Urteilskopf
116 Ia 277
43. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 28. September 1990 i.S. H.A. gegen Kantonales Steueramt Zürich und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste
Art. 2 ÜbBest. BV;
Art. 80 ff. und
Art. 98 BVG
.
Die Steuerbestimmungen des BVG sind Steuerharmonisierungsvorschriften, die der Ausführung durch den Gesetzgeber bedürfen (E. 2).
Art. 81 Abs. 2 i.V. mit
Art. 98 Abs. 4 BVG
verpflichten den Kanton, Beiträge der Erwerbstätigen einschliesslich Einkaufsbeiträge für Versicherungsjahre vor 1985 voll zum Abzug vom steuerbaren Einkommen zuzulassen, wenn der Altersrentenanspruch nach dem Vorsorgereglement erst nach dem 31. Dezember 2001 entsteht (E. 3a-d).
Die Regelung von Art. 202quater des Zürcher Steuergesetzes, wonach der Abzug von Einkaufsbeiträgen auch ausgeschlossen ist, wenn nach dem Reglement der Vorsorgeeinrichtung gekürzte Altersleistungen vor dem 1. Januar 2002 gefordert werden können, ist bundesrechtswidrig (E. 3e-f).
Die 1941 geborene Frau H.A., die zuvor selbständig erwerbstätig gewesen war, trat am 1. November 1985 eine Anstellung an. Sie leistete 1986 für den Einkauf von Beitragsjahren ihrer beruflichen Vorsorge einen Beitrag an die Vorsorgestiftung von Fr. ....
Frau A. wurde für den Rest des Jahres 1985 im Einspracheverfahren nach dem bis Jahresende 1985 erzielten Lohn zwischenveranlagt, für 1986 vom Lohn des laufenden Jahres.
In ihrer Steuererklärung 1987 zog sie die für den Einkauf von Beitragsjahren geleisteten Fr. ... von den steuerbaren Einkünften des Bemessungsjahres 1986 ab. Der Abzug wurde ihr im Einschätzungsentscheid vom 16. Mai 1988 sowie im Einspracheentscheid der Steuerkommission vom 28. Oktober 1988 verweigert.
Der dagegen erhobene Rekurs an die Steuer-Rekurskommission III blieb erfolglos (Urteil vom 19. Mai 1989).
Mit Urteil vom 7. Februar 1990 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde von Frau H.A. ab. Es wendete die in
§ 25 Abs. 1 lit. o 2
. Halbsatz StG ausdrücklich vorbehaltene Übergangsbestimmung von
§ 202quater StG
(ebenfalls in der Fassung vom 8. Juni 1986) an, die lautet:
"Beiträge des Vorsorgenehmers an Einrichtungen der beruflichen Vorsorge
für den Einkauf von Beitragsjahren sind nicht von den steuerbaren
Einkünften abziehbar, wenn das Vorsorgeverhältnis am 31. Dezember 1985
bereits bestanden hat und nach Gesetz, Statuten oder Reglement der
Vorsorgeeinrichtung Altersleistungen vor dem 1. Januar 2002 ausgerichtet
werden können."
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts erhob Frau H.A. am 20. April 1990 staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 2 ÜbBest. BV und
Art. 4 Abs. 1 BV
mit dem Begehren, der angefochtene Entscheid sei unter Kosten- und Entschädigungsfolgen aufzuheben. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut
aus folgenden Erwägungen:
2.
a) Die Beschwerdeführerin rügt hauptsächlich,
§ 202quater StG
sei mit den Vorschriften des Bundesrechts in Art. 81 Abs. 2
BGE 116 Ia 277 S. 279
in Verbindung mit
Art. 83 und
Art. 98 Abs. 4 BVG
nicht vereinbar, erschwere die Verwirklichung des Sinns dieser Vorschriften unzulässig und verletze so Art. 2 ÜbBest.BV.
b) Der angerufene Grundsatz der derogatorischen Kraft bzw. des Vorrangs des Bundesrechts (Art. 2 ÜbBest.BV) bedeutet, dass öffentliches Rechts des Bundes dem kantonalen öffentlichen Recht vorgeht. In Sachgebieten, welche die Bundesgesetzgebung abschliessend geregelt hat, sind die Kantone zur Rechtsetzung nicht befugt und ihre Erlasse unbeachtlich. In den Sachgebieten, die das öffentliche Recht des Bundes nicht abschliessend regelt, sind die Kantone nur zuständig, öffentlichrechtliche Vorschriften zu erlassen, die nicht gegen Sinn und Geist des Bundesrechts verstossen, dessen Zwecke nicht beeinträchtigen oder gar vereiteln. Ob die beanstandeten kantonalen Normen mit dem Bundesrecht vereinbar sind, prüft das Bundesgericht auf entsprechende Rüge hin frei (
BGE 114 Ia 355
E. 4a;
BGE 113 Ia 311
E. 2a und b;
BGE 112 Ia 401
E. 4a, mit Hinweisen).
c) Vorab macht die Beschwerdeführerin geltend, Art. 2 ÜbBest.BV sei verletzt, weil der Bund in
Art. 80 ff. BVG
abschliessende materiellrechtliche Steuervorschriften für die berufliche Vorsorge, insbesondere (mit
Art. 98 Abs. 4 BVG
) auch eine abschliessende Übergangsregelung getroffen und eine kantonalrechtliche Einschränkung des zeitlichen Geltungsbereichs des am 1. Januar 1987 in Kraft getretenen
Art. 81 Abs. 2 BVG
ausgeschlossen habe.
Die
Art. 80 ff. BVG
enthalten nicht unmittelbar anwendbare und erst recht nicht abschliessende Vorschriften über die Besteuerung der Leistungen und den Abzug der Beiträge an die berufliche Vorsorge von dem in Bund, Kantonen und Gemeinden steuerbaren Einkommen. Dafür könnte der Bund aus
Art. 34quater Abs. 5 BV
auch nicht die Zuständigkeit herleiten. Vielmehr handelt es sich bei den Vorschriften in
Art. 80-84 BVG
um Steuerharmonisierungsvorschriften, d.h. einheitliche Grundsatzbestimmungen, die sich an den Steuergesetzgeber u.a. der Kantone richten, für ihn zwar verbindlich sind, aber der Ausführung in der (eidgenössischen oder) kantonalen Steuergesetzgebung bedürfen (
BGE 116 Ia 269
E. 3c-f).
Das gilt insbesondere auch für
Art. 81 Abs. 3 BVG
, wonach die von den Arbeitnehmern und Selbständigerwerbenden an Vorsorgeeinrichtungen nach Gesetz oder reglementarischen Bestimmungen geleisteten Beiträge bei den direkten Steuern des Bundes, der
BGE 116 Ia 277 S. 280
Kantone und Gemeinden abziehbar sind. Auch wenn der Sinn von
Art. 81 Abs. 2 BVG
wenig Spielraum für besondere Regelungen lässt, muss die Bestimmung doch durch den Steuergesetzgeber in jedem einzelnen Kanton ausgeführt werden.
Wie die Beschwerdeführerin selber hervorhebt, steht
Art. 81 Abs. 2 BVG
im Zusammenhang mit
Art. 83 BVG
über die volle Besteuerung der Vorsorgeleistungen. Da
Art. 83 BVG
in den ersten fünfzehn Jahren nach Inkrafttreten am 1. Januar 1987, das heisst bis zum 31. Dezember 2001, nach
Art. 98 Abs. 4 lit. b BVG
noch keine Anwendung findet und die Vorsorgeleistungen (der sog. Übergangsgeneration), die in dieser Zeit zu laufen beginnen oder fällig werden, weiterhin wie nach dem bisherigen Steuerrecht teilweise (oder theoretisch auch gar nicht) besteuert werden können, sind Übergangsbestimmungen (des Bundes wie in
Art. 156 BdBST
oder) der Kantone notwendig oder jedenfalls nicht ausgeschlossen, die entsprechend den Abzug der Beiträge in Übereinstimmung mit der späteren Besteuerung der Vorsorgeleistungen ordnen (E. 4b des zur Publikation bestimmten Urteils vom 15. Juni 1990).
Die Rüge der Beschwerdeführerin ist insofern nicht stichhaltig.
3.
a) Hingegen fragt sich, ob
§ 202quater StG
mit dem Sinn der für die Kantone verbindlichen Grundsatzbestimmung in
Art. 81 Abs. 2 BVG
, wie er sich aus dem Zusammenhang mit
Art. 83 und
Art. 98 Abs. 4 BVG
ergibt, vereinbar ist.
Die Beschwerdeführerin bestreitet dies ausdrücklich und macht geltend, es widerspreche diesem Sinn, wenn ihr die volle Steuerfreiheit der Einkaufsleistung verweigert werde, während die Vorsorgeleistungen bei der Pensionierung im Jahre 2003, im ordentlichen Pensionierungsalter gemäss dem Reglement der Vorsorgestiftung, voll der kantonalen Einkommenssteuer unterliegen werden.
Art. 98 Abs. 4 BVG
, der auf die tatsächliche Fälligkeit der (ersten) Vorsorgeleistung abstelle, nicht auf einen hypothetischen Zeitpunkt der frühesten Auszahlung, schliesse aus, dass die kantonale Übergangsbestimmung auf diesen früheren Zeitpunkt abstelle und damit den im Bundesrecht vorgesehenen vollen Beitragsabzug unzulässig erschwere bzw. vereitle.
b) Ob die fragliche Regelung von
§ 202quater StG
mit den der Harmonisierung der Einkommenssteuern dienenden Bestimmungen von Art. 81 Abs. 2, 83 und 98 Abs. 4 BVG vereinbar ist, prüft das Bundesgericht mit freier Kognition (oben E. 2b). Dabei ist die von der Beschwerdeführerin am angefochtenen Urteil und an
BGE 116 Ia 277 S. 281
§ 202quater StG
geübte Kritik unter zwei Gesichtspunkten beachtlich:
Gerade weil es sich um Harmonisierungsvorschriften handelt, die sich an den Steuergesetzgeber richten und von ihm erst auszuführen sind, steht ihm ein gewisser Ermessensspielraum zu. Bei der Auslegung der Harmonisierungsbestimmungen ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber diesen Ermessensspielraum sinnvoll nützt.
Art. 98 Abs. 4 BVG
erlaubt ihm wohl, vor dem 1. Januar 2002 erstmals fällig werdende Leistungen aus vorbestehenden Vorsorgeverhältnissen nicht voll der Einkommensbesteuerung zu unterwerfen; der Gesetzgeber kann sie aber auch schon vorher allgemein oder unter bestimmten Voraussetzungen voll als Einkommen besteuern, um eine befriedigende Übergangsregelung zu erreichen.
Die Übergangsordnung des Bundesrechts in Art. 98 Abs. 2, 3 und namentlich Abs. 4 BVG ist bewusst schematisch. Der Bundesgesetzgeber nahm in Kauf, dass die vom BVG erstrebte Übereinstimmung des vollen Abzugs der Beiträge (
Art. 81 Abs. 2 BVG
) und der vollen Besteuerung der damit finanzierten Vorsorgeleistungen (
Art. 83 BVG
) mit der gewählten Lösung nicht absolut zu verwirklichen ist (vgl. Botschaft vom 19. Dezember 1975, BBl 1976 I S. 213; Amtl.Bull. S 1980 S. 320-322). Vielmehr bringen die Übergangsbestimmungen für Vorsorgeverhältnisse, die schon vor dem 1. Januar 1987 bestanden, einerseits gewisse Vorteile mit sich für Versicherte, deren Vorsorgeleistungen vor dem 1. Januar 2002 beginnen (und die diese Leistungen allenfalls nicht voll zu versteuern haben, gleichwohl aber die Beiträge ab 1. Januar 1987 voll abziehen können), anderseits gewisse Nachteile für Versicherte, deren Vorsorgeleistungen nach dem 1. Januar 2002 beginnen (und die diese Leistungen voll zu versteuern haben, obwohl sie vor Einführung des BVG schon Beiträge leisteten und vor dem 1. Januar 1987 in den meisten Kantonen und im Bund nicht voll vom steuerbaren Einkommen abziehen konnten). Die Eidgenössischen Räte betrachteten dies als eine wegen der Vereinfachung vertretbare schematische Lösung, wie es bei deren Ausführung in
Art. 156 BdBSt
erklärt wurde (Amtl.Bull. S 1984 S. 735 und vor allem 736; N 1985 S. 303/4).
c) Nach dem Wortlaut, erkennbaren Sinn und dem erklärten Willen des Gesetzgebers soll folgende Übergangslösung gelten:
Art. 98 Abs. 4 ist in Verbindung mit Abs. 3 und
Art. 83 BVG
so zu verstehen, dass die Leistungen der Vorsorgeeinrichtungen (2. Säule) - für die Kantone verpflichtend - voll der
BGE 116 Ia 277 S. 282
Einkommensbesteuerung zu unterwerfen sind; für den Versicherten günstigere kantonale Vorschriften über eine nur teilweise Besteuerung können nur noch angewendet werden, wenn die Leistungen vor dem 1. Januar 1987 (Datum des Inkrafttretens der Steuerbestimmungen von Art. 81 Abs. 2 und 3 sowie
Art. 83 BVG
) zu laufen beginnen oder fällig wurden (lit. a) oder wenn sie auf einem am 1. Januar 1987 bereits bestehenden Vorsorgeverhältnis beruhen und vor dem 1. Januar 2002 zu laufen beginnen oder fällig werden (lit. b); ist dies dagegen erst am 1. Januar 2002 oder später der Fall, so müssen die Leistungen voll als Einkommen besteuert werden, auch wenn die vom Versicherten für ihre Finanzierung geleisteten Beiträge vor dem 1. Januar 1987 nicht oder nicht voll vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden konnten. (Den Kantonen steht es frei, solche vor dem 1. Januar 2002 erstmals fällig werdende Leistungen nach den Bestimmungen ihres Steuerrechts ebenfalls schon voll als Einkommen zu besteuern, wie dies im Kanton Waadt und vereinzelten dem sog. Waadtländermodell folgenden Kantonen schon der Fall war.)
Art. 81 Abs. 2 in Verbindung mit
Art. 98 Abs. 4 BVG
dagegen verpflichtet die Kantone, vom 1. Januar 1987 an Beiträge der Erwerbstätigen an Vorsorgeeinrichtungen (2. Säule) vom steuerbaren Einkommen voll in Abzug zu bringen, und zwar auch Beiträge, die sie nach Gesetz oder reglementarischen Bestimmungen der Vorsorgeeinrichtung seit Inkrafttreten des Hauptteils des BVG am 1. Januar 1985 leisten, um eine vorbestandene Versicherung im Rahmen der beruflichen Vorsorge (
Art. 1 Abs. 1 BVG
) aufzustocken (vgl. Amtl.Bull. S 1984 S. 735/6 und N 1985 S. 303/4), gleichgültig ob diese Aufstockung im Rahmen der obligatorischen beruflichen Vorsorge (
Art. 7 ff. BVG
) oder für eine von ihrer Vorsorgeeinrichtung freiwillig versicherte höhere Leistung erfolgt (
Art. 6 und 80 Abs. 1 BVG
; vgl. Amtl.Bull. N 1981 S. 1117 ff.; S 1982 S. 25 ff.; RIEMER, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, S. 138 N. 7). Das gilt auch für Beiträge, die im Rahmen von Gesetz oder Reglement für den Einkauf von Beitragsjahren geleistet werden, der ebenfalls der Aufstockung der Vorsorge dient (HELBLING, Personalvorsorge und BVG, 4. Aufl., S. 179; RIVIER, Le traitement fiscal du 2e pilier, in: Prévoyance professionnelle et fiscalité, Lausanne 1986, S. 39 ff., bes. S. 47; STEINER, Die steuerliche Behandlung des Einkaufs von Beitragsjahren und der Beiträge zur Verbesserung von Versicherungsleistungen bei der 2. Säule in: Schweizer Personalvorsorge 1/1988,
BGE 116 Ia 277 S. 283
S. 359 und 361; ZIGERLIG, Ausgewählte Sonderfragen zur steuerlichen Behandlung der 2. Säule, a.a.O., S. 373 ff., bes. S. 378; a. M. FESSLER, Die steuerliche Behandlung der Vorsorge, StR 41/1986 S. 109 ff., bes. S. 121).
Eine Ausnahme vom vollen Abzug der reglementarischen Beiträge (einschliesslich Einkaufsbeiträge) von dem seit 1. Januar 1987 steuerbaren Einkommen ist nach Art. 81 Abs. 2 in Verbindung mit
Art. 83 und 98 Abs. 4 lit. b BVG
allerdings zu machen für den Einkauf von Beitragsjahren vor dem 1. Januar 1985, wenn die Vorsorgeleistungen vor dem 1. Januar 2002 zu laufen beginnen oder fällig werden. Dem Kanton, der diese Leistungen nach seiner Steuergesetzgebung nicht voll besteuert, steht es frei, übergangsrechtlich auch den (vollen) Abzug des Einkaufs früherer Beitragsjahre auszuschliessen (
BGE 116 Ia 275
E. 4d; vgl.
Art. 156 BdBSt
).
d) Schliesst der Gesetzgeber den vollen Abzug der Einkaufsbeiträge im Rahmen dieser schematischen Übergangslösung aus, müssen sich die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Verweigerung des Beitragsabzugs - nämlich, dass die Altersleistungen vor dem 1. Januar 2002 zu laufen beginnen oder fällig werden - sofort (ab 1987) feststellen lassen; das heisst, die zwingenden Steuerharmonisierungsvorschriften des BVG sind so auszulegen, dass die massgebende erste Fälligkeit der Vorsorgeleistung von Anfang an feststeht.
Dabei kann von vorneherein nicht auf einen Zeitpunkt abgestellt werden, in dem gegebenenfalls Invaliditäts- oder Hinterbliebenenleistungen erstmals fällig werden können, würde doch sonst jeder Abzug von Einkaufsbeiträgen bis zum Jahre 2001 ausgeschlossen. Art. 81 Abs. 2 und 98 Abs. 4 lit. b BVG können nur die erstmalige Fälligkeit von Altersleistungen des Versicherten im Auge haben.
In Betracht käme einerseits das Alter, in dem nach der Mindestvorschrift von
Art. 13 Abs. 1 BVG
der Altersleistungsanspruch entsteht, also bei Männern das 65. und bei Frauen das 62. Altersjahr.
Anderseits steht es den Vorsorgeeinrichtungen nach
Art. 6 BVG
frei, den Altersleistungsanspruch auch schon früher eintreten zu lassen. Es ist deshalb richtigerweise auf den in deren Reglement (oder bei einer Vorsorgeeinrichtung des öffentlichen Rechts im Gesetz) festgelegten Zeitpunkt abzustellen, in dem der Altersrentenanspruch entsteht. Dies kann ein allgemein vorgesehenes
BGE 116 Ia 277 S. 284
Rücktrittsalter sein, das bei bestimmten Berufen (wie zum Beispiel Piloten) unter dem gesetzlichen Alter von 65 bzw. 62 Jahren liegt, oder eventuell auch ein Alter, in dem der Versicherte zwar noch nicht zwingend zurücktreten muss, aber mit den vollen Altersleistungen gemäss dem Leistungsziel der Vorsorgeeinrichtung zurücktreten kann.
Es liegt näher, auf das Alter abzustellen, bei dem der Versicherte mit den vollen Altersleistungen zurücktreten kann. Denn
Art. 98 Abs. 4 BVG
gilt nicht für eine nach dem Lebensalter abgegrenzte Übergangsgeneration, sondern stellt darauf ab, in welchem Zeitpunkt die Renten und Kapitalabfindungen zu laufen beginnen oder fällig werden; diese Bestimmung will ausserdem auch Vorsorgeformen im Sinne des
Art. 82 BVG
(3. Säule) erfassen. So ausgelegt lässt sie dem Steuergesetzgeber im Rahmen der gewollt schematischen Lösung einen etwas grösseren Spielraum.
e) Dagegen können die erwähnten Bestimmungen des BVG im Zusammenhang nicht so verstanden werden, dass der Steuergesetzgeber den Abzug seit Inkrafttreten des BVG geleisteter Einkaufsbeiträge von dem seit 1. Januar 1987 steuerbaren Einkommen durch eine Übergangsbestimmung auch ausschliessen könnte, wo der Versicherte nach den Reglementen einer Vorsorgeeinrichtung bloss die Möglichkeit hat, vor dem 1. Januar 2002 vorzeitig von der Erwerbstätigkeit zurückzutreten und reduzierte Altersleistungen in Anspruch zu nehmen (die dann noch nicht voll besteuert würden).
Der Einwand der Beschwerdeführerin, dass ein guter Teil der Versicherten, die im Jahre 2002 und den folgenden Jahren das ordentliche Rücktrittsalter erreichen, die Möglichkeit einer vorzeitigen Pensionierung bei gekürzter Leistung haben, dürfte grundsätzlich zutreffen (HELBLING, a.a.O., S. 145 ff.). Für sie alle wäre der Abzug von Einkaufsbeiträgen vom steuerbaren Einkommen während 15 Jahren seit dem 1. Januar 1987 schlechthin ausgeschlossen, was nicht dem Sinn der BVG-Bestimmungen entsprechen kann.
Art. 156 BdBSt
sieht denn auch eine von
§ 202quater StG
abweichende Übergangsregelung in Ausführung derselben BVG-Bestimmungen vor. Und die Eidgenössische Steuerverwaltung, die anfänglich im Rahmen von
Art. 156 BdBSt
die Möglichkeit einer vorzeitigen Pensionierung berücksichtigt wissen wollte (vgl. dazu Ziff. IV/3 ihres Kreisschreibens vom 30. Januar 1986 zur Anpassung des BdBSt an das BVG, ASA 54 S. 501 ff., S. 507), ist davon
BGE 116 Ia 277 S. 285
in ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 3. Mai 1990 in der parallelen Bundessteuersache der Beschwerdeführerin abgerückt, soweit eine vorzeitige Pensionierung vor dem 1. Januar 2002 mit einer Leistungskürzung verbunden ist.
Die Gründe, welche für die Lösung von
§ 202quater StG
angeführt werden können (STEINER, a.a.O., S. 362 f.) und die im angefochtenen Urteil erwähnt werden, sind zwar sachlicher Art und nicht geradezu unhaltbar. Aber sie sind bei freier Prüfung nicht stichhaltig. Wenn der kantonale Steuergesetzgeber sicherstellen will, dass der Steuerabzug seit 1987 nicht für den Einkauf von Beitragsjahren vor Inkrafttreten des BVG gewährt und die späteren Altersleistungen dennoch nur teilweise als Einkommen besteuert werden, so kann er eine entsprechend differenzierte Lösung für die weitere Anwendung seiner bisherigen Vorschriften über die teilweise Besteuerung der Vorsorgeleistungen wählen. Eine solche mag vermehrte Umtriebe bei der Veranlagung mit sich bringen; aber sie ist möglich, ohne die unbilligen und mit der Übergangsordnung des BVG unvereinbaren Ergebnisse der heutigen Übergangslösung in Kauf zu nehmen.
f) Die Beschwerdeführerin rügt daher mit Recht, dass
§ 202quater StG
, wie er im angefochtenen Entscheid auf ihren Fall angewendet wird, mit Art. 81 Abs. 2 und 98 Abs. 4 BVG unvereinbar ist und Art. 2 ÜbBest.BV verletzt. Das angefochtene Urteil ist in Gutheissung der staatsrechtlichen Beschwerde aufzuheben.