Urteilskopf
116 IV 167
31. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 14. Mai 1990 i.S. X. gegen Statthalteramt des Bezirks Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste
Art. 1 Abs. 1 alte Ausverkaufsverordnung (bzw. Art. 2 Abs. 1 nAV).
Das Gesamtbild der zu beurteilenden Prospekte ("Schlagerpreis: nur Fr. ...", "nur solange Vorrat", roter Preisstern) erweckte für das Publikum den Eindruck, dass nur vorübergehend für jeweils ein einzelnes der angebotenen Geräte der Unterhaltungselektronik besondere Vergünstigungen gewährt würden.
X. ist verantwortlich für die Herstellung zweier Prospekte ("Revue-Herbstprospekt 1987" und "Expert-Herbstprospekt 1987"), in welchen jeweils ein Gerät der Unterhaltungselektronik unter anderem mit den Worten "Schlagerpreis: nur Fr. 990.--"
BGE 116 IV 167 S. 168
sowie "nur solange Vorrat" angepriesen wurde. Er liess die Prospekte an verschiedenen Orten in der Schweiz verteilen.
Mit Urteil vom 16. Juni 1989 sprach das Bezirksgericht Zürich X. der wiederholten Übertretung der Verordnung über Ausverkäufe und ähnliche Veranstaltungen vom 16. April 1947 schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 350.--. Am 12. Februar 1990 wies das Obergericht des Kantons Zürich eine von X. dagegen eingereichte kantonale Nichtigkeitsbeschwerde ab.
X. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, den Beschluss des Obergerichtes aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Aus den Erwägungen:
2.
Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, im Herbst 1987 gegen die Ausverkaufsverordnung verstossen zu haben. Unbestrittenermassen ist sein Verhalten aufgrund des alten UWG resp. der alten Ausverkaufsverordnung (AO) vom 16. April 1947 in der Fassung vom 15. März 1971 zu prüfen und nicht aufgrund des am 1. März 1988 in Kraft getretenen neuen UWG vom 19. Dezember 1986 resp. der neuen Ausverkaufsverordnung vom 14. Dezember 1987 (AV/SR 241.1).
3.
a) Gemäss
Art. 17 aUWG
(resp. Art. 21 nUWG, jeweils Abs. 1) braucht es für die öffentliche Ankündigung und die Durchführung von Ausverkäufen oder ähnlichen Veranstaltungen, bei denen vorübergehend besondere Vergünstigungen in Aussicht gestellt werden, eine Bewilligung der zuständigen kantonalen Behörde. In den Absätzen 2-4 werden die Voraussetzungen für die Bewilligungserteilung geregelt und dem Bundesrat die Kompetenz für Ausführungsvorschriften erteilt.
Gemäss AO gelten folgende Grundsätze: Reglementiert sind Ausverkäufe und ähnliche Veranstaltungen (
Art. 1 AO
). Die AO gilt nicht für Sonderverkäufe von Nahrungs- und Genussmitteln (neu auch von Tierfutter, Schnittblumen) und von allen Artikeln des täglichen Verbrauchs, die der Reinigung oder der Körperpflege dienen; ebenso nicht für Verwertungen, die behördlich angeordnet und überwacht werden (Art. 3 Abs. 1 aAO; Art. 1 Abs. 2 nAV).
Ausverkauf und ähnliche Veranstaltungen sind gekennzeichnet durch folgende vier Merkmale (Art. 1 Abs. 1 aAO; Art. 2 Abs. 1 nAV):
BGE 116 IV 167 S. 169
- Veranstaltung des Detailverkaufs; - öffentliche Ankündigung; - besondere Vergünstigungen; - vorübergehende Natur.
Als Ausverkäufe gelten der Totalausverkauf und der Teilausverkauf. Alle anderen Veranstaltungen (Sonderverkäufe), die die Definitionsvoraussetzungen erfüllen, gelten als ähnliche Veranstaltungen (
Art. 2 AO
). Art. 1 Abs. 2 aAO und Art. 3 nAV umschreiben den Begriff der öffentlichen Ankündigung.
b) Der Bundesrat wollte mit dem neuen UWG die Sonderverkäufe aus der Bewilligungspflicht entlassen und nur noch die eigentlichen Ausverkäufe regeln, im wesentlichen mit der Begründung, Aktionen und anderwertige Sonderverkaufsveranstaltungen hätten in den letzten Jahren ständig zugenommen, ebenso die Anzahl der zeitlich vorverschobenen Sonderverkäufe. Dies habe nicht nur den Überblick und die Kontrolle über diese Veranstaltungen erschwert, sondern aus diesem Grunde auch dazu geführt, dass nicht alle Verstösse strafrechtlich verfolgt werden konnten. Im übrigen wurde darauf hingewiesen, dass der Entlassung der Sonderverkäufe aus der Bewilligung neue Bestimmungen gegenüberstünden, die täuschende Verkaufsbedingungen und Angebotsgestaltung sowie Fälle unlauterer Werbung erfassten (Botschaft BBl 1983 II 1050, 1084, 1098). Das Parlament lehnte jedoch eine Entlassung der Sonderverkäufe aus der Bewilligungspflicht ab (im wesentlichen mit dem Argument, Grossverteiler hätten viel mehr Möglichkeiten für Sonderverkäufe und Aktionen, weshalb die vom Bundesrat vorgeschlagene Neuregelung zu Lasten der kleineren Läden gehe; vgl. Amtl. Bull. N 1985 S. 854 ff., S 1986 S. 425 ff.).
4.
Die Voraussetzungen des Detailverkaufs und der öffentlichen Ankündigungen sind vorliegend ohne weiteres gegeben. Strittig ist, ob besondere Vergünstigungen in Aussicht gestellt wurden und ob diese Vergünstigungen gegebenenfalls nur vorübergehender Natur waren.
a) Nach dem in E. 3a Gesagten sind Sonderverkäufe in bezug auf Nahrungs- und Genussmittel sowie Reinigungs- und Körperpflegemittel stets zulässig, da insoweit die AO nicht gilt. Für andere Waren ist die Möglichkeit von Sonderverkäufen dagegen massiv eingeschränkt. Zunächst bedarf es dafür einer Bewilligung (
Art. 4 Abs. 1 AO
). Vor allem sind Sonderverkäufe auf bestimmte Zeiträume beschränkt (Art. 9 Abs. 2 aAO, Art. 22 nAV): nämlich
BGE 116 IV 167 S. 170
auf die Zeit vom 1. (früher 15.) Januar bis Ende Februar und vom 1. Juli bis 31. August. Weitere Beschränkungen ergeben sich daraus, dass die gleiche Verkaufsstelle in jedem dieser Zeiträume nur jeweils einen Sonderverkauf durchführen darf, also jeweils nur einen Winter- und nur einen Sommersonderverkauf. Überdies darf ein Sonderverkauf während höchstens drei Wochen durchgeführt werden (Art. 9 Abs. 2 und 10 Abs. 1 lit. c aAO, Art. 22 Abs. 1 und 23 Abs. 1 nAV).
Eigentliche Aktionen sind also nur zulässig für die von der Bewilligungspflicht befreiten Waren (insbesondere Nahrungsmittel). Für alle anderen Waren - auch solche, für die es keinen eigentlichen Saisonsonderverkauf gibt - sind echte Aktionen nicht möglich, sondern eben nur eine Art Saisonsonderverkäufe. Man kann sich fragen, ob diese Regelung sinnvoll ist; aber sie entspricht offenbar dem Willen des Gesetzgebers. Dies bedeutet, dass die öffentliche Ankündigung, gewisse Elektronikgeräte würden vorübergehend günstiger verkauft, in aller Regel unzulässig ist. Im vorliegenden Fall war sie unzulässig mangels Bewilligung und weil für den fraglichen Zeitraum (Herbst) eine Sonderverkaufsbewilligung ohnehin nicht möglich gewesen wäre.
Am Rande mag angemerkt werden, dass auch die öffentliche Ankündigung des Verkaufs von Restbeständen resp. von Auslaufmodellen zu günstigeren Preisen ausserhalb der für den Sonderverkauf vorgesehenen Zeiten von Anfang Januar bis Ende Februar resp. Anfang Juli bis Ende August aufgrund der klaren Regelung der AO nur dann in Betracht kommt, wenn keine grösseren als die üblicherweise für Auslaufmodelle gewährten Preisabschläge angekündigt werden (vgl.
BGE 112 IV 51
E. c).
b) Zu prüfen ist somit, ob die Art und Weise, wie hier zum Verkauf angeboten wurde, einen Hinweis auf besondere Vergünstigungen, die nur vorübergehend in Aussicht gestellt werden, darstellt.
Dies ist eine Rechtsfrage, bei deren Beurteilung es nicht darauf ankommt, welchen Sinn der Veranstalter der Ankündigung beigelegt hat, sondern auf den Eindruck, den die Ankündigung auf das Publikum macht. Massgeblich ist also, ob die angesprochene Käuferschicht in den Glauben versetzt wird, die angepriesene Ware später nicht mehr so günstig erwerben zu können wie zur Zeit des Sonderangebots (
BGE 112 IV 49
E. 2;
BGE 101 IV 341
E. 2;
BGE 95 IV 158
E. 1). Die zeitliche Befristung der besonderen Vergünstigung kann sich aus den gesamten Umständen ergeben,
BGE 116 IV 167 S. 171
etwa aus dem Hinweis auf einen mengenmässig beschränkten Warenvorrat, aus dem Zeitpunkt oder aus der Aufmachung eines Inserates.
Die Frage, ob der Ausdruck "Schlagerpreis" für sich allein in jedem Fall den Hinweis auf eine besondere Vergünstigung enthält oder ob es sich insoweit um nichts anderes als den zulässigen Hinweis handelt, dass man billig verkaufe, kann offen bleiben. Denn wie die Vorinstanz im Anschluss an das bezirksgerichtliche Urteil darlegt, sind vorliegend weitere Momente in die Würdigung miteinzubeziehen, welche für die Beurteilung des Gesamteindruckes entscheidend sind. So fällt auf, dass in beiden Katalogen ausschliesslich das inkriminierte Angebot mit der Einschränkung "nur solange Vorrat" angepriesen, also die Kombination der beiden Ausdrücke einzig bei diesem Gerät verwendet worden ist. Damit kann beim Publikum der Eindruck erweckt werden, dass gerade bei diesem Gerät ein vorübergehender Preisvorteil gewährt wird. Die Vorinstanz unterstreicht sodann, dass abweichend von anderen in der Rechtsprechung bisher behandelten Fällen der Hinweis auf die Beschränktheit des Vorrates mit dem Zusatz "nur" besonders betont worden ist. Es trifft zu, dass mit dieser Form der Darstellung in Verbindung mit den weiteren Momenten der Eindruck einer ausverkaufsähnlichen Veranstaltung erweckt werden kann. Die Vorinstanz erwähnt des weiteren, im Revue-Katalog seien sowohl der Preis als auch die Beschränkung für den Betrachter graphisch derart unübersehbar hervorgehoben (roter Preisstern, rotes Rechteck), dass die vom Einzelrichter vorgenommene Qualifikation dieser Reklame als marktschreierisch durchaus gerechtfertigt erscheine. Die Verwendung des Preissterns allein enthalte schon die Suggestion eines Sonderangebots. Weiter wird darauf hingewiesen, die Anpreisung sei auf der letzten Seite durch Unterstellung unter den Titel "Expert-Spezial" doppelt hervorgehoben worden. Die Spezialität des konkreten Angebotes habe im Text eine weitere Betonung gefunden ("Das Expert-Spezialangebot"). Schliesslich komme bei der Gesamtbetrachtung hinzu, dass auf der letzten, der "Spezial"-Seite des Expert-Katalogs neben der inkriminierten Anlage noch ein "Super-Eintauschangebot" für ein Fernsehgerät angekündigt werde ("Preis ./. Ihr Eintausch bis Fr. 450.-- = Schlagerpreis Fr. 1'948.--"). Auch wenn diese Reklame nicht Gegenstand des Strafverfahrens bilde, sei sie für die Beurteilung des Gesamteindruckes heranzuziehen. Daraus ergebe sich, dass die letzte Seite durch die ausschliessliche Ankündigung
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von (zwei) Spezialangeboten im Expert-Katalog als ganze eine Sonderstellung einnehme.
Berücksichtigt man diese Besonderheiten des zu beurteilenden Falles, dann hat die Vorinstanz Bundesrecht nicht verletzt, wenn sie angenommen hat, die inkriminierten Ankündigungen stellten besondere Vergünstigungen in Aussicht, die nur vorübergehend gewährt würden.
c) Ergänzend sei noch auf folgendes hingewiesen: LUKAS DAVID (Schweiz. Wettbewerbsrecht, 2. Aufl. Bern 1988, N 210, 546 und 548) macht geltend, Angaben über die vorrätige Menge, insbesondere Hinweise auf beschränkte Warenmengen, könnten (im Hinblick auf Art. 3 lit. b nUWG) sogar ein Akt des lauteren Wettbewerbs sein und stellten kein Indiz für eine unzulässige vorübergehende Vergünstigung dar. In
BGE 107 II 285
E. c wurde der Hinweis auf einen beschränkten Vorrat beim angekündigten Verkauf von einer Million Schokoladetafeln zu einem besonderen Preis im Hinblick auf das Verbot irreführender Werbung als korrekt angesehen. Aus der zitierten Bestimmung und dem erwähnten Bundesgerichtsentscheid darf jedoch nicht der Schluss gezogen werden, eine Aktion wie die vorliegend zu beurteilende sei deshalb lauter und könne nicht einen Verstoss gegen die Ausverkaufsverordnung darstellen. Denn wenn die AO die öffentliche Ankündigung von nur vorübergehend gewährten Vergünstigungen nur in sehr eingeschränktem Ausmass zulässt, dann ergibt sich aus Art. 3 lit. b nUWG und der zitierten Entscheidung nur, dass, soweit eine Ankündigung im Rahmen der Ausverkaufsverordnung überhaupt zulässig ist, die erwähnten Lauterkeitsgesichtspunkte berücksichtigt werden müssen. Die AO-relevante Frage, ob überhaupt eine öffentliche Ankündigung mit dem Vermerk "nur solange Vorrat" erfolgen darf, ist also zu trennen von der UWG-relevanten Frage, wie anzukündigen ist, wenn eine öffentliche Ankündigung zulässigerweise erfolgt.