Urteilskopf
117 Ia 27
7. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 21. Februar 1991 i.S. S. und Kons. gegen Direktion für Erziehung und kulturelle Angelegenheiten des Kantons Freiburg und Staatsrat des Kantons Freiburg (Beschwerde an den Bundesrat gemäss Art. 73 Abs. 1 lit. a Ziff. 2 VwVG sowie staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste
Versetzung eines Kindes in die Kleinklasse. Persönliche Freiheit,
Art. 4 und 27 Abs. 2 BV
sowie Art. 2 ÜbBest. BV. Gesetz des Kantons Freiburg vom 23. Mai 1985 über den Kindergarten, die Primarschule und die Orientierungsschule (Schulgesetz).
1. Das Grundrecht der persönlichen Freiheit tritt gegenüber dem Anspruch auf genügenden Primarunterricht zurück. Zu den von der persönlichen Freiheit geschützten elementaren Erscheinungen der Persönlichkeitsentfaltung gehört nicht, über den Besuch einer Normal- oder einer Kleinklasse selbst entscheiden zu können (E. 5).
2. Kriterien zur Bemessung eines genügenden Primarunterrichts; massgeblich ist, dass das Angebot eines der Reife des Kindes angepassten Unterrichts besteht; der Besuch der Schule muss zudem zumutbar sein (E. 6).
3. Das freiburgische Schulgesetz, das den Entscheid über die Einweisung eines Kindes in die Kompetenz der Schulbehörden stellt, ist nicht in sich selbst widersprüchlich (E. 7a u. b).
4. Die Erziehungsbefugnis der Eltern steht in bestimmten Grenzen unter dem Vorbehalt des öffentlichen Rechts. Die Regelung des freiburgischen Schulgesetzes verstösst nicht gegen die derogatorische Kraft des Bundesrechts (E. 7c).
5. Die im vorliegenden Fall verfügte Versetzung in die Kleinklasse ist weder offensichtlich unverhältnismässig noch unhaltbar (E. 7d u. e).
Der 1982 geborene S. besuchte während den Schuljahren 1987/88 sowie 1988/89 den Kindergarten in Plasselb. Ab Februar 1988 wurde er logopädisch behandelt, um einer Sprachentwicklungsstörung entgegenzuwirken.
Am Ende des zweiten Kindergartenjahres veranlasste die Kindergärtnerin eine psychologische Begutachtung von S., weil sie seine Primarschultüchtigkeit bezweifelte. Die psychologische Abklärung ergab, dass S. in die Kleinklasse eingewiesen werden sollte.
Da in Plasselb keine Kleinklasse zur Verfügung stand, schlug der zuständige Schulinspektor den Eltern von S. im Juni 1989 vor,
BGE 117 Ia 27 S. 29
ihn in der Kleinklasse von Plaffeien einzuschulen. Die Eltern waren damit nicht einverstanden, denn sie glaubten, dass S. die Primarschulreife noch erreichen würde. Der Schulinspektor und die Eltern kamen daher überein, S. vorerst versuchsweise die erste Primarklasse in Plasselb besuchen zu lassen und einen definitiven Entscheid über die Einschulung an Weihnachten 1989 zu fällen.
Eine neue psychologische Begutachtung des Kindes nach Ablauf der Versuchsphase führte wiederum zum Ergebnis, dass S. in die Kleinklasse eingewiesen werden sollte. Nach einem ergebnislos verlaufenen Gespräch mit den Eltern, die auf ihrem früheren Standpunkt beharrten, entschied der Schulinspektor am 27. Dezember 1989, dass S. ab dem 8. Januar 1990 die Kleinklasse in Plaffeien zu besuchen habe.
Gegen diesen Entscheid reichte der Vater von S. am 2. Januar 1990 Beschwerde bei der Direktion für Erziehung und kulturelle Angelegenheiten des Kantons Freiburg ein. Diese wies, nachdem sie weitere Berichte über die Schulreife von S. eingeholt hatte, die Beschwerde am 16. Februar 1990 ab.
Dagegen reichte der Vater am 23. Februar 1990 Verwaltungsbeschwerde ein beim Staatsrat des Kantons Freiburg, welcher die Beschwerde am 17. April 1990 abwies.
Gegen diesen Entscheid erhoben S. und seine Eltern am 21. April 1990 Beschwerde beim Bundesrat sowie am 8. Mai 1990 parallel staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht.
In der Beschwerde an den Bundesrat beantragen sie im wesentlichen die Aufhebung des angefochtenen Entscheides wegen Verletzung von
Art. 27 Abs. 2 BV
sowie die Feststellung, dass der Unterstufenklassenunterricht in Plasselb ungenügend sei; ausserdem sei der Kanton anzuweisen, dafür zu sorgen, dass S. in Plasselb ein seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen entsprechender, genügender Unterricht geboten wird.
In der staatsrechtlichen Beschwerde wird beantragt, es sei der Entscheid des Staatsrates aufzuheben. Gemäss der Begründung verletzt dieser Entscheid insbesondere die persönliche Freiheit von S. sowie
Art. 4 BV
und Art. 2 ÜbBest. BV.
Im Rahmen eines Meinungsaustausches mit dem Bundesrat hat sich das Bundesgericht am 25. September 1990 zur Übernahme der Angelegenheit hinsichtlich aller geltend gemachten Verfassungsverletzungen bereit erklärt.
In der am 10. Mai 1990 an den Bundesrat eingereichten Vernehmlassung zur Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 27 Abs. 2
BGE 117 Ia 27 S. 30
BV
schliesst die den Staatsrat vertretende Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg auf Nichteintreten, eventualiter auf Abweisung der Beschwerde.
In seiner Vernehmlassung vom 9. November 1990 zur staatsrechtlichen Beschwerde beantragt der Staatsrat des Kantons Freiburg die Abweisung der Beschwerde.
Die Direktion für Erziehung und kulturelle Angelegenheiten des Kantons Freiburg hat keine Stellungnahme eingereicht.
Aus den Erwägungen:
5.
a) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung schützt das ungeschriebene Verfassungsrecht der persönlichen Freiheit nicht nur die Bewegungsfreiheit und die körperliche Integrität, sondern darüber hinaus alle Freiheiten, die elementare Erscheinungen der Persönlichkeitsentfaltung darstellen. Indessen rechtfertigt nicht jeder beliebige Eingriff in den persönlichen Bereich des Bürgers die Berufung auf dieses Grundrecht; namentlich hat die persönliche Freiheit nicht die Funktion einer allgemeinen Handlungsfreiheit, und schützt sie nicht vor jeglichem physischen oder psychischen Missbehagen. Der Schutzbereich der persönlichen Freiheit ist daher im Einzelfall angesichts von Art und Intensität der Beeinträchtigung zu bestimmen (
BGE 115 Ia 246
E. 5a mit Hinweisen).
b) Im Bereich der Bildung kann sich ein staatlicher Eingriff unter Umständen als solcher in den Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung auswirken (vgl. die entsprechenden Bemerkungen in
BGE 103 Ia 389
, 401 E. d;
BGE 102 Ia 324
). Für die Bestimmung des Schutzbereichs ist im vorliegenden Fall allerdings die Abgrenzung zu
Art. 27 Abs. 2 BV
zu beachten; da das Grundrecht der persönlichen Freiheit gegenüber den speziellen Verfassungsrechten zurücktritt (
BGE 109 Ia 280
;
BGE 107 Ia 293
; WALTER HALLER, in Kommentar BV, Persönliche Freiheit, Rz. 90 ff.), findet es insofern keine Anwendung, als der Anspruch von S. auf genügenden und unentgeltlichen Primarschulunterricht in Frage steht; im Rahmen von
Art. 27 BV
entscheidet sich auch, ob S. allenfalls ein Recht auf ein staatliches Angebot einer Kleinklassenschulung an seinem Wohnort im Sinne eines Anspruches auf staatliche Leistung hat.
Der angefochtene Entscheid greift nicht in elementare Erscheinungen der Persönlichkeitsentfaltung von S. ein. Der Schulbesuch wird ihm nicht verunmöglicht; ganz im Gegenteil bezwecken die
BGE 117 Ia 27 S. 31
Schulbehörden, ihm die seiner Persönlichkeitsentwicklung angepasste Ausbildung zu verschaffen. Zum Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung gehört ausserdem nicht, die Schule im eigenen Dorf unbesehen ihrer Geeignetheit besuchen zu können beziehungsweise die Schule nach eigener Einschätzung oder eigenem Gutdünken auszuwählen.
6.
a)
Art. 27 Abs. 2 BV
gewährleistet den unentgeltlichen und genügenden Primarunterricht. Darunter ist die Grundschulpflicht mit dem Zweck einer regelmässigen Vermittlung von Grundkenntnissen während einer bestimmten Anzahl Jahre zu verstehen (MARCO BORGHI, in Kommentar BV, Art. 27, Rz. 29). Im vorliegenden Fall wird die Unentgeltlichkeit des Unterrichts nicht bestritten, hingegen bringen die Beschwerdeführer vor, der staatliche Unterricht sei ungenügend. Es ist daher zu prüfen, ob das staatliche Schulangebot für S. angemessen und geeignet ist. Dafür ist unter anderem Kriterium, wieweit allenfalls der Schulweg unzumutbar ist beziehungsweise sich auf den regelmässigen Schulbesuch nachteilig auswirken könnte (VPB 48/1984, Nr. 38; 44/1980, Nr. 19).
b) Sowohl der Unterricht in der Normalklasse nach Art. 14 des freiburgischen Gesetzes vom 23. Mai 1985 über den Kindergarten, die Primarschule und die Orientierungsschule (Schulgesetz; SGF 411.0.1) als auch in der Kleinklasse gemäss Art. 19 des Schulgesetzes ist Primarunterricht im Sinne von
Art. 27 Abs. 2 BV
. Die Beschwerdeführer bringen nicht vor, das Angebot in der Kleinklasse in Plaffeien sei inhaltlich ungenügend; sie machen vielmehr geltend, der Unterricht in der Normalklasse Plasselb genüge den Bedürfnissen von S. nicht, wobei sie die Ursachen allerdings in erster Linie in organisatorischen Mängeln der Schule sowie fehlender Fähigkeit des Lehrpersonals und weniger in der mangelnden Schulreife von S. sehen. Im vorliegenden Verfahren ist jedoch davon auszugehen, dass dieser einer Kleinklassenschulung bedarf und die Primarschule Plasselb für ihn sowieso ungeeignet ist (vgl. E. 7d); es ist daher unbedeutend und es braucht nicht näher untersucht zu werden, ob und allenfalls wieweit in der Primarschule Plasselb angebliche Mängel tatsächlich vorhanden sind, welchen mit organisatorischen Massnahmen zu begegnen wäre.
c) Wesentlich ist für den vorliegenden Fall vielmehr, dass die Organisation einer Kleinklasse und damit das Angebot eines der Reife des Kindes S. angepassten Unterrichtes besteht. Die von ihm
BGE 117 Ia 27 S. 32
zu besuchende Kleinklasse befindet sich im Nachbardorf. Zwischen den beiden Ortschaften besteht sowohl ein organisierter Schülertransport als auch eine offizielle Buslinie; im übrigen ist die Unentgeltlichkeit des Transports gewährleistet (Art. 6 Abs. 2 des Schulgesetzes). Der zusätzliche Aufwand für den Besuch der Kleinklasse ist in persönlicher, zeitlicher, organisatorischer und materieller Hinsicht gering. Der Schulweg erfordert keinen unzumutbaren Aufwand, schliesst einen regelmässigen Schulbesuch nicht aus und wirkt sich auf den Unterricht nicht nachteilig aus.
Anderseits kann der Schulbesuch im Nachbardorf insbesondere für eine gewisse Übergangs- und Eingewöhnungszeit mit allfälligen nachteiligen Nebenwirkungen verbunden sein. Diese wiegen jedoch nicht allzu schwer, und es kann ihnen mit geeigneten Massnahmen begegnet werden. Der S. gewährte Primarunterricht ist daher nicht aus dem Grunde ungenügend, weil in Plasselb selbst keine Kleinklasse geführt wird.
Im übrigen steht die Frage, ob ein Kind für die Normalklasse schulreif sei, mit dem Erfordernis des genügenden Primarschulunterrichts in keinem wesentlichen Zusammenhang. Die Beschwerdeführer können infolgedessen aus dem Anspruch auf genügenden Primarunterricht nichts zu ihren Gunsten ableiten.
7.
a) Die Beschwerdeführer machen eine Verletzung des Legalitätsprinzips sowie des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit geltend. Das Bundesgericht prüft allerdings nur im Bereiche spezieller Grundrechte frei, ob diese Prinzipien verletzt sind. Soweit sie nicht in Zusammenhang mit einem besonderen Verfassungsrechtssatz angerufen werden, kann nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel von
Art. 4 BV
, das heisst nach Massgabe der Rechtsgleichheit und des Willkürverbots, überprüft werden, ob der angefochtene Entscheid damit vereinbar sei (
BGE 106 Ia 260
E. 4a;
BGE 102 Ia 71
). Im vorliegenden Fall können sich die Beschwerdeführer nicht auf ein spezielles Grundrecht berufen, weshalb die Kognition des Bundesgerichts auf Willkür beschränkt ist.
Ein Entscheid verletzt das Willkürverbot und steht im Widerspruch zu
Art. 4 BV
, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (
BGE 115 Ia 332
E. 3a mit Hinweis).
b) Die Beschwerdeführer verlangen vorfrageweise eine Überprüfung von Art. 19 Abs. 5 des freiburgischen Schulgesetzes auf
BGE 117 Ia 27 S. 33
Verfassungsmässigkeit. Nach ihrer Ansicht ist der Erlass in sich selbst widersprüchlich; namentlich stünde Art. 19 Abs. 5 des Schulgesetzes im Widerspruch zu Art. 2 Abs. 1 und 31 Abs. 1 dieses Gesetzes.
Art. 2 Abs. 1 des Schulgesetzes steht unter der Marginalie "Aufgabe und Ausrichtung der Schule" und sieht vor, dass die Schule die Eltern in der Ausbildung und der Erziehung ihrer Kinder unterstützt. Art. 31 Abs. 1 legt die Erstverantwortlichkeit der Eltern für die Erziehung und Ausbildung ihrer Kinder fest. Art. 19 Abs. 5 lautet:
"Sollte ein Kind anscheinend eine Klein- oder Werkklasse besuchen, so spricht sich der Schulinspektor mit dessen Eltern, dem Lehrer und den betroffenen Schuldiensten aus, um in Übereinstimmung eine Lösung zu finden. Bei einer Meinungsverschiedenheit, die den Interessen des Kindes schadet, entscheidet der Schulinspektor."
Art. 2 des Schulgesetzes ist eine Zielnorm und gibt nur allgemeine Richtlinien, aus denen die Beschwerdeführer keine konkreten Folgerungen zu ihren Gunsten ableiten können (KARL ALEXANDER ECKSTEIN, Schule und Elternrecht, Diss. Basel 1979, S. 233 f.). Art. 31 verpflichtet die Behörden zu einer weitgehenden Zurückhaltung; der Staat hat den Eltern in der Erziehung und Ausbildung der Kinder soweit als möglich ihre Freiheit zu belassen. Dies erlaubt den Eltern aber nicht, den Behörden in jeder Hinsicht vorzuschreiben, wie Erziehung und Ausbildung ihrer Kinder in der öffentlichen Schule zu verwirklichen sind. Namentlich schliesst es ein Vorgehen gegen ihren Willen im Kindesinteresse nicht aus, was auch insbesondere aus der allgemeinen Schulpflicht als solcher hervorgeht.
Der Entscheid über die Einweisung in eine Kleinklasse hat zum Zweck, einem Kind, das in der Aneignung der Grundkenntnisse und -fertigkeiten nicht genügende Fortschritte zu erzielen vermag, eine geeignete Ausbildung zu vermitteln (Art. 19 Abs. 1 des Schulgesetzes). Die dem Schulinspektor in Art. 19 Abs. 5 des Schulgesetzes zugesprochene Kompetenz ist klar abgegrenzt. Seine Entscheidungsbefugnis setzt voraus, dass keine einvernehmliche Lösung zwischen Eltern und Schulbehörden über die Versetzung eines Kindes in die Kleinklasse gefunden wird; ausserdem ist erforderlich, dass diese Meinungsverschiedenheit den Interessen des Kindes schadet. Die gesetzliche Regelung ist zurückhaltend und richtet sich nach dem Kindesinteresse. Zudem kann der Entscheid des Schulinspektors auf dem Beschwerdeweg angefochten werden. In dieser gesetzlichen Ordnung ist kein Widerspruch zu sehen, aufgrund
BGE 117 Ia 27 S. 34
dessen eine gestützt auf Art. 19 Abs. 5 des Schulgesetzes verfügte Einweisung in die Kleinklasse willkürlich wäre.
c) Die Beschwerdeführer bringen weiter vor, Art. 19 Abs. 5 des Schulgesetzes stünde im Widerspruch zu Bundesrecht, wodurch Art. 2 ÜbBest. BV verletzt würde. Falls Eltern das Kindeswohl ernsthaft gefährdeten, sehe das Bundesrecht Kindesschutzmassnahmen nach
Art. 307 ff. ZGB
vor, die in die alleinige Kompetenz der Vormundschaftsbehörde fielen. In die elterliche Gewalt, namentlich in ihre Befugnis, über die Art der Ausbildung und Erziehung zu entscheiden, könne demnach nur die Vormundschafts- und nicht die Schulbehörde eingreifen.
Der Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts nach Art. 2 ÜbBest. BV besagt, dass die Kantone in Sachgebieten, welche die Bundesgesetzgebung abschliessend geregelt hat, nicht zur Rechtsetzung befugt sind (
BGE 115 Ia 272
E. 12a mit Hinweis).
Nach
Art. 27 Abs. 2 BV
ist der Primarunterricht und damit auch dessen Organisation Sache der Kantone. Gemäss
Art. 302 Abs. 2 ZGB
sind die Eltern verpflichtet, dem Kind eine angemessene, seinen Fähigkeiten und Neigungen soweit möglich entsprechende allgemeine und berufliche Ausbildung zu verschaffen; Abs. 3 dieses Artikels hält die Eltern an, in geeigneter Weise mit der Schule zusammenzuarbeiten. Die Erziehungsbefugnis der Eltern steht allerdings in bestimmten Grenzen unter dem Vorbehalt des öffentlichen Rechts (CYRIL HEGNAUER, Grundriss des Kindesrechts, Bern 1989, S. 170); dies gilt namentlich im Bereich der Benutzung der öffentlichen Schule als öffentliche Anstalt (ECKSTEIN, a.a.O., S. 228 ff.; URS TSCHÜMPERLIN, Die elterliche Gewalt in bezug auf die Person des Kindes, Freiburg 1989, S. 144).
In diesem Rahmen sind staatliche Massnahmen, die allenfalls ins gesetzliche Erziehungsrecht der Eltern eingreifen, zulässig. Auch die gesetzliche Regelung der Kindesschutzmassnahmen schliesst andere, weniger weitgehende staatliche Massnahmen in Bereichen, die wie das Schulwesen als öffentliche Aufgaben konzipiert sind und der staatlichen Kompetenz sowie dem öffentlichen Recht unterstehen, nicht aus. Die Kindesschutzmassnahmen bilden bloss das strengste Mittel, das allenfalls gegenüber den Eltern anzuwenden ist, um die Kindesinteressen zu wahren. Das Bundesrecht enthält somit keine abschliessende Regelung, weshalb Art. 19 Abs. 5 des freiburgischen Schulgesetzes den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts nicht verletzt.
d) S. ist erst bedingt schulreif und bedarf des auf ihn zugeschnittenen Unterrichts in einer Kleinklasse. Die kantonalen Behörden haben dazu mehrfach Berichte und Gutachten eingeholt, die alle im wesentlichen zum gleichen Ergebnis gelangten. Zudem konnte S. dem Begehren der Eltern entsprechend während einem Jahr den Normalunterricht besuchen; seine Leistungen erlaubten jedoch eine Promovierung in die zweite Klasse nicht. Den Behörden kann daher nicht vorgeworfen werden, sie hätten sachwidrig und übereilt gehandelt und andere Möglichkeiten unversucht gelassen. Weitere Lösungen wie der Einsatz eines Wanderlehrers wären zwar denkbar und fänden im freiburgischen Schulgesetz eine Grundlage (namentlich in Art. 19 Abs. 4). Die Alternativen sind jedoch vor allem vorgesehen und zugeschnitten auf Fälle, in denen der Besuch einer Kleinklasse einen zu grossen Aufwand, insbesondere was den Transport des Schülers betrifft, erfordert. Wie gesehen bedingt im vorliegenden Fall der Besuch der Kleinklasse in Plaffeien indes keinen unzumutbaren Aufwand (vgl. E. 6c).
e) Somit steht der angefochtene Entscheid mit der tatsächlichen Situation nicht im Widerspruch, verstösst nicht in krasser Weise gegen die von den Beschwerdeführern angerufenen Normen und ist weder offensichtlich unverhältnismässig noch unhaltbar.
8.
Die staatsrechtliche Beschwerde sowie die Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 27 Abs. 2 BV
sind abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.