BGE 114 II 261 vom 3. August 1988

Datum: 3. August 1988

Artikelreferenzen:  Art. 135 OR, Art. 371 OR , Art. 135 Ziff. 2 OR, Art. 371 Abs. 2 OR

BGE referenzen:  132 V 404, 142 III 782 , 101 II 80, 83 II 50, 113 III 87, 85 II 537

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

114 II 261


45. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 3. August 1988 i.S. A. gegen B. (Berufung)

Regeste

Art. 135 Ziff. 2 OR .
Unterbrechung der Verjährung durch Ladung zum Sühneversuch: Die Verjährung wird bereits durch Postaufgabe des Sühnebegehrens unterbrochen.
Dies gilt unter Vorbehalt von Rechtsmissbrauch auch dann, wenn die Ladung zur Sühneverhandlung auf Gesuch des Ansprechers einstweilen unterbleibt.

Sachverhalt ab Seite 261

BGE 114 II 261 S. 261

A.- B. übertrug A. die Gipserarbeiten an seinem Einfamilienhaus. Die Arbeiten wurden am 15. Juli 1980 abgenommen.
Im Verlaufe der Jahre 1984/85 will B. am Fassadenputz Mängel festgestellt haben, für die er A. verantwortlich machte. Vergleichsverhandlungen unter den Parteien führten zu keinem Ergebnis. B. liess daraufhin A. mitteilen, dass er zur Wahrung der Garantiefrist gezwungen sei, vorsorglich zum Aussöhnungsversuch laden zu lassen. Am 19. Juni 1985 stellte sein Anwalt beim Gerichtspräsidenten von Fraubrunnen ein entsprechendes Begehren, bat aber, vorderhand noch keinen Termin anzusetzen, weil die Parteien noch Vergleichsverhandlungen führten. Am 18. März 1986 kam der Anwalt darauf zurück und ersuchte den Gerichtspräsidenten, nunmehr zum Aussöhnungsversuch vorzuladen, da die Verhandlungen endgültig gescheitert seien. Der Versuch fand am 16. April 1986 statt, blieb aber erfolglos.

B.- Am 20. Juni 1986 klagte B. beim Appellationshof des Kantons Bern mit dem Begehren, A. zur Behebung der Mängel an seinen Arbeiten zu verurteilen. Der Beklagte widersetzte sich dem Begehren vor allem mit der Einrede, die Gewährleistungsansprüche des Klägers seien verjährt.
Mit Zwischenentscheid vom 18. Mai 1988 wies der Appellationshof diese Einrede ab und stellte fest, dass die Verjährung nicht eingetreten sei.
BGE 114 II 261 S. 262

C.- Mit Berufung beantragt der Beklagte dem Bundesgericht, diesen Entscheid aufzuheben und die Klage wegen Verjährung abzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt den angefochtenen Entscheid.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:
Art. 371 Abs. 2 OR und Art. 180 SIA-Norm 118 (Ausgabe 1977) sehen für Gewährleistungsansprüche des Bestellers, wenn es wie hier um ein unbewegliches Bauwerk geht, eine Verjährungsfrist von fünf Jahren vor. Vorliegend ist einzig streitig, ob der Kläger mit seinem Begehren vom 19. Juni 1985 um Ladung zum Aussöhnungsversuch die fünfjährige Frist unterbrochen hat oder ob diese Wirkung, wie der Beklagte einwendet, zu verneinen ist, weil der Richter auf Gesuch des Klägers einstweilen von der Vorladung abgesehen hat.
a) Was der Beklagte zur Begründung seiner Auffassung vorbringt, scheitert schon an der Rechtsprechung zu Art. 135 Ziff. 2 OR . Nicht das kantonale Prozessrecht, sondern nur das Bundesrecht kann bestimmen, was als "Ladung zu einem amtlichen Sühneversuch" im Sinne des Art. 135 Ziff. 2 OR zu verstehen ist. Nach BGE 65 II 166 bezeichnet diese Wendung eine Handlung des Ansprechers, nämlich dessen Begehren um Abhaltung eines amtlichen Sühneversuchs, wobei die Verjährung bereits durch Postaufgabe des Begehrens unterbrochen wird. Das stimmt überein mit den übrigen in Ziff. 2 erwähnten Unterbrechungsgründen, die ebenfalls auf eine Handlung des Ansprechers abstellen und kein Zutun der Behörde, insbesondere keine amtliche Mitteilung an den Schuldner erfordern. Das eine wie das andere ist namentlich für die Klage ( BGE 49 II 41 /42 mit Hinweisen) und das Betreibungsbegehren ( BGE 101 II 80 /81, BGE 83 II 50 E. 5) längst klargestellt worden. Die Unterbrechung der Verjährung setzt daher weder voraus, dass der Schuldner vom Sühnebegehren Kenntnis erhält, noch kann etwas darauf ankommen, ob innert angemessener Frist zur Sühneverhandlung vorgeladen wird oder ob die Ladung aus irgendwelchen Gründen einstweilen unterbleibt. Es bleibt vielmehr selbst dann bei der Unterbrechung, wenn der Ansprecher sein Begehren nachträglich zurückzieht.
Diese Auslegung von Art. 135 Ziff. 2 OR entspricht, wie dem Beklagten bereits vom Appellationshof auseinandergesetzt worden
BGE 114 II 261 S. 263
ist, auch der neueren Lehre, die sich mehrheitlich der angeführten Rechtsprechung angeschlossen hat oder sich mit blossen Hinweisen begnügt (GUHL/MERZ/KUMMER, OR 7. Aufl. S. 287; E. BUCHER, OR Allg. Teil S. 406/7 Anm. 98; VON BÜREN, OR Allg. Teil S. 433/34; VON TUHR/ESCHER, OR Allg. Teil II S. 228 Anm. 27 und S. 229 oben). Das gilt auch für GAUCH (Rechtsprechung des Bundesgerichts zu OR Allg. Teil, S. 208), dem der Beklagte ein falsches Zitat unterstellt.
b) Weshalb das Sühnebegehren durch das Gesuch, vorderhand nicht zur Sühneverhandlung zu laden, sich selbst wieder aufheben soll, ist nicht einzusehen. Ein solches Vorgehen ist im Gegenteil vernünftig, wenn Parteien noch in Vergleichsverhandlungen stehen und den Streit gütlich beilegen wollen, dienen diese Verhandlungen doch dem gleichen Zweck wie ein Sühneversuch. Es bleibt dem Schuldner übrigens unbenommen, sich dem Gesuch zu widersetzen, wenn er das Vorgehen des Gläubigers für missbräuchlich hält. Dem kann auch der Sühnebeamte vorbeugen, indem er das Gesuch ablehnt und sogleich einen Verhandlungstermin ansetzt. Für einen Verstoss gegen Treu und Glauben liegt hier aber nichts vor. Aus dem angefochtenen Urteil erhellt vielmehr, dass der Kläger dem Vertreter des Beklagten das Sühnebegehren mit Schreiben vom 18. Juni 1985 ausdrücklich ankündigen liess, weil er leider gezwungen sei, "vorsorglicherweise zum Aussöhnungsversuch laden zu lassen".
Aus BGE 113 III 87 kann der Beklagte schon deshalb nichts für seine Auffassung ableiten, weil dort die Frage, ob eine Aberkennungsklage nach einer Säumnis erneut angehoben werden könne, von kantonalem Prozessrecht abhing. Ebensowenig hilft ihm BGE 85 II 537 , wo es nicht um Verjährung, sondern um die Verwirkung eines Klagerechts ging, was der Beklagte übersieht. Wie dazu bereits in BGE 74 II 16 E. 1b ausgeführt worden ist, bildet die Anrufung des Sühnebeamten nur dann eine den Prozess einleitende oder vorbereitende Handlung, wenn die Streitsache mangels Aussöhnung von Amtes wegen an das Gericht weiterzuleiten oder der Kläger nach kantonalem Prozessrecht verpflichtet ist, den Prozess sodann innert einer bestimmten Frist einzuleiten und ihn auch tatsächlich einleitet. Das gilt für die Einhaltung von Verwirkungsfristen, heisst aber nicht, dass eine Ladung zu einem Sühneversuch eine Verjährung ebenfalls nur unter diesen Voraussetzungen zu unterbrechen vermöge.

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