Urteilskopf
105 V 106
25. Auszug aus dem Urteil vom 29. Januar 1979 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen Profico und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich
Regeste
Art. 96 AHVG
schliesst die Anwendung kantonalrechtlicher Bestimmungen über den Stillstand der Fristen aus.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 69 IVG
in Verbindung mit
Art. 84 Abs. 1 AHVG
kann gegen Verfügungen der Ausgleichskassen betreffend Leistungen der Invalidenversicherung innert 30 Tagen seit der Zustellung Beschwerde erhoben werden. Für die Fristen erklärt
Art. 96 AHVG
(gültig für die Invalidenversicherung gemäss
Art. 81 IVG
) die Art. 20-24 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren (VwVG) als anwendbar. Diese Bestimmungen decken sich im wesentlichen mit den Art. 32-35 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) vom 16. Dezember 1943. Eine
Art. 34 Abs. 1 OG
entsprechende Regelung über den Stillstand der Fristen kennt das VwVG jedoch nicht. Im erstinstanzlichen Beschwerdeverfahren gegen Verfügungen der Ausgleichskassen gelten daher keine bundesrechtlichen Vorschriften über den Fristenstillstand.
2.
Streitig ist, ob das Bundesrecht eine
Art. 34 Abs. 1 OG
vergleichbare kantonale Regelung zulässt.
Nach dem bis Ende 1972 gültig gewesenen Recht hatte die Überprüfung der Rechtzeitigkeit der Beschwerde im erstinstanzlichen
BGE 105 V 106 S. 107
Verfahren nach Massgabe des kantonalen Verfahrensrechts zu erfolgen (ZAK 1973 S. 138). Während
Art. 96 AHVG
in der früheren Fassung lediglich Einzelfragen der Fristenberechnung regelte, richten sich gemäss dem ab 1. Januar 1973 gültigen Wortlaut der Bestimmung auch die Einhaltung und die Erstreckung der Fristen sowie die Säumnisfolgen und die Wiederherstellung einer Frist nach Bundesrecht. Auf diesen Gebieten ist daher die Anwendung weitergehenden oder einschränkenden kantonalen Rechts ausgeschlossen (
BGE 102 V 243
Erw. 2 a).
Mit der Änderung von
Art. 96 AHVG
wurde das Verfahrensrecht auf dem Gebiete der Fristen vereinheitlicht. Dabei wurde die eingehende Ordnung des VwVG als Ganzes übernommen (vgl. hiezu Botschaft zur 8. AHV-Revision vom 11. Oktober 1971, BBl 1971 II 1134). Es kann daher nicht unberücksichtigt bleiben, dass im Rahmen dieser Regelung von einer
Art. 34 Abs. 1 OG
analogen Bestimmung abgesehen worden ist. Wie aus der Botschaft über das Verwaltungsverfahren vom 24. September 1965 hervorgeht (BBl 1965 II 1367), muss diesbezüglich ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzes angenommen werden. Aus
Art. 96 AHVG
ergibt sich daher, dass das Bundesrecht auch mit Bezug auf die Frage des Fristenstillstandes keinen Raum für kantonales Verfahrensrecht offenlässt. Der Vorinstanz ist es somit verwehrt, kantonalrechtliche Bestimmungen über den Stillstand der Fristen auf Beschwerdeverfahren im AHV/IV-Recht anzuwenden.