BGE 110 V 207 vom 2. Juli 1984

Datum: 2. Juli 1984

BGE referenzen:  110 V 210, 112 V 326, 123 V 214

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

110 V 207


32. Auszug aus dem Urteil vom 2. Juli 1984 i.S. Kloter gegen Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Thurgau und Rekurskommission des Kantons Thurgau für die Arbeitslosenversicherung

Regeste

Art. 26 Abs. 1 AlVG , Art. 15 Abs. 1 AVIG .
Voraussetzungen, unter denen die Frage nach einer allfälligen Vermittlungsunfähigkeit nicht mehr zu prüfen ist bei Versicherten, die auf einen bestimmten Termin anderweitig disponiert haben und deshalb für eine neue Beschäftigung nur noch während relativ kurzer Zeit zur Verfügung stehen (Präzisierung der Rechtsprechung).

Sachverhalt ab Seite 207

BGE 110 V 207 S. 207

A.- Peter Kloter war seit 4. Mai 1981 als technischer Leiter bei der Firma H. in Müstair tätig gewesen. Wegen einer Umstrukturierung des Betriebes wurde im Oktober 1981 die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf ca. Ende April 1982 vereinbart. Am 26. April 1982 erhielt der Versicherte von der Firma Gebr. Sulzer AG in Winterthur die Zusage, am 17. Mai 1982 eine Stelle als Betriebstechniker antreten zu können.
Nachdem Peter Kloter seinen Wohnsitz von Müstair nach Wellhausen verlegt hatte, ersuchte er die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Thurgau am 3. Mai 1982 um Ausrichtung von Taggeldern und unterzog sich von diesem Tag an der Stempelkontrolle. Die Arbeitslosenkasse verneinte mit Verfügung vom 26. Mai
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1982 die Anspruchsberechtigung für die Stempeltage vom 3. bis 14. Mai 1982, weil der Versicherte im Hinblick auf seinen Stellenantritt am 17. Mai 1982 nicht als vermittlungsfähig gelten könne.

B.- Die Rekurskommission des Kantons Thurgau für die Arbeitslosenversicherung wies die hiegegen erhobene Beschwerde unter Hinweis auf die Praxis des Eidg. Versicherungsgerichts ab (Entscheid vom 26. Juli 1982).

C.- Peter Kloter führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, es sei ihm für die Zeit vom 1. bis 16. Mai 1982 Arbeitslosenentschädigung auszurichten.
Die Arbeitslosenkasse und das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit beantragen die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. Die Vermittlungsfähigkeit bildet eine wesentliche Voraussetzung für die Anspruchsberechtigung (Art. 24 Abs. 2 lit. c in Verbindung mit Art. 26 Abs. 1 AlVG , hier anwendbar gemäss Art. 118 Abs. 2 AVIG ; Art. 8 Abs. 1 lit. f in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 AVIG ). Danach muss der Versicherte während der Dauer des Arbeitsausfalles aufgrund seiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten sowie seiner persönlichen Verhältnisse vermittlungsfähig sein (vgl. den altrechtlichen Art. 13 Abs. 1 lit. c AlVG ) bzw. bereit, in der Lage und berechtigt sein, eine zumutbare Arbeit anzunehmen ( Art. 15 Abs. 1 AVIG ).
Nach der Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts ist ein Versicherter, der auf einen bestimmten Termin anderweitig disponiert hat und deshalb für eine neue Beschäftigung nur noch während relativ kurzer Zeit zur Verfügung stünde, in der Regel nicht vermittlungsfähig. In einem solchen Fall sind nämlich die Aussichten, zwischen der Aufgabe der alten und dem Antritt der neuen Stelle von einem dritten Arbeitgeber angestellt zu werden, verhältnismässig gering (ARV 1982 Nr. 2 S. 30, 1978 Nr. 5 S. 14 und Nr. 28 S. 113, 1977 Nr. 16 S. 81; nicht veröffentlichtes Urteil Stähli vom 6. September 1976). Namentlich im Urteil Stähli hat das Eidg. Versicherungsgericht einen Versicherten als nicht vermittlungsfähig bezeichnet, obschon er zur Arbeitsaufnahme grundsätzlich bereit war; denn er hatte beabsichtigt, schon rund drei bis vier Wochen nach Beginn der ihm vom Arbeitsamt vermittelten Stelle einen Umschulungskurs zu besuchen.
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Das Eidg. Versicherungsgericht hat jedoch wiederholt darauf hingewiesen, dass die dargelegte Rechtsprechung nicht dazu führen darf, jenen arbeitslosen Versicherten zu bestrafen, der eine geeignete, aber nicht unmittelbar freie Stelle findet und annimmt (ARV 1981 Nr. 20 S. 88 mit Hinweisen; nicht veröffentlichte Urteile Meier vom 30. Juni 1983, Junod vom 9. Juni 1982, Zaugg vom 17. März 1981 und Schmutz vom 7. September 1979). Es handelt sich dabei um jenen Versicherten, der in Erfüllung seiner Schadenminderungspflicht alle jene Vorkehren getroffen hat, die man vernünftigerweise von ihm erwarten darf, damit er so rasch als möglich eine neue Stelle antreten kann. Einem solchen Versicherten ist es nicht zuzumuten, im Hinblick auf einen - theoretisch zwar möglichen, praktisch jedoch wenig wahrscheinlichen - früheren Stellenantritt mit dem Abschluss des neuen Arbeitsvertrages zuzuwarten und dadurch das Risiko einer allenfalls noch längern Arbeitslosigkeit auf sich zu nehmen. Unter diesen Voraussetzungen ist die Frage nach einer allfälligen Vermittlungsunfähigkeit wegen des bevorstehenden Antrittes der neuen Stelle nicht mehr zu prüfen. Nichts anderes gilt im Ergebnis auch für den Fall, dass die neue Stelle durch das Arbeitsamt vermittelt wurde. Vorbehalten bleiben allerdings diejenigen Fälle, in denen ein Versicherter wegen anderer persönlicher Umstände (wie z.B. Krankheit) in der Zeit zwischen dem Ende der alten und dem Beginn der neuen Anstellung vermittlungsunfähig wird.

2. Der Beschwerdeführer war von der Beendigung seiner Tätigkeit bei der Firma H. hinweg (30. April 1982) arbeitslos. Am 26. April 1982 hatte er die Zusage der Firma Gebr. Sulzer AG erhalten, auf den 17. Mai 1982 eine neue Stelle als Betriebstechniker antreten zu können. Damit hatte der Beschwerdeführer zwar auf einen in naher Zukunft liegenden Zeitpunkt eine feste berufliche Disposition getroffen und stand deshalb für eine Übergangsbeschäftigung nur noch während rund zwei Wochen zur Verfügung. Indessen hatte er sich laut unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz schon seit November 1981 "in vorbildlicher Weise" um eine neue Arbeitsstelle bemüht. Diesen eigenen Bemühungen war es denn auch zu verdanken, dass er die neue Stelle auf den 17. Mai 1982 fand. Es bestehen keine Anhaltspunkte, welche die Annahme rechtfertigen würden, dass ihm ein früherer Stellenantritt möglich gewesen wäre. Vielmehr ist aufgrund der vorliegenden Umstände sowie der glaubhaften Darlegungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer alles ihm
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Zumutbare vorgekehrt hat, um möglichst bald eine neue Stelle antreten zu können. Es durfte daher von ihm nicht erwartet werden, im Hinblick auf einen - praktisch kaum wahrscheinlichen - früheren Stellenantritt mit der Annahme der neuen Beschäftigung zuzuwarten oder die Offerte gar auszuschlagen, weil er sonst eine noch längere Arbeitslosigkeit hätte befürchten müssen. Bei diesen Gegebenheiten braucht die Frage nach einer allfälligen Vermittlungsunfähigkeit wegen des bevorstehenden Stellenantritts nicht geprüft zu werden. Im übrigen enthalten die Akten keinerlei Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer wegen anderer persönlicher Umstände in der Zeit zwischen dem Ende der alten und dem Beginn der neuen Anstellung vermittlungsunfähig gewesen wäre. Somit steht ihm grundsätzlich Anspruch auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung zu, sofern auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind, was von der Kasse noch abzuklären ist.

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