Urteilskopf
110 II 293
60. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 29. Mai 1984 i.S. A. gegen P. AG (Berufung)
Regeste
Rechtslage nach dem Erwerb vinkulierter Namenaktien infolge Erbgangs.
1. Lehnt die Aktiengesellschaft Personen, die vinkulierte Namenaktien geerbt haben, gestützt auf
Art. 686 Abs. 4 OR
als neue Aktionäre ab, so hat sie ihnen den wirklichen Wert der Aktien zu ersetzen (E. 2 und 4).
2. Kein Fall unerlaubten Erwerbs eigener Aktien nach
Art. 659 Abs. 1 OR
(E. 3a); unerlaubte Einlagerückgewähr im Sinne von
Art. 680 Abs. 2 OR
(E. 3b)?
3. Kein Erklärungs- oder Grundlagenirrtum der Gesellschaft wegen Unterschätzung des wirklichen Werts der Aktien (E. 5).
A.-
P. war Gründer der Firma P. AG, deren Aktienkapital von Fr. 500'000.- aus 375 voll liberierten Namenaktien zu nominal Fr. 1'000.- und aus 250 Stimmrechtsaktien zu nominal Fr. 500.- besteht. Alle Aktien befinden sich im Eigentum der Nachkommen des Gründers. Seine Enkel, H. und J., bilden mit einer Minderheitsaktionärin den Verwaltungsrat und verfügen zusammen mit ihrem Vater S. über 449 Stimmen und damit über die absolute Mehrheit in der Generalversammlung. Frau B. hielt demgegenüber 46 Namenaktien zu nominal Fr. 1'000.- in Händen. Sie starb am 29. April 1976 und hinterliess als Erben ihren Ehemann C. sowie vier Kinder. Als Willensvollstrecker hatte sie testamentarisch A. eingesetzt.
Die Aktien der verstorbenen Frau B. sind vinkuliert. Gemäss Statuten der Firma kann die Verwaltung ohne Angabe der Gründe Personen, die ohne ihre Genehmigung Aktien erworben haben, die Eintragung als Aktionäre ins Aktienbuch verweigern; vorbehalten bleibt
Art. 686 Abs. 4 OR
.
Am 1. November 1978 ersuchte A. die P. AG um Mitteilung, ob der Verwaltungsrat bereit sei, die Erbengemeinschaft für die Aktien von Frau B. im Aktienbuch einzutragen, oder ob der Verwaltungsrat oder Aktionäre die Aktien gestützt auf
Art. 686 Abs. 4 OR
zu ihrem inneren Wert käuflich übernehmen wollten. Der Verwaltungsrat lehnte es ab, die Erbengemeinschaft ins Aktienbuch einzutragen, widerrief indes später seinen Beschluss, nachdem eine Treuhandfirma den wirklichen Wert der Aktien auf über Fr. 14'000.- pro Aktie zu Fr. 1'000.- Nominalwert geschätzt hatte.
B.-
Hierauf klagte A. mit dem Begehren, die P. AG sei zu verpflichten, ihm als Willensvollstrecker von Frau B. gegen Übergabe der 46 blanko indossierten Namenaktien Fr. 668'012.- oder - nach Durchführung des Beweisverfahrens - einen höheren Betrag nebst 5% Zins seit 1. Januar 1980 zu zahlen.
Das Handelsgericht des Kantons Zürich wies die Klage am 20. Oktober 1982 ab. Es fand, die Beklagte habe die Eintragung ins Aktienbuch nicht gültig abgelehnt, da keine Aktionäre sich bereitgefunden hätten, die Aktien zu übernehmen. Ein allfälliger
BGE 110 II 293 S. 295
Übernahmevertrag sei ausserdem wegen eines erheblichen Irrtums über den Wert der Aktien dahingefallen.
C.-
Der Kläger hat Berufung eingereicht und beantragt, das Urteil des Handelsgerichts aufzuheben und festzustellen, dass die Beklagte passivlegitimiert sei und die Leistungen gemäss Klagebegehren zu erbringen habe. Das Bundesgericht heisst die Berufung im wesentlichen gut.
Aus den Erwägungen:
2.
Sind vinkulierte Namenaktien infolge Erbgangs erworben worden, so kann gemäss
Art. 686 Abs. 4 OR
die Aktiengesellschaft die Eintragung der Erben ins Aktienbuch verweigern, wenn Mitglieder der Verwaltung oder einzelne Aktionäre sich bereit erklären, die Aktien zum Börsenkurs und, wenn ein solcher nicht besteht, zum wirklichen Wert im Zeitpunkt der Anmeldung zur Eintragung zu übernehmen. Die Vorinstanz stellt einleitend fest, die Bedeutung dieser Bestimmung werde in der Literatur sehr unterschiedlich beurteilt. Gemäss
BGE 76 II 68
stehe dem Aktienerwerber, den die Gesellschaft nicht als Aktionär ins Aktienbuch eintragen wolle, die Klage auf Zustimmung zum Aktienübergang und auf Eintragung ins Aktienbuch offen; die Ablehnung der Eintragung sei zwar unanfechtbar, jedoch nur dann gültig, wenn Übernahmeangebote, d.h. vorbehaltlose Offerten von Mitgliedern der Verwaltung oder von andern Aktionären zum Kauf der Aktien vorlägen. Schlage der Erwerber die Offerte aus, so bleibe seine Mitgliedschaftsstelle vakant. Dass die Verwaltung selbst, als Käuferin, eine Ablösungspflicht treffe oder dass sie die Aktien aus freien Stücken kaufen könne, widerspreche dem Willen des Gesetzes. Immerhin könne der Erwerber sie auffordern, innert Frist zu erklären, ob Übernahmeofferten seitens von Aktionären vorlägen. Demgegenüber vertritt der Kläger die Auffassung, die Gesellschaft selbst sei aufgrund von
Art. 686 Abs. 4 OR
gehalten, die Aktien zu erwerben und dem Kläger ihren wirklichen Wert zu ersetzen, wenn sie die Eintragung ins Aktienbuch verweigere. Das ergebe sich aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung.
a) Der Wortlaut von
Art. 686 Abs. 4 OR
lässt die Frage offen, gegen wen der Erbe vorzugehen hat und was er verlangen kann, wenn die Gesellschaft dem Übergang der Aktienrechte und der Eintragung ins Aktienbuch nicht zustimmt. Zu fragen ist deshalb
BGE 110 II 293 S. 296
nach der ratio des Gesetzes. Dabei können sich aus der Entstehungsgeschichte Hinweise ergeben. Zu berücksichtigen ist die Interessenlage von Erben und Gesellschaft (vgl. MEIER-HAYOZ, N. 319 ff. zu
Art. 1 ZGB
), ferner das Postulat der Praktikabilität einer Lösung (vgl. MEIER-HAYOZ, N. 323 ff. zu
Art. 1 ZGB
). In Betracht zu ziehen ist, was in der Realität tatsächlich praktiziert wird (MEIER-HAYOZ, N. 323 zu
Art. 1 ZGB
). Mitzuberücksichtigen ist schliesslich auch eine zu erwartende Gesetzesrevision (vgl. MEIER-HAYOZ, N. 395 zu
Art. 1 ZGB
), insbesondere wenn mit ihr nicht das gegenwärtige System geändert, sondern gerade Lücken des geltenden Rechts unter prinzipieller Beibehaltung der Grundlagen ausgefüllt werden sollen.
b) Die Expertenkommission von 1928 diskutierte mehrere Lösungsmöglichkeiten für den Fall, dass die Aktiengesellschaft die Erben nicht als Aktionäre annehmen will: Die Aktiengesellschaft könne die Aktien von den Erben kaufen, die Erben entschädigen oder die Aktien mindestens zuhanden eines Aktionärs übernehmen (Voten Oser und Wieland, Prot. ExpKom. 1928 S. 292 bis 294). Der von der Kommission schliesslich vorgeschlagene Gesetzeswortlaut unterschied sich vom heute geltenden lediglich dadurch, dass er anstelle der "Mitglieder der Verwaltung" die "Verwaltung" als Übernehmerin nannte. Diese Fassung lag auch dem bundesrätlichen Entwurf zugrunde (Botschaft zur Novelle, in BBl 1928 I S. 245, 391). Erst die ständerätliche Kommission entschied sich für den heutigen Wortlaut, ohne freilich eine Begründung dafür zu geben (Protokoll der ständerätlichen Kommission vom 21. Februar 1929, S. 33). Die Änderung blieb in den parlamentarischen Beratungen unbestritten (Sten.Bull. StR 1931 S. 405 f., NR 1934 S. 122). Ist daher die Expertenkommission mehrheitlich dafür eingetreten, die Rechtsstellung der Erben zu schützen, so hat sie sich über den Weg, auf dem dieses Ziel zu erreichen ist, nicht eindeutig ausgesprochen. Den parlamentarischen Beratungen ist dazu ebenfalls nichts zu entnehmen. Keinesfalls und entgegen der Meinung der Beklagten ergibt sich bereits aufgrund einer historischen Auslegung, welche Bedeutung der Übernahmeerklärung von Verwaltungsmitgliedern oder Aktionären zukommt, namentlich, ob ihre Erklärung ein Kaufsangebot an die Erben darstellt, wie die Vorinstanz glaubt, oder lediglich von interner Bedeutung ist, so dass es der Verwaltung obliegt, die Aktien zu übernehmen. Zutreffend erscheint die Ansicht des Gesetzgebers, dass die Lösung sich aus einer billigen Abwägung der
BGE 110 II 293 S. 297
Interessen der Gesellschaft mit jenen der Erben ergeben muss (
BGE 109 II 133
).
c)
Art. 686 Abs. 4 OR
will der Gesellschaft ermöglichen, unerwünschte Erben als Aktionäre abzulehnen, und gleichzeitig will er dem abgelehnten Erben den Wert der ererbten Aktien erhalten (
BGE 75 II 353
; SALZGEBER-DÜRIG, Das Vorkaufsrecht und verwandte Rechte an Aktien, Diss. Zürich 1970, S. 217/18). Denkbar ist nun die Auffassung der Vorinstanz, dass die Erben ihre Aktien nur dann gegen Wertersatz an die Aktiengesellschaft abgeben können, wenn Aktionäre bereit sind, die Aktien zu ihrem inneren Wert zu übernehmen. Die Gültigkeit der Übernahme der Aktien hinge in diesem Fall direkt vom Verhalten der Aktionäre ab. Diese Lösung verhilft dem Willen der Aktionäre bei der Frage, ob neue Aktionäre zuzulassen sind, am unmittelbarsten zum Durchbruch und wird in der Literatur teilweise vertreten (BENZ, Aktienbuch und Aktionärswechsel, Diss. Zürich 1981, S. 86; LENHARD, Der Erwerb von vinkulierten Namenaktien infolge Erbgang, Diss. Zürich 1975, S. 33; SALZGEBER-DÜRIG, S. 219; PESTALOZZI-HENGGELER, Die Namenaktie und ihre Vinkulierung, Diss. Zürich 1948, S. 177, 182; SOLCÀ, Société anonyme et droit des successions, Diss. Fribourg 1964, S. 24).
Die Alternative besteht darin, dass es für die Verbindlichkeit einer ablehnenden Erklärung der Gesellschaft nicht darauf ankommt, ob und wie sich einzelne Aktionäre geäussert haben. Die Gesellschaft ist danach verpflichtet, die Aktien vom Erwerber zu ihrem inneren Wert zu übernehmen. Auf dieser Linie steht
BGE 75 II 353
, indem er annimmt,
Art. 686 Abs. 4 OR
sei im Interesse der Gesellschaft aufgestellt, "so wie der Verwaltungsrat es versteht"; damit stimmt die andere Erwägung im Urteil überein, wonach das Gesetz richtigerweise die Möglichkeit einer Ablösung der Erben "durch die Gesellschaft" vorsehe (S. 350 E. 2). Dem pflichtet grundsätzlich jene Lehre bei, die allein die Verwaltung als zuständig für die Aktienübernahme bezeichnet (BÜRGI, Überschrift der N. 73 ff. und N. 82 ff. zu
Art. 686 OR
; SCHUCANY, N. 3 zu
Art. 686 OR
). Daran ist festzuhalten.
d) Der Zweck von
Art. 686 Abs. 4 OR
verlangt nicht, dass das Recht der Gesellschaft auf Ablehnung der Erben vom Verhalten der Aktionäre oder der Mitglieder der Verwaltung abhängt, sondern es genügt, wenn die Gesellschaft im Fall der Ablehnung verpflichtet ist, den Wert der Aktien zu ersetzen (JÄGGI, in SAG 23 1950/51, S. 201). Meistens ist es das Anliegen der Gesellschaft
BGE 110 II 293 S. 298
selbst und nicht bloss einzelner Aktionäre, die Erben abzufinden und sie so von der Gesellschaft fernzuhalten (JÄGGI, in SAG 31 1958/59, S. 62; LENHARD, S. 74 f.).
e) Der Entwurf für die Revision des Aktienrechts folgt, wenn auch mit Einschränkungen, dieser Konzeption (vgl. Botschaft, in BBl 1983 II S. 805ff. und S. 826f., sowie Art. 685b des Entwurfs). Der Unterschied besteht darin, dass nach dem Entwurf die Gesellschaft die Zustimmung nur dann gültig verweigern kann, wenn sie die Übernahme der Aktien ausdrücklich anbietet. Macht sie kein Angebot, so gilt die Zustimmung als erteilt. Wichtig im vorliegenden Zusammenhang ist, dass die Gesellschaft selbst den Erben den Wert der Aktien ersetzen muss, wenn sie die Zustimmung verweigert.
f) Diese Lösung ist einfach und praktikabel; sie trägt der Rechtssicherheit in hohem Masse Rechnung. Mit der Ablehnungserklärung der Gesellschaft erhalten die Erben einen Anspruch auf Übernahme der Aktien und Ersatz ihres Werts durch die Gesellschaft. Sie können gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung der Verwaltung für den Entscheid über Annahme oder Ablehnung eine Frist setzen (
BGE 75 II 353
); so besteht Aussicht, dem Schwebezustand, der mit dem Tod des früheren Aktionärs eingetreten ist, relativ rasch und einfach ein Ende zu setzen - ein Gesichtspunkt, der in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung immer massgebend war, um offene Fragen im Zusammenhang mit
Art. 686 Abs. 4 OR
zu beantworten (vgl.
BGE 109 II 134
E. c; BÜRGI, N. 76 zu
Art. 686 OR
; JÄGGI, in SAG 23 1950/51, S. 200; LANZ, in SAG 33 1960/61, S. 218 f.; MONTEIL, in SAG 34 1961/62, S. 228 ff.; SCHUCANY, N. 3 zu
Art. 686 OR
; ferner Art. 685c Abs. 3 des Revisionsentwurfs; übersehen von BENZ, S. 89/90). Im Interesse der Rechtssicherheit kann die Gesellschaft auf die zulässigerweise ausgesprochene Ablehnung nicht mehr zurückkommen, jedenfalls nicht ohne Einverständnis der Erben (JÄGGI, in SAG 23 1950/51, S. 201; SALZGEBER-DÜRIG, S. 219; STECHEL, Der erbrechtliche Übergang vinkulierter Namenaktien, Diss. Fribourg 1951, S. 54).
Einfach und praktikabel erscheint diese Konzeption nicht zuletzt deshalb, weil bei ihr die Erben sich lediglich mit der Gesellschaft auseinandersetzen müssen, zu der sie mit dem Tode des früheren Aktionärs und Erblassers ohnehin in Rechtsbeziehungen getreten sind. An der Verwaltung liegt es, die Aktien nach der Übernahme an andere Aktionäre weiterzugeben. Demgegenüber kann den Erben kaum zugemutet werden, selbst übernahmewillige Aktionäre zu suchen.
BGE 110 II 293 S. 299
Der Erwerb der Aktien durch die Gesellschaft, ohne nach aussen an die Übernahmeerklärungen von Aktionären gebunden zu sein, entspricht offenbar auch der verbreiteten Praxis der Aktiengesellschaften selbst (JÄGGI, in SAG 31 1958/59, S. 63; LENHARD, S. 72; ferner vgl.
BGE 75 II 349
Buchstabe A und S. 353 E. 5).
3.
Der dargestellten Lösung hält ein Teil der Doktrin entgegen, sie führe zu einer verdeckten Kapitalrückzahlung und zu einem Verstoss gegen das Verbot des Erwerbs eigener Aktien durch die Gesellschaft (
Art. 659 und 680 Abs. 2 OR
; BENZ, S. 86 f.). Auch die Vorinstanz glaubt darin einen Grund dafür zu sehen, dass die Gesellschaft nicht als Käuferin der Aktien auftreten könne.
Das Problem stellte sich bereits der Expertenkommission. Den Äusserungen ihrer Mitglieder nach zu schliessen, sollte
Art. 686 Abs. 4 OR
nicht in die Regeln über den Erwerb eigener Aktien, die Kaduzierung oder die Kapitalherabsetzung eingreifen. Man hielt daher dafür, die Gesellschaft dürfe die Aktien nicht für sich kaufen, sondern lediglich zuhanden eines oder mehrerer Aktionäre übernehmen, gestand ihr jedoch gleichwohl das Recht und die Pflicht zu, den Erben den Aktienwert zu ersetzen (vgl. Voten Wieland und Oser, Prot. ExpKom. 1928 S. 293 f.). Der Wertersatz durch die Gesellschaft scheint daher selbst nach Ansicht der Experten nicht gegen das Verbot der Kapitalrückzahlung und des Erwerbs eigener Aktien zu verstossen, mindestens dann nicht, wenn die Aktien zuhanden der Aktionäre vorübergehend übernommen werden. Es fragt sich deshalb bereits anhand der Gesetzesmaterialien, ob der Gesetzgeber in
Art. 686 Abs. 4 OR
nicht doch einen Tatbestand des Erwerbs eigener Aktien geschaffen hat und ob die hier getroffene Lösung tatsächlich, wie JÄGGI meint, dem Wortlaut des Gesetzes und der Absicht des Gesetzgebers widerspricht. So oder anders obliegt es dem Richter, auf dem Weg der Auslegung "die Brücke zwischen dem Gesetz (...), der Interessenlage und der tatsächlichen Verkehrsübung (...) zu schlagen", selbst wenn er damit zu einem weiteren Fall erlaubten Erwerbs eigener Aktien aus Gesellschaftsmitteln gelangt (JÄGGI, in SAG 31 1958/59, S. 63/64).
a) Das Bundesgericht entschied schon früher, eine Aktiengesellschaft könne sich durchaus verpflichten, Aktien zu erwerben, wenn die Aktien nicht ihr, sondern einem Dritten zukommen sollen; das Verbot des Erwerbs eigener Aktien sei diesfalls höchstens eine Ordnungsvorschrift, gegen die zu verstossen nicht die
BGE 110 II 293 S. 300
Ungültigkeit des Erwerbsgeschäfts bewirke (
BGE 96 II 21
E. a mit Verweisung). Die Entscheidung zeigt, dass es legitime Gründe gibt, der Aktiengesellschaft zu erlauben, vorübergehend eigene Aktien zu erwerben, und dass der Ausnahmekatalog von
Art. 659 Abs. 1 OR
nicht als abschliessend zu betrachten ist. Selbst wenn im vorliegenden Fall der Wortlaut des Gesetzes und die Absicht des Gesetzgebers klar dagegen sprechen würden, überwiegen die in Erwägung 2 aufgezählten Gründe, so dass der Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft im Rahmen von
Art. 686 Abs. 4 OR
als zulässig gelten muss, jedenfalls dann, wenn es sich um Minderheitspakete handelt. Das Interesse der Gesellschaft, die Erben als Aktionäre abzulehnen und ihnen den Aktienwert zu ersetzen, überwiegt unter diesen Umständen die Gefahren, die mit dem Erwerb eigener Aktien verbunden sind, namentlich die Gefahr, dass Organe der Gesellschaft die Stimmrechtsverhältnisse in der Gesellschaft unzulässigerweise beeinflussen könnten (
BGE 96 II 21
/22 mit Verweisung; vgl. ferner Botschaft über die Revision des Aktienrechts, S. 804 f.). Die Praxis zum früheren Aktienrecht nahm stets an, das Verbot des Erwerbs eigener Aktien habe lediglich den Charakter einer Ordnungsvorschrift (
BGE 60 II 314
ff.,
BGE 43 II 295
E. 2). Diese Annahme rechtfertigt sich hier jedenfalls in dem Sinne, dass dem Verbot lediglich Wirkungen im Innenverhältnis der Gesellschaft beizulegen sind.
Auch nach dem Entwurf zur Aktienrechtsrevision hat die Gesellschaft die Möglichkeit, im Erbfall Aktienpakete bis zu 20 Prozent des Aktienkapitals zu erwerben, darf davon allerdings nur 10 Prozent länger als zwei Jahre in eigenen Händen behalten (Art. 659 Abs. 2 des Entwurfs; Botschaft, S. 805 f.). Es ist unbestritten, dass die 46 Namenaktien des Klägers ein Minderheitspaket sind. Die Beklagte verwies überdies in ihrem Schreiben vom 7. Februar 1979 auf die Bereitschaft von Verwaltungsratsmitgliedern oder einzelnen Aktionären, die Aktien zu erwerben, so dass der Kläger nach Treu und Glauben davon ausgehen konnte, die Verwaltung handle auch im Innenverhältnis korrekt, wenn sie den Aktienübergang ablehne.
b) Das Verbot der Einlagerückgewähr besteht nach
Art. 680 Abs. 2 OR
darin, dass der Aktionär kein Recht hat, den einbezahlten Betrag zurückzufordern. Allein in Fällen wie dem vorliegenden verlangt der Erbe nicht Rückzahlung der Einlage, sondern dass die Gesellschaft ihn als Aktionär ins Aktienbuch eintrage und dem Übergang der Aktienrechte zustimme. Erst wenn die Gesellschaft
BGE 110 II 293 S. 301
das verweigert, entsteht ein Anspruch der Erben auf Auszahlung des inneren Werts der Aktien. Der Wert kann höher oder tiefer sein als der einbezahlte Betrag; ausserdem liegt der Grund für den Anspruch des Erben im Verhalten der Gesellschaft, so dass diese ihre Zahlungspflicht nicht unter Hinweis auf
Art. 680 Abs. 2 OR
bestreiten kann, so gut wie sie sich mit derselben Begründung auch nicht der Pflicht entziehen kann, einen Schaden, den sie einem Aktionär widerrechtlich zugefügt hat, zu ersetzen. Denkbar erscheint lediglich, dass die Übernahme der Aktien sich wirtschaftlich wie eine Einlagerückgewähr auswirkt und deshalb einem Verstoss gegen die zitierte Bestimmung gleichkommt. Die Frage stellt sich indes von vornherein nicht, wenn die Aktiengesellschaft die Aktien aus freien Mitteln erwirbt (BÜRGI, N. 35 zu
Art. 680 OR
; Botschaft über die Revision des Aktienrechts, S. 805; Art. 659 Abs. 1 des Entwurfs). Aus dem angefochtenen Urteil oder den Vorbringen der Parteien ergibt sich in keiner Weise, dass die Beklagte die Bezahlung aus gebundenen Mitteln, namentlich aus dem Grundkapital, vornehmen müsste. Im übrigen hat die Gesellschaft, wenn sie korrekt vorgeht, sich vor dem Entscheid über die Ablehnung der Erben zu vergewissern, ob genügend freie Mittel vorhanden sind oder die übernahmewilligen Aktionäre die erforderlichen Mittel für den Erwerb der Aktien aufbringen können. Auch schwächt der Kauf eigener Aktien zu ihrem inneren Wert das Grundkapital jedenfalls solange nicht, als die Gesellschaft die Aktien zum gleichen Preis oder mindestens zum Nominalwert verkaufen kann (
BGE 60 II 319
f.). Dass die Aktien unverkäuflich seien, macht die Beklagte in der Berufungsantwort nicht geltend.
4.
Bei der Beurteilung des Verhaltens der Parteien ist somit davon auszugehen, dass die Beklagte befugt war, die Erben ohne Angabe eines Grundes als Aktionäre abzulehnen, mit der Folge, ihnen gegen Übergabe der Aktien deren wirklichen Wert ersetzen zu müssen.
(Die anschliessenden Erwägungen führen zum Ergebnis, dass die Beklagte die Teilnahme des Klägers an Generalversammlungen auf Zusehen hin toleriert, damit dem Übergang der Aktienrechte jedoch nicht konkludent zugestimmt hat, ihn vielmehr ablehnte, indem sie sich weigerte, die Erben ins Aktienbuch einzutragen.)
5.
Die Vorinstanz hat die Klage überdies mit der Begründung abgewiesen, die "potentiellen Käufer" hätten den inneren Wert der Aktien unterschätzt und könnten sich deshalb auf Erklärungs- und Grundlagenirrtum berufen. Der Irrtum sei mit Ablieferung
BGE 110 II 293 S. 302
des Gutachtens der Treuhandfirma am 14. September 1979 entdeckt und von H. am 22. Januar 1980 mündlich im Sinne einer Anfechtung des Kaufvertrages zwischen den Aktionären und den Erben fristgemäss geltend gemacht worden. Im einzelnen hält die Vorinstanz fest, die Bewertung durch die Treuhandfirma habe einen unerwartet hohen Betrag ergeben. Ursprünglich sei von einem Steuerwert von Fr. 1'700.- pro Aktie die Rede gewesen. Zwar sei dieser Wert in der Regel zu tief angesetzt; selbst wenn man aber mit dem vierfachen Betrag gerechnet hätte, wäre das immer noch weniger als die Hälfte dessen, was das Gutachten ergeben habe, und der Kläger behaupte sogar, der wirkliche Wert liege noch wesentlich höher.
Der Kläger bestreitet, dass die erwähnte Erklärung von H. als Anfechtung des Vertrages ausgelegt werden könne; die Beklagte habe sich vorprozessual und im Prozess nie auf Irrtum berufen und schon gar nicht erklärt, sie habe den Vertrag wegen eines Willensmangels im Sinne von
Art. 23 ff. OR
nicht halten wollen. Im übrigen liege im besten Fall ein unbeachtlicher Irrtum im Motiv vor.
Die entscheidenden Erklärungen, welche die Beklagte allenfalls irrtümlich hätte abgeben können, waren jene vom 15. November 1978 und 7. Februar 1979, mit denen sie die Eintragung der Erben als Aktionäre im Aktienbuch und den Übergang der Aktienrechte abgelehnt hat. Die Vorinstanz prüft die Irrtumsfrage im Lichte der
Art. 23 ff. OR
, also aufgrund von Bestimmungen, die in erster Linie auf Verträge zugeschnitten sind. Wieweit nach der hier vertretenen Lösung vertragliche Beziehungen zwischen den Erben und der Gesellschaft oder Aktionären bestehen, mag dahingestellt bleiben. Selbst bei dieser günstigen Annahme ist ein rechtlich relevanter Irrtum zu verneinen.
a) Unrichtig ist zunächst die Auffassung des Handelsgerichts, die Beklagte sei einem Erklärungsirrtum im Sinne von
Art. 24 Abs. 1 Ziff. 3 OR
unterlegen. Das wäre nur dann der Fall gewesen, wenn die Beklagte sich eine falsche Vorstellung über die Ausdruckskraft ihres Erklärungsverhaltens gemacht hätte (GAUCH/SCHLUEP/JÄGGI, OR 3. Aufl., N. 610; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N. 308 zu
Art. 1 OR
). Die Beklagte wollte die Erklärung, Mitglieder der Verwaltung oder einzelne Aktionäre seien bereit, die Aktien zum wirklichen Wert zu übernehmen, so verstanden wissen, wie sie abgegeben worden ist. Der Inhalt der Erklärung entspricht somit ihrem Willen.
BGE 110 II 293 S. 303
b) Grundlagenirrtum ist ebenfalls zu verneinen. Die Beklagte durfte nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr objektiverweise nicht davon ausgehen, ein Maximalwert von höchstens Fr. 6'800.- pro Aktie sei eine notwendige Grundlage ihrer Erklärung gewesen. Die Abwägung der Interessen der Beteiligten ergibt, dass die Beklagte das Risiko der Folgen einer falschen Vorstellung über den wirklichen Wert der Aktien zu tragen hat. Sie überblickte die Grundlagen für die Berechnung des Aktienwerts von allem Anfang an besser als die Erben, die in der Regel nicht erkennen, dass die Gesellschaft subjektiv einen bestimmten Aktienwert als notwendige Grundlage der Erklärung betrachtet, womit es am Merkmal der Erkennbarkeit der Grundlage durch die Gegenpartei fehlt (
BGE 109 II 111
oben,
BGE 105 II 22
,
BGE 97 II 46
f.,
BGE 48 II 239
). Das angefochtene Urteil enthält nichts, was auf das Gegenteil hinweisen würde. Die Beklagte musste seit dem Tode von Frau B. wissen, dass sie sich früher oder später zu entscheiden haben werde, ob sie die Erben als Aktionäre annehmen oder allenfalls auszahlen wollte. Sie hatte demnach genügend Zeit, sich über den Aktienwert ein zuverlässiges Bild zu machen. Die Erben sahen sich demgegenüber nicht veranlasst, Gedanken über den Aktienwert anzustellen, da die Entscheidung der Gesellschaft weitgehend von deren Ermessen abhing und die Erben ursprünglich keinen Anspruch auf Übernahme der Aktien besassen. Der geltende
Art. 686 OR
lässt es zu, dass die Gesellschaft ohne genaue Kenntnis des Aktienwerts die Erben als Aktionäre ablehnen kann. Eine mögliche, auch für die Erben erkennbare Grundlage wäre, dass die Beklagte und allenfalls übernahmewillige Aktionäre wegen der unerwarteten Höherbewertung der Aktien in Liquiditätsengpässe geraten würden, die sie nicht oder nur mit unzumutbaren Nachteilen überwinden könnten. Nach dem angefochtenen Urteil hat die Beklagte das im kantonalen Verfahren jedoch nicht behauptet, und in der Berufungsantwort hat sie sich dazu ebenfalls nicht geäussert; abgesehen davon fehlte es an jeglichen Beweisen für die Annahme eines derartigen Sachverhalts. Unter diesen Umständen erübrigt sich ein Vergleich mit Kaufverträgen, bei denen das Bundesgericht wegen irrtümlicher Bewertung der Aktien Grundlagenirrtum bejaht hat (dazu
BGE 97 II 46
mit Verweisungen).