Urteilskopf
117 III 63
19. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 5. November 1991 i.S. D. (Rekurs)
Regeste
Art. 229 Abs. 3 SchKG
; Unterhaltsanspruch des Schuldners.
Aus dieser Bestimmung lässt sich kein Anspruch auf kostenloses Wohnen herleiten; vielmehr legt die Konkursverwaltung die Bedingungen fest, zu welchen die Familie des Schuldners in der Wohnung bleiben kann (E. 1).
Art. 213 Abs. 1 SchKG
; Verrechnung.
Die von ihrem Ehemann getrennt lebende Ehefrau des Schuldners kann den von der Konkursverwaltung verlangten Mietzins nicht mit ihrer Forderung auf Unterhaltsbeitrag bzw. auf unentgeltliches Wohnen, welche sie gestützt auf eine Trennungskonvention geltend macht, verrechnen (E. 2).
Über den Ehegatten der Rekurrentin ist am 22. April 1991 der Konkurs eröffnet worden. Mit Verfügung vom 16. Juli 1991 teilte das Konkursamt Binningen der von ihrem Ehemann getrennt lebenden Ehefrau mit, dass sie ab 1. August 1991 für die Benutzung der Liegenschaft in Binningen einen vorschüssigen Mietzins von monatlich Fr. 3'000.-- bezahlen müsse.
Die Ehefrau beschwerte sich über diese Verfügung bei der Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Basel-Landschaft. Diese wies die Beschwerde am 26. August 1991 ab, und auch die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgericht wies den bei ihr von der Ehefrau erhobenen Rekurs ab.
Aus den Erwägungen:
1.
Die Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Basel-Landschaft hat mit zutreffender Begründung den von der Rekurrentin geltend gemachten Anspruch, die in die Konkursmasse fallende Liegenschaft bis zur Verwertung unentgeltlich benützen zu können, verneint.
Nach
Art. 229 Abs. 3 SchKG
bestimmt die Konkursverwaltung, wie lange der Gemeinschuldner und seine Familie im Genuss der bisherigen Wohnung zu belassen sind. Ein Anspruch auf kostenloses Wohnen lässt sich aus dieser Vorschrift nicht herleiten; vielmehr legt die Konkursverwaltung die Bedingungen fest, zu welchen die Familie des Schuldners in der Wohnung bleiben kann.
Der in der Betreibung auf Pfändung oder auf Grundpfandverwertung anwendbare
Art. 19 VZG
gilt - wie die Rekurrentin selber anerkennt - nicht für das Konkursverfahren (GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 2. Auflage Lausanne 1988, S. 313, § 1, mit Hinweis auf BlSchK 1978, S. 30 f.). Selbst wenn diese Bestimmung analog auf das Konkursverfahren angewendet würde, stünde es im Ermessen der Konkursverwaltung, je nach den konkreten Umständen dem Schuldner die Wohnung bis zur Verwertung unentgeltlich zu überlassen oder für deren Benützung eine Entschädigung zu verlangen (BlSchK 1978, S. 31; Repertorio 122/1989, S. 200 f.; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 4. Auflage Bern 1988,
§ 44 N 7
). Gründe, welche den Entscheid des Konkursamtes - welches die Aktivmasse im Interesse der Gläubiger zu verwalten hat - als offensichtlich unbillig erscheinen liessen, werden von der Rekurrentin nicht vorgebracht.
In diesem Punkt verletzt der angefochtene Entscheid in keiner Weise Bundesrecht, und die Ausführungen der Rekurrentin bezüglich fehlender Solidarschuldnerschaft für die Hypothekarzinsen gehen an der Sache vorbei.
2.
a) Gemäss
Art. 213 Abs. 1 SchKG
kann ein Gläubiger seine Forderung mit einer Forderung, welche dem Gemeinschuldner ihm gegenüber zusteht, verrechnen. Unter Berufung auf diese Bestimmung behauptet die Rekurrentin des weitern, sie könne die von ihr verlangten Mietzinse mit ihrer Forderung auf Unterhaltsbeitrag bzw. auf unentgeltliches Wohnen, die ihr aus der Trennungskonvention aus dem Jahr 1986 zustehe, verrechnen.
Der Rechtsgrund der Verrechnung - führt die Rekurrentin aus - sei vor Konkurseröffnung gesetzt worden, habe sie doch schon seit vielen Jahren gegenüber dem Gemeinschuldner und heute gegenüber der Konkursmasse Anspruch auf (unentgeltliche) Benützung der Liegenschaft bis zur Verwertung. Zudem werde die Forderung der Konkursverwaltung auf Bezahlung eines Mietzinses erst ab 1. August 1991 erhoben. Die Verrechnung einer solchen Forderung sei nach den allgemeinen Grundsätzen der
Art. 120 ff.
BGE 117 III 63 S. 66
OR insbesondere des
Art. 123 Abs. 1 OR
, zulässig; denn die Voraussetzungen der Verrechnung - Fälligkeit und Gleichartigkeit der geltend gemachten Forderungen - seien hier gegeben. Da beide Forderungen nach Eröffnung des Konkurses über den Gemeinschuldner fällig geworden seien, könne auch nicht von unlauteren Machenschaften gesprochen werden.
b) In einem mit dem vorliegenden vergleichbaren Fall (
BGE 115 III 67
E. 3b) ist darauf hingewiesen worden, dass mit der Konkurseröffnung die Verfügungsfähigkeit des Eigentümers der Liegenschaft (dort der Vermieterin einer Wohnung, deren Mieter vor Konkurseröffnung die Verrechnung einer Kontokorrent-Forderung mit den künftig von ihm geschuldeten Mietzinsen erklärt hatte) auf die Konkursmasse übergeht. Damit erfolgte ein Wechsel in der Rechtszuständigkeit, der zur Folge hatte, dass die nach Konkurseröffnung fälligen Mietzinsforderungen zu Forderungen der Masse wurden.
Forderungen der Konkursmasse können nun aber nicht mit den Unterhaltsforderungen verrechnet werden, die - wie in dem hier zu beurteilenden Fall - trotz der Konkurseröffnung weiterhin vom Gemeinschuldner geschuldet werden. Ebensowenig kann die zuvor getroffene Vereinbarung, dass die eheliche Liegenschaft der Ehefrau unentgeltlich zur Verfügung stehen solle, der Konkursverwaltung entgegengehalten und mit Forderungen der Masse verrechnet werden (vgl. zur Verrechnung im Konkurs allgemein AMONN, a.a.O.,
§ 40 N 51
ff.; GILLIÉRON, a.a.O., S. 304 ff., § 9). Es ist deshalb in Fällen wie dem vorliegenden ohne Belang, dass der Rechtsgrund für die Forderungen der Rekurrentin gegenüber ihrem Ehemann vor Konkurseröffnung gesetzt worden ist und dass die in Frage stehenden Forderungen - also die Mietzinsforderung der Konkursmasse einerseits und der Unterhaltsanspruch der Ehefrau wie auch deren Anspruch auf unentgeltliche Benützung der Wohnung anderseits - erst nach der Konkurseröffnung fällig geworden seien, wie die Rekurrentin vorbringt.
Auch in dieser Hinsicht hat daher die kantonale Aufsichtsbehörde kein Bundesrecht verletzt, wenn sie gestützt auf
Art. 213 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG
die Verrechnung ausgeschlossen hat. Richtig besehen, ist die Rekurrentin erst nach der Konkurseröffnung Schuldnerin der Konkursmasse (für den von ihr ab 1. August 1991 geforderten Mietzins) geworden.