BGE 116 II 515 vom 26. Juli 1990

Datum: 26. Juli 1990

Artikelreferenzen:  Art. 329a OR, Art. 329d OR, Art. 361 OR, Art. 362 OR, Art. 4 BV , Art. 329d Abs. 1 und Abs. 2 OR, Art. 361 und 362 OR

BGE referenzen:  121 IV 272, 129 III 493, 129 III 664 , 114 IA 212, 107 II 434, 114 IA 218, 113 IA 20, 114 II 190, 114 II 190

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

116 II 515


94. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. Juli 1990 i.S. H. gegen C. und Obergericht des Kantons Nidwalden (staatsrechtliche Beschwerde)

Regeste

Art. 4 BV , Art. 329d Abs. 1 und Abs. 2 OR ; Ferienentschädigung, Abgeltungsverbot, willkürliche Rechtsanwendung.
Eine Vereinbarung über den Einschluss der Ferienentschädigung im Arbeitslohn ist nur dann gültig, wenn der Anteil der Entschädigung prozentual oder ziffernmässig festgesetzt wird. Ein Entscheid, der diesen unumstrittenen Rechtsgrundsatz eindeutig verletzt, ist willkürlich.

Erwägungen ab Seite 516

BGE 116 II 515 S. 516
Aus den Erwägungen:

1. Aufgrund eines mündlich geschlossenen Vertrages arbeitete H. seit 1. März 1985 bei C. als Brandschutz-Monteur. Nachdem das Arbeitsverhältnis im Juni 1987 wegen Meinungsverschiedenheiten aufgelöst worden war, reichte H. im September des gleichen Jahres beim Kantonsgericht Nidwalden Klage ein. Er verlangte damit anfänglich die Zahlung von Fr. 12'420.80, schränkte die Klage im Laufe des Verfahrens aber dahingehend ein, dass er nur noch die Zahlung von Fr. 5'992.90 für nicht ausgerichteten Ferienlohn beantragte.
Das Kantonsgericht sprach H. am 15. Februar 1989 Fr. 5'447.60 nebst 5% Zins seit 23. Juni 1987 zu. C. appellierte an das Obergericht des Kantons Nidwalden, welches die Klage mit Urteil vom 29. März 1990 abwies.
H. hat gegen das Urteil des Obergerichts staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV eingereicht. Er beantragt, diesen Entscheid aufzuheben und die Sache zur Gutheissung der Klage im Betrag von Fr. 5'447.60 nebst 5% Zins seit 23. Juni 1987 sowie zur Zusprechung einer Parteientschädigung an das Obergericht zurückzuweisen. Das Obergericht und der Beschwerdegegner schliessen auf Abweisung der Beschwerde.

2. Soweit mit der Beschwerde mehr als die Aufhebung des angefochtenen Entscheides beantragt wird, ist darauf wegen ihrer rein kassatorischen Funktion nicht einzutreten ( BGE 114 Ia 212 E. 1b mit Hinweisen).

3. Das Obergericht schloss aus den Zeugenaussagen von vier ehemaligen und gegenwärtigen Arbeitnehmern des Beschwerdegegners, dass dieser mit dem Beschwerdeführer vereinbart habe, der Ferienlohn sei im vereinbarten Stundenlohn eingeschlossen. Da nach seiner Ansicht eine solche Vereinbarung gültig ist, wies es die Klage ab.
Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht willkürliche Rechtsanwendung vor, weil sein Entscheid der Praxis anderer kantonaler Gerichte und des Bundesgerichts klar widerspreche. Nach deren Rechtsprechung sei eine Vereinbarung über den Einschluss des Ferienlohnes im Arbeitslohn nur dann gültig, wenn der Ferienzuschlag beziffert werde und sowohl aus dem Arbeitsvertrag wie den periodischen Lohnabrechnungen eindeutig ersichtlich sei. Der Beschwerdeführer rügt zudem, der angefochtene Entscheid beruhe auf willkürlicher Beweiswürdigung.
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4. Gemäss Art. 329d OR hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Ferien den gesamten darauf entfallenden Lohn und eine angemessene Entschädigung für ausfallenden Naturallohn zu entrichten (Abs. 1). Die Ferien dürfen während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht durch Geldleistungen oder andere Vergünstigungen abgegolten werden (Abs. 2). Das Abgeltungsverbot gehört zu den absolut zwingenden, die Bestimmung über den Ferienlohn zu den relativ zwingenden Vorschriften des Arbeitsvertragsrechts ( Art. 361 und 362 OR ).
a) Bei der Durchsetzung des Abgeltungsverbots ergeben sich in bestimmten Fällen - insbesondere bei unregelmässiger Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten - Schwierigkeiten, welche die Gerichte verschiedener Kantone veranlasst haben, Abreden der Parteien über die Abgeltung der Ferien durch Geldleistungen ausnahmsweise als gültig zu betrachten. Voraussetzung ist aber, dass sowohl aus dem Vertrag wie aus den periodischen Lohnabrechnungen klar hervorgeht, welcher Teil des Lohnbetrages zur Abgeltung des Ferienanspruchs bestimmt ist. Die blosse Vereinbarung, der Ferienlohn sei im vereinbarten Arbeitslohn inbegriffen, genügt nicht (SJZ 85/1989, S. 321 f.; JAR 1989 S. 181 f., 1987 S. 186). Das Bundesgericht hat sich dieser Praxis schon in BGE 107 II 434 - allerdings in einem obiter dictum - und später insbesondere in dem vom Beschwerdeführer erwähnten nicht publizierten Urteil vom 3. April 1989 angeschlossen. Die gleiche Auffassung wird auch in der Lehre vertreten (REHBINDER, N. 15 zu Art. 329d OR ; STAEHELIN, N. 15 zu Art. 329d OR ; BRÜHWILER, N. 4 zu Art. 329d OR ; STREIFF, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, 4. Aufl., N. 7 zu Art. 329a OR ). Sie ist überdies in der Botschaft des Bundesrates zur Revision von 1984 gebilligt worden (BBl 1982 III 234).
b) Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn unbestritten oder bewiesen ist, dass der Arbeitnehmer die ihm zustehenden Ferien tatsächlich bezogen hat. Da das Abgeltungsverbot in solchen Fällen keine Rolle spielt, wird das Spezifikationserfordernis damit begründet, der Arbeitnehmer könne aufgrund einer unklaren Vertragsklausel in den falschen Glauben versetzt werden, mit dem vereinbarten Lohn werde er bloss für die Arbeitsleistung, nicht aber für den Anspruch auf Ferienlohn entschädigt, womit die Gefahr eines vorzeitigen Verbrauchs des Feriengeldes bestehe; die Gerichte seien zudem nur so in der Lage, zu überprüfen, ob die zwingenden Bestimmungen von Art. 329a und d Abs. 1 OR eingehalten worden seien. Daraus wird sowohl in der Literatur wie auch
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in der kantonalen Rechtsprechung gefolgert, die Klage auf Ferienlohn könne abgewiesen werden, falls der Arbeitgeber beweise, dass der Arbeitnehmer die Berechnungsweise der Lohnzahlung, d.h. den ziffernmässigen oder prozentualen Anteil des Feriengeldes, gekannt habe (REHBINDER, N. 12 zu Art. 329d OR ; SJZ 85/1989 S. 322).
Auch dieser Auffassung hat sich das Bundesgericht in den unveröffentlichten Urteilen vom 25. November 1987 (auszugsweise zitiert bei KUHN, Aktuelles Arbeitsrecht für die betriebliche Praxis, Teil 5 Kapitel 4.A.1, S. 5/6) und vom 30. November 1988 angeschlossen, wobei im ersten Entscheid festgehalten worden ist, der Vertrauensgrundsatz gebiete, dass der Arbeitnehmer bei gehöriger Aufmerksamkeit sowohl im Zeitpunkt des Vertragsschlusses wie aufgrund der einzelnen Gehaltsabrechnungen klar erkennen könne, dass und in welcher Höhe ein Zuschlag als Feriengeld entrichtet werde; das dürfe grundsätzlich nur dann angenommen werden, wenn der Zuschlag zum Arbeitslohn durch Angabe eines bestimmten Betrags oder Prozentsatzes als solcher erscheine. Dem ist indessen beizufügen, dass das Vertrauensprinzip als massgebender Grundsatz auch eine weniger strenge Beurteilung nahelegen kann, falls es die besonderen Umstände des Einzelfalles - wie zum Beispiel ein mündlicher Vertragsschluss - gebieten.
c) Im Sinne dieser Ausführungen handelt es sich beim Erfordernis der Spezifikation des Ferienlohnes um einen klaren und unumstrittenen Rechtsgrundsatz. Ein Entscheid, der einen solchen Rechtsgrundsatz offensichtlich verletzt, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts willkürlich ( BGE 114 Ia 218 E. 2a, BGE 113 Ia 20 E. 3a mit Hinweisen).
Das Obergericht hält als Ergebnis seiner Beweiswürdigung lediglich fest, die Feriengeldentschädigung sei bei sämtlichen Arbeitnehmern des Beschwerdegegners als im Lohn inbegriffen vereinbart worden. Zur Frage, ob der Beschwerdeführer den ziffernmässigen oder prozentualen Anteil des Ferienlohnes am vereinbarten Stundenlohn gekannt habe, äussert es sich dagegen nicht. Indem es auf dieser - lückenhaften - tatsächlichen Grundlage auf die Gültigkeit der Vereinbarung schliesst, verstösst es eindeutig gegen den erwähnten Rechtsgrundsatz. Sein Entscheid ist deshalb wegen Verletzung von Art. 4 BV aufzuheben.
d) Unter diesen Umständen ist die ebenfalls erhobene Rüge willkürlicher Beweiswürdigung nicht zu prüfen. Da das Obergericht von einer willkürlichen Rechtsauffassung ausgegangen ist
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und seine Beweiswürdigung darauf ausgerichtet hat, lässt sich nicht beurteilen, ob es auch bei richtiger Rechtsauffassung zum gleichen Beweisergebnis gelangt wäre. Die Überprüfung der Beweiswürdigung, so wie sie vom Obergericht vorgenommen worden ist, liefe deshalb auf die Beantwortung einer rein abstrakten, für den Verfahrensausgang unerheblichen Frage hinaus. Daran besteht nach ständiger Rechtsprechung kein hinreichendes Interesse ( BGE 114 II 190 mit Hinweisen).

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