Urteilskopf
110 III 32
10. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 25. Mai 1984 i.S. Silesa Finanz AG gegen Incoship AG und Rekursrichter für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantonsgerichts St. Gallen (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste
Rechtsvorschlag in der Wechselbetreibung; Hinterlegung der Forderungssumme (
Art. 182 Ziff. 4 SchKG
).
Es ist nicht willkürlich, wenn der Richter nicht kotierte Obligationen ohne festen Kurswert nicht als genügende Hinterlage im Sinne von
Art. 182 Ziff. 4 SchKG
anerkannt und wenn er dem Schuldner, der bereits im Genuss einer kurzen Hinterlegungsfrist war, nicht noch eine Nachfrist zur Beibringung einer solchen Hinterlage ansetzt.
In der von der Incoship AG in Schaan/FL gegen die Silesa Finanz AG in Au/SG eingeleiteten Wechselbetreibung über Fr. 165'000.- nebst Zins und Kosten lehnte der Bezirksgerichtspräsident von Unterrheintal die Bewilligung des von der Schuldnerin erhobenen Rechtsvorschlages mit Entscheid vom 28. Februar 1984 ab. Auf Berufung der Schuldnerin hin hob der Rekursrichter für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantonsgerichts St. Gallen am 22. März 1984 diesen Entscheid auf und bewilligte den Rechtsvorschlag unter dem Vorbehalt, dass die Schuldnerin innert drei Tagen den Betrag von Fr. 178'750.- in Geld oder Wertschriften bei der St. Gallischen Kantonalbank, Filiale Heerbrugg, auf Recht hin hinterlege. Gleichzeitig wurde die Gläubigerin in Anwendung von
Art. 184 Abs. 2 SchKG
aufgefordert, binnen zehn Tagen nach Zustellung dieses Entscheides die Klage auf Zahlung anzuheben.
Mit Schreiben vom 3. April 1984 teilte der Rekursrichter den Parteien mit, wie einem von ihm beigefügten Schreiben der St. Gallischen Kantonalbank Heerbrugg vom 2. April 1984 zu entnehmen sei, habe die Schuldnerin innert der angesetzten Frist von drei Tagen keine genügende Hinterlage des Betrages von Fr. 178'750.- geleistet; damit falle die Bewilligung des Rechtsvorschlages dahin und sei der ursprüngliche Kostenspruch entsprechend abzuändern; schliesslich sei auch die Fristansetzung an die Gläubigerin zur Anhebung der Klage hinfällig geworden. Aus dem erwähnten Schreiben der Kantonalbank ergab sich, dass die Schuldnerin 36 Obligationen à nominal Fr. 5'000.- der Skilift Rietbad - Alp Friessen AG (total somit Fr. 180'000.- nominal) deponiert hatte; die Bank fügte bei, dass sie nicht in der Lage sei, diese Wertschriften als Sicherheit für einen Kredit entgegenzunehmen, da sie die Bonität der Skilift Rietbad - Alp Friessen AG nicht überprüfen könne.
BGE 110 III 32 S. 34
Gegen diesen Entscheid des Rekursrichters hat die Silesa Finanz AG staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
erhoben. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Aus den Erwägungen:
2.
In der Beschwerde wird das Vorgehen des Rekursrichters aus drei Gründen als willkürlich beanstandet. Zunächst wird darauf hingewiesen, die Beschwerdeführerin sei der ihr gemachten Auflage mit der Hinterlegung der von ihr an die Kantonalbank gesandten Obligationen im Nominalwerte von Fr. 180'000.- zweifelsfrei nachgekommen, denn es sei nicht etwa die Hinterlegung von kotierten Wertschriften verlangt worden; sie habe deshalb in guten Treuen annehmen dürfen, dass sie mit den von ihr hinterlegten Obligationen die Auflage erfülle. Zudem ergebe sich aus dem Schreiben der Kantonalbank an den Rekursrichter vom 2. April 1984 in keiner Weise, dass die Hinterlage der Beschwerdeführerin ungenügend sei, werde doch darin nur ausgeführt, dass die Bank die Bonität der Skilift Rietbad - Alp Friessen AG nicht überprüfen könne; ohne eine solche Überprüfung könne aber selbstverständlich nicht von vorneherein angenommen werden, es sei keine genügende Hinterlage geleistet worden. Schliesslich wäre der Rekursrichter selbst im Falle des Ungenügens der geleisteten Hinterlage verpflichtet gewesen, der Beschwerdeführerin nochmals eine kurze Frist zur Hinterlegung eines zusätzlichen Barbetrages in der Höhe der Differenz zwischen Fr. 178'500.- und dem ermittelten Wert der hinterlegten Obligationen oder eventuell des ganzen Betrages in bar anzusetzen; das Vorgehen des Rekursrichters verstosse gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, der auch im Zivilprozessrecht und im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht uneingeschränkt gelte.
Bei der in
Art. 182 Ziff. 4 SchKG
als Bedingung für die Bewilligung des Rechtsvorschlages vorgeschriebenen Hinterlegung der Forderungssumme in Geld oder Wertschriften handelt es sich nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Doktrin nicht um eine Sicherstellung im Sinne einer Pfandbestellung, sondern um eine antizipierte, bedingte Zahlung, die den Schuldner befreit (
BGE 104 III 96
E. 1,
BGE 42 III 364
/365; vgl. ferner die im erstzitierten Entscheid angeführten Autoren sowie FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. II, S. 25). Da die Forderung aus der geleisteten Hinterlage sogleich muss beglichen werden
BGE 110 III 32 S. 35
können, dürfen ausser Bargeld nur sofort realisierbare Wertschriften mit einem festen Kurswert akzeptiert werden, die nötigenfalls dem Gläubiger zum Tageskurs überlassen werden können (so JAEGER, N. 12 zu
Art. 182 SchKG
). In der Beschwerde wird nicht etwa geltend gemacht, bei den von der Beschwerdeführerin deponierten Obligationen habe es sich um solche Wertschriften gehandelt. Dass dies nicht der Fall war, ergibt sich im übrigen aus dem Schreiben der Bank an den Rekursrichter vom 2. April 1984. Die betreffenden Obligationen wurden deshalb zu Recht nicht als genügende Hinterlage anerkannt. Es kann aber auch nicht als willkürlich betrachtet werden, dass der Rekursrichter die Beschwerdeführerin nicht noch besonders auf die Art der zu hinterlegenden Wertschriften hinwies, sondern sich mit der Wiedergabe des Gesetzestextes begnügte. Es wäre vielmehr Sache der Beschwerdeführerin gewesen, sich im Zweifelsfall beim Richter hierüber zu erkundigen, wenn sie es aus Sicherheitsgründen nicht vorziehen wollte, die Hinterlage in Geld zu leisten. Sie hat es deshalb selber zu vertreten, wenn sie das Risiko auf sich nahm, dass die deponierten Obligationen nicht als genügende Hinterlage akzeptiert würden.
Willkür kann schliesslich auch darin nicht erblickt werden, dass der Beschwerdeführerin nicht noch eine Nachfrist angesetzt worden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann die Leistung der in
Art. 182 Ziff. 4 SchKG
vorgeschriebenen Hinterlage ohne Willkür sogar bis zur Urteilsfällung in der erstinstanzlichen Verhandlung über die Bewilligung des Rechtsvorschlages verlangt, d.h. von der Ansetzung einer kurzen Hinterlegungsfrist überhaupt abgesehen werden (
BGE 104 III 96
ff. E. 2). Um so weniger kann es aber willkürlich sein, wenn der zweitinstanzliche Richter, der eine kurze Hinterlegungsfrist gewährt hat, von der Ansetzung einer Nachfrist absieht.