Urteilskopf
112 III 42
12. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 24. Januar 1986 i.S. Konkursmasse der Wolpert Werkstoffprüfmaschinen AG gegen Karl Zang (Berufung)
Regeste
Art. 31 und 250 SchKG
; Fristwahrung bei der Kollokationsklage.
Die Frist für die Kollokationsklage beginnt nur dann mit der öffentlichen Bekanntmachung zu laufen, wenn am Tag dieser Bekanntmachung das Konkursamt der Öffentlichkeit zugänglich ist, so dass Gläubiger Einsicht in den Kollokationsplan nehmen können. Trifft dies nicht zu, so fällt für die Fristberechnung gemäss Art. 250 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 31 Abs. 1 SchKG
erst jener der öffentlichen Bekanntmachung folgende Werktag in Betracht, an welchem das Konkursamt, wo der Kollokationsplan aufliegt, dem Publikumsverkehr geöffnet ist.
A.-
Im Konkurs über die Wolpert Werkstoffprüfmaschinen AG wurde im Schweizerischen Handelsamtsblatt vom Samstag, 22. September 1984, die Auflegung des Kollokationsplanes mit dem Hinweis darauf publiziert, dass Klagen auf Anfechtung des Kollokationsplanes innert zehn Tagen seit Bekanntgabe der Auflage im Schweizerischen Handelsamtsblatt durch Klageschrift beim zuständigen Gericht anhängig zu machen seien. Eine gleichlautende Publikation war schon am 21. September 1984 im Amtsblatt für den Kanton Schaffhausen erschienen. An demselben Tag hatte die ausserordentliche Konkursverwaltung die besondere Anzeige gemäss
Art. 249 Abs. 3 SchKG
an die Adresse von Karl Zang, Merishausen, der Post übergeben; sie wurde vom Adressaten am 24. September 1984 in Empfang genommen.
B.-
Mit Kollokationsklage vom 4. Oktober 1984 focht Karl Zang den Kollokationsplan beim Kantonsgericht Schaffhausen an und beantragte, er sei mit Fr. 702'626.05 in der ersten Klasse zu kollozieren. Die Klage wurde mit Urteil vom 19. November 1984 wegen Verspätung abgewiesen.
Nachdem eine hiegegen gerichtete Beschwerde des Karl Zang vom Obergericht des Kantons Schaffhausen gutgeheissen worden war, wandte sich die Konkursmasse der Wolpert Werkstoffprüfmaschinen AG mit Berufung an das Bundesgericht. Sie verlangte die Aufhebung des Urteils des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 23. August 1985 und die Abweisung der Kollokationsklage des Karl Zang.
Aus den Erwägungen:
2.
Nach der Auffassung des Obergerichts beginnt die Frist von zehn Tagen, innert welcher ein Gläubiger gemäss
Art. 250 Abs. 1 SchKG
beim Konkursgericht die Kollokationsklage anzuheben hat, entgegen dem Gesetzeswortlaut nicht mit der öffentlichen Bekanntmachung der Auflegung des Kollokationsplanes zu laufen, wenn der Gläubiger aus nicht in seiner Person liegenden Gründen noch nicht Einsicht in den Kollokationsplan nehmen kann. Die Vorinstanz beruft sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts in
BGE 48 III 192
,
BGE 56 III 226
,
BGE 71 III 182
und insbesondere
BGE 93 III 87
, wonach es sowohl für die Frist zur Beschwerde wegen Verfahrensfehlern, die bei der Aufstellung des Kollokationsplans begangen worden sind, als auch für die Frist zur Anfechtung des Kollokationsplans gemäss
Art. 250 SchKG
auf die öffentliche Bekanntmachung nur unter der zusätzlichen Voraussetzung ankommen könne, dass der Kollokationsplan tatsächlich zur Einsicht aufliege. Die Auflegung - führt das Obergericht aus - soll den an einem Konkursverfahren Beteiligten ermöglichen, den Kollokationsplan einzusehen, um sich darüber schlüssig zu werden, ob sie ihn anfechten wollen oder nicht. Im vorliegenden Fall sei die Auflegung zwar im Schweizerischen Handelsamtsblatt vom 22. September 1984 publiziert worden, doch habe der Kollokationsplan an jenem Samstag nicht eingesehen werden können, weil das Konkursamt geschlossen gewesen sei. Erst am Montag, 24. September 1984, sei das Konkursamt wieder offen und damit die Einsicht in den Kollokationsplan möglich gewesen. Wegen
Art. 31 Abs. 1 SchKG
sei dieser 24. September 1984
BGE 112 III 42 S. 44
bei der Berechnung des Fristenlaufs nicht mitzuzählen, was bedeute, dass mit der Einreichung der Klageschrift am 4. Oktober 1984 die Frist von
Art. 250 Abs. 1 SchKG
gewahrt sei.
3.
a) Die Berufungsklägerin wirft dem Obergericht des Kantons Schaffhausen zu Unrecht vor, es habe Bedeutung und Tragweite der Rechtsprechung des Bundesgerichts verkannt und durch eine falsche Anwendung des
Art. 250 SchKG
Bundesrecht verletzt. In der Tat hat das Bundesgericht klar erkennen lassen, dass massgebend für die Fristbestimmung bei der Kollokationsklage nicht nur die Publikation der Auflegung des Kollokationsplans sein kann, sondern dass von den Konkursbehörden auch Anstalten getroffen werden müssen, um dem Gläubiger Einsicht in den Kollokationsplan zu geben. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass - vom Tatbestand her gesehen - nur in dem in
BGE 56 III 226
E. 2 veröffentlichten Rechtsstreit der Zeitpunkt der Publikation der Auflegung und jener der tatsächlichen Auflegung des Kollokationsplans auseinanderfielen, während dies in den in
BGE 71 III 182
f. und
BGE 93 III 87
veröffentlichten Auseinandersetzungen nicht zutraf. Das Bundesgericht hat trotzdem auch in den beiden letzteren Entscheiden unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass in jedem Fall die Einsicht in den Kollokationsplan gewährleistet sein muss und deshalb nicht ausschliesslich auf das Datum der Publikation abgestellt werden kann. Das versteht sich von selbst, lässt sich doch die ohnehin kurze Frist des
Art. 250 Abs. 1 SchKG
nur rechtfertigen, wenn dem Gläubiger über die ganze Frist hinweg die Möglichkeit zur Einsicht in den Kollokationsplan angeboten wird. Ob der Gläubiger aus Gründen, die in seiner Person liegen, von dieser Möglichkeit wirklich Gebrauch macht oder nicht, spielt dann allerdings - mindestens dem Grundsatz nach und unter Vorbehalt einer allfälligen Wiederherstellung der Frist - keine Rolle.
b) In dem hier zu beurteilenden Fall geht es jedoch im Unterschied zu
BGE 56 III 226
E. 2 letztlich nicht darum, dass der Kollokationsplan - aus welchen Gründen auch immer - erst nach der öffentlichen Bekanntmachung der Auflegung den Gläubigern zur Einsicht bereitgehalten worden ist. Vielmehr geht es um die weitere, vom Bundesgericht bisher noch nicht entschiedene Frage, ob bei der Berechnung des Fristenlaufs der Umstand zu berücksichtigen sei, dass heute wegen der Bürozeiten der Konkursämter die Einsicht in den Kollokationsplan an Samstagen und Sonntagen ausgeschlossen ist.
BGE 112 III 42 S. 45
Diesem Problem kommt
BGE 71 III 182
f. am nächsten, wo im Zusammenhang mit der Beschwerde gegen einen Kollokationsplan die Tatsache von Bedeutung war, dass das Konkursamt am Nachmittag des Samstags, an dem die Auflegung des Kollokationsplans öffentlich angezeigt wurde, seine Büros geschlossen hielt. Das Bundesgericht entschied, dass die Frist an jenem Samstag zu laufen begonnen hatte, und bezeichnete daher die Beschwerde als verspätet. Indessen ist nach der Meinung des Obergerichts der vorliegende Fall anders zu entscheiden, weil jetzt die Büros der Konkursämter den ganzen Samstag geschlossen sind und daher überhaupt keine Möglichkeit für die Gläubiger mehr besteht, den Kollokationsplan noch an dem Tag einzusehen, wo seine Auflegung öffentlich bekanntgemacht wird, wenn dies an einem Samstag geschieht.
c) Die Auffassung des Obergerichts erscheint begründet. Zwar fallen immer wenigstens ein Samstag und ein Sonntag in die Klagefrist von zehn Tagen gemäss
Art. 250 Abs. 1 SchKG
. Im Gegensatz aber zu Tagen ganz zu Beginn des Fristenlaufs, an denen die Büros des Konkursamtes geschlossen bleiben und dem Gläubiger deshalb die Kenntnisnahme vom Inhalt des Kollokationsplans verwehrt ist, hindern Samstage, Sonntage und Feiertage innerhalb der angelaufenen Frist den Gläubiger an sich nicht daran, Abklärungen und Vorbereitungen für eine Klage zu treffen; denn diesfalls konnte ja der Gläubiger bereits Einsicht in den Kollokationsplan nehmen. Demgegenüber wird die Klagefrist faktisch erheblich verkürzt, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Publikation der Auflegung des Kollokationsplans an einem Samstag erfolgt, der Gläubiger aber erst am folgenden Montag zum erstenmal Gelegenheit erhält, den Kollokationsplan einzusehen. Erfordert die Kollokationsklage einen grossen Arbeitsaufwand und stellt das kantonale Recht an die Einleitung der Klage hohe Anforderungen, so wird der Gläubiger durch den Verlust der zwei Tage in Anbetracht der ohnehin kurzen Frist von zehn Tagen empfindlich benachteiligt.
Dass der Rechtsunsicherheit Vorschub geleistet werde - wie die Berufungsklägerin geltend macht -, wenn bei der Berechnung des Fristenlaufs nicht mehr ausschliesslich auf den Tag der Bekanntmachung der Auflegung abgestellt, sondern auch geprüft wird, ab welchem Zeitpunkt der Gläubiger tatsächlich Einsicht in den Kollokationsplan nehmen konnte, ist nicht einzusehen. Vielmehr ist die Rechtsprechung dahingehend zu präzisieren, dass die Frist für
BGE 112 III 42 S. 46
die Kollokationsklage gemäss
Art. 250 Abs. 1 SchKG
nur dann mit der öffentlichen Bekanntmachung zu laufen beginnt, wenn am Tag dieser Bekanntmachung das Konkursamt der Öffentlichkeit zugänglich ist, so dass Gläubiger Einsicht in den Kollokationsplan nehmen können. Trifft dies nicht zu, so fällt für die Fristberechnung gemäss Art. 250 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 31 Abs. 1 SchKG
erst jener der öffentlichen Bekanntmachung folgende Werktag in Betracht, an welchem das Konkursamt, wo der Kollokationsplan aufliegt, dem Publikumsverkehr geöffnet ist.
Aus dem geltenden Recht ergibt sich ohne weiteres, dass Samstage, Sonntage und eidgenössische Feiertage der angeführten Regel folgen (vgl. das Bundesgesetz über den Fristenlauf an Samstagen, vom 21. Juni 1963; SR 173.110.3). Es versteht sich aber auch, dass unter Umständen lokale Feiertage zu berücksichtigen sind; denn der Sinn der Regel liegt in jedem Fall darin, dass der Gläubiger gleich zu Beginn des Fristenlaufs Kenntnis vom Inhalt des Kollokationsplans erhalten soll. Es mag zwar zutreffen, dass der Gesetzgeber ursprünglich nur an das periodische Erscheinen des Schweizerischen Handelsamtsblattes dachte und örtliche Feiertage vernachlässigen zu können glaubte. In Anbetracht der Reduktion der Arbeitszeit der öffentlichen Verwaltung und der auch dort als Norm geltenden Fünf-Tage-Woche kann es nicht länger hingenommen werden, dass dem Gläubiger die Klagefrist von zehn Tagen gemäss
Art. 250 Abs. 1 SchKG
faktisch verkürzt wird. Dass der Gesetzgeber den Gläubiger in solcher Weise benachteiligen wollte, ist nicht anzunehmen.
d) Das Obergericht des Kantons Schaffhausen hat somit kein Bundesrecht verletzt, wenn es im angefochtenen Entscheid davon ausgegangen ist, die Frist für die Kollokationsklage gemäss
Art. 250 Abs. 1 SchKG
habe mit dem Montag, 24. September 1984, zu laufen begonnen und dieser Tag sei nach
Art. 31 Abs. 1 SchKG
bei der Berechnung des Fristenlaufs nicht mitzuzählen. Infolgedessen ist die Berufung abzuweisen und der Entscheid der Vorinstanz zu bestätigen.