Urteilskopf
107 V 198
46. Auszug aus dem Urteil vom 23. Dezember 1981 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen Ciba-Geigy AG und Kantonale Rekurskommission für die Ausgleichskassen, Basel
Regeste
Art. 8 lit. c AHVV
.
- Als beitragsfreie Dienstaltersgeschenke können insgesamt drei Zuwendungen zu Dienstjubiläen anerkannt werden, wenn das erste frühestens nach 25 Dienstjahren und die weiteren im Abstand von mindestens je 10 Dienstjahren ausgerichtet werden (Änderung der Rechtsprechung).
- Einschränkung dieses Grundsatzes, wenn Zuwendungen auch zu andern Zeiten erfolgen.
A.-
Die Firma Ciba-Geigy AG in Basel (nachfolgend Firma) gewährt ihren Arbeitnehmern seit 1973 nach 25, 30, 35, 40, 45 und 50 Dienstjahren Zuwendungen, welche als Jubiläumsgeschenke bezeichnet werden und nach 25 Jahren einen Monatslohn, nach 40 eineinhalb und nach 50 Jahren zwei Monatslöhne betragen, während nach 30, 35 und 45 Jahren je ein halber Monatslohn ausgerichtet wird. Nachdem die Ausgleichskasse des Basler Volkswirtschaftsbundes im Februar 1975 zunächst mitgeteilt hatte, diese Geschenke seien teils beitragspflichtige Treueprämien, teils beitragsfreie Dienstaltersgeschenke, eröffnete sie der Firma mit Verfügung vom 6. Dezember 1977, dass auf sämtlichen Geschenken Beiträge zu entrichten seien.
B.-
Mit Entscheid vom 11. Mai 1978 hiess die Kantonale Rekurskommission für die Ausgleichskassen Basel die von der Firma erhobene Beschwerde gut und hob die Verfügung vom 6. Dezember 1977 auf. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, dass der halbe Monatslohn nach 30, 35, 40, 45 und 50 Dienstjahren eine beitragspflichtige Treueprämie darstelle; der ganze Monatslohn nach 25 Jahren und die zusätzliche Leistung gleichen Umfangs nach 40 Jahren hätten dagegen Ausnahmecharakter und würden sich bezüglich Höhe und zeitlicher Staffelung deutlich von den Treueprämien unterscheiden, weshalb sie als Dienstaltersgeschenke beitragsfrei seien; gleiches gelte auch für die zusätzlichen eineinhalb Monatslöhne nach 50 Dienstjahren.
C.-
Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt das Bundesamt für Sozialversicherung die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und die Wiederherstellung der Kassenverfügung, während die Firma auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst.
Aus den Erwägungen:
2.
Nach
Art. 5 Abs. 1 und
Art. 14 Abs. 1 AHVG
werden vom Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit, dem massgebenden Lohn, Beiträge erhoben. Als massgebender Lohn gemäss
Art. 5 Abs. 2 AHVG
gilt jedes Entgelt für in unselbständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit. Zum massgebenden Lohn gehören begrifflich sämtliche Bezüge des Arbeitnehmers, die wirtschaftlich mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängen, gleichgültig, ob dieses Verhältnis fortbesteht oder gelöst worden ist und ob die Leistungen geschuldet werden oder freiwillig erfolgen. Als beitragspflichtiges Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit gilt somit nicht nur unmittelbares Entgelt für geleistete Arbeit, sondern grundsätzlich jede Entschädigung oder Zuwendung, die sonstwie aus dem Arbeitsverhältnis bezogen wird, soweit sie nicht kraft ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift von der Beitragspflicht ausgenommen ist (
BGE 102 V 156
f. mit Hinweisen, ZAK 1980 S. 579).
Art. 5 Abs. 4 AHVG
bestimmt, dass der Bundesrat Sozialleistungen sowie anlässlich besonderer Ereignisse erfolgende Zuwendungen eines Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer vom massgebenden Lohn ausnehmen kann.
Einerseits hat der Bundesrat in
Art. 7 AHVV
ein nicht abschliessendes
BGE 107 V 198 S. 200
Verzeichnis jener Bezüge aufgestellt, die zum massgebenden Lohn im Sinne von
Art. 5 Abs. 2 AHVG
gehören; in lit. c hat er u.a. die Treueprämien aufgeführt. Anderseits hat er in der grundsätzlich abschliessenden (
BGE 101 V 4
Erw. 2b mit Hinweisen, ZAK 1961 S. 35) Liste des
Art. 8 AHVV
jene Leistungen bezeichnet, die aufgrund des
Art. 5 Abs. 4 AHVG
vom massgebenden Lohn ausgenommen sind; lit. c nennt u.a. die Dienstaltersgeschenke.
3.
Streitig ist, ob - entsprechend der Auffassung des beschwerdeführenden Bundesamtes - sämtliche Jubiläumsgeschenke nach 25 bis 50 Dienstjahren als beitragspflichtige Treueprämien zu qualifizieren sind oder ob - wie die Vorinstanz entschieden hat - nur je ein halber Monatslohn nach 30 bis 50 Dienstjahren beitragspflichtig ist und die übrigen Zuwendungen (je 1 Monatslohn nach 25 und 40 und 1 1/2 Monatslöhne nach 50 Jahren) nicht der Beitragspflicht unterliegen.
a) Die Verwaltungsweisungen enthalten - im wesentlichen gestützt auf die Rechtsprechung - in Rz 52a und 91a der bundesamtlichen Wegleitung über den massgebenden Lohn folgende Begriffsumschreibungen:
Rz 52a: Treueprämien sind Vergütungen, die vom Arbeitgeber - als
Belohnung für geleistete Dienste und als Anreiz für das Verbleiben am
Arbeitsplatz - nach einer gewissen Anzahl von Dienstjahren und hernach
periodisch wiederholt werden. Sie gehören zum massgebenden Lohn. Die vom
Arbeitgeber verwendete Bezeichnung - vielfach wird der Ausdruck
Dienstaltersgeschenk gebraucht - ist ohne Bedeutung.
Fällt die Ausrichtung der Treueprämie auf einen Zeitabschnitt, der
üblicherweise Anlass zur Gewährung eines Dienstaltersgeschenkes gibt, so
gehört sie trotzdem zum massgebenden Lohn. Als Dienstaltersgeschenke sind
in diesem Fall nur die Vergütungen zu betrachten, die über die Treueprämie
hinaus geleistet werden.
Rz 91a: Dienstaltersgeschenke sind ihrer Natur nach einmalige
Leistungen, die in Geld oder in natura zur Feier eines Dienstjubiläums
gewährt werden. Als Dienstaltersgeschenke gelten Leistungen dieser Art nur,
wenn sie, allein oder zusätzlich zu Treueprämien, frühestens nach 25
Dienstjahren gewährt werden. Indessen kann noch eine zweite Leistung dieser
Art, die mindestens 10 Jahre auf die erste folgt, ebenfalls als
Dienstaltersgeschenk gewertet werden.
b) Die Beschwerdegegnerin wirft in ihrer Stellungnahme zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Frage auf, ob diese Weisungen,
BGE 107 V 198 S. 201
insbesondere die Limitierung auf zwei beitragsfreie Dienstaltersgeschenke gesetzes- und verordnungskonform seien, da weder das AHVG noch die AHVV hierfür eine Grundlage abgebe.
Auszugehen ist davon, dass gemäss
Art. 5 Abs. 2 AHVG
jedes Entgelt für in unselbständiger Stellung geleistete Arbeit als massgebender Lohn gilt und dass der Bundesrat aufgrund von
Art. 5 Abs. 4 AHVG
Ausnahmen vorsehen kann, die bei den Zuwendungen auf solche anlässlich besonderer Ereignisse beschränkt sind. Von dieser Ermächtigung hat der Bundesrat in
Art. 8 AHVV
Gebrauch gemacht und u.a. bestimmt, dass Dienstaltersgeschenke nicht zum massgebenden Lohn gehören.
Das Eidg. Versicherungsgericht hat in seiner Rechtsprechung immer wieder betont, dass es sich bei
Art. 8 AHVV
um eine Ausnahmevorschrift handelt (vgl. EVGE 1965 S. 10, ZAK 1968 S. 118 Erw. 2) und dass Dienstaltersgeschenke - im Gegensatz zu den Treueprämien, welche sich durch gehäufte Wiederholung kennzeichnen (EVGE 1969 S. 35) - eindeutig Ausnahmecharakter haben und als solche nur anerkannt werden können, wenn ein Arbeitnehmer mit sehr langer Dienstzeit beim gleichen Arbeitgeber einmal oder höchstens (mit grossem zeitlichem Abstand) zweimal im Laufe seiner mutmasslichen Aktivitätsperiode die Möglichkeit hat, in den Genuss dieser besonderen Zuwendungen zu gelangen (
BGE 101 V 5
Erw. 3b; EVGE 1969 S. 34 f., 1965 S. 8 f. Erw. 2 und 3, 1952 S. 243; ZAK 1976 S. 461). Wiederholt hat das Gericht festgehalten, dass bei einer mehr als zweimaligen Auszahlung nicht bloss das dritte (und allfällige weitere), sondern vielmehr sämtliche Geschenke beitragspflichtig sind, da ihnen in einem solchen Fall generell kein Ausnahmecharakter zukommt (EVGE 1969 S. 35, 1965 S. 9 Erw. 3), wobei dies selbst dann gilt, wenn die dritte Zuwendung lediglich Seltenheitswert haben mag (EVGE 1969 S. 35 Erw. 2, ZAK 1976 S. 462).
Diese Rechtsprechung erweist sich als unbefriedigend. Zum einen wird es nur schwer verstanden, dass die Möglichkeit dreimaliger Auszahlung die Beitragspflicht für sämtliche Geschenke nach sich zieht, obwohl die dritte Zuwendung nach beispielsweise 45 bis 50 Dienstjahren ohnehin selten und die Möglichkeit, sie zu erhalten, insofern für die weit überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer eher theoretischer Natur ist. Zum andern stellt die erwähnte Praxis zu sehr auf jene Fälle ab, wo - wie bei öffentlichrechtlichen Arbeitgebern oder grossen Unternehmungen - die Anzahl derartiger Leistungen und die Berechtigung dazu ohne weiteres aus
BGE 107 V 198 S. 202
generell-abstrakten Vorschriften ersichtlich ist. Dies kann unter Umständen zu einer rechtsungleichen Behandlung führen, indem solchermassen reglementierte Geschenke bei dreimal möglicher Auszahlung immer beitragspflichtig sind, während ein Arbeitgeber, der bei Dienstjubiläen seiner Arbeitnehmer von Fall zu Fall und ohne Reglement Leistungen erbringt, so lange keine Beiträge entrichten muss, bis er erstmals einen langjährigen Arbeitnehmer zum dritten Mal beschenkt; dies mit der Folge, dass dieses und sämtliche künftigen an andere Arbeitnehmer des Betriebes erst- und zweitmalig ausgerichteten Geschenke nun beitragspflichtig werden und dass auf früheren Zuwendungen Beiträge nachzuzahlen sind, soweit die Verjährung noch nicht eingetreten ist. Das Gesamtgericht, dem diese Rechtsfrage unterbreitet wurde, hat eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung beschlossen und entschieden, dass insgesamt drei Zuwendungen zu Dienstjubiläen als beitragsfreie Dienstaltersgeschenke gemäss
Art. 8 lit. c AHVV
anerkannt werden können, und zwar frühestens nach 25 Dienstjahren und hernach im Abstand von mindestens je zehn Dienstjahren. Richtet ein Arbeitgeber auch zu andern Zeiten periodisch Vergütungen aus (beispielsweise alle fünf Dienstjahre), so kann - im Hinblick auf die gesetzliche Vorschrift des
Art. 5 Abs. 4 AHVG
, welche die Möglichkeit der Beitragsfreiheit nur für Zuwendungen "anlässlich besonderer Ereignisse" einräumt - als Dienstaltersgeschenk allerdings bloss betrachtet werden, was über diese sonstige, als beitragspflichtige Treueprämie zu erfassende Vergütung hinaus geleistet wird. Demnach können zum Beispiel Zuwendungen, welche periodisch alle fünf Jahre in gleicher Höhe erbracht werden, keine Dienstaltersgeschenke im Sinne des
Art. 8 lit. c AHVV
darstellen.
c) Aus den Akten geht hervor, dass die Beschwerdegegnerin ihre Jubiläumsgeschenke zwischen 25 und 50 Dienstjahren in Abständen von fünf Jahren ausrichtet, und zwar nach 25 Jahren einen, nach 40 Jahren eineinhalb und nach 50 Jahren zwei Monatslöhne sowie nach 30, 35 und 45 Jahren je einen halben Monatslohn. Nach dem hievor Gesagten gilt davon - und unabhängig von der Bezeichnung durch die Beschwerdegegnerin - je ein halber Monatslohn nach 25 bis 50 Jahren als beitragspflichtige Treueprämie, während die über diesen Sockelbetrag hinausgehenden Leistungen als Dienstaltersgeschenke anzuerkennen sind. Ein halber Monatslohn nach 25, ein ganzer nach 40 sowie eineinhalb Monatslöhne nach 50 Jahren sind demnach vom massgebenden
BGE 107 V 198 S. 203
Lohn und mithin von der Beitragspflicht ausgenommen. Der vorinstanzliche Entscheid erweist sich daher als unrichtig, soweit darin der ganze Monatslohn nach 25 Dienstjahren als beitragsfrei erklärt wird, und bedarf insofern einer Änderung. Im übrigen ist der Vorinstanz im Ergebnis beizupflichten.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid der Kantonalen Rekurskommission für die Ausgleichskassen Basel vom 11. Mai 1978 abgeändert und festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin ab 1. Mai 1977 auf dem halben, nach 25 Dienstjahren als Jubiläumsgeschenk ausgerichteten Monatslohn paritätische Beiträge zu bezahlen hat.