BGE 115 V 308 vom 31. März 1989

Datum: 31. März 1989

Artikelreferenzen:  Art. 13 MVG, Art. 25 MVG, Art. 56 MVG , Art. 25 Abs. 1 MVG, Art. 26 Abs. 1 MVG, Art. 13 und 26 MVG, Art. 25 Abs. 3 MVG, Art. 16 OG, Art. 13 Abs. 1 MVG, Art. 56 Abs. 1 lit. h MVG, Art. 137 lit. b OG

BGE referenzen:  110 V 117, 110 V 176, 112 V 371, 112 V 376, 112 V 387, 117 V 71, 121 V 157, 135 V 201, 135 V 215, 141 V 585, 144 III 285, 147 V 167 , 112 V 376, 112 V 387, 110 V 117, 112 V 372, 112 V 382, 112 V 371, 112 V 373, 112 V 375, 112 V 394, 112 V 383, 110 V 176, 112 V 122, 112 V 391, 112 V 382, 112 V 371, 112 V 373, 112 V 375, 112 V 394, 112 V 383, 110 V 176, 112 V 122, 112 V 391

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

115 V 308


41. Auszug aus dem Urteil vom 31. März 1989 i.S. Bundesamt für Militärversicherung gegen W. und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft

Regeste

Art. 25 Abs. 1 MVG .
- Bestätigung der Rechtsprechung gemäss den Urteilen BGE 112 V 376 und BGE 112 V 387 (Erw. 4).
- Die Anpassung einer laufenden Rente an die Berechnungsgrundlagen gemäss dem Urteil BGE 112 V 376 ist nur bei reinen Integritätsrenten gerechtfertigt (Erw. 5).
Art. 26 Abs. 1 MVG . Festhalten an der unterschiedlichen Wiedererwägungspraxis im Verhältnis zum Bundesgericht (Erw. 4b).

Erwägungen ab Seite 308

BGE 115 V 308 S. 308
Aus den Erwägungen:

2. a) Was die Frage des massgeblichen Jahresverdienstes als Grundlage für die Berechnung einer Integritätsrente anbelangt, hat das Eidg. Versicherungsgericht in Erw. 6 des Urteils Gasser vom 29. Dezember 1986 ( BGE 112 V 376 ) entschieden, die mit den Urteilen Gysler (EVGE 1966 S. 148) und Lendi (EVGE 1968 S. 88)
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eingeführte Praxis des Mittelwertes ermögliche auch im Anschluss an das Urteil Andres ( BGE 110 V 117 ) zusammen mit der vollen Kumulierbarkeit der Ansprüche ( BGE 112 V 382 Erw. 4) sachgerechte Lösungen. Wenn es im Laufe der Jahre zu überhöhten Entschädigungen der Integritätseinbussen gekommen sei, so sei dies nicht auf den Mittelwert als Prinzip, sondern auf die Tatsache zurückzuführen, dass dieser Wert ab 1972 nicht nur der Teuerung, sondern zusätzlich auch der Lohnentwicklung fortlaufend angepasst worden sei. Da der Integritätsschaden und seine Abgeltung mit Lohn nichts zu tun hätten und die Integritätsrenten daher von der Lohnentwicklung nicht berührt würden, sei der Mittelwert der Lohnentwicklung nicht anzupassen. Die bisherige Rechtspraxis zu Art. 25 Abs. 1 MVG wurde deshalb dahin berichtigt, dass der im Jahre 1966 gültige Mittelwert von Fr. 12'000.-- lediglich der seitherigen Entwicklung der Konsumentenpreise angepasst werden darf.
b) Hinsichtlich der auf der bis 1966 geltenden Praxis des mutmasslich entgangenen Jahresverdienstes beruhenden Integritätsrenten hat das Eidg. Versicherungsgericht im Urteil Beiner vom 31. Dezember 1986 ( BGE 112 V 387 , insbesondere S. 393 Erw. 3c und S. 394 Erw. 3d) entschieden, das Bundesamt für Militärversicherung (BAMV) sei berechtigt und verpflichtet, die laufenden Integritätsrenten an die durch das Urteil Gasser ( BGE 112 V 376 ) eingeleitete Rechtsprechung anzupassen. Zur Begründung führte es im wesentlichen unter Hinweis auf Rechtsprechung und Lehre aus, eine neue Verwaltungs- oder Gerichtspraxis bilde zwar kaum je einen Grund für ein Zurückkommen auf eine formell rechtskräftige Dauerverfügung zum Nachteil des Versicherten. Eine Anpassung ursprünglich fehlerfreier Verfügungen erscheine aber ausnahmsweise dann als gerechtfertigt, wenn eine neue Praxis in einem solchen Masse allgemeine Verbreitung erhalte, dass deren Nichtbefolgung als Verstoss gegen das Gleichheitsgebot erschiene. Unter dieser Voraussetzung liege im Ergebnis die gleiche Situation vor wie im Falle einer nachträglichen Änderung des objektiven Rechts, so dass eine Praxisänderung Anlass zur Umgestaltung eines Dauerverhältnisses geben könne. Diese Voraussetzungen für die Anpassung der Integritätsrente an die mit dem Urteil Gasser eingeleitete Gerichtspraxis seien erfüllt. Denn es sei in höchstem Masse rechtsungleich, Integritätsrenten nach wie vor anhand des als sachfremd erkannten Kriteriums des mutmasslich entgehenden Jahresverdienstes festzusetzen und folglich Bezüger von
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Integritätsrenten bei gleichen körperlichen Beeinträchtigungen unterschiedlich zu entschädigen (Erw. 3c). Einer solchen Rentenanpassung stünden weder eine Besitzstandsgarantie noch wohlerworbene Rechte entgegen (Erw. 3d).

3. a) Das kantonale Gericht kam im angefochtenen Entscheid in Übereinstimmung mit der Auffassung des BAMV zum Schluss, "dass es sich bei der am 18. Juni 1953 verfügten Rente um eine Integritätsrente nach Art. 25 Abs. 1 MVG gehandelt" habe. Die Anpassung der Berechnungsgrundlagen an die Praxis gemäss dem erwähnten Urteil Gasser entsprechend den Ausführungen des Eidg. Versicherungsgerichts im Urteil Beiner liess die Vorinstanz nicht gelten. Denn nach feststehendem Grundsatz dürfe die Verwaltung eine formell rechtskräftige Verfügung nicht voraussetzungslos einseitig zurücknehmen oder zum Nachteil des Adressaten abändern. Grundlage für eine Rücknahme oder Anpassung bilde einerseits das Gesetz ( Art. 13 und 26 MVG ); anderseits hätten sich in der Verwaltungspraxis mittlerweile allgemein anerkannte Grundsätze herausgebildet. Seit dem Bundesgerichtsentscheid 56 I 194 sei die Zulässigkeit, auf eine Verfügung zurückzukommen oder diese abzuändern, "von einer Abwägung jener beiden sich gegenüberstehenden Gesichtspunkte" abhängig gemacht worden, nämlich "dem Postulat der richtigen Durchführung des objektiven Rechts auf der einen und den Anforderungen der Rechtssicherheit auf der andern Seite". Diese Interessenabwägung zwischen den Anforderungen der Gesetzmässigkeit einerseits und der Rechtssicherheit sowie dem Vertrauensgrundsatz anderseits würde auch heute noch Grundlage eines Entscheides über die Rücknahme oder Anpassung von formell rechtskräftigen Verfügungen bilden. Das Eidg. Versicherungsgericht, welches gegenüber dem Bundesgericht eine "largere Rücknahmepraxis" befolge, verzichte angesichts der bei der Wiedererwägung verwendeten Kriterien (der zweifellosen Unrichtigkeit und der erheblichen Bedeutung der Berichtigung) zugunsten des Legalitätsprinzips auf die vom Bundesgericht verlangte Interessenabwägung, was in der Doktrin verschiedentlich kritisiert worden sei. Die Vorinstanz räumt allerdings ein, es sei im Sozialversicherungsrecht dem Umstand Rechnung zu tragen, dass bei Dauerverfügungen andere Massstäbe für die Rücknahme oder Anpassung gelten müssten als für Verfügungen mit abgeschlossener Rechtsfolge. Wenn nun das Eidg. Versicherungsgericht bei diesen rechtlichen Gegebenheiten im Vergleich zum Bundesgericht bereits eine "viel grosszügigere
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Wiedererwägungspraxis" befolge, so setze es sich nunmehr mit dem Urteil Beiner ( BGE 112 V 387 ) in "klaren Widerspruch zu seiner eigenen bisherigen Auffassung, wonach eine neue Praxis grundsätzlich auf die im Zeitpunkt der Änderung noch nicht erledigten sowie auf künftige Fälle anwendbar" sei. Es entferne sich damit immer weiter von dem im Verwaltungsrecht geltenden Grundsatz der Interessenabwägung, liefere anderseits aber keine Kriterien, anhand deren die von ihm verlangte "allgemeine Verbreitung der Praxis" ersehen werden könnte. Von allgemein verbreiteter Praxis könnte nur dann gesprochen werden, wenn die Voraussetzungen für die Annahme von Gewohnheitsrecht gegeben wären, was nun aber im vorliegenden Zusammenhang nicht zutreffe, zumal die mit dem Urteil Gasser eingeleitete höchstrichterliche Praxis zur Berechnung von Integritätsrenten sich ausschliesslich auf eine "bestimmte Rentenart in einem spezifischen Sozialversicherungszweig" beschränke. Die Unmöglichkeit der Definition des Kriteriums der allgemeinen Verbreitung würde unweigerlich dazu führen, dass jede Praxisänderung schliesslich zur Anpassung formell rechtskräftiger Verfügungen führen würde, womit es im Gutdünken der Verwaltungsbehörden läge, in Fällen, wo das Gesetz keine abschliessende Regelung enthalte bzw. auslegungsbedürftig sei, eine Praxisänderung und damit die Anpassung von nicht mehr übereinstimmenden Verfügungen herbeizuführen. Die Vorinstanz gehe zwar mit dem Eidg. Versicherungsgericht darin einig, dass die neue Auslegung von Art. 25 Abs. 3 MVG durch das Urteil Andres ( BGE 110 V 117 ) und die im Gefolge dieses Urteils initiierte neue Berechnungspraxis bei den Integritätsrenten durch das Urteil Gasser "für die davon Betroffenen eine Schlechterstellung gegenüber Bezügern von auf der alten Praxis beruhenden Renten" darstelle. Indessen würden die wiedergegebenen Erwägungen dem Eidg. Versicherungsgericht nicht das Recht geben, diese Ungleichbehandlung aufzugeben; vielmehr sei es "Aufgabe des Gesetzgebers, die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen dahingehend abzuändern, dass der neuen bundesgerichtlichen Praxis Rechnung getragen" werde.
b) Der Beschwerdegegner pflichtet diesen vorinstanzlichen Erwägungen und Schlussfolgerungen bei und macht überdies geltend: Wohl habe der Gesetzgeber die Möglichkeit, laufende Renten zu ändern, nicht jedoch die Verwaltung oder der Richter, denen diese Befugnis nicht zustehe, da die Praxisänderung eines Gerichts kein Revisionsgrund sei, insbesondere dann nicht, wenn
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eine Rentenzusprechung seinerzeit durch den Sozialversicherungsrichter, gegebenenfalls letztinstanzlich durch das Eidg. Versicherungsgericht bestätigt worden sei, lege doch das OG in den Art. 136 f. abschliessend fest, unter welchen Umständen ein richterliches Urteil später abgeändert werden könne. Daraus ergebe sich eine neue Rechtsungleichheit, indem gerichtlich bestätigte Rentenzusprechungen zufolge einer späteren Praxisänderung nicht abgeändert werden könnten, wogegen dies nach dem im Urteil Beiner Gesagten für Rentenzusprechungen, die allein auf einer Verwaltungsverfügung beruhten, zutreffe. Der Beschwerdegegner beruft sich sodann auf das in SZS 1986 S. 142 ff. publizierte Urteil der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 8. Februar 1985, wo die Wiedererwägung einer Rentenzusprechung durch eine kommunale Pensionskasse vom Bundesgericht als willkürlich bzw. gegen das Verfassungsprinzip von Treu und Glauben verstossend aufgehoben worden sei. Das Urteil Beiner, so der Beschwerdegegner, hätte sodann nicht gefällt werden dürfen, ohne das Verfahren nach Art. 16 OG (Einholung der Zustimmung der anderen Abteilung bei abweichender Beantwortung einer Rechtsfrage) zu beachten.
c) Das BAMV spricht sich in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde im wesentlichen dafür aus, die durch die Urteile Andres, Gasser und Beiner gebildete Gerichtspraxis konsequent weiterzuführen, denn diese stelle "ein Ganzes" dar, aus welchem "Paket ... nicht wieder ein Teil herausgebrochen werden" könne, wolle man nicht "auf halbem Wege stehen bleiben und grobe Ungleichheiten schaffen".

4. a) Die Auffassung des kantonalen Gerichts vermag nicht zu überzeugen. Einerseits werden die verschiedenen Formen der Abänderung einer formell rechtskräftigen Verwaltungsverfügung zu undifferenziert behandelt; anderseits wird der Eigenart von Verfügungen mit dauernder Rechtsfolge, d.h. Verfügungen über Dauerrechtsverhältnisse nicht genügend Rechnung getragen.
Auszugehen ist von der Überlegung, dass die formelle Rechtskraft einer Verfügung über ein Dauerrechtsverhältnis nicht voraussetzungslos gilt. Die formelle Rechtskraft beschränkt sich vielmehr auf den Sachverhalt und die Rechtslage zur Zeit des Erlasses der Verfügung über das Dauerrechtsverhältnis. Nun kann der Grundlage der Verfügung bildende Sachverhalt schon zur Zeit des Erlasses der Verfügung unrichtig festgestellt worden sein, oder es kann sich der Sachverhalt nachträglich ändern. Gleich verhält es
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sich mit den rechtlichen Gesichtspunkten: Die formell rechtskräftig gewordene Verfügung kann auf einer anfänglich unrichtigen Rechtsanwendung beruhen, oder es kann sich nach Verfügungserlass die objektive Rechtslage ändern. Die Frage nach der Tragweite der formellen Rechtskraft kann nicht für alle vier Gesichtspunkte (ursprünglich unrichtige Sachverhaltsfeststellung; nachträgliche Sachverhaltsänderung; ursprünglich unrichtige Rechtsausübung; nachträgliche Rechtsänderung) in gleicher Weise beantwortet werden. Vielmehr ergibt sich im einzelnen was folgt:
aa) Im Rahmen der (prozessualen) Revision soll eine Verfügung zurückgenommen werden können, die auf von Anfang an fehlerhaften tatsächlichen Grundlagen beruht ( BGE 112 V 371 Erw. 2a mit Hinweisen). Dieses Institut der prozessualen Revision, welches die Verwirklichung des materiellen Rechts bezweckt, ist im Bereich der Militärversicherung auf jeder Stufe (Verwaltungsverfahren, kantonales Beschwerdeverfahren, verwaltungsgerichtliches Beschwerdeverfahren vor dem Eidg. Versicherungsgericht) positivrechtlich geregelt, wie sich aus Art. 13 Abs. 1 MVG , Art. 56 Abs. 1 lit. h MVG und Art. 137 lit. b OG ergibt.
Eine solche prozessuale Revision steht hier nicht zur Diskussion, weswegen die entsprechenden Einwendungen des Beschwerdegegners von vornherein ins Leere gehen.
bb) Die formelle Rechtskraft der Verfügung über ein Dauerrechtsverhältnis steht sodann unter dem Vorbehalt, dass nicht nach Verfügungserlass erhebliche tatsächliche Änderungen eintreten. Diese u.a. auf die Invaliden- und die Integritätsrenten als Dauerrechtsverhältnisse zugeschnittene Revisionsart will die Anpassung an seit der verfügten Leistungszusprechung eingetretene geänderte und in diesem Sinne neue tatsächliche Verhältnisse ermöglichen ( BGE 112 V 372 Erw. 2b). Auch sie ist im Bereich der Militärversicherung positivrechtlich geregelt ( Art. 26 Abs. 1 MVG ). Im Rahmen dieser Revisionsart hat die Rechtsprechung seit je strikte am Erfordernis einer erheblichen Änderung tatsächlicher Natur festgehalten. Eine unterschiedliche Beurteilung eines im wesentlichen unverändert gebliebenen Sachverhaltes ist daher revisionsrechtlich bedeutungslos, und auch eine neue Verwaltungs- oder Gerichtspraxis rechtfertigt grundsätzlich keine Revision des laufenden Rentenanspruches zum Nachteil des Versicherten, weil es sich hiebei nicht um neue bzw. geänderte Tatsachen handelt ( BGE 112 V 372 Erw. 2b und besonders deutlich in 375 Erw. 4, wo das Eidg. Versicherungsgericht eine voraussetzungslose
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Neubeurteilung des Rentenanspruches im Rahmen von Art. 26 Abs. 1 MVG verwarf).
Auch eine solche Anpassung an geänderte tatsächliche Verhältnisse steht hier nicht zur Diskussion.
cc) Der Korrektur einer anfänglich unrichtigen Rechtsanwendung (unter Einschluss unrichtiger Feststellung im Sinne der Würdigung des Sachverhalts) dient dagegen die Wiedererwägung, nach welchem Grundsatz des Sozialversicherungsrechts die Verwaltung eine formell rechtskräftige Verfügung, welche nicht Gegenstand materieller richterlicher Beurteilung gebildet hat, zurücknehmen kann, wenn sie zweifellos unrichtig und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist ( BGE 112 V 373 Erw. 2c mit Hinweisen).
Auch um eine solche Wiedererwägung geht es vorliegend nicht, weil die seinerzeit auf der Grundlage des mutmasslich entgangenen Jahresverdienstes festgesetzte Rente - selbst wenn sich ergäbe, dass eine Integritätsrente zugesprochen wurde - nicht als zweifellos unrichtig bezeichnet werden kann; denn diese Bemessungsmethode entsprach einer damals festen Verwaltungspraxis, so dass sich der Schluss auf zweifellose Unrichtigkeit verbietet (so BGE 112 V 375 Erw. 3c).
dd) Vorliegend ist vielmehr der vierte Gesichtspunkt zu beurteilen, nämlich wie es sich mit der formellen Rechtskraft der Verfügung über ein Dauerrechtsverhältnis verhält, wenn seit Verfügungserlass Änderungen des objektiven Rechts eingetreten sind. Darunter fallen auch Änderungen in der Rechtsanwendung durch eine neue Gerichts- oder Verwaltungspraxis. Besteht die Rechtsänderung in einem Eingriff des Gesetzgebers, so ist - die Existenz wohlerworbener Rechte vorbehalten - die Anpassung der Verfügung über ein Dauerrechtsverhältnis nicht nur erlaubt, sondern gefordert. Besteht die Änderung des massgebenden Rechts dagegen in einer neuen gerichtlich bestätigten Verwaltungspraxis oder einer neuen Rechtsprechung, so darf die Verfügung über das Dauerrechtsverhältnis grundsätzlich nicht angetastet werden; eine solche Anpassung einer ursprünglich fehlerfreien Verfügung an eine neue gerichtlich bestätigte Verwaltungspraxis oder eine neue Rechtsprechung ist nur ausnahmsweise gerechtfertigt ( BGE 112 V 394 oben).
b) Dass die Rechtsprechung des Bundesgerichts einerseits und jene des Eidg. Versicherungsgerichts anderseits zur Wiedererwägung formell rechtskräftiger Verwaltungsverfügungen voneinander abweichen, trifft zu. Indessen verhält es sich keineswegs so, wie
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die Vorinstanz und der Beschwerdegegner annehmen, dass diese Divergenz zwischen den beiden Gerichten nicht bereits Gegenstand eines Meinungsaustauschverfahrens gewesen wäre. Hiezu wurde bereits in den Jahren 1970 und 1978 ein Meinungsaustauschverfahren durchgeführt.
Die Zulässigkeit bereichsspezifischer Grundsätze für die Abänderbarkeit sozialversicherungsrechtlicher Verfügungen über Dauerrechtsverhältnisse ist von der herrschenden Lehre auch in jüngster Zeit nicht in Frage gestellt worden (vgl. GRISEL, Traité de droit administratif, Bd. I, S. 440 f.; derselbe, L'apport du Tribunal fédéral des assurances au développement du droit public, in: Le droit social à l'aube du XXIe siècle, Mélanges Alexandre Berenstein, 1989, S. 449; GYGI, Verwaltungsrecht, 1986, S. 310; KNAPP, Précis de droit administratif, 3. Aufl., 1988, S. 231, Nr. 1284). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Beschwerdegegner erwähnten Urteil des Bundesgerichts vom 8. Februar 1985 (publiziert in SZS 1986 S. 142 ff.), wo die II. Öffentlichrechtliche Abteilung den Widerruf einer Rentenverfügung durch eine städtische Pensionskasse als gegen Treu und Glauben sowie das Willkürverbot verstossend aufhob. Das Bundesgericht hat dort die Widerrufspraxis des Eidg. Versicherungsgerichts nicht in Frage gestellt, was sich deutlich aus Erw. 4b/bb ergibt. Im weitern ist diese vom Bundesgericht beurteilte Sache mit dem vorliegenden Fall in keiner Weise vergleichbar, ging es doch dort um den - mit Wirkung ex tunc - verfügten Widerruf einer Rentenverfügung wegen zweifelloser Unrichtigkeit, weil sich herausgestellt hatte, dass der Pensionsbezüger wegen zu berücksichtigender Rentenleistungen der Invalidenversicherung und Militärversicherung gar keinen Rentenanspruch besessen hätte, sondern nur eine Freizügigkeitsleistung hätte verlangen können. Vorliegend handelt es sich dagegen, wie gesagt, nicht um die Wiedererwägung einer Verfügung wegen zweifelloser Unrichtigkeit, sondern um eine Anpassung - mit Wirkung ex nunc - einer Verwaltungsverfügung an eine neue Rechtsprechung. Dabei verkennen die Vorinstanz und der Beschwerdegegner, dass die Festsetzung der Integritätsrenten im Rahmen des Art. 25 Abs. 1 MVG , welche den rechtsanwendenden Behörden einen weiten Bereich des Ermessens eröffnet, zu jeder Zeit auf der Grundlage einer Verwaltungs- und Gerichtspraxis erfolgte. Dies hat das Eidg. Versicherungsgericht namentlich im Urteil Gasser klar festgehalten, indem die Massgeblichkeit des entgangenen Jahreseinkommens bzw. - seit den Urteilen Gysler
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und Lendi - des Mittelwertes des versicherbaren Verdienstes auf einer Rechtspraxis beruhte, und nicht auf den bundesrätlichen Verordnungen über die Teuerungsanpassung, welchen insoweit keine normative Bedeutung zukam und zukommt ( BGE 112 V 383 f. Erw. 5a und b). Daher ist für die Anpassung der "Uralt-Integritätsrenten", welche auf der Grundlage des mutmasslich entgangenen Jahresverdienstes festgesetzt wurden, entgegen der vorinstanzlichen Auffassung keineswegs ein gesetzgeberischer Erlass notwendig.
Schliesslich hat das Eidg. Versicherungsgericht bei der Abänderbarkeit formell rechtskräftiger Verwaltungsverfügungen den Verfassungsprinzipien der Rechtssicherheit und von Treu und Glauben durchaus Rechnung getragen. So nahm es im Urteil Häberli vom 2. Juli 1984 (nicht veröffentlichte Erw. 2c von BGE BGE 110 V 176 , publiziert in ZAK 1985 S. 68) eine Interessenabwägung vor. Im vorliegenden Zusammenhang mit der Anpassung von Integritätsrenten, die auf der Grundlage des mutmasslich entgangenen Jahresverdienstes festgesetzt wurden, hat das Gericht im nicht veröffentlichten Urteil B. vom 13. August 1987 zum Urteil Beiner festgestellt, dass Rechtssicherheit und Vertrauen auf die Weitergewährung einmal zugesprochener staatlicher Leistungen ein Gesichtspunkt sind, der mit dem öffentlichen Interesse an einer gesetzmässigen und sachlich vertretbaren Durchführung der Versicherung in ein Spannungsverhältnis treten kann. Dieser Konflikt zwischen den widerstreitenden Rechtsprinzipien ist im konkreten Fall durch eine wertende Abwägung der im Spiele stehenden Interessen zu lösen ( BGE 112 V 122 mit Hinweisen). Das Eidg. Versicherungsgericht hat im Urteil Beiner ( BGE 112 V 387 ) umfassend dargelegt, aus welchen Gründen es geboten ist, die Integritätsrenten, welche aufgrund der bis 1966 geltenden, als sachfremd erkannten Praxis berechnet wurden, anzupassen. Dabei handelt es sich um eine Ausnahmesituation, welche eine besondere Lösung erforderte (erwähntes Urteil B. vom 13. August 1987).
c) Aus dem Gesagten ergibt sich, dass an der Rechtsprechung gemäss den Urteilen Gasser und Beiner vollumfänglich festzuhalten ist.

5. a) Die Anpassung einer laufenden Rente an die durch das Urteil Gasser eingeführten Berechnungsgrundlagen rechtfertigt sich indessen nur dann, wenn die in Frage stehende Rente eine reine Integritätsrente ist. Davon ist das Eidg. Versicherungsgericht bereits im Urteil Beiner ausgegangen. Denn nur dort, wo eine auf
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der Grundlage des erwerblichen Gesichtspunkts des mutmasslich entgangenen Jahresverdienstes festgesetzte Rente ausschliesslich eine reine Integritätseinbusse entschädigt, kann von einer derart sachwidrigen Berentung gesprochen werden, dass deren Anpassung an adäquate Berechnungsgrundlagen das finanzielle Interesse des Versicherten am weiteren Bezug dieser Rente überwiegt. Das Eidg. Versicherungsgericht hat daher im Urteil Beiner bewusst nur die reinen Integritätsrenten als anpassungspflichtig bezeichnet, und zwar auch nur jene, die auf der Grundlage des mutmasslich entgangenen Jahresverdienstes festgesetzt worden sind, nicht dagegen jene, welche auf der mit den Urteilen Gysler und Lendi ab 1966 eingeleiteten Praxis beruhen. Ergibt die Prüfung der Aktenlage zur Zeit des Erlasses der Rentenverfügung, dass damals auch eine erwerbliche Beeinträchtigung bestand, so verbietet sich eine Anpassung der Rente. Dabei ist unerheblich, dass diese Erwerbseinbusse allenfalls geringer war als der Integritätsschaden, dies mit der Folge, dass nach der damaligen Praxis nur der überwiegende Schaden entschädigt wurde. Es genügt vielmehr die Feststellung, dass bei der Berentung auch erwerbliche Gesichtspunkte mit berücksichtigt werden durften. Ist dies der Fall, so darf eine Anpassung der laufenden Rente im Sinne des Urteiles Beiner nicht erfolgen.
b) Aus dem Gesagten erklärt es sich, warum das Eidg. Versicherungsgericht im Urteil Beiner die rechtliche Natur der dort mit Verfügung vom 25. März 1952 zugesprochenen Rente eingehend prüfte (vgl. die in BGE 112 V 391 nicht publizierte Erw. 2a des Urteils Beiner). In gleicher Weise ist es im erwähnten Urteil B. vom 13. August 1987 verfahren. Es hat dort darauf abgestellt, dass dem voll arbeitsfähigen Versicherten wegen seines Nierenverlustes eine Rente zugesprochen worden war, welche Integritätsbeeinträchtigung nach damaliger Verwaltungspraxis ohne Rücksicht auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit eine Berentung von 20% rechtfertigte. In diesem Sinne muss auch vorliegend genau geprüft werden, ob die dem Beschwerdegegner zugesprochene Rente tatsächlich ausschliesslich einen Integritätsverlust in Gestalt der weitgehenden Funktionsuntüchtigkeit des einen Lungenflügels entschädigte.

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