Urteilskopf
108 II 154
31. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. Juni 1982 i.S. Griesser AG gegen Baumann AG (Berufung)
Regeste
Art. 27 Abs. 1 PatG
. Teilnichtigkeit des Patentes.
Erklärt der Richter ein Patent nur teilweise für nichtig, so hat er den davon ausgenommenen Teil gemäss
Art. 24 Abs. 1 PatG
neu zu fassen.
Er hat die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Einschränkung des Anspruches aber nicht von Amtes wegen abzuklären.
Aus den Erwägungen:
3.
Nach Auffassung der Griesser AG hätte das Obergericht von Amtes wegen prüfen sollen, ob eine blosse Teilnichtigkeit des Streitpatentes vorliege; durch seine Unterlassung habe es
Art. 27 Abs. 1 PatG
verletzt.
a) Nach dieser Bestimmung ist das Patent durch den Richter entsprechend einzuschränken, wenn ein Nichtigkeitsgrund nur für einen Teil der patentierten Erfindung zutrifft. Das alte Recht erwähnte den Richter nicht, sondern bestimmte für den Fall der Teilnichtigkeit, dass das Patent unter Wahrung der Einheit der Erfindung entsprechend beschränkt werde (Art. 16 Abs. 2 aPatG). Trotzdem nahm das Bundesgericht zunächst an, die Beschränkung des Patentes sei diesfalls durch den Richter von Amtes wegen
BGE 108 II 154 S. 155
vorzunehmen, dürfe also nicht von einem Parteiantrag abhängig gemacht werden (
BGE 65 II 273
). Im Entscheid
BGE 69 II 200
E. 6 vertrat es die gegenteilige Auffassung, weil das Gesetz den Richter nicht verpflichte, ein Patent von Amtes wegen nichtig zu erklären, und ihm dies auch nicht für die Teilnichtigkeit vorschreiben wolle; in beiden Fällen setze das Urteil des Richters einen Parteiantrag voraus. An diesem Erfordernis hat das Bundesgericht sinngemäss auch nach Inkrafttreten des neuen Rechts festgehalten, obschon dieses nun ausdrücklich bestimmt, dass das Patent durch den Richter einzuschränken ist, wenn es sich teilweise als nichtig erweist (
BGE 95 II 369
E. 4,
BGE 92 II 285
E. 2). Mit der Neuerung soll verhindert werden, dass der Richter die teilweise Nichtigkeit des Patentes bloss feststellt und die Änderung des Anspruchs dem Amt für geistiges Eigentum überlässt, das dem Patentbewerber den Inhalt des Anspruchs nicht vorschreiben kann. Wenn der Richter nach dem neuen Recht auf teilweise Nichtigkeit erkennt, hat er den davon ausgenommenen Teil des Anspruchs daher selber neu zu fassen (Botschaft zur Novelle, BBl 1950 I 1023). Das kann wie beim Teilverzicht dadurch geschehen, dass er einen Patentanspruch oder Unteranspruch aufhebt, mit einem oder mehreren Unteransprüchen zusammenlegt oder auf andere Weise einschränkt (
Art. 24 Abs. 1 lit. a-c PatG
).
Dass heisst nicht, der Richter habe die Möglichkeit einer teilweisen Gültigkeit nötigenfalls von sich aus abzuklären. Für eine solche Offizialmaxime ist dem
Art. 27 PatG
nichts zu entnehmen. Gewiss hat ein Nichtigkeitskläger, der ein Patent ganz oder teilweise zu Fall bringen will, seine Rechtsbehauptung durch Sachvorbringen nicht nur ausreichend zu substantiieren, sondern nach der allgemeinen Vorschrift des
Art. 8 ZGB
auch zu beweisen. Richtig ist ferner, dass in einem Antrag auf Nichtigerklärung in der Regel auch das weniger weit gehende Begehren auf Teilnichtigerklärung enthalten ist (
BGE 92 II 285
E. 2a,
BGE 69 II 201
). Wenn ein Patentinhaber im Nichtigkeitsprozess dagegen auf Erfindungsschutz aus Unteransprüchen verzichtet, verschiedene Elemente zu einer Kombination zusammengefasst wissen will oder sich subsidiär zu einer anderen Einschränkung des Patentes bereit erklärt, weil er die Klage teilweise für begründet hält, so kann von ihm der Nachweis für die Voraussetzungen verlangt werden, von denen der Schutz der aufrechterhaltenen Erfindung abhängt (
BGE 107 II 369
E. 1). Dazu gehört insbesondere, dass der eingeschränkte Patentanspruch sich auf die gleiche Erfindung bezieht wie der ursprüngliche
BGE 108 II 154 S. 156
und eine Ausführungsart definiert, die sowohl in der veröffentlichten Patentschrift als auch in der am Anmeldedatum vorgelegten Beschreibung enthalten ist (
Art. 24 Abs. 1 lit. c PatG
). Der Patentinhaber ist dazu auch ohne weiteres in der Lage. Umsoweniger kann er erwarten, dass der Richter den Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Einschränkung von Amtes wegen nachforscht.
Dass die dem Richter mit
Art. 27 Abs. 1 PatG
eingeräumte Befugnis weitergehe, ist auch
BGE 92 II 285
E. 2a nicht zu entnehmen. Die darin umschriebene Aufgabe des Richters deckt sich vielmehr mit dem Sinn und Wortlaut der Bestimmung. Sie besteht darin, dass der Richter den Patentanspruch gemäss den Vorschriften über den teilweisen Verzicht auf den schutzfähigen Teil beschränkt und neu fasst, wenn er gestützt auf Beweise zur Überzeugung gelangt, die angefochtene Erfindung sei nicht im vollen Umfang nichtig (
BGE 95 II 369
E. 4 mit Zitaten). Der Richter hat dazu vorerst die Parteien anzuhören; er kann ferner seinen Vorschlag dem Amt unterbreiten und Sachverständige beiziehen, es beim vorgesehenen Text aber auch dann bewenden lassen, wenn die Parteien damit nicht einverstanden sind. Das eine wie das andere entspricht dem Zweck der Regelung, dass der Richter den Patentanspruch abändern und neu fassen kann, wenn auf gänzliche Nichtigerklärung geklagt worden, aber auf Teilnichtigkeit zu erkennen ist. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Sie bedeutet jedoch nicht,
Art. 27 Abs. 1 PatG
ermächtige den Richter ohne entsprechende Behauptung oder Anträge der Parteien einer Tatsache nachzuforschen oder gar von sich aus eine Expertise anzuordnen. Andernfalls würde die Bestimmung entgegen
Art. 64 Abs. 3 BV
ausgelegt, der das gerichtliche Verfahren ausdrücklich dem kantonalen Recht vorbehält (
BGE 104 II 121
/22,
BGE 91 II 6
E. 1a).
b) (Ausführungen darüber, dass die prozessualen Voraussetzungen für eine Einschränkung des Patentanspruches durch den Richter im vorliegenden Fall fehlen.)