Urteilskopf
109 III 83
23. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 16. November 1983 i.S. X. (Rekurs)
Regeste
Konkurs, der auf dem Gebiet des früheren Königreiches Württemberg eröffnet wurde; öffentliche Bekanntmachung und Durchführung in der Schweiz.
1. Die Übereinkunft zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Krone Württemberg betreffend die Konkursverhältnisse und gleiche Behandlung der beiderseitigen Staatsangehörigen in Konkursfällen vom 12. Dezember 1825/13. Mai 1826 stellt kantonales Recht dar (Bestätigung der Rechtsprechung); ob sie noch in Kraft sei und ob die Voraussetzungen der Anwendbarkeit im konkreten Fall erfüllt seien, beurteilt sich daher nicht nach Bundesrecht (E. 2 und 4).
2. Die Übereinkunft mit der Krone Württemberg ist nur hinsichtlich der Frage der Vollstreckbarkeit eines ausländischen Konkurserkenntnisses anwendbar; die Wirkungen und das Verfahren eines gestützt auf die Übereinkunft auch in der Schweiz zu vollziehenden Konkurses richten sich nach den
Art. 197 ff. SchKG
. Es ist deshalb in der Schweiz eine eigene Konkursmasse zu bilden, zu verwalten und zu verwerten; erst ein nach abgeschlossener Verteilung allenfalls verbleibender Überschuss wäre der deutschen Konkursmasse zu überweisen (E. 3 und 6).
Nachdem das Amtsgericht Stuttgart über X. ein Anschlusskonkursverfahren eröffnet hatte, ersuchte es das Konkursamt Basel-Stadt, die Eröffnung des Konkurses im Kantonsblatt und im Schweizerischen Handelsamtsblatt öffentlich bekanntzumachen. Das Konkursamt erklärte sich bereit, dem Gesuch zu entsprechen, und unterbreitete dem Amtsgericht einen Publikationsentwurf, worin es den deutschen Konkursverwalter als für die Entgegennahme der Eingaben der Gläubiger und Schuldner zuständige Stelle bezeichnete.
Eine von X. gegen die konkursamtliche Verfügung eingereichte Beschwerde wies die Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt des Kantons Basel-Stadt ab.
Gegen den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde hat X. an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts rekurriert.
Aus den Erwägungen:
1.
Der konkursamtliche Entscheid, dem Rechtshilfegesuch des Amtsgerichtes Stuttgart stattzugeben, beruht auf der Übereinkunft zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Krone Württemberg betreffend die Konkursverhältnisse und gleiche Behandlung der beiderseitigen Staatsangehörigen in Konkursfällen vom 12. Dezember 1825/13. Mai 1826 (abgedruckt bei WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs, Taschenausgabe, 10. A., S. 704 ff.), der unter anderem auch der Kanton Basel-Stadt beigetreten ist. Gemäss Art. IV dieser Übereinkunft sollen alle beweglichen und unbeweglichen Güter eines Gemeinschuldners, auf welchem Staatsgebiet sich dieselben immer befinden mögen, in die allgemeine Konkursmasse fallen.
2.
Der Rekurrent macht vorab geltend, die Übereinkunft mit der Krone Württemberg sei nicht mehr in Kraft. In
BGE 104 III 69
f. E. 3 hat die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer festgehalten, die Übereinkunft sei als kantonaler Staatsvertrag zu qualifizieren. Der Rekurrent bringt nichts vor, was ein Abweichen von dieser Auffassung rechtfertigen würde. Ob die Übereinkunft noch gelte, ist nach dem Gesagten eine Frage des betreffenden kantonalen Rechts, die von der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts nicht überprüft werden kann (vgl. Art. 43 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 81 OG
; Art. 79 Abs. 1 erster Satz OG). Es muss daher bei der vorinstanzlichen Feststellung, die Übereinkunft sei für den Kanton Basel-Stadt nach wie vor gültig, sein Bewenden haben. Im Schrifttum wird übrigens ebenfalls davon ausgegangen, die Übereinkunft stehe noch in Kraft (vgl. WALDER, a.a.O.; NUSSBAUM, Das internationale Konkursrecht der Schweiz, Diss. Bern 1980, S. 52 ff.; Botschaft des Bundesrates vom 10. November 1982 zum Bundesgesetz über das internationale Privatrecht, BBl 1983 I S. 448; BÜRGI, in BlSchK 38/1974, S. 1 ff.; STAEHELIN, in Festgabe der schweizerischen Rechtsfakultäten zur Hundertjahrfeier des Bundesgerichts, S. 561; DAVID, in SJZ 69/1973, S. 84 ff., bes. S. 87; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, S. 294; BLASCHCZOK, in Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis 1983, S. 141 ff., bes. S. 143/III).
3.
Nach Ansicht des Rekurrenten verstösst die Übereinkunft mit der Krone Württemberg gegen die in
Art. 64 BV
verankerte Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf dem Gebiete des Schuldbetreibungs- und Konkursrechtes. Soweit die Übereinkunft die Frage der Vollstreckbarkeit eines ausländischen Konkurserkenntnisses betrifft, ist dem nicht beizupflichten. In diesem Bereich hat der Bund keine allgemeingültigen Bestimmungen erlassen, und ein eidgenössischer Staatsvertrag, der den zur Beurteilung stehenden Sachverhalt regeln würde, fehlt. Bei dieser Sachlage bleibt die Zuständigkeit der Kantone vorbehalten (vgl. AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, N. 636, 641, 676 (S. 258) und 706; NUSSBAUM, a.a.O., S. 42 und Anmerkung 11).
Art. 64 BV
steht der Vollstreckbarerklärung eines auf dem Gebiet des früheren Königreiches Württemberg ergangenen Konkurserkenntnisses durch eine kantonale Instanz somit nicht entgegen.
4.
Der Rekurrent beanstandet des weitern, dass die Vorinstanz die Übereinkunft als anwendbar erklärt habe, obschon die
BGE 109 III 83 S. 86
in Art. I festgehaltenen Voraussetzungen betreffend den Wohnsitz nicht erfüllt gewesen seien; als der Konkurs durch den rechtskräftig gewordenen Entscheid vom 16. November 1982 in Stuttgart eröffnet worden sei, habe er nämlich nicht mehr dort gewohnt... Wie bereits dargelegt, handelt es sich bei der Übereinkunft mit der Krone Württemberg um kantonales Recht, dessen Anwendung im Rekursverfahren gemäss den
Art. 19 SchKG
und 78 ff. OG nicht überprüft werden kann. Die Verletzung kantonalen Rechts wäre mit staatsrechtlicher Beschwerde zu rügen gewesen. Das gleiche gilt sodann auch für die vom Rekurrenten geltend gemachten Mängel des Beweisverfahrens. Die Vorbringen des Rekurrenten betreffend seinen Wohnsitz sind deshalb nicht zu hören.
...
6.
Mit dem Gesagten ist freilich noch nicht entschieden, nach welchem Recht der vollstreckbar erklärte Konkursentscheid zu vollziehen und wer für die Anordnung von Zwangsvollstreckungsmassnahmen in der Schweiz zuständig ist. Ob die Übereinkunft mit der Krone Württemberg Bestimmungen betreffend das für die Durchführung des Konkursverfahrens anwendbare Recht enthalte, mag dahingestellt bleiben. Solche Regeln hätten, da kantonales Recht, vor dem eidgenössischen Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz ohnehin zurückzutreten, da dieses für Fälle der vorliegenden Art das Konkursrecht abschliessend regelt. Die Wirkungen und das Verfahren eines auch in der Schweiz zu vollziehenden ausländischen Konkurses richten sich deshalb nach den
Art. 197 ff. SchKG
. Andererseits ist zu beachten, dass ausländische Konkursorgane nicht befugt sind, in der Schweiz eigentliche Zwangsvollstreckungshandlungen vorzunehmen (vgl.
BGE 94 III 95
).
Für den vorliegenden Fall erhellt aus dem Gesagten, dass - entgegen dem Publikationsentwurf des Konkursamtes Basel-Stadt ... - die Gläubiger ihre Ansprüche bei diesem Amt, und nicht bei der deutschen Konkursverwaltung, geltend zu machen haben werden und dass das gleiche für die Anmeldungen der Schuldner gilt. Sodann wird in der Schweiz - gestützt auf das schweizerische Recht - eine eigene Konkursmasse zu bilden, zu verwalten und zu verwerten sein. Ein nach abgeschlossener Verteilung allenfalls verbleibender Überschuss wäre der deutschen Konkursmasse zu überweisen (vgl. dazu den Entwurf für ein Bundesgesetz über das internationale Privatrecht, Art. 163 ff.; BBl 1983 I S. 512 f.).
7.
Zusammengefasst ergibt sich, dass die Anträge des Rekurrenten -
BGE 109 III 83 S. 87
soweit darauf einzutreten ist - teilweise gutzuheissen sind. Sodann ist das Konkursamt von Amtes wegen, d.h. in Anwendung von
Art. 15 SchKG
, im Sinne der vorstehenden Erwägungen anzuweisen, in der Schweiz einen Konkurs über den Rekurrenten durchzuführen und eine entsprechende Publikation anzuordnen.