BGE 108 II 314 vom 16. November 1982

Datum: 16. November 1982

Artikelreferenzen:  Art. 8 ZGB, Art. 100 OR , Art. 63 Abs. 2 OG, Art. 100 Abs. 1 OR, § 133 ZPO, Art. 51 Abs. 1 lit. c OG

BGE referenzen:  132 III 449 , 105 II 18, 105 III 116

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

108 II 314


60. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 16. November 1982 i.S. Gorali gegen Lloyds Bank International Ltd. (Berufung)

Regeste

Gefälschter Vergütungsauftrag an eine Bank, Frage der Haftung.
1. Eine Vergütung, die nicht auf Weisung des Kunden erfolgt ist, kann dennoch ihren Grund im Rechtsverhältnis haben, das dieser mit der Bank eingegangen ist. Auch ein gefälschter Vergütungsauftrag kann daher eine Anweisung an die Bank darstellen. Die vertraglich vereinbarte Risikoverteilung, wonach der Kunde die Folgen von Fälschungen zu tragen hat, ausser im Falle grober Fahrlässigkeit seitens der Bank, ist zulässig (E. 2).
2. Bedeutung von internen Weisungen und von Usanzen in bezug auf das Mass der von der Bank allgemein zu beobachtenden Sorgfalt (E. 4).

Sachverhalt ab Seite 314

BGE 108 II 314 S. 314

A.- Jacobo Alejandro Gorali unterhält ein Wertschriftendepot und ein Kontokorrent bei der Zweigniederlassung Zürich der Lloyds Bank International Ltd. Diese wurde am 23. Mai 1979 durch eine Alejandro Gorali als Absender nennende Telex-Mitteilung aus Frankfurt um Beachtung eines brieflich erteilten Vergütungsauftrags ersucht. Am 28. Mai 1979 ging bei ihr ein am 23. Mai 1979 in Frankfurt abgefasstes, mit J. A. Gorali unterzeichnetes Schreiben ein, das sie anwies, einen beigelegten, handschriftlich ausgefüllten, von der Petroquimicas del Sur S.A.C.I.F. auf die Bank of America in San Francisco gezogenen Check über
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US $ 545'500 dem Konto "at call" Goralis gutzuschreiben und hierauf US $ 280'000 auf das Konto Goralis bei der Lloyds Bank in New York und US $ 145'000 per Telex an die Dresdner Bank in Frankfurt auf das Konto von Fonsecas Burnay zu überweisen. Die Zweigniederlassung Zürich der Lloyds Bank schrieb Gorali den Checkbetrag unter Eingangsvorbehalt gut, nahm die verlangten Vergütungen vor und leitete den Check an die bezogene Bank weiter. Als sich herausstellte, dass brieflicher Auftrag und Check gefälscht waren und auch die Telex-Mitteilung nicht durch Gorali veranlasst worden war, wurde die Gutschrift auf dessen Konto storniert. Die der Dresdner Bank vergüteten und an eine portugiesische Bank in Lissabon weitergeleiteten US $ 145'000 waren in drei Teilbeträgen am 11., 13. und 18. Juni 1979 abgehoben worden.

B.- Gorali begehrte mit Klage vom 5. Juni 1980, die Zweigniederlassung Zürich der Lloyds Bank sei zu verpflichten, die in dieser Angelegenheit vorgenommenen Gutschriften und Belastungen sowie sämtliche darauf beruhenden Zins-, Kommissions- und Spesenbelastungen valutagerecht zu stornieren.
Das Handelsgericht des Kantons Zürich wies die Klage am 1. Dezember 1981 ab.
Eine vom Kläger erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich ab, soweit es darauf eintrat. Das Bundesgericht heisst die vom Kläger gegen das Urteil des Handelsgerichts erhobene Berufung teilweise gut und weist die Sache im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Vorweg ist der Einwand des Klägers zu beurteilen, die Beklagte könne sich weder nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag auf die vertraglich vereinbarte Haftungsbeschränkung berufen und Auslagenersatz beanspruchen, noch stehe ihr nach den Bestimmungen des Kontokorrent- und Girovertrags ein Anspruch auf Verwendungsersatz zu, da sie ohne Auftrag gehandelt habe.
Der Kläger verkennt, dass die umstrittene Vergütung von US $ 145'000, obwohl sie nicht auf seine Weisung erfolgte, dennoch ihren Grund im Rechtsverhältnis hat, das er mit der Beklagten eingegangen ist. Hätte dieses Verhältnis nicht bestanden, so hätte die Beklagte auf das gefälschte Schreiben vom 23. Mai 1979 hin nichts vergütet, so dass nicht gesagt werden kann, der gefälschte
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Vergütungsauftrag stelle überhaupt keine Anweisung an die Bank dar (unveröffentlichter Entscheid des Bundesgerichts vom 25. Oktober 1960 i.S. Okcuoglu gegen Schweizerische Bankgesellschaft, E. 3; KLEINER, Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken, Giro- und Kontokorrentvertrag, S. 62). Die Bestimmungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag können deshalb nicht anwendbar sein, sondern es ist auf das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis abzustellen. Wenn gemäss Ziff. 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen jeder infolge unentdeckter Fälschung entstehende Verlust vom Kunden zu tragen ist, es sei denn, der Bank falle eine grobe Pflichtversäumnis zur Last, so kann das nichts anderes heissen, als dass der Kunde die Folgen von Fälschungen zu tragen hat, ausser im Falle grober Fahrlässigkeit seitens der Bank (unveröffentlichter Entscheid des Bundesgerichts vom 25. Oktober 1960 i.S. Okcuoglu gegen Schweizerische Bankgesellschaft, E. 4). Ziff. 11 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ermächtigt die Bank ausserdem, gutgeschriebene Checks, die nicht eingelöst werden, dem Konto des Kunden wieder zu belasten. Schliesslich ist gegen eine vertraglich vereinbarte Risikoverteilung, wonach die Bank nur bei grober Fahrlässigkeit haftet, nichts einzuwenden, da sie dem Vorbehalt von Art. 100 Abs. 1 OR Rechnung trägt.

4. Die Beklagte hat nach der Auffassung des Klägers auch bei der Ausführung der ihr erteilten Weisung grob unsorgfältig gehandelt. Die Vergütung von US $ 145'000 hätte sowohl gemäss Schreiben vom 23. Mai 1979 wie nach allgemeiner Lebenserfahrung nur unter der selbstverständlichen Voraussetzung vorgenommen werden dürfen, dass der Check gedeckt sei. Wenn die Vorinstanz schon einräume, die Beklagte hätte sich bei einem Handeln in eigener Sache zunächst vom Vorhandensein ausreichender Deckung überzeugt, so habe diese, als sie die Vergütung ohne jene Gewissheit vornahm, jedenfalls der diligentia quam in suis nicht genügt, die sie auch bei der Wahrung der klägerischen Interessen hätte aufwenden müssen. Der Kläger wirft dem Handelsgericht ferner vor, Art. 8 ZGB verletzt zu haben, indem es über seine Behauptung keinen Beweis abgenommen habe, dass als Minimumstandard bei allen Banken die Usanz bestehe, sich bei einem mit einem Checkinkasso verbundenen Vergütungsauftrag zunächst zu versichern, dass der Check gedeckt sei. Ob eine solche Usanz ausdrücklich zum Vertragsbestandteil erhoben wurde, sei nicht massgebend, da sie die allgemein zu beobachtende Sorgfalt wiedergebe.
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Anzunehmen, interne Weisungen dienten allein dem Schutz der Banken, sei unhaltbar.
Aus dem Schreiben vom 23. Mai 1979, so wie es die Beklagte nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr verstehen durfte und musste ( BGE 105 II 18 E. 3a mit Hinweisen), ergibt sich keineswegs, dass die verlangte Vergütung erst nach Eingang des Checkbetrags hätte vorgenommen werden dürfen; gerade dies hätte ja den Absichten seines Verfassers klar widersprochen. Mit dem Hinweis sowohl auf die allgemeine Lebenserfahrung, nach der angeblich kein besonnener Geschäftsmann den Check ohne ausgewiesene Deckung eingelöst hätte, als auch auf eine Usanz, gemäss der sich Banken vor der Ausrichtung von Vergütungen zuerst der Deckung des Checks versichern sollen, macht der Kläger geltend, so werde tatsächlich im allgemeinen vorgegangen. Das Handelsgericht nimmt demgegenüber an, Checks von guten und bekannten Kunden - und der Kläger zieht nicht in Zweifel, dass er das sei - würden in der Regel sofort unter Eingangsvorbehalt gutgeschrieben, während Rückfragen beim Bezogenen dann erfolgten, wenn Barauszahlung verlangt werde und der Kunde beim Ausbleiben der Checkzahlung für die Bank nicht mehr greifbar wäre. Die Vorinstanz bezeichnet diese Erwägung tatsächlicher Natur weder als auf sicherer Kenntnis ihrer Fachrichter gründend, so dass gemäss § 133 ZPO /ZH kein Beweis abzunehmen gewesen wäre, noch ist erkennbar, worauf sie sich dabei zu stützen vermöchte; in den Akten fehlt es insbesondere an protokollierten, übereinstimmenden fachrichterlichen Voten dieses Inhalts ( Art. 51 Abs. 1 lit. c OG ).
Das Handelsgericht unterstellt allerdings, wie dies auch das Kassationsgericht hervorhebt, nach der eigenen klägerischen Darstellung bestehe hinsichtlich der Abwicklung von Geschäften wie dem in Frage stehenden keine Usanz. Darin liegt ein offensichtliches Versehen im Sinne von Art. 63 Abs. 2 OG , das der Kläger als Aktenwidrigkeit rügt. Den Anbringen in Klage, Replik und Stellungnahme zu den Duplikneuerungen ist eindeutig die Behauptung zu entnehmen, es bestehe aufgrund prinzipiell gleichartiger interner Weisungen sämtlicher Banken eine Usanz im Sinne eines bestimmten Minimumstandards, selbst wenn in Einzelheiten, so namentlich bezüglich der Freigrenze, gewisse Unterschiede vorhanden seien. Die Vorinstanz hat den Standpunkt des Klägers, bevor sie ihn rechtlich würdigte, denn auch selbst so zusammengefasst. Seine Behauptung, für die Beweise angetragen worden sind,
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betrifft offensichtlich eine entscheiderhebliche und bestrittene Tatsache. Denn gleichartige interne Weisungen bei sämtlichen oder jedenfalls einer Vielzahl von Banken bestimmen wie Usanzen das Mass allgemein zu beobachtender Sorgfalt. Ob solche internen Richtlinien Vertragsbestandteil bilden, wäre nur dann entscheidend, wenn es nicht um Haftung für behauptete Unsorgfalt, sondern um nicht richtige Erfüllung des Auftrags ginge. Das Handelsgericht hat somit Art. 8 ZGB verletzt, der einen Anspruch auf Abnahme anerbotener Beweise zu erheblichen, bestrittenen Tatsachen gewährt ( BGE 105 III 116 mit Hinweisen). Seine tatsächliche Annahme bezüglich dessen, wie von den Banken in der Regel vorgegangen werde, ist in Verletzung dieser Beweisvorschrift zustande gekommen, so dass sie das Bundesgericht nicht bindet ( Art. 63 Abs. 2 OG ).
Unter solchen Umständen aber fehlt es an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen, um die Rechtsanwendung durch die Vorinstanz in diesem Punkte überprüfen zu können. Weil das Vorliegen grober Unsorgfalt bei gelungenem Nachweis der vom Kläger behaupteten Tatsachen nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, ist eine Rückweisung der Sache an das Handelsgericht nicht zu umgehen. Für den Fall des Bestehens interner Weisungen des behaupteten Inhalts einzig bei der Beklagten oder wenigen anderen Banken wäre voraussichtlich eine grobe Fahrlässigkeit zu verneinen, selbst wenn der Beauftragte an sich zur Wahrung mindestens jener Sorgfalt als gehalten betrachtet würde, die er in eigener Sache anzuwenden pflegt. Denn es ginge nicht an, jemanden im Unterschied zu seinen Fachgenossen, die übliche Sorgfalt aufwenden, deswegen eher haften zu lassen, weil er in eigener Sache weit zurückhaltender und vorsichtiger als diese ist. Sollte sich dagegen ergeben, dass die vom Kläger behauptete Usanz beim Grossteil der Banken besteht, so käme eine Haftung der Beklagten wegen grober Verletzung der Sorgfaltspflicht in Frage.

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