Urteilskopf
105 III 67
16. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 31. Oktober 1979 i.S. Dr. P. und Mitbeteiligte (Rekurs)
Regeste
Konkurs; Einsetzung einer ausseramtlichen Konkursverwaltung; Verwertung auf dem Weg der Auktion.
1. Bestätigt die 2. Gläubigerversammlung eine ausseramtliche Konkursverwaltung in ihrem Amt, so kann der Beschluss der 1. Gläubigerversammlung, mit dem die ausseramtliche Konkursverwaltung eingesetzt wurde, nicht mehr mit Beschwerde angefochten werden (E. 1).
2. Der Beschluss der 2. Gläubigerversammlung, die Kunstsammlung des Gemeinschuldners auf dem Weg der Auktion zu verwerten, ist nicht nichtig. Eine bereits durchgeführte Auktion kann auf dem Beschwerdeweg nicht rückgängig gemacht werden (E. 2).
A.-
Nach der Konkurseröffnung über die Kommanditgesellschaft Dr. P. & CO. wurde am 13. Mai 1977 der Konkurs über den unbeschränkt haftenden Gesellschafter Dr. P. eröffnet. Das für die Durchführung dieses Konkurses zuständige Konkursamt Dorneck erliess vorschriftsgemäss die Publikation, wobei es die erste Gläubigerversammlung auf den 27. Juli 1977 ansetzte. Dem üblichen Publikationstext fügte es folgende Bemerkung bei:
"Das Konkursamt Dorneck beantragt, die Visura Treuhand-Gesellschaft, in Solothurn, als ausseramtliche Konkursverwaltung einzusetzen. Sofern die erste Gläubigerversammlung nicht anders beschliesst
BGE 105 III 67 S. 68
oder die Mehrheit der bekannten Gläubiger nicht schriftlich bis 27. Juli 1977 beim Konkursamt Dorneck dagegen Einspruch erhebt, gilt der Antrag als beschlossen."
Die erste Gläubigerversammlung war nicht beschlussfähig. Sie beschränkte sich daher auf die Entgegennahme des Berichtes des Konkursamtes und stellte fest, dass gegen die Einsetzung der Visura Treuhand-Gesellschaft als ausseramtliche Konkursverwaltung keine Einsprache eingegangen sei, so dass diese Einsetzung als beschlossen zu gelten habe. Der so zustandegekommene Wahlbeschluss blieb unangefochten.
An der - beschlussfähigen - zweiten Gläubigerversammlung vom 12. April 1978 beschlossen die Gläubiger ohne Gegenstimme, die Visura Treuhand-Gesellschaft als ausseramtliche Konkursverwaltung zu bestätigen. Ferner beschlossen sie mit 27 zu 4 Stimmen, die Konkursverwaltung zu ermächtigen, "die Aktiven inkl. Liegenschaften mit Zustimmung des Gläubigerausschusses freihändig bestmöglichst oder ev. durch öffentliche Versteigerung zu verwerten". Wie sich aus dem an der Versammlung verlesenen Bericht der Konkursverwaltung ergibt und unter den Beteiligten unbestritten ist, war unter "öffentlicher Versteigerung" die Verwertung in Form einer Auktion zu verstehen, was sich vor allem auf die umfangreiche Kunstsammlung des Gemeinschuldners bezog. Mit Zirkular vom 15. September 1978 teilte die Konkursverwaltung den Gläubigern mit, die Auktion der Kunstgegenstände und Antiquitäten werde voraussichtlich im Februar 1979 in der Kunsthalle Basel stattfinden. Sie wurde schliesslich auf den 23./24. Februar 1979 angesetzt. Mit der Durchführung hatte die Konkursverwaltung die Auctiones AG, Basel, beauftragt.
B.-
Am 12. Februar 1979 reichten die Gläubigerinnen B. und S. sowie der Gemeinschuldner bei der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Solothurn wegen Rechtsverweigerung und rechtswidriger Anordnung von Verwertungsmassnahmen Beschwerde ein, mit der sie insbesondere beantragten, das ganze Konkursverfahren sei rückwirkend bis und mit erster Gläubigerversammlung zu kassieren und es sei die Ordentliche Konkursverwaltung einzusetzen; ferner sei der Auftrag an die Auctiones AG zu widerrufen und von der Durchführung der Auktion abzusehen.
Der Präsident der Aufsichtsbehörde vereinigte die drei Beschwerden und wies das von den Beschwerdeführern gestellte
BGE 105 III 67 S. 69
Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung ab, so dass die Auktion wie vorgesehen abgehalten werden konnte. Mit Entscheid vom 8. August 1979 wies die Aufsichtsbehörde sodann die Beschwerden ab, soweit sie darauf eintrat.
C.-
Gegen diesen Entscheid rekurrierten Dr. P., B. und S. an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts, mit folgenden Anträgen:
"1. Es sei das ganze Konkursverfahren rückwirkend bis und mit
1. Gläubigerversammlung von Amtes wegen zu kassieren und es sei die ordentliche Konkursverwaltung einzusetzen.
2. Es sei die von der widerrechtlich eingesetzten ausseramtlichen Konkursverwaltung von Dr. P., Visura Treuhand-Gesellschaft, Solothurn, bei der Auctiones AG, Basel, in Auftrag gegebene Auktion für den 23./24. Februar 1979, soweit die Sammlung Dr. P. betreffend, aufzuheben und es seien die genannten Stellen mit sofortiger Wirkung anzuweisen, den Auftrag an die Auctiones AG, Basel, zu widerrufen."
Die Konkursverwaltung beantragt die Abweisung des Rekurses. Sie ersucht um Zusprechung einer Parteientschädigung.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Ihren Antrag auf Kassierung des Konkursverfahrens rückwirkend bis zur ersten Gläubigerversammlung begründen die Rekurrenten damit, die Einsetzung der Visura Treuhand-Gesellschaft als ausseramtliche Konkursverwaltung sei nichtig, weshalb sämtliche nachfolgenden Konkurshandlungen ebenfalls als nichtig zu gelten hätten. Ob die - in der Tat auf ungewöhnliche Art zustandegekommene - Einsetzung der ausseramtlichen Konkursverwaltung anfechtbar oder gar nichtig war, kann indessen dahingestellt bleiben. An der 2. Gläubigerversammlung wurde die Visura Treuhand-Gesellschaft nämlich in ihrem Amt bestätigt. Der entsprechende Beschluss der Gläubiger wurde innert Frist nicht angefochten und erwuchs somit in Rechtskraft. Dass die Versammlung von einer Konkursverwaltung einberufen worden war, deren Einsetzung möglicherweise rechtlich mangelhaft war, vermag den im übrigen ordnungsgemäss gefassten Beschluss entgegen der Meinung der Rekurrenten Offensichtlich nicht nichtig zu machen. Mit der Bestätigung der Visura Treuhand-Gesellschaft, der sich die an der Versammlung teilnehmenden Rekurrenten übrigens nicht widersetzten, haben die Gläubiger deren
BGE 105 III 67 S. 70
Amtsführung wie auch das Vorgehen des Konkursamtes Dorneck nachträglich gebilligt. Es ist daher heute ohne Belang, ob der Gläubigerbeschluss vom 27. Juli 1977 rechtlich in Ordnung war oder nicht. Mit seiner Aufhebung könnte kein praktischer Verfahrenszweck mehr erreicht werden, so dass die Vorinstanz in diesem Punkt gar nicht auf die Beschwerde hätte eintreten dürfen (
BGE 97 III 38
E. 2 mit Hinweisen). Im übrigen könnte angesichts der beträchtlichen praktischen Schwierigkeiten, die die Rückgängigmachung eines bereits bis ins Verwertungsstadium gediehenen Konkursverfahrens mit sich bringen würde, eine ausseramtliche Konkursverwaltung wegen eines Mangels in ihrer Einsetzung nur aus absolut zwingenden Gründen, die hier jedenfalls nicht vorliegen, mit Wirkung ex tunc ihres Amtes enthoben werden.
2.
Mit ihrem zweiten Antrag widersetzen sich die Rekurrenten der Auktion der Kunstsammlung des Gemeinschuldners. Sie bestreiten indessen nicht, dass die Konkursverwaltung durch Beschluss der zweiten Gläubigerversammlung ermächtigt war, die Kunstsammlung auf dem Weg einer Auktion zu verwerten. Dieser Beschluss wurde innert Frist nicht durch Beschwerde angefochten. Er könnte daher heute nur noch aufgehoben werden, wenn er nichtig wäre, d.h. wenn er gegen eine Vorschrift verstiesse, die im öffentlichen Interesse oder im Interesse eines unbestimmten Kreises Dritter aufgestellt und daher schlechthin zwingend ist (
BGE 105 III 8
,
BGE 103 III 46
oben und 74 E. 4,
BGE 101 III 45
). Das ist jedoch nicht der Fall. Durch die von der Gläubigermehrheit beschlossene Art der Verwertung werden nur die Interessen der am Verfahren beteiligten Gläubiger und allenfalls des Gemeinschuldners an der Erzielung eines möglichst hohen Erlöses tangiert. Unter diesen Umständen kann weiterhin dahingestellt bleiben, Ob es zulässig sei, Private mit der Verwertung von Aktiven zu beauftragen, obwohl diese Aufgabe grundsätzlich der Konkursverwaltung obliegt (vgl.
BGE 103 III 45
).
Gegenüber dem Unbehagen, das in
BGE 103 III 45
und
BGE 102 III 164
gegen ein derartiges Vorgehen zum Ausdruck gebracht wurde, ist immerhin festzuhalten, dass die Verwertung einer Kunstsammlung nicht ohne weiteres mit der Verwertung von einigen Eigentumswohnungen, um die es in den erwähnten Fällen ging, verglichen werden kann. Sie verlangt vielmehr besondere Sachkunde und Beziehungen zu allfälligen Interessenten
BGE 105 III 67 S. 71
(Händlern, Kunstsammlern), wenn ein gutes Ergebnis erzielt werden soll. Beides dürfte einer Konkursverwaltung - auch einer ausseramtlichen - in der Regel abgehen. Beschliessen die Gläubiger, die Verwertung von Kunstgegenständen einem Auktionator zu übertragen, weil sie sich davon trotz der hohen Kosten ein besseres Verwertungsergebnis versprechen, und wird bei der Auktion das Recht der Gläubiger, selber Kaufangebote zu machen, gewahrt (vgl.
BGE 101 III 57
, mit Hinweisen, für den Freihandverkauf), so kann jedenfalls nicht ohne weiteres gesagt werden, ein solches Vorgehen sei bundesrechtswidrig. Die Rekurrenten machen freilich geltend, die Gläubiger hätten keine Gelegenheit gehabt, an der Auktion mitzubieten, da ihnen Ort und Zeit der Auktion nicht mitgeteilt worden sei. Indessen ist unbestritten, dass jedenfalls die Rekurrenten rechtzeitig in den Besitz des Auktionskatalogs kamen, wo alle erforderlichen Angaben enthalten waren. Ob dies für sämtliche Gläubiger der Fall war, braucht nicht geprüft zu werden, da die Rekurrenten nicht legitimiert sind, die Individualrechte Dritter durch Beschwerde zu wahren.
Im übrigen wurde die Auktion inzwischen durchgeführt, nachdem die Vorinstanz den Beschwerden der Rekurrenten die aufschiebende Wirkung verweigert hatte. Sie kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Wie sich aus den Auktionsbedingungen ergibt, versteigerte der Auktionator die Kunstgegenstände in eigenem Namen, wenn auch im Auftrag und auf Rechnung der Konkursverwaltung. Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Auktionator und den Ersteigerern beruhen damit ohne Zweifel auf privatem Recht, selbst wenn man der Meinung sein sollte, der zwischen Konkursverwaltung und Dritten abgeschlossene (normale) Freihandverkauf sei nicht privatrechtlicher Natur, was kontrovers ist (vgl. hiezu
BGE 101 III 55
). Ist dies aber der Fall, so können die Zuschläge entgegen der Ansicht der Rekurrenten offensichtlich nicht auf dem Beschwerdeweg aufgehoben werden, ganz abgesehen davon, dass die Ersteigerer wohl in ihrem Vertrauen in die Verfügungsberechtigung des Auktionators zu schützen wären (
Art. 933 ZGB
) und dass die Konkursverwaltung Ohnehin die Rückgabe der möglicherweise ins Ausland verbrachten oder bereits an Dritte verkauften Gegenstände nicht durchsetzen könnte. Auch der am 4. August 1978 zwischen der Konkursverwaltung und dem Auktionator abgeschlossene Auktionsauftrag ist übrigens
BGE 105 III 67 S. 72
privatrechtlicher Natur und kann deshalb von den Aufsichtsbehörden im Beschwerdeverfahren, in dem der Auktionator nicht einmal Partei ist, nicht einfach als ungültig erklärt werden, zumal er inzwischen vollzogen worden ist. Bei dieser Sachlage kann die Beschwerde auch bezüglich der Auktion keinem praktischen Verfahrenszweck, sondern nur noch dazu dienen, die allfällige Rechtswidrigkeit des Vorgehens der Konkursverwaltung feststellen zu lassen. Zu diesem Zweck kann die Beschwerde aber, wie bereits gesagt, nicht erhoben werden. Entgegen der Ansicht der Rekurrenten ist die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Handlung durch die Aufsichtsbehörden nicht Voraussetzung für eine Verantwortlichkeitsklage im Sinne von
Art. 5 SchKG
(
BGE 91 III 46
/47).
Der Rekurs ist daher abzuweisen, soweit überhaupt auf ihn eingetreten werden kann.
3.
Entgegen dem Antrag der Konkursverwaltung kann im Beschwerdeverfahren vor den Aufsichtsbehörden keine Parteientschädigung zugesprochen werden (Art. 68 Abs. 2 GebTSchKG).
Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.