BGE 114 IV 20 vom 26. April 1988

Datum: 26. April 1988

Artikelreferenzen:  Art. 179bis, 179ter und 179quinquies StGB, Art. 20 Abs. 2 TVG, Art. 179ter Abs. 2 StGB, Art. 61 TVV 3, Art. 136 lit. a TVV 1, Art. 179bis und 179ter StGB, Art. 179bis Abs. 1 oder Art. 179ter Abs. 1 StGB

BGE referenzen:  109 IA 244 , 100 IV 50, 109 IA 244

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

114 IV 20


7. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 26. April 1988 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau (Nichtigkeitsbeschwerde)

Regeste

Art. 179bis, 179ter und 179quinquies StGB ; Aufnehmen und Verwerten von Telefongesprächen.
1. Die PTT-Betriebe erteilen die für eine Zusatzeinrichtung zur Aufzeichnung von Telefongesprächen erforderliche Bewilligung ausschliesslich nach technischen Kriterien und in Anwendung von Art. 20 Abs. 2 TVG , wonach der Teilnehmer ohne Zustimmung der PTT-Betriebe keine anderen Leitungen oder Apparate mit denen der PTT-Betriebe verbinden darf. Die entsprechende Meldepflicht besteht nur für den Inhaber einer Telefoninstallationskonzession. Folglich ist weder für den Betrieb einer Zusatzeinrichtung zur Aufzeichnung von Telefongesprächen eine auf einen bestimmten Anschluss und dessen Inhaber lautende Bewilligung erforderlich, noch ist zur Aufzeichnung von Gesprächen nur der betreffende Telefonabonnent berechtigt (E. 1a).
2. Die Strafbefreiung gemäss Art. 179quinquies StGB erstreckt sich auch auf die in Art. 179bis Abs. 2 und 3 sowie Art. 179ter Abs. 2 StGB aufgeführten Nachfolgehandlungen (E. 1b).

Erwägungen ab Seite 21

BGE 114 IV 20 S. 21
Aus den Erwägungen:

1. Das Obergericht hat die vorgelegte Tonbandaufzeichnung des zwischen dem Beschwerdeführer und Frau Y. geführten Telefongesprächs als zulässiges Beweismittel betrachtet. Der Beschwerdeführer rügt, das Gericht habe dadurch Art. 179quinquies StGB falsch ausgelegt. Gemäss dieser Bestimmung macht sich weder nach Art. 179bis Abs. 1 noch nach Art. 179ter Abs. 1 strafbar, wer ein Gespräch, das über eine dem Telefonregal unterstehende Telefonanlage geführt wird, mittels einer von den PTT-Betrieben bewilligten Sprechstelle oder Zusatzeinrichtung mithört oder auf einen Tonträger aufnimmt.
a) Die PTT-Betriebe erteilen die für eine Zusatzeinrichtung zur Aufzeichnung von Telefongesprächen erforderliche Bewilligung weder gestützt auf Art. 179quinquies StGB noch bei der Meldung des Anschlusses und der Aufnahme des Pick-up-Zeichens in das Telefonverzeichnis ( Art. 61 TVV 3 ), sondern in Anwendung von Art. 20 Abs. 2 TVG , wonach der Teilnehmer ohne Zustimmung der PTT-Betriebe keine andern Leitungen oder Apparate mit denen der PTT-Betriebe verbinden darf (s. Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Verstärkung des strafrechtlichen Schutzes des persönlichen Geheimbereichs, BBl 1968 I 595). Bewilligungen für den Anschluss von Tonaufnahmegeräten an das Telefonnetz waren denn auch schon vor der Aufnahme der Art. 179bis ff. in das Strafgesetzbuch erforderlich. Die PTT-Betriebe erteilen sie ausschliesslich nach technischen Kriterien (Netzverträglichkeit, Störmöglichkeit usw.). Die von Art. 20 Abs. 2 TVG verlangte Zustimmung wird deshalb nicht in Form einer Einzelbewilligung an einen bestimmten Telefonabonnenten gegeben, sondern erfolgt in allgemeiner Weise durch blosse Typengenehmigung. Wer ein Tonaufnahmegerät für Telefongespräche gebrauchen will, hat also nichts anderes vorzukehren, als im Fachhandel
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ein Gerät eines bewilligten Typs zu erwerben und es anzuschliessen. Zur Information der Telefonbenützer tragen die PTT-Betriebe hinter der Aufrufnummer des entsprechenden Abonnenten das Pick-up-Zeichen ein. Eine Meldepflicht über den vorgenommenen Anschluss einer Zusatzeinrichtung besteht indessen nur für den Inhaber einer Telefoninstallationskonzession, nicht aber für den Telefonabonnenten ( Art. 136 lit. a TVV 1 ). Der im Telefonbuch S. 15 enthaltene Vermerk, die Bewilligung für die Aufnahme von Telefongesprächen gelte als erteilt, wenn der Abonnent im Telefonbucheintrag das Pick-up-Zeichen habe aufnehmen lassen, widerspricht demnach der Rechtslage.
Folglich ist weder für den Betrieb einer Zusatzeinrichtung zur Aufzeichnung von Telefongesprächen eine auf einen bestimmten Anschluss und dessen Inhaber lautende Bewilligung erforderlich, wie das BGE 100 IV 50 E. 1 vermuten lassen könnte, noch ist zur Aufzeichnung von Gesprächen nur der betreffende Telefonabonnent berechtigt, wie der Beschwerdeführer meint. Nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen des Obergerichts ist bei der Nummer ... das Pick-up-Zeichen im Telefonverzeichnis aufgeführt, und ein solcher Eintrag erfolgt nur, falls ein von den PTT-Betrieben typengenehmigtes Zusatzgerät angeschlossen worden ist. Das Gericht verletzte daher Bundesrecht nicht, als es annahm, Frau Y., die zumindest teilweise für die als Abonnentin eingetragene Z. AG arbeitete und in deren Privatwohnung sich der Anschluss befand, was der Beschwerdeführer wusste, sei zur Aufnahme von Telefongesprächen auf Tonband befugt gewesen. Dass der Anrufende um Vorhandensein und Verwendung einer solchen Zusatzeinrichtung wissen müsste, wie der Beschwerdeführer annimmt, lässt sich Art. 179quinquies StGB im übrigen nicht entnehmen. Bereits die Botschaft des Bundesrates hielt fest, dass jedermann, der zum Telefon greife, die Möglichkeit einer Gefährdung des persönlichen Geheimbereichs durch bestimmte Gesprächsaufnahme- und -wiedergabegeräte kenne und sich darauf einstelle, d.h. sich gleich verhalte wie bei einem Gespräch in Hörweite von Drittpersonen; deshalb bestehe in Fällen der vorliegenden Art auch kein Bedürfnis nach Strafbarerklärung im Sinne der Art. 179bis und 179ter StGB und werde die Strafbefreiung im Art. 179quinquies StGB ausdrücklich vorgesehen; es wäre, so wird besonders erwähnt, auch ausserordentlich schwierig, wenn nicht gar unmöglich, die unbedingt erforderliche und zudem sichere Abgrenzung zwischen der erlaubten und der strafbaren
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Benützung einer Zusatzeinrichtung zu finden (BBl 1968 I S. 596).
b) Die Strafbefreiung gemäss Art. 179quinquies StGB erstreckt sich, wie bereits die bundesrätliche Botschaft hervorhebt, nicht nur auf das Mithören eines Gesprächs oder die Aufnahme auf einen Tonträger, sondern "natürlich auch auf die in Art. 179bis Abs. 2 und 3 sowie Art. 179ter Abs. 2 aufgeführten Nachfolgehandlungen"; denn deren Strafbarkeit ist nur gegeben, wenn ihnen eine nach Art. 179bis Abs. 1 oder Art. 179ter Abs. 1 StGB strafbare Handlung vorangegangen ist (BBl 1968 I S. 596). Das blieb in den parlamentarischen Beratungen unbestritten, wurde doch Art. 179quinquies StGB in National- und Ständerat diskussionslos angenommen (Sten.Bull. NR 1968 S. 344; Sten.Bull. SR 1968 S. 190). Diese Auffassung entspricht denn auch der überwiegenden Lehrmeinung (STRATENWERTH, BT I S. 161 N 65 mit Hinweisen).
Die Erwägung des Obergerichts, auch die Auswertung und Bekanntgabe der Tonbandaufzeichnung an Dritte durch Frau Y. bleibe gestützt auf Art. 179quinquies StGB straflos, verletzt Bundesrecht demnach ebenfalls nicht. Hängt die Zulässigkeit der Verwendung einer derartigen Aufzeichnung von Gesetzes wegen einzig davon ab, ob sie mittels einer von den PTT-Betrieben bewilligten Zusatzeinrichtung vorgenommen worden und daher straflos ist, so kommt es auf die besonderen Umstände, unter denen Frau Y. die Tonbandaufzeichnung als Beweismittel vorlegte, nicht an; dessen Verwendung im Strafprozess setzt ebensowenig eine Interessenabwägung voraus, wie sie in BGE 109 Ia 244 Nr. 45 (= Pra 72 Nr. 275) vorgenommen worden ist.

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