Urteilskopf
115 III 68
15. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 26. Januar 1989 i.S. Noldin gegen Gautschi (Berufung)
Regeste
Kollokationsklage gegen einen Mitgläubiger (
Art. 250 SchKG
).
Das Interesse an der Kollokationsklage, mit der die Zulassung eines andern Gläubigers bestritten wird, fällt mit der vollständigen Befriedigung des klagenden Gläubigers nicht dahin.
Im Konkurs der Autopark AG erhob Else Noldin beim Einzelrichter im beschleunigten Verfahren am Bezirksgericht Zürich gegen Max Gautschi Kollokationsklage, mit der sie die Wegweisung der von diesem angemeldeten und im Teilbetrag von Fr. 85'055.-- zugelassenen Forderung beantragte. Mit Verfügung vom 2. September 1987 verneinte der angerufene Richter seine sachliche Zuständigkeit und trat auf die Klage nicht ein. Ein dagegen erhobener Rekurs wurde vom Obergericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 16. November 1987 abgewiesen, mit der Begründung, die Klägerin habe aufgrund der provisorischen Verteilungsliste den von ihr angemeldeten und im Kollokationsplan zugelassenen Betrag von insgesamt Fr. 6'286'336.80 vollumfänglich durch Verrechnung zugeteilt erhalten, weshalb sie kein schutzwürdiges Interesse mehr daran habe, dass die vom Beklagten angemeldete Forderung nicht zugelassen werde. Gegen diesen Entscheid erhob die Klägerin sowohl Berufung an das Bundesgericht als auch Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht des Kantons Zürich. Letztere wurde mit Entscheid vom 22. Juni 1988
BGE 115 III 68 S. 69
abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte. Eine dagegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil vom 9. Januar 1989 ab, soweit es darauf eintrat. Mit der vorliegenden Berufung beantragt die Klägerin, das obergerichtliche Urteil aufzuheben und die Sache zu materieller Beurteilung an die kantonalen Instanzen zurückzuweisen. Das Bundesgericht heisst die Berufung gut.
Aus den Erwägungen:
3.
Das Obergericht ist im angefochtenen Entscheid zum Ergebnis gelangt, die Klägerin habe kein schutzwürdiges Interesse mehr daran, dass die vom Beklagten im Konkurs der Autopark AG angemeldete Forderung im Kollokationsplan nicht zugelassen werde, nachdem sie selber in diesem Konkurs vollständig befriedigt worden sei. Der Kollokationsprozess diene ausschliesslich der Bereinigung des Kollokationsplans und habe keine Rechtskraftwirkung über das Konkursverfahren hinaus. Der erstinstanzliche Richter sei daher im Ergebnis zu Recht auf die Kollokationsklage nicht eingetreten.
Die Klägerin ist demgegenüber der Auffassung, dass selbst bei voller Befriedigung des klagenden Gläubigers das Fortbestehen des rechtlichen Interesses der Konkursmasse am Überschuss für die Einleitung und Fortführung des Kollokationsprozesses genüge. Sie beruft sich dafür auf den zwischen den gleichen Parteien ergangenen Entscheid des Bundesgerichts vom 15. Januar 1987 (
BGE 113 III 20
). In diesem Entscheid hatte das Bundesgericht die Frage zu beurteilen, ob die Klägerin zur Verfolgung eines ihr im Konkurs der Autopark AG gemäss
Art. 260 SchKG
abgetretenen Rechtsanspruchs legitimiert blieb, obwohl sie für ihre Forderung in diesem Konkurs vollständig befriedigt worden ist. Es führte dabei aus, die Abtretung gemäss
Art. 260 SchKG
setze zwar eine Konkursforderung voraus. Die Befugnis zur weiteren Verfolgung des abgetretenen Rechtsanspruchs entfalle daher, wenn im Kollokationsprozess festgestellt werde, dass eine Konkursforderung gar nie bestanden habe, oder wenn der Gläubiger nachträglich auf seine Forderung verzichte. Es sei aber nie behauptet worden, dass die Klägerin im Prozess der Autopark AG nicht mehr kolloziert sei. Sie habe daher ihre Eigenschaft als Gläubigerin in diesem Konkurs nicht verloren, selbst wenn sie durch die provisorische Verteilung voll befriedigt worden sein sollte. Dazu komme, dass
BGE 115 III 68 S. 70
es sich bei der Abtretung von Rechtsansprüchen der Masse um eine besondere Art der Aktivenverwertung handle, die für den Fall vorgesehen sei, dass die Gesamtheit der Gläubiger auf die Realisierung verzichte, und die der Verbesserung des Konkurserlöses diene. Die Besonderheit dieser Verwertungsart bestehe darin, dass das Verwertungsergebnis in erster Linie den das Risiko der Prozessführung übernehmenden Konkursgläubigern zukomme und die Masse nur den Überschuss erhalte. Sei ein Abtretungsgläubiger bereits anderweitig befriedigt worden, so habe dies daher nur zur Folge, dass er der Masse den gesamten Prozessgewinn abliefern müsse. Die allfällige Befriedigung des Abtretungsgläubigers habe somit nur einen Einfluss auf die Verteilung. Im übrigen habe die Klägerin zumindest insoweit auch ein eigenes Interesse am Ausgang des Prozesses, als sie das Ergebnis zur Deckung der Prozesskosten verwenden könne. Diese Kosten seien nicht Bestandteil der Konkursforderung der Klägerin und würden durch die provisorische Verteilung nicht gedeckt.
Im vorliegenden Fall geht es nicht um die Legitimation zur Verfolgung eines abgetretenen Rechtsanspruchs nach erfolgter Befriedigung, sondern um das rechtliche Interesse an der Kollokationsklage gegen einen Mitgläubiger. Die beiden Tatbestände sind indessen nahe miteinander verwandt. Zwar handelt es sich bei der Abtretung gemäss
Art. 260 SchKG
, wie bereits gesagt, um eine besondere Art der Verwertung der Aktiven, während der Kollokationsprozess der Bereinigung der Passiven dient. In beiden Fällen bringt der betreffende Gläubiger jedoch einen Anspruch der Masse zur Geltung, auf dessen Geltendmachung diese verzichtet hat, nämlich einerseits das Bestreitungsrecht gegenüber der vom beklagten Gläubiger angemeldeten Konkursforderung, anderseits das Recht auf Verwertung des schuldnerischen Vermögens. Auch der Kläger im Kollokationsprozess gegen einen Mitgläubiger klagt zwar auf eigenes Risiko, aber an Stelle der Masse und übt im Prozess deren Rechte aus (JAEGER, N. 9 zu
Art. 250 SchKG
). Sodann kommt der Prozessgewinn sowohl nach Art. 260 Abs. 2 wie nach
Art. 250 Abs. 3 SchKG
der Masse zugute, soweit er den zur Befriedigung des klagenden Gläubigers erforderlichen Betrag übersteigt. Dementsprechend hat das Bundesgericht in einem älteren Entscheid ausgeführt, das in
Art. 250 SchKG
den einzelnen Gläubigern eingeräumte Recht, die Kollokation eines anderen Gläubigers durch Klage anzufechten, sei seinem Wesen nach nichts anderes als ein - allerdings besonders gearteter - Anwendungsfall
BGE 115 III 68 S. 71
der in
Art. 260 SchKG
vorgesehenen Abtretung (
BGE 39 I 274
). Geht man aber davon aus, so muss auch der Umstand, dass der klagende Gläubiger befriedigt worden ist, im Falle des Kollokationsprozesses analog beurteilt werden wie bei der Abtretung nach
Art. 260 SchKG
. Es kann daher auch in diesem Fall nicht angenommen werden, das Interesse an der Klage falle mit der Befriedigung des Gläubigers dahin.
Mit seiner gegenteiligen Auffassung verkennt das Obergericht, dass der Gläubiger, der die Wegweisung einer anderen Konkursforderung verlangt, nicht nur sein persönliches Interesse an der Deckung seiner eigenen Forderung wahrnimmt, sondern auch das Interesse der Masse an einem allfälligen Überschuss. Gegenstand der Klage bildet denn auch nicht nur der Betrag, um den sich im Falle des Obsiegens das Betreffnis der Klägerin erhöhen würde, sondern die gesamte Forderung des Beklagten bzw. die darauf entfallende Konkursdividende. Eine Klageführung ohne persönliches Interesse des klagenden Gläubigers ist daher ohne weiteres denkbar, solange nur ein Interesse der Masse an der Klage besteht (JAEGER, a.a.O.; an einem solchen Interesse fehlt es beispielsweise, wenn der Prozess nur um die Frage des Vorrangs eines Pfandgläubigers vor dem andern geht; vgl. dazu
Art. 127 Abs. 1 VZG
). Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob das weiterhin gegebene Interesse der Klägerin daran, sich aus dem Prozessgewinn für ihre Prozesskosten bezahlt zu machen, in diesem Zusammenhang eine Rolle spielt, wie das Bundesgericht in
BGE 113 III 22
- freilich nur in einer beiläufigen Erwägung - bezüglich der Abtretung gemäss
Art. 260 SchKG
angenommen hat. Die Berufung ist in diesem Punkt so oder anders begründet.