den Beschluss, Dr. X. nicht mehr wiederzuwählen.
Auf eine gegen diesen Beschluss eingereichte Beschwerde trat das Verwaltungsgericht von Basel-Landschaft zunächst nicht ein mit der Begründung, es handle sich beim angefochtenen Beschluss nicht um einen anfechtbaren Verwaltungsakt. Eine gegen dieses Urteil erhobene staatsrechtliche Beschwerde hiess das Bundesgericht am 15. März 1978 ( BGE 104 Ia 26 ff.) gut und hob den Nichteintretensbeschluss auf mit der Begründung, der Beschluss über die Nichtwiederwahl eines Lehrers sei nach basellandschaftlichem Verwaltungsprozessrecht eine anfechtbare Verfügung. Am 18. Oktober 1978 behandelte das Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft die Beschwerde materiell und wies sie ab. Das Bundesgericht tritt auf eine gegen dieses Urteil erhobene staatsrechtliche Beschwerde nicht ein.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Gemäss Art. 88 OG kommt das Recht zur Beschwerdeführung Bürgern und Korporationen bezüglich solcher "Rechtsverletzungen" zu, die sie durch allgemein verbindliche oder sie persönlich treffende Erlasse oder Verfügungen erlitten
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haben. Im Gegensatz zur Regelung der Legitimationsvoraussetzungen im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren ( Art. 103 OG ) steht dem Einzelnen die staatsrechtliche Beschwerde lediglich zur Geltendmachung seiner rechtlich geschützten Interessen zu; zur Verfolgung bloss tatsächlicher Interessen wie auch zur Wahrung allgemeiner öffentlicher Interessen ist sie nicht gegeben ( BGE 103 Ia 69 E. 1c; 98 Ia 654 E. 2b ; 97 I 265 ; 95 I 106 E. 1, 115 E. 2 mit weiteren Hinweisen).
a) Gemäss diesen Grundsätzen kann der unberücksichtigte Bewerber für ein öffentliches Amt den Beschluss der Wahlbehörde, durch den die Stelle an einen andern Kandidaten vergeben wird, in der Sache selber nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechten; der Entscheid greift nicht in seine Rechtstellung ein und die Vorschriften, deren Verletzung er der Wahlbehörde allenfalls vorwerfen könnte, dienen nicht dem Schutz der Bewerber, so dass die Legitimation zur Erhebung einer Willkürbeschwerde fehlt ( BGE 98 Ia 654 ).
Aus gleichartigen Überlegungen sprach das Bundesgericht in einem kürzlich beurteilten Fall auch einem Beamten, der seine Nichtwiederwahl anfocht, die Beschwerdelegitimation nach Art. 88 OG ab (Urteil vom 11. Juli 1978 i.S. N. gegen Regierungsrat des Kantons Bern, ZBl 80/1979 S. 116 ff.). Das Bundesgericht nahm an, dass die Wahlbehörde bei der nach Ablauf der Amtsperiode vorzunehmenden Wiederwahl grundsätzlich frei sei, und dem bisherigen Amtsinhaber kein Rechtsanspruch auf Wiederwahl zustehe, weshalb dieser jedenfalls in der Sache selber nicht beschwerdebefugt sei. In einem späteren Urteil fragte sich das Bundesgericht, ob an dieser Auffassung in vollem Umfang festgehalten werden könne, wenn die Wahlbehörde selber anerkenne, dass sie dem Willkürverbot unterstehe und eine Nichtwiederwahl nur zulässig sei, wenn sie auf sachlich vertretbaren, zureichenden Gründen beruhe. Es liess die Frage offen und trat aus einem andern Grund nicht auf die Beschwerde ein (Urteil vom 11. Oktober 1978 i.S. L. gegen Regierungsrat des Kantons Bern).
b) Die Rechtstellung des Staatsbeamten kann grundsätzlich nach zwei verschiedenen Systemen ausgestaltet sein. Entweder wird der Beamte ohne zeitliche Begrenzung ("auf Lebenszeit") bestellt, oder er wird auf eine mehrere Jahre umfassende Amtsdauer gewählt, nach deren Ablauf er sich einer Wiederwahl zu unterziehen hat. Während das erstgenannte System in vielen ausländischen Staaten, so namentlich in Deutschland
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und Frankreich, gilt, herrscht in der Schweiz das Amtsdauersystem bei weitem vor. Es bestimmt die Rechtstellung der Beamten sowohl beim Bund als auch in der überwiegenden Mehrzahl der Kantone. Seine dominierende Stellung hängt mit dem schweizerischen Demokratieverständnis zusammen. Durch das Erfordernis der periodischen Wiederwahl soll einem Missbrauch der Amtsgewalt durch praktisch unabsetzbare Beamte vorgebeugt werden, und zugleich soll durch die Wiederwahl, die in der Regel der vom Volk gewählten Regierung zusteht, ein mittelbarer Einfluss des Volkes auf die Besetzung der Beamtenstellen gewährleistet werden. Von der Sache her will das Institut der Amtsdauer dem Gemeinwesen die Möglichkeit bieten, sich von einem Beamten zu trennen, wenn dies im Interesse der bestmöglichen Erfüllung der staatlichen Aufgaben als wünschenswert erscheint; ein wichtiger Grund etwa in Anlehnung an Art. 337 OR oder ein Verschulden des Beamten ist - im Gegensatz zur disziplinarischen oder administrativen Entlassung während der Amtsdauer - nicht erforderlich (vgl. dazu TH. FLEINER, Verwaltungsrecht, 1977, S. 398 ff.; GRISEL, Droit administratif suisse, 1970, S. 262; IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. Auflage 1976, Band II, S. 1095, Nr. 150; KAUFMANN, Grundzüge des schweizerischen Beamtenrechts, in ZBl 73/1972, S. 384; PLOTKE, Die Wahl, insbesondere die Wiederwahl der Beamten einschliesslich der Lehrer, in ZBl 77/1976, S. 532). Ist aber die Wahlbehörde hinsichtlich der Frage, ob sie ein Beamtenverhältnis nach Ablauf der Amtsdauer erneuern wolle oder nicht, grundsätzlich frei, so greift sie durch die Nichterneuerung nicht in rechtlich geschützte Interessen des Beamten ein, so dass diesem auf Grund von Art. 88 OG keine Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde hinsichtlich seiner Nichtwiederwahl zukommt.
c) An diesem Ergebnis ändert nichts, dass die zitierten Autoren in Übereinstimmung mit kantonalen Wahlbehörden und Rechtsmittelinstanzen mehrheitlich die Auffassung vertreten, die Nichtwiederwahl dürfe - jedenfalls wenn es sich bei der Wahlbehörde nicht um das Parlament oder um das Volk handelt - nicht willkürlich erfolgen, d.h. sie bedürfe eines zureichenden sachlichen Grundes (so Solothurn, vgl. ZBl 79/1978, S. 398; Bern in den beiden genannten, vom Bundesgericht beurteilten Fällen). So geht auch das Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft im angefochtenen Entscheid davon
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aus, die Wahlbehörde habe bei der Nichtwiederwahl das Willkürverbot zu beachten. Auch das eidgenössische Beamtengesetz bietet dem Bundespersonal einen gewissen Rechtsschutz. Insbesondere haben im Gesetzgebungsverfahren die eidgenössischen Räte entgegen dem Antrag des Bundesrates die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Ablehnung einer Wiederwahl zugelassen ( BGE 99 Ib 236 mit Hinweisen). Das Bundesgericht hat daher als Verwaltungsgericht die Rechtmässigkeit solcher Nichtwiederwahlen zu überprüfen, wobei es allerdings dem Ermessen der Verwaltung einen weiten Spielraum einräumt und lediglich prüft, ob die wegen Beanstandung der Leistungen oder des Verhaltens des Beamten verfügte Nichtwiederwahl nach den Umständen als sachlich haltbare, nicht willkürliche Massnahme erscheint ( BGE 99 Ib 237 E. 3).
Indessen kann aus der Regelung der Legitimationsvoraussetzungen zu kantonalen oder eidgenössischen Verwaltungsgerichtsbeschwerden nichts für die Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen die Nichtwiederwahl kantonaler Beamten abgeleitet werden. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 88 OG verschafft das allgemeine Willkürverbot, das bei jeder staatlichen Verwaltungstätigkeit zu beachten ist, für sich allein dem Betroffenen noch keine geschützte Rechtstellung. Eine Legitimation zur Willkürbeschwerde besteht erst dann, wenn der angefochtene Entscheid den Beschwerdeführer in seiner vorhandenen Rechtstellung berührt und in rechtlich geschützte Interessen eingreift. Die Geltendmachung des Willkürverbots setzt eine Berechtigung in der Sache voraus; aus Art. 4 BV folgt kein selbständiger Anspruch auf willkürfreies staatliches Handeln ( BGE 98 Ia 652 ). Was für das Willkürverbot gilt, muss im gleichen Umfang auch massgebend sein für den Grundsatz von Treu und Glauben und das Rechtsgleichheitsgebot. Der Beamte ist daher zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen die Nichtwiederwahl nicht schon dann befugt, wenn die kantonale Wahlbehörde an das Willkürverbot, an das Rechtsgleichheitsgebot und an den Grundsatz von Treu und Glauben gebunden ist und die kantonale Rechtsmittelinstanz deren Entscheid im genannten Umfang überprüft, sondern nur dann, wenn das kantonale Recht einen Anspruch auf Wiederwahl gewährt. Das ist indessen im Kanton Basel-Landschaft nicht der Fall. Auf die Rüge des Beschwerdeführers, die Nichtwiederwahl sei ohne genügenden sachlichen Grund sowie in
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rechtsungleicher und treuwidriger Weise erfolgt, kann daher nicht eingetreten werden.
d) Dies bedeutet nicht, dass der nicht wiedergewählte Beamte überhaupt nie befugt wäre, sich im Zusammenhang mit der Nichtwiederwahl mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht zu wenden. Vielmehr kann er trotz fehlender Legitimation in der Sache selbst beim Bundesgericht die Verletzung von Verfahrensvorschriften rügen, sofern dies auf eine Rechtsverweigerung hinausläuft; denn die Befugnis, einen Entscheid wegen formeller Rechtsverweigerung anzufechten, hängt nach der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht mehr von der Legitimation in der Sache ab. Wer an einem kantonalen Verfahren beteiligt gewesen ist, kann in jedem Falle die Verletzung jener Parteirechte rügen, die ihm nach dem kantonalen Verfahrensrecht oder unmittelbar aufgrund von Art. 4 BV zustehen ( BGE 103 Ia 574 ; BGE 102 Ia 94 ; 99 Ia 107 , 321; BGE 98 Ia 651 ; BGE 97 I 884 ; BGE 94 I 555 ). So wurde gerade im Fall des heutigen Rekurrenten die Beschwerde gegen den Nichteintretensentscheid des kantonalen Verwaltungsgerichts zugelassen und gutgeheissen, weil der Kanton Basel-Landschaft den Weiterzug aller Verfügungen des Regierungsrates an das Verwaltungsgericht kennt und die Nichtwiederwahl eine Verfügung in diesem Sinn darstellt ( BGE 104 Ia 26 ff.).

3. b) Für die Fragen der richtigen Besetzung der Behörde, des rechtlichen Gehörs und der Akteneinsicht ist von entscheidender Bedeutung, dass zur Wahl oder Nichtwiederwahl einzig und allein der Regierungsrat zuständig war.
Der Rekurrent macht nicht geltend, der Regierungsrat habe seinen Entscheid vom 25. Januar 1977 nicht in der richtigen Besetzung gefällt. Da die Subkommission der Aufsichtskommission für die Gymnasien lediglich Antrag stellte, stellt sich die Frage ihrer richtigen Zusammensetzung nicht. Das Verwaltungsgericht hat übrigens zu Recht nicht beanstandet, dass ehemalige Subkommissionsmitglieder zur Kommissionssitzung eingeladen wurden, um als Auskunftspersonen angehört zu werden. Der Beschwerdeführer selber weist darauf hin, dass gemäss § 3 der Verordnung über die Aufsichtskommission der Gymnasien und des Lehrerseminars vom 18. November 1974 der Beizug der Mitglieder anderer Subkommissionen (jeder Mittelschule ist eine Subkommission zugeordnet) in beratender Funktion vorgesehen ist. Auch bezüglich der Wahl oder Nichtwiederwahl
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eines Lehrers hat die Subkommission lediglich beratende Funktion.
Wenn der Subkommission bezüglich der Wiederwahl keine Entscheidfunktion zukommt, hatte sie den Beschwerdeführer auch nicht vor ihrem Beschluss, dem Regierungsrat Antrag auf Nichtwiederwahl zu stellen, anzuhören. Bei der Mitteilung dieses Beschlusses an den Beschwerdeführer in der Sitzung vom 7. Dezember 1976 hatte dieser jedoch Gelegenheit, zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. In dieser Anhörung und der weitern Äusserungsmöglichkeit anlässlich des Lehrerkonvents vom 17. Dezember 1976 sowie der Behandlung des Wiedererwägungsgesuchs in der Sitzung der Subkommission vom 4. Januar 1977 war im Hinblick auf den Entscheid des Regierungsrats vom 25. Januar 1977 der Anspruch auf rechtliches Gehör gewahrt.
Der Beschwerdeführer macht geltend, im Verfahren vor der Subkommission seien ihm lediglich einige - nur belastende - Passagen aus dem Mentoratsbericht vorgelesen worden. Diese Berichte selbst und den Rektoratsbericht habe er erst nach der Nichtwiederwahl aufgrund eines zusammen mit dem verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren gestellten Begehren zu Gesicht bekommen. Der Beschwerdeführer macht jedoch nicht geltend, er hätte Akteneinsichtsbegehren gestellt, die ihm nicht gewährt worden wären. Damit kann auch in dieser Hinsicht nicht von einer Rechtsverweigerung gesprochen werden. Die Beschwerde erweist sich damit, soweit auf sie eingetreten werden kann, als unbegründet.

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