BGE 114 IB 152 vom 10. Juni 1988

Datum: 10. Juni 1988

BGE referenzen:  126 II 7, 133 II 136

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

114 Ib 152


22. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10. Juni 1988 i.S. X. AG gegen Eidgenössisches Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

Regeste

Art. 1 und 2 BB über die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen; Abgrenzung der Zuständigkeiten.
Beanstandete Radio- und Fernsehsendungen schweizerischer Veranstalter werden von der Unabhängigen Beschwerdeinstanz daraufhin untersucht, ob sie mit den Programmvorschriften der Konzession übereinstimmen; die Einhaltung finanz- und betriebsrechtlicher Bestimmungen, worunter die Werbevorschriften fallen, wird dagegen vom Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement überprüft.

Sachverhalt ab Seite 152

BGE 114 Ib 152 S. 152
Die X. AG erhielt vom Bundesrat die Erlaubnis, ein eigenes lokales Radioprogramm zu verbreiten. Der Y.-Verband reichte gegen eine von der X. AG wiederholt ausgestrahlte Sendung beim Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement eine Beschwerde ein, weil die beanstandete Sendung die für lokale Rundfunkversuche geltenden Werbevorschriften verletzt habe. Mit Verfügung vom 13. August 1987 stellte das Departement fest,
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die X. AG habe die Werbevorschriften verletzt; im weiteren wurde die X. AG förmlich ermahnt, die Werbevorschriften und die Versuchserlaubnis einzuhalten.
Die X. AG erhebt gegen diese Verfügung Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Sie begründet diese unter anderem damit, zur Beurteilung der Beschwerde des Y.-Verbandes wäre statt des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartements das lokale Beschwerdeorgan mit Weiterzugsmöglichkeit an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen zuständig gewesen.

Erwägungen

Auszug aus den Erwägungen:

2. a) Die Kompetenzen der Unabhängigen Beschwerdeinstanz und des Departementes ergeben sich aus Art. 1 und 2 des Bundesbeschlusses vom 7. Oktober 1983 über die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (BB, SR 784.45). Danach entscheidet die Unabhängige Beschwerdeinstanz über Beanstandungen ausgestrahlter Radio- und Fernsehsendungen schweizerischer Veranstalter, während das Departement von Amtes wegen prüft, ob Sendungen die innere oder äussere Sicherheit des Bundes oder der Kantone, ihre verfassungsmässige Ordnung oder die völkerrechtlichen Beziehungen gefährden. Im übrigen kann es Sendungen bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz beanstanden. In den genannten Bestimmungen wird jedoch nicht gesagt, welche Behörde Sendungen daraufhin überprüft, ob sie die Vorschriften über unzulässige Werbung ( Art. 19 der Verordnung vom 7. Juni 1982 über lokale Rundfunk-Versuche (RVO; SR 784.401) ) verletzen. Der Wortlaut des Bundesbeschlusses vermag die Frage nach der Verteilung der Kompetenzen nicht zu beantworten.
Der Bundesrat führte in seiner Botschaft vom 8. Juli 1981 über die Schaffung einer unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (BBl 1981 III 105 ff.) indessen aus, dass die Unabhängige Beschwerdeinstanz Sendungen dahingehend zu untersuchen habe, ob sie mit den Programmvorschriften der Konzession übereinstimmen, nicht aber, ob sie den finanz- und betriebsrechtlichen Vorschriften entsprechen (a.a.O., 118). Daraus lässt sich durch Umkehrschluss ableiten, dass das Departement auch nach Schaffung der Unabhängigen Beschwerdeinstanz zuständig bleibt, über Beschwerden, welche die Einhaltung finanz- und betriebsrechtlicher
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Vorschriften betreffen, zu entscheiden (bei lokalen Rundfunkveranstaltungen nach Art. 32 Abs. 1 RVO , im Gegensatz zu Art. 33 Abs. 3 RVO ).
b) Im vorliegenden Fall scheinen sich die Kompetenzen der Unabhängigen Beschwerdeinstanz und des Departements zu überschneiden. Die umstrittene Werbung wurde innerhalb des Programmteils der X. AG ausgestrahlt. Steht dabei die Verletzung finanz- und betriebsrechtlicher Vorschriften in Frage, so ist das Departement zum Entscheid zuständig; ist die im Programmteil ausgestrahlte Werbung jedoch geeignet, die Programmvorschriften der Konzession zu verletzen, so müssen das lokale Beschwerdeorgan und die Unabhängige Beschwerdeinstanz entscheiden. Nach der Praxis, die sich zwischen der Unabhängigen Beschwerdeinstanz und dem Departement herausgebildet hat, ist zu unterscheiden zwischen Programmgesichtspunkten und solchen rein finanzieller Art. Aspekte mit Programmnatur liegen vor, wenn es sich um Fragen der Meinungs- und Willensbildung, um die Transparenz einer Sendung oder um Fragen von verfälschter Information handelt. In solchen Fällen erachtet sich die Unabhängige Beschwerdeinstanz als zuständig, weil es um die Frage geht, ob die unabhängige Willensbildung des Publikums gewährleistet ist, deren Schutz der Beschwerdeinstanz übertragen ist. Fragen finanzpolitischer Natur, unternehmerische Gesichtspunkte und Finanzierungsaspekte fallen, nach dieser Auffassung, in die Kompetenz des Departementes. Nicht ausgeschlossen ist schliesslich, dass im gleichen Fall die Zuständigkeit sowohl des Departementes wie der Unabhängigen Beschwerdeinstanz gegeben ist (VPB 51 (1987), S. 312 f.). Gestützt hierauf wurde die Zuständigkeit des Departementes in einigen Fällen mit der Begründung bejaht, bei der Werbung stehe immer die finanzielle Seite im Vordergrund (z.B. VPB 51 (1987), Nr. 52 B E. 1; Nr. 52 C).
c) Diese von Beschwerdeinstanz und Departement entwickelte Rechtspraxis, die der Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche dient, erscheint als zweckmässig. Am Gehalt der Werbung ändert sich nichts, ob sie innerhalb des Programmteils erscheint oder ob sie von diesem getrennt wird. Deshalb untersteht verbotene Werbung auch dann den Finanzierungsvorschriften, wenn sie im Programmteil erscheint. Damit ist die Zuständigkeit des Departements im konkreten Fall gegeben, denn auch hier ist zu prüfen, ob eine unzulässige Werbung vorliegt. Weil das Departement die Sendung ausschliesslich unter diesem Aspekt und nicht unter
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Programmgesichtspunkten geprüft hat, hat es weder Art. 32 noch Art. 33 RVO verletzt.
d) Nicht stichhaltig ist der Einwand der Beschwerdeführerin, das Departement habe die Zuständigkeitsabgrenzung gegenüber der falschen Instanz vorgenommen, denn es geht ausschliesslich darum, ob die - allenfalls wie hier: lokale - Beschwerdeinstanz oder das Departement zuständig sei. Als ebenso unbegründet erweist sich der weitere Einwand der Beschwerdeführerin, "im Sinne der Rechtssicherheit müsste die Zuständigkeitsfrage mindestens in einem Beschluss des Bundesrates geregelt werden". Es stellen sich nämlich nicht Probleme der Rechtsetzung, sondern der Rechtsanwendung; die Rechtsanwendung ist von den dazu zuständigen Organen vorzunehmen und, gegebenenfalls, auf dem Rechtsweg zu überprüfen.
Unerheblich sind weiter die Erörterungen der Beschwerdeführerin zum Begriff der Aufsichtsbeschwerde, denn entscheidend ist nur, dass die Vorinstanz - von sich aus oder auf Anzeige hin - befugt war, als Aufsichtsbehörde einzuschreiten.

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