Urteilskopf
112 Ia 88
15. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 22. Januar 1986 i.S. A. und Mitbeteiligte gegen X., Gemeinderat Y. und Verwaltungsgericht des Kantons Zug (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste
Art. 88 OG
; Legitimation der Eigentümer benachbarter Grundstücke, eine Baubewilligung mit staatsrechtlicher Beschwerde anzufechten.
1. Grundsatz.
2. Legitimation bejaht in bezug auf Vorschriften über den Immissionsschutz, die Baudichte und die Erschliessung.
3. Legitimation verneint hinsichtlich Bestimmungen über die ästhetische Einordnung der Bauten und über die Pflicht zur Anlage von Parkflächen auf privatem Grund.
Aus den Erwägungen:
1.
b) Gemäss
Art. 88 OG
steht das Recht zur Beschwerdeführung Bürgern (Privaten) und Korporationen bezüglich solcher Rechtsverletzungen zu, die sie durch allgemein verbindliche oder sie persönlich treffende Erlasse oder Verfügung erlitten haben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind die Eigentümer benachbarter Grundstücke befugt, eine Baubewilligung mit staatsrechtlicher Beschwerde anzufechten, soweit sie die Verletzung von Bauvorschriften geltend machen, die ausser den Interessen der Allgemeinheit auch oder in erster Linie dem Schutz der Nachbarn dienen. Zusätzlich müssen sie dartun, dass sie sich im Schutzbereich der Vorschriften befinden und durch die behaupteten widerrechtlichen Auswirkungen der Bauten betroffen werden. Die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde bestimmt sich dabei ausschliesslich nach
Art. 88 OG
. Der Umstand, dass ein Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren Parteistellung hatte, ist nicht entscheidend (
BGE 109 Ia 93
/94 E. b, 172 E. 4a;
BGE 107 Ia 74
E. 2a mit Hinweisen).
Zwar grenzt nur das Grundstück GB Nr. 2083 des Beschwerdeführers B. unmittelbar an die Bauparzelle an. Die Grundstücke GB Nrn. 1924 und 1944 der Beschwerdeführer A. und C. befinden sich auf der gegenüberliegenden Seite der Moosstrasse; das schliesst die Beschwerdelegitimation indessen nicht aus (
BGE 107 Ia 74
E. 2b), zumal die Parzellen nur rund 4 m beziehungsweise 8 m vom Baugrundstück entfernt sind. Damit liegen die drei genannten Parzellen im Schutzbereich der Vorschriften, deren willkürliche Anwendung beanstandet wird. Wie es sich in dieser Hinsicht mit dem rund 50 m von der Bauparzelle entfernten, auf der gegenüberliegenden Seite der Moosstrasse gelegenen Grundstück GB Nr. 1899 des Beschwerdeführers D. verhält, kann dahingestellt bleiben, da sich jedenfalls die Grundstücke der andern Beschwerdeführer im Schutzbereich der in Frage stehenden Normen befinden.
Die Bestimmungen von § 40 Abs. 2 und § 41 Abs. 2 der Bauordnung der Gemeinde Y. (BauO), die das Verwaltungsgericht nach Ansicht der Beschwerdeführer willkürlich ausgelegt haben soll, stellen grundsätzlich immissionsbeschränkende Nutzungsvorschriften
BGE 112 Ia 88 S. 90
für eine bestimmte Zone dar. Gleichzeitig bezwecken sie auch den Schutz der Nachbarn vor den als störend bezeichneten Einwirkungen. Insoweit ist daher auf die Beschwerde einzutreten. Auch die Vorschriften über die Baudichte dienen neben dem Schutz öffentlicher Interessen auch jenem der Nachbarn (
BGE 106 Ia 63
/64 E. 2). Auf die Beschwerde ist daher auch einzutreten, soweit die willkürliche Anwendung der Vorschriften über die Berechnung der Ausnützungsziffer von § 17 Abs. 3 der Zuger Vollziehungsverordnung zum Baugesetz vom 28. Dezember 1967 (BauV) geltend gemacht wird. Ebenfalls einzutreten ist auf die Beschwerde, soweit die verfassungswidrige Anwendung von Art. 19 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG) und § 27 Abs. 1 Ziff. 2 BauO gerügt wird. Diese Vorschriften über die Erschliessung dienen nicht ausschliesslich den Interessen der Allgemeinheit, sondern auch jenen Privater, namentlich der Nachbarn (vgl.
BGE 109 Ia 173
E. 4b).
Dagegen dienen die Vorschriften über die ästhetische Einordnung der Bauten ausschliesslich öffentlichen Interessen (
BGE 99 Ia 261
E. 6c mit Hinweisen). Ebenfalls keine nachbarschützende Funktion haben die Bestimmungen über die Schaffung und Anordnung privater Ein- und Abstellplätze auf privatem Grund; diese sollen das Strassen- und Trottoirgebiet vom rollenden Verkehr freihalten und einen ungehinderten Fahrzeug- und Fussgängerverkehr sicherstellen (
BGE 107 Ia 74
/75 E. 2b). Auf die staatsrechtliche Beschwerde ist daher nicht einzutreten, soweit mit ihr eine verfassungswidrige Auslegung und Anwendung der Ästhetikvorschrift von § 20 Abs. 1 BauO sowie der Bestimmung über die Schaffung privater Autoabstellplätze von § 28 BauO und zugehörigem Reglement gerügt wird.