Urteilskopf
109 II 428
90. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. November 1983 i.S. Konkursmasse der X. AG gegen A. und B. Y. (Berufung)
Regeste
Kauf, der gegen den Bundesbeschluss über die Bewilligungspflicht für den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewB) verstösst; Klage des Verkäufers auf Wiederherstellung des ursprünglichen Rechtszustandes (Grundbuchberichtigungsklage).
1. Das Klagerecht der zuständigen kantonalen Behörde im Sinne des heutigen
Art. 22 BewB
hat nicht zur Folge, dass der Private (Verkäufer) keinen Grundbuchberichtigungsanspruch geltend machen könnte (E. 2).
2. Dem klagenden Verkäufer kann nicht entgegengehalten werden, er berufe sich in rechtsmissbräuchlicher Weise auf die Nichtigkeit des Kaufvertrages (E. 3).
Aus den Erwägungen:
1.
Durch den Entscheid des Verwaltungsgerichts ... vom 5. September 1979 wurde rechtskräftig festgestellt, dass der Kaufvertrag vom 26. August 1971 zwischen der X. AG (Käuferin) und den Klägern unter Verletzung des Bundesbeschlusses über die Bewilligungspflicht für den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (in der Fassung vom 24. Juni 1970) zustande gekommen und demzufolge nichtig ist (vgl. dazu
BGE 105 II 312
E. 2). Während das Kantonsgericht der Auffassung ist, den Klägern stehe die Legitimation zur Grundbuchberichtigungsklage, d.h. zur Klage auf Wiederherstellung des ursprünglichen Rechtszustandes,
BGE 109 II 428 S. 429
zu, stellt sich die Beklagte (Konkursmasse der X. AG) auf den Standpunkt, in den Fällen, da die Eigentumsübertragung bereits vollzogen sei, sei gemäss
Art. 13 BewB
einzig die "klageberechtigte kantonale Behörde" aktivlegitimiert.
2.
Der Text des BewB setzt sich aus drei Fassungen zusammen, die auf die Jahre 1961 (AS 1961 S. 203 ff.), 1965 (AS 1965 S. 1239 ff.) und 1970 (AS 1970 S. 1199 ff.) zurückgehen. Die mit der Revision von 1970 eingetretenen Änderungen sind für den vorliegenden Streit ohne Bedeutung und können deshalb von vornherein ausser acht bleiben.
Art. 11 Abs. 3 in der Fassung von 1961 sah vor, dass die Nichtigkeit von Amtes wegen zu beachten sei und dass unter den Parteien in diesen Fällen
Art. 66 OR
über den Ausschluss der Rückforderung keine Anwendung finde. Den gleichen Wortlaut hat Art. 12 Abs. 3 in der Fassung von 1965. Der BewB unterscheidet sodann zwischen nichtigen Rechtsgeschäften, die noch zu keiner Eintragung geführt haben, und solchen, die grundbuchlich vollzogen sind. Für den zweiten Fall sah die Fassung von 1961 ein Klagerecht der "klageberechtigten kantonalen Behörde" auf Wiederherstellung des ursprünglichen Rechtszustandes vor, das innert Jahresfrist seit der Entdeckung, höchstens aber innert zwei Jahren seit dem Erwerb, geltend zu machen war (Art. 13 Abs. 1). In Absatz 2 wurden einige Fälle erwähnt, in welchen dieses Klagerecht entfiel. Die Fassung von 1965 hat den erwähnten Grundsatz bestätigt, darüber hinaus den Gerichtsstand präzisiert (Richter am Ort der gelegenen Sache) und die absolute Frist auf zehn Jahre ab Erwerb erstreckt. Ferner wurde bei Art. 13 neu ein Abs. 1bis eingefügt, wonach der Richter die öffentliche Versteigerung anordnen kann, wenn die Wiederherstellung sich als unmöglich oder untunlich erweist; dabei kann der Erwerber nur die Gestehungskosten beanspruchen; ein allfälliger Mehrerlös fällt dem Kanton zu. Die heute geltende Fassung des BewB (SR 211.412.41) entspricht im wesentlichen der Fassung von 1965. Allerdings wurde die absolute Verjährungsfrist derjenigen der Strafverfolgung gleichgesetzt (vgl. Art. 22 Abs. 1). Die privatrechtlichen Folgen einer Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit wurden insofern präzisiert, als an die Stelle der Verweisung auf
Art. 66 OR
folgende Fassung getreten ist: "Versprochene Leistungen können nicht gefordert und erbrachte Leistungen können binnen fünf Jahren, bei strafbaren Handlungen bis zur Verjährung der Strafverfolgung, zurückgefordert werden" (Art. 20 Abs. 3).
Mit Bezug auf die hier streitige Frage der Klagelegitimation des Privaten ergibt sich entstehungsgeschichtlich folgendes: In der Botschaft vom 15. November 1960 (BBl 1960 II S. 1261 ff., insbes. S. 1286) führt der Bundesrat aus, Abs. 1 von Art. 13 des Entwurfes ergänze materiell
Art. 973 ff. ZGB
, und zwar in Anlehnung an Art. 44 des Bundesratsbeschlusses vom 19. Januar 1940 über Massnahmen gegen die Bodenspekulation (BS 9, 166); das dort statuierte Klagerecht des dinglich Berechtigten bleibe von der ergänzenden Klageberechtigung der Behörde unberührt. Anlässlich der Beratung von Art. 13 des Entwurfes im Nationalrat erklärte Nationalrat König: "Artikel 13 sieht die Klage des Staates vor, die einsetzt, falls ein an sich genehmigungspflichtiges Geschäft ohne Genehmigung im Grundbuch eingetragen wird. In diesem Falle haben nicht nur die Parteien, sondern auch der Staat das Recht zur Klage auf Löschung dieses ungerechtfertigten Eintrages. Damit ist jedermann einverstanden" (Sten.Bull. 1960 N, S. 766).
Wie die Vorinstanz mit Recht ausführt, hat das Klagerecht der Behörde seinen guten Sinn darin, dass es nicht dem Belieben der beteiligten Parteien überlassen bleibt, dem öffentlichen Interesse an der Durchsetzung der Bestimmungen des BewB auch hinsichtlich der zivilrechtlichen Folgen zum Durchbruch zu verhelfen (vgl.
BGE 106 Ib 13
E. 2). Daraus darf aber nicht gefolgert werden, der aus dem gemeinen Recht abgeleitete Grundbuchberichtigungsanspruch des Privaten werde ausgeschlossen und es sei diesem untersagt, die aus der Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes fliessenden zivilrechtlichen Ansprüche geltend zu machen. Die mit der Klagelegitimation der Behörde angestrebte Wiederherstellung des ursprünglichen Rechtszustandes lässt sich ohne weiteres auch mit der Klage des Privaten erreichen (vgl.
BGE 107 Ib 188
E. 6b). Wo der BewB vom ordentlichen Recht abweichen soll, wurde dies ausdrücklich gesagt. Es sei in diesem Zusammenhang auf den Ausschluss der Anwendbarkeit von
Art. 66 OR
hingewiesen (Art. 12 Abs. 3 in der Fassung von 1965).
Die Klagelegitimation der Kläger wurde von der Vorinstanz nach dem Gesagten zu Recht bejaht. Dass die Durchsetzung des Anspruches über die Grundbuchberichtigungsklage des
Art. 975 ZGB
zu erfolgen hatte, hat das Kantonsgericht sodann überzeugend dargelegt. Auch weist die Vorinstanz zutreffend darauf hin, dass die Grundbuchberichtigungsklage - als die bei Grundstücken zur Anwendung gelangende Vindikationsklage = grundsätzlich unbefristet ist.
3.
Die Beklagte wendet ein, die Kläger hätten zur Umgehung des BewB Hand geboten; ihrer Klage stehe somit
Art. 2 Abs. 2 ZGB
entgegen. Zur Gut- oder Bösgläubigkeit der Kläger hat die Vorinstanz keine Feststellungen getroffen. Weder aus dem verwaltungsgerichtlichen Entscheid vom 5. September 1979 noch sonst ergeben sich Umstände, die auf einen bösen Glauben der Kläger schliessen liessen. Im übrigen kann auf dem hier in Frage stehenden Rechtsgebiet der Geltendmachung der Nichtigkeit die Einrede des Rechtsmissbrauchs nicht entgegengehalten werden (vgl.
BGE 107 II 449
E. 2b am Ende;
BGE 105 II 316
E. 5e). Ob im vorliegenden Fall die Wiederherstellung des ursprünglichen Rechtszustandes im öffentlichen Interesse stehe oder nicht, braucht nicht geprüft zu werden, ist doch die Nichtigkeit im BewB zwingend vorgeschrieben.
4.
Die Vorinstanz hat festgehalten, dass die Klage auch dann zu schützen gewesen wäre, wenn die Rückabwicklung des nichtigen Geschäftes nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zu erfolgen gehabt hätte, zumal ein solcher Rückforderungsanspruch im Zeitpunkt des Vermittlungsbegehrens noch nicht verjährt gewesen sei. Dabei ging sie davon aus, dass sich die Verjährung nach
Art. 67 OR
richten würde. Im vorliegenden Fall sei der Eintrag des nichtigen Kaufvertrages am 26. August 1971 erfolgt; die Klage sei am 22. Dezember 1980 ... eingereicht worden, somit vor Ablauf der zehnjährigen Verjährungsfrist. Die sichere Kenntnis ihres Rückforderungsanspruches hätten die Kläger erst dann gehabt, als das am 9. Februar 1980 mitgeteilte verwaltungsgerichtliche Urteil vom 5. September 1979 in Rechtskraft erwachsen sei. Indem sie das Vermittlungsbegehren am 22. Dezember 1980 gestellt hätten, hätten sie auch die einjährige Frist von
Art. 67 Abs. 1 OR
gewahrt. Das Kantonsgericht hat es im übrigen abgelehnt, Art. 20 Abs. 3 der seit 1. Februar 1974 in Kraft stehenden Fassung des BewB (Begrenzung der Verjährung des Bereicherungsanspruches auf fünf Jahre seit Erbringen der Leistung) rückwirkend auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden.
Ob die Verjährungsbestimmung des
Art. 20 Abs. 3 BewB
- gestützt auf
Art. 49 SchlT ZGB
- auf den vorliegenden Fall anzuwenden sei, kann dahingestellt bleiben. Wie sich aus der Botschaft des Bundesrates vom 25. Oktober 1972 (BBl 1972 II S. 1263) und aus der Beratung im Nationalrat (Amtl.Bull. 1972 N, S. 2254 f.) nämlich eindeutig ergibt, ist die neue - fünfjährige - Verjährungsfrist dazu bestimmt, die einjährige, als zu kurz
BGE 109 II 428 S. 432
empfundene Frist des
Art. 67 OR
zu verlängern, und nicht die bisher zur Anwendung gekommenen Fristen zu verkürzen. Aus dem neuen Wortlaut des BewB kann die Beklagte mithin nichts für sich ableiten.
...