Urteilskopf
117 III 33
11. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 23. Januar 1991 i.S. Ch. (Rekurs)
Regeste
Art. 15 Abs. 2 SchKG
;
Art. 91 ff. VZG
. Miet- und Pachtzinssperre.
1. Gesetzliche Grundlage der Verordnung über die Zwangsverwertung von Grundstücken und insbesondere der
Art. 91 ff. VZG
betreffend Miet- und Pachtzinssperre (E. 2).
2. In der Betreibung auf Grundpfandverwertung kann die Miet- und Pachtzinssperre schon angeordnet werden, bevor der Grundpfandgläubiger das Verwertungsbegehren gestellt hat (E. 3).
A.-
In der von der Sparkasse Sp. eingeleiteten Betreibung auf Grundpfandverwertung liess das Betreibungsamt Zürich 7 am 5. April 1990 dem Schuldner Ch. auf dem Rechtshilfeweg den Zahlungsbefehl zustellen. Da die Gläubigerin gestützt auf
Art. 806 ZGB
die Ausdehnung der Pfandhaft auf Miet- und Pachtzinse verlangt hatte, ordnete das Betreibungsamt bezüglich der Pfandgegenstand bildenden Liegenschaften die Mietzinssperre an.
Der Schuldner beschwerte sich beim Bezirksgericht Zürich mit dem Antrag, der Zahlungsbefehl wie auch die amtliche Verwaltung der Liegenschaften mit Einzug der Miet- und Pachtzinse seien aufzuheben. Die untere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs trat mit Beschluss vom 20. Juni 1990 auf die Beschwerde mit der Begründung, die Rügen des Beschwerdeführers seien materiellrechtlicher Natur, nicht ein. Hinsichtlich des Antrags um Aufhebung der amtlichen Verwaltung verwies sie auf den abweisenden Entscheid ihres Vorsitzenden vom 27. April 1990.
BGE 117 III 33 S. 34
Dem Obergericht des Kantons Zürich als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs beantragte der Schuldner die Aufhebung des vorinstanzlichen Nichteintretensbeschlusses und die Gutheissung der Beschwerde, und er verlangte die Aufhebung der Mietzinssperre mit rückwirkender Kraft. Mit Beschluss vom 20. Dezember 1990 wies das Obergericht den Rekurs ab und bestätigte den Beschluss des Bezirksgerichts Zürich vom 20. Juni 1990.
B.-
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts wies den Rekurs des Schuldners Ch., mit welchem er die Aufhebung des obergerichtlichen Beschlusses und - mit rückwirkender Kraft - der Mietzinssperre beantragt hatte, ab aus folgenden
Erwägungen:
1.
Streitig ist nur, ob die Mietzinssperre, die im Rahmen der Betreibung auf Grundpfandverwertung angeordnet worden ist, gegen Bundesrecht verstosse und deshalb rückwirkend auf den 5. April 1990 aufgehoben werden müsse.
Fest steht, dass Ch. als Eigentümer der Pfandgegenstand bildenden Liegenschaften Rechtsvorschlag erhoben hat; er bestreitet sowohl das Pfandrecht als auch die Forderung, die von seiten der Gläubigerin mit verfallenen Kapitalzinsen begründet wird, bzw. die Ausdehnung der Pfandhaft auf diese Forderung. Das ist bereits Gegenstand eines bei den zürcherischen Gerichten hängigen Prozesses.
Im vorliegenden Rekursverfahren bestreitet der Rekurrent, dass die Verwaltung der Liegenschaften durch das Betreibungsamt und die Mietzinssperre auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen. Deshalb dürften die Bestimmungen der
Art. 91 ff. VZG
nicht angewandt werden und müsse die Verfügung des Betreibungsamtes wieder aufgehoben werden.
2.
Das Obergericht des Kantons Zürich hat zutreffend festgestellt, dass die vom Bundesgericht erlassene Verordnung über die Zwangsverwertung von Grundstücken, um deren Anwendung es im vorliegenden Fall einer Betreibung auf Grundpfandverwertung geht (vgl.
Art. 85 ff. VZG
), sich - wie schon der Ingress zur Verordnung erkennen lässt - auf die Kompetenznorm von
Art. 15 SchKG
stützt. Die Verordnung steht seit mehr als siebzig Jahren in Kraft und hat entsprechend unumstrittene Gesetzeskraft
BGE 117 III 33 S. 35
erlangt (FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Band I, Zürich 1984, S. 52 f.; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 2. Auflage Lausanne 1988, S. 53; vgl. auch
BGE 88 III 44
).
Richtig ist zwar, dass
Art. 15 Abs. 2 SchKG
dem Bundesgericht nur die Kompetenz zum Erlass der zur Vollziehung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs notwendigen Verordnungen und Reglemente einräumt. Indessen hat es sich bei der Einführung und Vollziehung des Gesetzes gezeigt, dass dieses unter anderem bezüglich der Betreibung auf Pfandverwertung (Art. 151 bis 158 SchKG) derart lückenhaft ist, dass sich - mit Bedacht auf die Systematik des Gesetzes und den damit angestrebten Zweck - eine Einzelfragen der Zwangsverwertung von Grundstücken beantwortende Ergänzung aufdrängte. Die Geltung der hiezu vom Bundesgericht erlassenen Verordnung ist denn auch kaum je in Zweifel gezogen worden. Zu
Art. 91 ff. VZG
im besonderen, die Miet- und Pachtzinse betreffend, sind schon kurze Zeit nach Inkrafttreten der Verordnung Urteile des Bundesgerichts ergangen (
BGE 49 III 169
ff.,
BGE 61 III 71
ff., 64 III 197 ff.).
Im übrigen haben sich sowohl die betreibende Gläubigerin als auch die Vorinstanz zudem auf
Art. 806 ZGB
berufen, was rechtens ist (
BGE 71 III 158
E. 4). Die Behauptung des Rekurrenten, dass die angeordnete Miet- und Pachtzinssperre der gesetzlichen Grundlage ermangle, erweist sich auch im Hinblick auf diese Vorschrift als verfehlt.
3.
Soweit der Rekurrent auch noch etwas aus
Art. 16 VZG
zu seinen Gunsten herzuleiten versucht, übersieht er, dass diese Bestimmung im Rahmen der Betreibung auf Pfändung gilt. Demgegenüber kann sich in der Betreibung auf Pfandverwertung, die verfahrensmässig bereits einen Schritt weitergeht, schon im Augenblick, wo das Betreibungsbegehren gestellt wird, eine Miet- und Pachtzinssperre aufdrängen (
Art. 91 und 94 VZG
).
Art. 16 VZG
kann zwar sinngemäss auch in der Betreibung auf Grundpfandverwertung zum Zuge kommen, sobald das Verwertungsbegehren gestellt ist (
BGE 64 III 199
f. E. 1). Das ändert aber nichts daran, dass insbesondere zur Sicherung der Rechte des Grundpfandgläubigers - die freilich bestritten sein mögen - nach Massgabe von
Art. 806 ZGB
und in Befolgung der Vorschriften von
Art. 91 und 94 VZG
schon vorher eine Miet- und Pachtzinssperre angeordnet werden darf. Diese macht nur einen Teil der vom Schuldner bzw. vom Eigentümer der Pfandgegenstand bildenden
BGE 117 III 33 S. 36
Liegenschaft zu duldenden Eingriffe aus, wie sie nach Stellung des Verwertungsbegehrens in umfassenderer Weise erfolgen (
BGE 64 III 202
).
Dass diese Ordnung der sachlichen Berechtigung ermangelte, wie der Rekurrent vorbringt, kann nicht behauptet werden und folgt auch nicht aus dem vorliegenden Sachverhalt. Obwohl Missbrauch sich nie völlig ausschliessen lässt, bietet die Verwaltung der Miet- und Pachtzinse durch das Betreibungsamt Gewähr für den Eigentümer der Liegenschaft, dass die Erträge ihm ausgehändigt werden, sobald sich durch rechtskräftiges Urteil erweist, dass die betriebene Forderung oder das behauptete Grundpfandrecht keinen Bestand haben.