BGE 109 IV 143 vom 21. September 1983

Datum: 21. September 1983

Artikelreferenzen:  Art. 19 BetmG , Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG, Art. 19a Ziff. 1 BetmG

BGE referenzen:  110 IV 99, 111 IV 31, 111 IV 100, 112 IV 109, 114 IV 164, 115 IV 59, 117 IV 314, 118 IV 342, 119 IV 180, 120 IV 334, 121 IV 261, 121 IV 332, 122 IV 360, 130 IV 111, 138 IV 100, 145 IV 312 , 108 IV 64, 107 IV 61, 108 IV 66

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

109 IV 143


39. Urteil des Kassationshofs vom 21. September 1983 i.S. F. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden (Nichtigkeitsbeschwerde)

Regeste

Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG . Schwerer Fall.
12 g Heroin, 18 g Kokain, 4 kg Haschisch oder 200 Trips LSD können die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen.

Sachverhalt ab Seite 143

BGE 109 IV 143 S. 143

A.- Von Anfang Oktober 1982 bis Mitte Dezember 1982 erwarb F. in Zürich ca. 2,2 bis 2,3 kg Haschisch und 21 g Kokain. Beide Rauschgifte portionierte er, um sie anschliessend durch Dritte weiterverkaufen zu lassen. Ausserdem vermittelte er einem anderen Dealer einen Abnehmer für ca. 500 g Haschisch. Mitte Dezember 1982 beschlossen F. und H. in Spanien eine grössere Menge Kokain zu kaufen und diese in der Schweiz abzusetzen. Während H. die Finanzierung des Ankaufs übernahm, organisierte F. den Transport und den Verkauf von 42 g Kokain.

B.- Das Kantonsgericht von Graubünden verurteilte F. mit Entscheid vom 9. Mai 1983 wegen fortgesetzter Widerhandlung gegen Art. 19 Ziff. 1 und 2 lit. a sowie gegen Art. 19a Ziff. 1 BetmG zu einer Zuchthausstrafe von 2 1/2 Jahren, abzüglich 113 Tage Untersuchungshaft.

C.- Mit der gegen dieses Urteil gerichteten eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde beantragt F., der angefochtene Entscheid sei aufzuheben.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. a) Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die von ihm gehandelte Menge Kokain die Voraussetzungen des schweren
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Falls im Sinne von Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG nicht erfülle. Er behauptete insbesondere, dass im Falle von Kokain eine Vielzahl von Menschen nicht schon bei zwanzig Personen vorliege. Seine Behauptung begründet er einzig mit dem Hinweis auf die frühere bundesgerichtliche Rechtsprechung, die von einer Anzahl von zwanzig bis vierzig Personen ausgegangen sei.
Das Bundesgericht hat sich in BGE 108 IV 64 ff. eingehend mit der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffes "viele Menschen" befasst und dabei festgelegt, dass, - unabhängig von der Art des Rauschgiftes - eine Vielzahl von Menschen im Sinne von Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG bei einer Anzahl von zwanzig Personen gegeben ist. Die in der Beschwerdeschrift geäusserte Kritik ist nicht geeignet, eine Änderung dieser Rechtsprechung herbeizuführen.
b) F. macht weiter geltend, aus BGE 107 IV 61 ergebe sich, dass eine Gefährdung vieler Menschen erst bei einer Menge von 5,4 kg Kokain gegeben sei. Diese Behauptung stützt sich jedoch lediglich auf ein im genannten Entscheid zitiertes Parteigutachten, dessen Aussage der Kassationshof nicht übernommen hat. In BGE 108 IV 66 /67 wurde festgelegt, dass im Falle von Kokain - ausgehend von einer Applikationsmenge vom 10 mg und einem regelmässigen Konsum von einem halben Jahr - 1,8 g dieses Rauschgiftes genügen, um eine Person in ihrer Gesundheit zu schädigen; demzufolge wurden 50 g Kokain als ausreichend betrachtet, um 27 Personen psychisch abhängig werden zu lassen. Schon nach dieser Rechtsprechung ist der Beschwerdeführer bei einer Kokainmenge von ca. 63 g von der Vorinstanz zu Recht der Widerhandlung im Sinne von Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG schuldig gesprochen worden.
Der Kassationshof führte am 5. Mai 1983 in Basel mit verschiedenen Experten (Prof. Dr. Kielholz, Basel, Prof. Dr. Ladewig, Basel, Dr. Rümmele, Basel, Prof. Dr. Burner, Lausanne, Dr. Caponi, Lausanne, Dr. Eichenberger, Genf, Dr. Harding, Genf, Prof. Dr. Cerletti, Basel, Dr. Hahn, Bern, T. Kamény, Bern, Prof. Dr. Uchtenhagen, Zürich) ein Hearing durch, an welchem u.a. auch die Frage des schweren Falles im Sinne von Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG zur Sprache kam. Nach der übereinstimmenden Ansicht der am Kolloquium teilnehmenden Experten darf nach dem heutigen Stand der Wissenschaft unter Beachtung der vom Bundesgericht in konstanter Rechtsprechung entwickelten Kriterien (drogenunerfahrene Konsumenten, gefährlichste gebräuchliche Applikationsart) zur Berechnung der das Risiko einer psychischen
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Abhängigkeit erzeugenden Betäubungsmittelmenge von folgenden Werten ausgegangen werden:
Heroin-Hydrochlorid:
Tägliche intravenöse Applikation von 10 mg während 60 Tagen.
Kokain:
Tägliche intravenöse Applikation von 10 mg während 90 Tagen.
Cannabis:
Regelmässiges Rauchen von insgesamt 200 Joints à 0,5-1 g Haschisch.
LSD:
Wirkstoffmenge von 10 Trips (1 Trip = 0,05-0,1 mg Wirkstoff).
Eine Gefährdung der Gesundheit vieler Menschen (zwanzig Personen; vgl. lit. 3 a) liegt demnach bei Rauschgiftmengen von 12 g Heroin, 18 g Kokain, 4 kg Haschisch oder 200 Trips LSD vor.

Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

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