BGE 108 II 327 vom 13. Juli 1982

Datum: 13. Juli 1982

Artikelreferenzen:  Art. 1 UWG , Art. 1 Abs. 1 und 2 lit. d UWG, Art. 1 Abs. 1 UWG

BGE referenzen:  87 II 54, 129 III 514, 135 III 446 , 98 II 60, 92 II 308, 103 II 213, 108 II 73, 104 II 328, 87 II 54, 90 II 56, 108 II 75, 104 II 328, 87 II 54, 90 II 56, 108 II 75

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

108 II 327


64. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. Juli 1982 i.S. Lego Spielwaren Aktiengesellschaft gegen Suchard-Tobler AG (Berufung)

Regeste

Art. 1 Abs. 1 und 2 lit. d UWG . Wettbewerbsverhältnis. Verwechslungsgefahr.
1. Frage offen gelassen, ob ein Wettbewerbsverhältnis schon anzunehmen ist, wenn die Ware eines Unternehmens nur durch die von einem andern verwendete Verpackung konkurrenziert wird (E. 3).
2. Ob zwei Erzeugnisse miteinander verwechselbar sind, hängt vom Gesamteindruck ihrer Aufmachung ab, mit der sie in den Handel gebracht und Interessenten angeboten werden (E. 4).
3. Die blosse Nachahmung einer spezialrechtlich ungeschützten fremden Ware ist nicht wettbewerbswidrig, wenn der Verwechslungsgefahr auf andere Weise vorgebeugt wird und keine besonderen Umstände vorliegen (E. 5).

Sachverhalt ab Seite 328

BGE 108 II 327 S. 328

A.- Die Lego Spielwaren Aktiengesellschaft, Baar, vertreibt "Lego Technik-Elemente" für Konstruktionsspiele. Die aus Kunststoff bestehenden Bauelemente werden in Dänemark hergestellt und seit Frühjahr 1957 auch in der Schweiz von Spielwarengeschäften, Warenhäusern und Papeterien verkauft; ihr Markterfolg hat ständig zugenommen und den Lego-Spielen seit Jahren eine aussergewöhnliche Bekanntheit verschafft. Sortimente für einfache Spiele enthalten vor allem Bausteine von Längen zwischen 8 und 80 mm, 16 mm Breite und knapp 10 mm Höhe; einzelne kommen zudem in halber Breite vor, die z.B. auch ein quadratischer Stein von 48 x 48 mm hat. Die Bausteine haben auf der Oberseite parallel angeordnete Nocken, auf der Unterseite dazu passende Hohlräume mit Ringen, die so angebracht sind, dass die Steine aufeinandergeklemmt werden können. Sie werden in den Grundfarben rot, gelb, blau, weiss und schwarz hergestellt und unter der Marke "LEGO" vertrieben. Das Warenzeichen steht nicht nur auf der Verpackung, sondern in Kleinschrift auch auf den Nocken der Steine.
Die Suchard-Tobler AG, Bern, handelt mit Lebensmitteln. Seit März 1980 vertreibt sie unter der Marke "ipso" Erfrischungspastillen mit den Aromen Citron, Orange, Framboise und Mint. Sie bezieht die Pastillen von der Nicholas Pty Ldt. in Irland und lässt sie in vier Plastikschachteln, die rosa-, orangenfarbig, grün oder hellblau sind, verkaufen. Auf der Ober- und Unterseite der Schachteln ist je eine Klebeetiquette angebracht, die neben der Marke Angaben über den Inhalt oder die Herkunft und die Zusammensetzung der Pastillen enthalten. Alle Schachteln haben das gleiche Format (48 x 48 x 16 mm) und sind auf zwei Schmalseiten mit Nocken, auf den beiden andern mit Klemmringen versehen; frei davon ist nur ein 16 mm langer Deckel, der die Schüttöffnung schliesst.

B.- Im Februar 1981 klagte die Lego Spielwaren Aktiengesellschaft gegen die Suchard-Tobler AG wegen unlauteren Wettbewerbs. Sie beantragte dem Handelsgericht des Kantons Bern, der Beklagten den Vertrieb von Erfrischungspastillen der Marke "ipso" oder von anderen Süsswaren in Plastikschachteln, die wegen ihrer Nocken und Klemmvorrichtung wie Lego-Bausteine zusammengesteckt werden können, mit sofortiger Wirkung bei Strafe zu verbieten.
Die Beklagte widersetzte sich diesem Begehren, weil ihr Vorgehen wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden sei.
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Das Handelsgericht wies die Klage am 22. Oktober 1981 ab. Es fand, dass eine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG zu verneinen und ein anderer Missbrauch des wirtschaftlichen Wettbewerbs durch die Beklagte nicht belegt sei.

C.- Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, mit der sie an ihrem Rechtsbegehren festhält.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt das angefochtene Urteil.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. Das Handelsgericht ist der Auffassung, dass zwischen den Parteien ein Wettbewerbsverhältnis im Sinne von Art. 1 UWG besteht, das allerdings nur wenig Bedeutung habe. Die Klägerin hält die Gegenpartei ebenfalls für eine Konkurrentin, während die Beklagte ohne nähere Begründung behauptet, von einem Konkurrenzverhältnis zwischen den Parteien könne keine Rede sein.
Zwei Unternehmen stehen nur dann im wirtschaftlichen Wettbewerb, wenn sie mit gleichartigen Waren oder Leistungen gleiche oder ähnliche Bedürfnisse befriedigen, sich also an den gleichen Abnehmerkreis wenden ( BGE 98 II 60 E. 2, BGE 92 II 308 E. 1 mit Hinweisen; TROLLER, Immaterialgüterrecht, 2. Aufl. Bd. II S. 1035). Das Handelsgericht hält ein solches Konkurrenzverhältnis für gegeben, weil die Beklagte Süsswaren in einer als Spielsache gedachten Schachtel vertreibt. Es fragt sich indes, ob Wettbewerb schon darin liegt, dass die Ware eines andern Unternehmens nicht durch ein gleichartiges Erzeugnis, sondern einzig durch dessen Verpackung konkurrenziert wird. Das dürfte insbesondere davon abhangen, wieweit die Interessenten für die Süsswaren der Beklagten von dieser Verpackung beeinflusst werden und damit zum potentiellen Kundenkreis der Klägerin zu rechnen sind. Wie es sich damit verhält, kann vorliegend offen bleiben, wenn sich die Berufung der Klägerin ohnehin als unbegründet erweist.

4. Nach Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG begeht unlauteren Wettbewerb, wer Massnahmen trifft, die bestimmt oder geeignet sind, Verwechslungen mit den Waren, Werken, Leistungen oder dem Geschäftsbetrieb eines andern herbeizuführen. Die Bestimmung setzt voraus, dass die Ware eines Konkurrenten wegen ihrer äusseren Ausstattung für das bereits auf dem Markte befindliche Erzeugnis eines andern gehalten werden kann. Ob eine solche Verwechselbarkeit zweier Erzeugnisse vorliege, ist nach dem
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Gesamteindruck zu beurteilen, den sie dem kaufenden Publikum bieten ( BGE 103 II 213 E. 2 mit Hinweisen).
a) Nach Auffassung der Klägerin hat das Handelsgericht die Verwechslungsgefahr im vorliegenden Fall zu Unrecht verneint, weil die beanstandeten Schachteln der Beklagten wie die Lego-Steine verschiedenfarbig und aus Kunststoff seien, auf zwei der schmalen Seiten wie die Oberseiten der Lego-Steine Nocken und auf den beiden andern schmalen Seiten wie die hohlen Unterseiten der Lego-Steine Klemmringe aufwiesen, so dass sie nicht nur unter sich, sondern auch mit Lego-Steinen zusammengefügt werden könnten. Damit habe die Beklagte alle charakteristischen Merkmale übernommen, welche den Gesamteindruck der Lego-Steine bestimmten. Statt dessen vergleiche das Handelsgericht die streitigen Erzeugnisse bis in alle Einzelheiten und stelle auf Unterschiede ab, die nicht ins Gewicht fielen oder überhaupt unerheblich seien.
Das Handelsgericht anerkennt, dass zwischen den Ipso-Packungen der Beklagten und Lego-Steinen der Klägerin eine gewisse Ähnlichkeit besteht, dass Nocken und Klemmringe mit dem Inhalt der Schachteln nichts zu tun haben, dass die Klebeetiketten von den Packungen leicht entfernt und die Schachteln mit Lego-Steinen verbaut werden können. Es hat entgegen dem Einwand der Klägerin auch nicht übersehen, dass zwei Lego-Steine mit den Ausmassen 48 x 48 x 8 mm zusammengefügt werden müssen, um einen quaderförmigen Körper zu erhalten, der genau der Grösse einer Ipso-Packung entspricht. Weitere Körper der gleichen Grösse lassen sich übrigens auch mit andern Lego-Steinen herstellen, die 8 mm lang sind oder das Mehrfache dieser Länge haben und sich ebenfalls bei den Akten befinden. Das Handelsgericht hält die streitigen Erzeugnisse "in Berücksichtigung aller Umstände" aber nicht für verwechselbar und meint, dass sich seine Auffassung vor allem mit den Lego-Entscheiden des Bundesgerichts von 1960 und 1962 decke.
b) Diese Entscheide, die in Schweizerische Mitteilungen für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (SMGR 1961 S. 71 ff. und 1962 S. 157 ff.) veröffentlicht worden sind, werden zur Begründung ihres Antrages auch von der Beklagten angerufen, während die Klägerin nur Erwägungen aus dem ersten zitiert und den zweiten übergeht. Sie sind für die Beurteilung des vorliegenden Klagebegehrens schon deshalb nicht schlüssig, weil es in jenen Fällen um zwei Bausteinspiele und ihre Verpackungen ging, hier dagegen eine Verwechslungsgefahr zwischen zwei Erzeugnissen
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behauptet wird, von denen nur das eine als Bausteinspiel, das andere aber als Packung für Süsswaren auf dem Markt erscheint. Die Bedeutung dieses Unterschiedes wird nicht nur von den Parteien, sondern auch vom Handelsgericht verkannt. Was von Ipso-Schachteln zu halten ist, wenn sie als Verpackung ausgedient haben und dann, statt weggeworfen, von Kindern bei Lego-Spielen als Bausteine verwendet werden, kann nicht entscheidend sein für die Frage, ob unlauterer Wettbewerb gemäss Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG vorliege. Dies hängt vielmehr davon ab, ob die streitigen Erzeugnisse, so wie sie in den Handel gebracht und Interessenten angeboten werden, als miteinander verwechselbar angesehen werden können.
Davon kann im Ernst nicht die Rede sein. Die Ipso-Packungen sind vom kaufenden Publikum schon bei oberflächlicher Betrachtung als Schachteln erkennbar, in denen, wie aus den aufgeklebten Etiketten erhellt, Erfrischungspastillen der Marke "ipso" feilgehalten werden. Als Schachteln unterscheiden sie sich aber deutlich von Lego-Steinen, zumal die Klägerin keine Bauelemente gleicher Grösse, Art oder Ausgestaltung auf den Markt bringt und nicht behauptet, die Beklagte verkaufe auch leere Packungen. Aus den Etiketten ergibt sich ferner, wer die Pastillen herstellt und wer sie in der Schweiz vertreibt. Damit wird einem Irrtum über die Herkunft von Ware und Verpackung sowie über die Berechtigung zu ihrem Vertrieb zusätzlich vorgebeugt. Die Lego-Spiele werden ebenfalls unter einer Marke vertrieben, die in Kleinschrift sogar auf allen Nocken der Bausteine angebracht und seit vielen Jahren in weiten Volkskreisen bekannt ist. Umsoweniger lässt sich sagen, durch die Ausgestaltung der Ipso-Packungen werde der Eindruck erweckt, die Schachteln stammten von der Klägerin oder der Hersteller der Lego-Steine wolle damit ein Sortiment ergänzen lassen. Die Annahme des Handelsgerichts, eine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG sei nicht gegeben, ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.

5. Eine andere Frage ist, ob das Verhalten der Beklagten von der Generalklausel des Art. 1 Abs. 1 UWG erfasst werde, wonach jeder Missbrauch des wirtschaftlichen Wettbewerbs durch täuschende oder andere Mittel, die gegen Treu und Glauben verstossen, als unlauter gilt.
a) Nach ständiger Rechtsprechung ist die blosse Nachahmung einer fremden Ware für sich allein wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die nachgeahmte Ware von den Sondergesetzen
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über den gewerblichen Rechtsschutz (PatG, MSchG und MMG) nicht oder nicht mehr erfasst wird und ihre äussere Ausstattung keine Kennzeichnungskraft besitzt, um ihre Herkunft von gleichartigen Erzeugnissen anderer Konkurrenten zu unterscheiden. Die Nachahmung einer Ware kann ferner insbesondere durch deren Herstellungsweise oder Gebrauchszweck technisch bedingt und schon deshalb gerechtfertigt sein. Diese Rechtsprechung beruht auf der Überlegung, dass jedermann seine Ware auf technisch einfachste und billigste Weise herstellen und mit dem grössten Nutzeffekt ausgestalten darf, selbst wenn sie dadurch der Ware eines andern gleich oder ähnlich wird ( BGE 108 II 73 E. 2b, BGE 104 II 328 E. 3b und 332 E. 5a mit Hinweisen).
Dabei darf ein Konkurrent seine Ware einem fremden Erzeugnis sogar so anpassen, dass sie zusammen mit diesem oder an dessen Stelle verwendet werden kann, unbekümmert darum ob er dadurch aus fremder Mühe, Arbeit und Werbung Nutzen zieht; es genügt, dass er auf andere Weise (z.B. durch eine deutlich abweichende Bezeichnung und Verpackung) dem Eindruck vorbeugt, seine Ware stamme vom gleichen Hersteller. Deswegen fiel der zweite Lego-Entscheid des Bundesgerichts denn auch anders aus als der erste, und durften die Beklagten damals an der massgetreuen Nachbildung der Bausteine und deren Klemmvorrichtung festhalten, so dass die beiden Spiele weiterhin zusammen benutzt werden konnten (SMGR 1961 S. 74 ff. und 1962 S. 159 ff. je E. 4 und 5). Aus gleichen Erwägungen wurde als zulässig erachtet, dass ein Fabrikant von Rasierklingen die Masse und das Stanzbild der (spezialrechtlich ungeschützten) "Gillette"-Klinge übernahm, um seine Klingen für Gillette-Apparate verwendbar zu machen ( BGE 73 II 194 ff.), und dass eine Firma ihre Türscharniere nicht nur dem Erzeugnis eines Konkurrenten, sondern auch dessen Montage-Werkzeugen anpasste, um diese ebenfalls gebrauchen zu können ( BGE 87 II 54 ff.).
Anders verhält es sich nach der Rechtsprechung nur, wenn besondere Umstände ein solches Vorgehen gleichwohl als wettbewerbswidrig erscheinen lassen und daher die Anwendung der Generalklausel rechtfertigen. Das hat das Bundesgericht z.B. aus einer Bestellung von Stoffmustern gefolgert, welche eine Firma sich nicht nur zum Zwecke der Prüfung, sondern in der Absicht verschafft hat, die eigenartigen Stoffe eines Konkurrenten nachzuahmen ( BGE 90 II 56 E. 6). Es hat dies unter Hinweis auf die Lehre ferner für den Fall bejaht, dass ein Mitbewerber sich planmässig
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an eine fremde Ausstattung heranschleicht, um dadurch den guten Ruf oder Markterfolg von Konkurrenzerzeugnissen schmarotzerisch auszubeuten ( BGE 108 II 75 E. 2c am Ende, 105 II 302 und 104 II 334 je mit Hinweisen).
b) Was die Klägerin in dieser Hinsicht vorbringt, rechtfertigt einen solchen Rückgriff auf die Generalklausel nicht. Zwar liegt es auf der Hand, dass die Ipso-Schachteln an die Lego-Bausteine angepasst wurden, um deren Bekanntheit zu nutzen und damit einen zusätzlichen Anreiz zu schaffen. Das genügt nach den dargelegten Grundsätzen für sich allein aber nicht, um im Sinn von Art. 1 Abs. 1 UWG einen Verstoss gegen Treu und Glauben zu bejahen, da die Beklagte zugleich der Verwechslungsgefahr vorgebeugt hat.

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