Federal court decision 105 V 113 from Aug. 27, 1979

Date: Aug. 27, 1979

Related court decisions:  121 I 259, 133 V 498

Source: bger.ch

Urteilskopf

105 V 113


27. Auszug aus dem Urteil vom 27. August 1979 i.S. X AG gegen Ausgleichskasse AGRAPI und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich

Regeste

Art. 5 Abs. 2 und Art. 9 Abs. 1 AHVG , Art. 7 lit. h AHVV . AHV-rechtliche Qualifikation der Entschädigungen an den Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft, der gleichzeitig auch als Anwalt für die Aktiengesellschaft tätig ist.

Sachverhalt ab Seite 113

BGE 105 V 113 S. 113

A.- Anlässlich einer Arbeitgeber-Kontrolle am 12./13. April 1977 wurde u.a. festgestellt, dass die X AG in den Jahren 1972 bis 1976 dem Verwaltungsrat Dr. K. Entschädigungen von insgesamt Fr. 60'033.-- ausgerichtet hatte. Auf Grund dieser Feststellungen erliess die Kasse am 28. April 1977 eine Nachzahlungsverfügung.

B.- Eine gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde wurde von der AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich mit Entscheid vom 19. April 1978 abgewiesen.

C.- Die X AG lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, "Das Urteil der AHV-Rekurskommission sei insofern aufzuheben, als es sich auf die Nachzahlungsverfügung betreffend die Honorarfakturen von Dr. K., Rechtsanwalt,
BGE 105 V 113 S. 114
in den einschlägigen Jahren 1972-1976 bezieht". Die Begründung ergibt sich aus den nachfolgenden Erwägungen.
Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) beantragen Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Die Zahlungen an Dr. K., auf welche sich die Nachzahlungsverfügung bezieht, wurden in dem der Verfügung beigehefteten Kontrollbericht als "VR Entschädigung gemäss Zeitaufwand" bezeichnet. Die Zahlungen erfolgten auf Grund der von Dr. K. gestellten Quartalsrechnungen. Diese Rechnungen ergeben zusammen den Betrag von Fr. 60'033.--. Die Rechnungsstellung erfolgte gemäss dem zwischen der Erbengemeinschaft N. und Dr. K. abgeschlossenen Treuhand- und Mandatsvertrag vom 1. November 1971. Gemäss Ziff. 1 dieses Vertrags beteiligt sich Dr. K. "im Auftrage der Erbengemeinschaft... an der aus der erwähnten Fusion hervorgehenden neuen "X AG" mit einer Namenaktie zu Fr. 1'000.-- nom. und tritt in den Verwaltungsrat ein". Nach Ziff. 2 ist Dr. K. verpflichtet, "sein Mandat im Rahmen des Gesetzes nach den Instruktionen der Erbengemeinschaft... auszuüben". In Ziff. 3a ist für die "Stellung und Verantwortlichkeit als Verwaltungsrat der X AG" eine Jahresentschädigung von Fr. 6'000.-- vereinbart. Über diese Entschädigung hat die Beschwerdeführerin mit der Ausgleichskasse abgerechnet.
Als weitere Vergütung sieht Ziff. 3b des Vertrages vor:
"Entschädigung im Zusammenhang mit der Ausübung der Tätigkeit als Verwaltungsrat sowie für die Erledigung von Sach- und Rechtsfragen der X AG und der Erbengemeinschaft: Honorar- und Auslagenersatz gemäss der Gebührenordnung des Vereins Zürcherischer Rechtsanwälte; die Fakturierung erfolgt je pro Quartal."
Die Qualifikation dieser letztgenannten Entschädigung ist umstritten.

3. Gemäss Art. 7 lit. h AHVV gehören Tantiemen, feste Entschädigungen und Sitzungsgelder an Mitglieder der Verwaltung juristischer Personen zu dem für die Berechnung der Beiträge massgebenden Lohn. In Rz 107 der Wegleitung des BSV über den massgebenden Lohn wird ausgeführt, die Vermutung spreche dafür, dass ein Versicherter, der Organ einer juristischen Person ist, deren Entgelt in seiner Eigenschaft als Organ
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und daher als massgebenden Lohn beziehe. Dies sei auch der Fall, wenn der Versicherte seine besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten (als Anwalt, Treuhänder, Buchhalter) für die juristische Person einsetze. Das BSV stützt diese Rz auf den Entscheid des Eidg. Versicherungsgerichts vom 15. April 1953 i.S. C. AG (ZAK 1953, S. 461). In diesem Entscheid wird indessen die erwähnte Vermutung nicht in den Vordergrund gestellt; vielmehr wird dort die "Art der betreffenden Tätigkeit" als Kriterium betrachtet. Die Qualifikation der Entschädigung an den Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft, der gleichzeitig auch als Anwalt für die Aktiengesellschaft tätig ist, hängt davon ab, ob die Tätigkeit, für welche die Entschädigung ausgerichtet wird, mit dem Amt als Verwaltungsrat verbunden ist oder ob sie ebensogut losgelöst von diesem Amt erfolgen kann. In gewissem Sinn spielt hier auch das Kriterium der Unterordnung eine Rolle. Geht man von diesen Erwägungen aus, so spricht im vorliegenden Fall für die Annahme eines unselbständigen Erwerbs, dass in Ziff. 3 des Treuhand- und Mandatsvertrags von der "Stellung als Verwaltungsrat einerseits" und von der "damit in Zusammenhang stehenden Tätigkeit andererseits" gesprochen wird. Auch in lit. b von Ziff. 3 ist von der "Entschädigung im Zusammenhang mit der Ausübung der Tätigkeit als Verwaltungsrat" die Rede. Diese Formulierungen sind ein Indiz dafür, dass die anwaltliche Tätigkeit des Dr. K. für die Beschwerdeführerin von seinem Amt als Verwaltungsrat abhängt.
Gegen diese Annahme spricht nun aber vor allem die Entstehungsgeschichte des Vertrags. Wie sich aus dessen "Vorbemerkung" ergibt, war Dr. K. während beinahe zwanzig Jahren als Anwalt und Berater für N. und dessen Aktiengesellschaften, die sich durch Fusion zur X AG zusammenschlossen, tätig. In dieser Eigenschaft wurde er nun von der Erbengemeinschaft in den Verwaltungsrat der Beschwerdeführerin delegiert. Im Vordergrund stand offensichtlich weiterhin die Tätigkeit als Anwalt und Berater und nicht die Verwaltungstätigkeit innerhalb der Firma. Hiefür spricht, dass die Erledigung von Sach- und Rechtsfragen besonders genannt ist. Diese Tätigkeit war auch ohne weiteres losgelöst vom Verwaltungsratsmandat möglich, wie sie schon vorher während beinahe zwanzig Jahren ausgeübt wurde. Die Anwalts- und Beratungstätigkeit war also nicht ein Ausfluss des Verwaltungsratsmandats, sondern im Gegenteil
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war das Verwaltungsratsmandat ein Ausfluss der bisherigen anwaltlichen Tätigkeit. Am bisherigen Anwaltsmandat änderte sich durch diesen Vertrag nichts; es kam lediglich noch die Funktion als Verwaltungsrat der Beschwerdeführerin hinzu.
Die Vorinstanz verweist auf die in Ziff. 2 des Vertrages erwähnten Instruktionen und schliesst daraus, dass Dr. K. arbeitsorganisatorisch von der Beschwerdeführerin weit mehr abhängig sei, als dies ein Anwalt grundsätzlich seinem Klienten gegenüber wäre. Zu Recht wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde demgegenüber geltend gemacht, dass der Anwalt stets nach den Instruktionen seines Klienten zu handeln hat und dass er bei Zuwiderhandlung gegen seine Anwaltspflichten verstösst. Im Auftragsverhältnis gilt ja allgemein, dass der Beauftragte die Besorgung der übertragenen Geschäfte nach den Vorschriften des Auftraggebers zu erledigen hat ( Art. 397 OR ). Daraus kann kein Unterordnungsverhältnis abgeleitet werden. Abgesehen davon, hat Dr. K. die Verpflichtungen des Treuhand- und Mandatsvertrags nicht gegenüber der Beschwerdeführerin übernommen, sondern gegenüber der Erbengemeinschaft. Wenn überhaupt ein Unterordnungsverhältnis vorläge, so nicht zwischen Dr. K. und der Beschwerdeführerin, sondern zwischen ihm und der Erbengemeinschaft. Das gleiche gilt hinsichtlich des wirtschaftlichen Risikos. Auch hier kommt gemäss Ziff. 4 des Vertrags nicht die Beschwerdeführerin, sondern die Erbengemeinschaft für den Schaden auf, den Dr. K. als Verwaltungsrat erleiden könnte. Gerade diese Klausel zeigt, dass die Beschwerdeführerin nicht Vertragspartnerin sein kann, denn eine Aktiengesellschaft könnte eine solche Verpflichtung gegenüber ihren Organen nicht eingehen; dies kann nur ein Aussenstehender. Vor allem ist aber zu beachten, dass diese Deckungszusage nur für die Tätigkeit des Dr. K. als Verwaltungsrat gilt. Für seine Anwalts- und Beratertätigkeit (Erledigung von Sach- und Rechtsfragen) trägt Dr. K. selbst das wirtschaftliche Risiko.
Aus dem Gesagten folgt, dass die Indizien, die für eine selbständige Erwerbstätigkeit des Dr. K. sprechen, im vorliegenden fall eindeutig überwiegen. Dies führt zur Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

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