BGE 110 III 99 vom 28. Juni 1984

Datum: 28. Juni 1984

Artikelreferenzen:  Art. 31 SchKG, Art. 287 SchKG, Art. 288 SchKG, Art. 308 SchKG, Art. 317 SchKG , Art. 287 Abs. 1 SchKG, Art. 308 Abs. 2 SchKG, Art. 287 Abs. 1 Ziff. 1 SchKG, Art. 31 Abs. 1 SchKG, Art. 317 a ff. SchKG

BGE referenzen:  84 III 117 , 84 III 117

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

110 III 99


27. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. Juni 1984 i.S. Konkursmasse Ruben Gabathuler AG gegen Schweizerischer Bankverein (Berufung)

Regeste

Art. 287 Abs. 1 Ziff. 1 SchKG . Anfechtung einer Pfandbestellung
Berechnung der Anfechtungsfrist, wenn dem Konkurs eine Nachlassstundung vorangegangen ist, auf die der nachmalige Gemeinschuldner vor Ablauf der Stundungsdauer von sich aus verzichtet hat: Die sechsmonatige Frist verlängert sich um die Zeitspanne, die zwischen der Bewilligung der Nachlassstundung und dem Tag liegt, an welchem der auf der Verzichtserklärung beruhende Abschreibungsbeschluss der Nachlassbehörde öffentlich bekannt gemacht wird.

Sachverhalt ab Seite 99

BGE 110 III 99 S. 99
Zur Sicherung seiner Forderungen gegenüber der Ruben Gabathuler AG liess sich der Schweizerische Bankverein am 7. August 1981 eine Grundpfandverschreibung von maximal Fr. 200'000.-- als Gesamtpfand auf drei der Schuldnerin gehörenden Liegenschaften einräumen. Am 14. Januar 1982 bewilligte das Bezirksgericht Werdenberg der Ruben Gabathuler AG für die Dauer von vier Monaten eine Nachlassstundung, die am 23. Januar 1982 im Schweizerischen Handelsamtsblatt publiziert wurde. Mit Schreiben vom 18. Februar 1982 liess die Ruben Gabathuler AG das Bezirksgericht Werdenberg wissen, dass sie auf die Nachlassstundung verzichte. Die Nachlassbehörde schrieb am 25. Februar 1982 die Sache am Protokoll ab. Der Abschreibungsbeschluss wurde am 3. März 1982 im Schweizerischen Handelsamtsblatt publiziert. Am 19. März 1982 wurde über die Ruben Gabathuler AG alsdann der Konkurs eröffnet.
Im Konkursverfahren beanspruchte der Schweizerische Bankverein für eine Forderung von insgesamt Fr. 179'211.45 das ihm
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am 7. August 1981 eingeräumte Grundpfandrecht. Durch Verfügung vom 2. September 1982 entschied die Konkursverwaltung jedoch, das Grundpfandrecht werde nicht anerkannt und die Forderung der Bank werde in der fünften Klasse kolloziert.
Mit rechtzeitig eingereichter Kollokationsklage stellte der Schweizerische Bankverein das Rechtsbegehren, die erwähnte Forderung sei als grundpfandversichert zu kollozieren.
Das Bezirksgericht Werdenberg wies die Klage durch Urteil vom 7./15. Juli 1983 ab. Es gelangte zum Schluss, das Grundpfandrecht sei innerhalb der Sechsmonatefrist des Art. 287 Abs. 1 SchKG begründet worden. Ein früheres Sicherstellungsversprechen seitens der Ruben Gabathuler AG habe nicht bestanden. Im Zeitpunkt der Errichtung des Grundpfandrechts sei das Unternehmen überschuldet gewesen und der Kläger habe nicht nachzuweisen vermocht, dass er die Überschuldung nicht gekannt habe.
In Gutheissung der vom Kläger gegen den erstinstanzlichen Entscheid erhobenen Berufung fällte das Kantonsgericht St. Gallen (II. Zivilkammer) am 12. Januar 1984 in der Sache selbst folgendes Urteil:
"Das zu Gunsten der Klägerin errichtete Grundpfandrecht... gemäss Grundpfandverschreibung Nr. 171 vom 7. August 1981 wird anerkannt und die Forderung der Klägerin von Fr. 179'211.45 nebst Zins ab 19. März 1982 zu 8% auf Fr. 137'199.80 und zu 6% auf Fr. 42'011.65 ist als grundpfandversichert zu kollozieren."
Die kantonale Berufungsinstanz hielt dafür, dass das Grundpfandrecht ausserhalb der Sechsmonatefrist des Art. 287 Abs. 1 SchKG errichtet worden sei. Die weiteren Voraussetzungen der Anwendung dieser Vorschrift (Überschuldung der Gemeinschuldnerin im Zeitpunkt der Pfanderrichtung; Fehlen eines früheren Sicherstellungsversprechens; Kenntnis der Vermögenslage der Gemeinschuldnerin auf seiten des Klägers) prüfte das Kantonsgericht nicht.
Mit Berufung an das Bundesgericht beantragt die Beklagte die Aufhebung des kantonsgerichtlichen Urteils und die Abweisung der Klage; allenfalls sei die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Der Kläger schliesst auf Abweisung der Berufung.

Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Im Gegensatz zum erstinstanzlichen Verfahren hat sich die Beklagte vor Kantonsgericht nicht mehr auf den Anfechtungstatbestand
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des Art. 288 SchKG (allgemeine Deliktspauliana) berufen. Sie kommt auch in der vorliegenden Berufung darauf nicht mehr zurück.

2. Anfechtbar ist gemäss Art. 287 Abs. 1 Ziff. 1 SchKG die Begründung eines Pfandrechts zur Sicherung bereits bestehender Verbindlichkeiten, deren Erfüllung sicherzustellen der Schuldner nicht schon früher verpflichtet war, sofern dieser sie innerhalb der letzten sechs Monate vor der Konkurseröffnung vorgenommen hat und in jenem Zeitpunkt bereits überschuldet war.
Was die von der Vorinstanz einzig geprüfte Frage der Anfechtungsfrist betrifft, so wurde der Konkurs am 19. März 1982 eröffnet. Werden sechs Monate zurückgerechnet, ergibt dies den 19. September 1981. Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung (vgl. BGE 51 III 48 ff.; BGE 54 II 119 ), von der abzuweichen kein Anlass besteht, verlängert sich die Sechsmonatefrist indessen um die Dauer einer der Konkurseröffnung vorangegangenen Nachlassstundung. Im vorliegenden Fall wurde die Nachlassstundung am 14. Januar 1982 bewilligt. Der Verzicht der Ruben Gabathuler AG auf diese Stundung wurde nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz mit Schreiben vom 18. Februar 1982 erklärt. Der bezirksgerichtliche Abschreibungsbeschluss erging sodann am 25. Februar 1982 und wurde am 3. März 1982 im Schweizerischen Handelsamtsblatt publiziert. Geht man vom 14. Januar aus, so ist der 18. Februar der 35., der 25. Februar der 42. und der 3. März der 48. Tag. Werden diese verschiedenen Zeitabschnitte vom Beginn der Sechsmonatefrist (19. September 1981) an zurückgerechnet, ergibt dies den 15. bzw. den 8. bzw. den 2. August 1981. Die Begründung der Grundpfandverschreibung vom 7. August 1981 liegt somit nur dann innerhalb der (verlängerten) Sechsmonatefrist des Art. 287 Abs. 1 SchKG , wenn als Dauer der Nachlassstundung die Zeit zwischen deren Bewilligung und der Publikation des Abschreibungsbeschlusses infolge Verzichts angesehen wird. In den beiden andern Fällen bestünde von vornherein kein Anfechtungsanspruch im Sinne von Art. 287 SchKG .
Freilich möchte die Beklagte den 14. Januar 1982 mitgezählt wissen, was zur Folge hätte, dass der 25. Februar nicht der 42., sondern der 43. Tag wäre, so dass die verlängerte Anfechtungsfrist bei dieser Variante bis zum 7. August, und nicht nur bis zum 8. August, zurückreichen würde. Die Errichtung des strittigen Pfandrechts wäre somit auch dann anfechtbar, wenn auf das Datum des Abschreibungsbeschlusses abgestellt würde.
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Der Berechnungsweise der Beklagten kann indessen nicht gefolgt werden. Sie steht mit Art. 31 Abs. 1 SchKG in Widerspruch, wonach dann, wenn eine Frist nach Tagen bestimmt ist, derjenige Tag nicht mitgerechnet wird, von welchem an die Frist zu laufen beginnt. Des weitern trägt die Betrachtungsweise der Beklagten der Tatsache keine Rechnung, dass wenigstens für einen Teil des 14. Januar 1982 Betreibungsmassnahmen noch möglich gewesen wären und dieser Tag deshalb ohnehin nicht voll in die Rechnung einbezogen werden könnte.

3. Einig sind sich die Parteien darüber, dass der Beginn der Zeitspanne, um welche die Sechsmonatefrist des Art. 287 SchKG zu verlängern ist, auf den 14. Januar 1982, das Datum der Bewilligung der Nachlassstundung durch die Nachlassbehörde, fällt. Dieser Auffassung ist beizupflichten, treten doch die Wirkungen einer Nachlassstundung in der Tat mit der Stundungsbewilligung, und nicht erst mit deren Bekanntmachung, ein (vgl. BGE 41 III 401 Nr. 89). Streitig ist hingegen, an welchem Tag die erwähnte Zeitspanne ihr Ende nahm (Datum der Erklärung des Verzichts auf die Nachlassstundung, des Abschreibungsbeschlusses oder der Publikation dieses Beschlusses).
a) Das Bezirksgericht hatte in seinem Entscheid auf Art. 308 Abs. 2 SchKG verwiesen, wonach die Wirkungen der Stundung mit der öffentlichen Bekanntmachung der Nichtbestätigung eines Nachlassvertrages dahinfallen. Wo - wie im vorliegenden Fall - der Schuldner sein Nachlassstundungsgesuch zurückziehe, finde zwar ein eigentliches Nachlassvertragsverfahren nicht statt; doch sei auch ein Abschreibungsbeschluss gemäss Art. 308 Abs. 2 SchKG zu veröffentlichen. Es bestehe auch in einem solchen Fall ein Interesse daran, dass das Ende der Stundung in der üblichen Form und mit einem für alle gleichermassen gültigen Zeitpunkt kundgetan werde, zumal die Wirkungen die gleichen seien wie bei einem Widerruf oder bei einer Verwerfung des Nachlassvertrages (Möglichkeit neuer Betreibungen oder der Konkurseröffnung innert zehn Tagen).
b) Unter Hinweis auf BGE 54 II 119 geht das Kantonsgericht demgegenüber davon aus, dass der Grund für die Rückwärtsverlängerung der Anfechtungsfrist um die Dauer eines Nachlassverfahrens im Ausschluss der Zwangsvollstreckung während dieser Zeit liege; deshalb sei denn auch in die Dauer des Nachlassverfahrens die Zeit von der Einreichung bis zur Erledigung des Nachlassstundungsgesuches nicht einzurechnen, zumal die
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Zwangsvollstreckung erst von der Gewährung der Nachlassstundung an ausgeschlossen sei. Der gleiche Massstab müsse aber auch hinsichtlich der Beendigung der Nachlassstundung angelegt werden. Es komme somit auf den Zeitpunkt der Verzichtserklärung an, denn schon durch den Verzicht falle die Stundung dahin und werde die Zwangsvollstreckung wieder möglich. Die Nachlassbehörde sei in einem solchen Fall gehalten, das Verfahren rasch abzuschliessen und den Beschluss, dem selber keine materielle Bedeutung mehr zukomme, umgehend zu veröffentlichen. Auf entsprechende Anfrage hin habe die Nachlassbehörde einem Gläubiger vom Verzicht des Schuldners auf die ihm bewilligte Stundung Kenntnis zu geben. Die Gläubiger müssten möglichst bald erfahren, dass eine Zwangsvollstreckung wieder zulässig sei. Für das Abstellen auf den Zeitpunkt der Verzichtserklärung spricht nach Ansicht der Vorinstanz im übrigen auch die Überlegung, dass die Verlängerung der sechsmonatigen Anfechtungsfrist durch die Praxis eingeführt worden sei und Ausnahmecharakter habe, was eine zurückhaltende Handhabung nahelege.

4. a) Es trifft zu, dass die Verlängerung der Anfechtungsfrist um die Dauer einer Nachlassstundung durch die Rechtsprechung eingeführt worden ist. Wie das Kantonsgericht selbst festhält, wurde diese Praxis jedoch durch den Gesetzgeber eingeleitet (vgl. BGE 48 III 232 f. betreffend die Verlängerung der Anfechtungsfrist bei einer Notstundung im Sinne der Art. 317 a ff. SchKG ). Es ist unter diesen Umständen nicht einzusehen, weshalb die Verlängerung nur restriktiv zuzulassen wäre.
b) Dass in die Dauer der Nachlassstundung nicht auch noch die Zeit von der Einreichung bis zur Erledigung des entsprechenden Gesuches einzurechnen ist, erscheint als selbstverständlich, denn solange die Stundung nicht bewilligt ist, treten ihre Wirkungen nicht ein und bleibt die Zwangsvollstreckung möglich. Daraus kann aber nicht ohne weiteres abgeleitet werden, mit dem Tag einer allfälligen Verzichtserklärung des Schuldners höre die Zeitspanne auf, um welche die Anfechtungsfrist zu verlängern ist. Richtig ist zwar, dass allein schon aufgrund des Verzichts die Zwangsvollstreckung sofort wieder möglich wird; anders als beim Beginn des Betreibungsverbots infolge Bewilligung der Stundung ist hier keine amtliche Feststellung des einmal erklärten Verzichts erforderlich. Solange jedoch das Dahinfallen der Stundung infolge Verzichts nicht öffentlich bekannt gemacht worden ist, bleibt es dem Zufall überlassen, ob ein Gläubiger von der Möglichkeit
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Kenntnis erhält, Betreibungsmassnahmen einzuleiten und namentlich den sofortigen Konkurs herbeizuführen. Die Gläubiger, die vom Dahinfallen der Stundung keine Mitteilung erhalten, müssen sich - jedenfalls bis zum Ablauf der bewilligten Stundungsdauer - nach Treu und Glauben darauf verlassen können, dass ihre Anfechtungsansprüche nicht geschmälert werden. Es kann den Gläubigern eines Nachlassschuldners nicht zugemutet werden, sich bei der Nachlassbehörde in regelmässigen Abständen zu erkundigen, ob ein allfälliger Verzicht des Schuldners die Stundung habe unwirksam werden lassen.
c) Würde der Auffassung des Klägers gefolgt, könnten die Gläubiger, deren Rechtsgeschäfte mit dem Gemeinschuldner von vornherein nur dann erfolgreich angefochten werden können, wenn sie innerhalb von sechs Monaten vor der Konkurseröffnung abgeschlossen wurden, unter Umständen dadurch ungerechtfertigt begünstigt werden, dass sich die Konkurseröffnung wegen der Unkenntnis des Dahinfallens der Nachlassstundung hinauszögert. Eine solche Bevorzugung wäre bei einer Verwerfung des Nachlassvertrages oder bei einem Widerruf der Stundung ausgeschlossen, da in diesen Fällen der Entscheid öffentlich bekannt zu machen ist, die Wirkungen der Stundung erst mit dieser Bekanntmachung dahinfallen und der Konkurs erst binnen zehn Tagen nach der Bekanntmachung verlangt werden kann ( Art. 308 Abs. 2 und Art. 309 SchKG ; vgl. dazu BGE 84 III 117 ff.). Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger gebietet, dass das Ende der Zeitspanne, um welche die Anfechtungsfrist zu verlängern ist, auch in einem Fall wie dem vorliegenden allen Betroffenen zur Kenntnis gelangt ist, was nur durch eine öffentliche Bekanntmachung gewährleistet wird. Es ist demnach weder auf den Zeitpunkt der Erklärung des Verzichts auf die Stundung noch auf den Tag des entsprechenden Abschreibungsbeschlusses der Nachlassbehörde abzustellen, sondern auf das Datum der Publikation dieses Entscheides.
...

5. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Errichtung des strittigen Grundpfandrechts in die um die Dauer der Nachlassstundung zu verlängernde Anfechtungsfrist des Art. 287 SchKG fällt. Da die Feststellungen im angefochtenen Urteil eine abschliessende Beurteilung des von der Beklagten geltend gemachten Anfechtungsanspruchs nicht zulassen, ist das kantonsgerichtliche Urteil aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen,
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damit diese die entsprechenden Abklärungen treffe und hierauf neu entscheide.

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