BGE 117 IV 429 vom 22. Oktober 1991

Datum: 22. Oktober 1991

Artikelreferenzen:  Art. 140 StGB, Art. 148 StGB, Art. 159 StGB, Art. 31 OR , Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB, Art. 140 N 24, Art. 140 Ziff. 2 StGB, Art. 140 N 5, Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB

BGE referenzen:  109 IV 27, 111 IV 19, 111 IV 130, 119 IV 127, 133 IV 21 , 109 IV 27, 111 IV 130, 109 IV 33, 111 IV 19, 109 IV 32, 105 IV 33, 111 II 457, 107 II 230, 109 IV 32, 105 IV 33, 111 II 457, 107 II 230

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

117 IV 429


74. Urteil des Kassationshofes vom 22. Oktober 1991 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz gegen X. (Nichtigkeitsbeschwerde)

Regeste

Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB .
1. Ob ein Anklagesachverhalt bundesrechtlich als Veruntreuung zu qualifizieren ist, beantwortet sich unabhängig davon, ob bei einer erweiterten Anklage auf Betrug hätte erkannt werden müssen (E. 2).
2. Eine Forderung ist dem Bevollmächtigten anvertraut, wenn er ohne Mitwirkung des Treugebers über die Werte verfügen kann. Stellungnahme zur Kritik an dieser Rechtsprechung (E. 3b/cc).
3. Ein Gut ist dem Täter auch anvertraut, wenn er sich die Verfügungsmöglichkeit durch eine vorangegangene Täuschung erschlichen hat und sich die Täuschung gerade darauf bezieht, dass der Getäuschte dem Täter die Sache anvertraut hat (E. 3c).

Sachverhalt ab Seite 430

BGE 117 IV 429 S. 430
Das kantonale Strafgericht Schwyz verurteilte X. am 29./30. März 1990 wegen wiederholter und fortgesetzter Veruntreuung im Amt, in einem Falle des Versuchs hiezu, sowie wegen wiederholter und fortgesetzter Urkundenfälschung im Amt zu drei Jahren Zuchthaus und erklärte ihn für zehn Jahre als amtsunfähig.
Mit Urteil vom 31. Januar 1991 hiess das Kantonsgericht des Kantons Schwyz eine Berufung des Verurteilten teilweise gut und sprach ihn von der Anklage der Veruntreuung frei. Es bestrafte ihn mit zwei Jahren Zuchthaus und sechs Jahren Amtsunfähigkeit.
Gegen das Urteil des Kantonsgerichts erhebt die Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Entscheid insoweit aufzuheben, als X. von der wiederholten und fortgesetzten Veruntreuung freigesprochen wurde, und die Sache zur Neuentscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut aus folgenden
BGE 117 IV 429 S. 431

Erwägungen

Erwägungen:

1. a) Dem Vorwurf der Veruntreuung liegt folgender Anklagesachverhalt zugrunde: Zwischen dem 23. Februar 1984 und dem 12. Dezember 1988 stellte der Beschwerdegegner als Sekretär-Adjunkt des Land- und Forstwirtschaftsdepartements des Kantons Schwyz an seinem Arbeitsplatz eine Vielzahl von Checks der Kantonalbank Schwyz, die auf Konti der kantonalen Verwaltung gezogen waren, unrechtmässig zugunsten von Drittpersonen und zugunsten von sich und seinem Sohn aus. Diese Checks "löste er, nachdem er sie teilweise mit einer Zessionserklärung versehen hatte, entweder selber bei der Kantonalbank in Schwyz ein und verwendete das Geld für private Zwecke oder leitete das Geld an seine privaten Gläubiger und nicht anspruchsberechtigte Drittpersonen weiter, welche die Checks einlösten".
Überdies begünstigte er am 14. Dezember 1988 verschiedene Personen durch Checküberweisungen für ihnen nicht zustehende Ausfuhrprämien zu Lasten des Kantons Schwyz; in einem dieser Fälle hat der Begünstigte den Check nicht erhalten bzw. nicht eingelöst, weshalb dem Beschwerdegegner nur Versuch vorgeworfen wird.
b) Nach den Ausführungen der Vorinstanz war der Beschwerdegegner im Land- und Forstwirtschaftsdepartement zuständig für Beständeprämien, Zuchtfamilien- und Halteprämien etc. im Bereich von Gross- und Kleinviehzucht. Ein weiterer Aufgabenbereich waren die Entschädigungen für die Schauexperten an den verschiedenen Viehausstellungen. Bis zum Jahre 1986 bearbeitete er zudem die Remontierungsbeiträge.
Zum Vorgehen stellte die Vorinstanz fest, der Beschwerdegegner habe (in einer von der Anklage wegen Veruntreuung nicht umfassten ersten Phase) auf Briefpapier des Departements Prämien- und Entschädigungslisten erstellt und darauf Personen, namentlich Bauern, aufgeführt, die in der Regel Berechtigte hätten sein können, dies jedoch im konkreten Fall nicht waren; er habe somit mögliche Begünstigte frei erfunden. Diese Listen habe er mit dem Visumsstempel versehen, sein Visum eingesetzt und sie an den Departementsvorsteher weitergeleitet, der sie mit dem Endvisum versehen habe. Nach Prüfung durch die Finanzkontrolle habe die Finanzverwaltung des Kantons Schwyz der Kantonalbank Schwyz einen Vergütungsauftrag im auf der Liste angeführten Gesamtbetrag erteilt. Vor der Weiterleitung an den Departementsvorsteher
BGE 117 IV 429 S. 432
habe der Beschwerdegegner in der Regel vom oberen Teil des Originalbelegs mit dem Visumsstempel und unter Abdeckung des unteren Teils mit den aufgeführten Empfängern und Beträgen eine Fotokopie erstellt und darauf persönliche Gläubiger, seinen eigenen Namen oder denjenigen seines Sohnes aufgelistet. Auf die Namen der in dieser gefälschten Liste aufgeführten Begünstigten habe er (in der zweiten, von der Anklage umfassten Phase) im entsprechenden Betrag Checks des Land- und Forstwirtschaftsdepartementes ausgestellt, wobei er diese mit dem Unterschriftenstempel des Departementssekretärs versehen habe. Die veränderten Listen und Kopien der Checks habe er an die Kantonalbank weitergeleitet. Die Originalchecks habe er - zum Teil mit einer beigefügten Zessionserklärung - den jeweils Begünstigten geschickt, welche die Beträge bei einer Bank eingelöst hätten, oder er habe die auf seinen Namen, den Namen seines Sohnes oder das Land- und Forstwirtschaftsdepartement lautenden Checks in der Regel bei der Kantonalbank Schwyz an deren Hauptsitz eingelöst.
c) Die Vorinstanz verneinte, dass dem Beschwerdegegner Kontoguthaben der kantonalen Verwaltung bzw. des Landwirtschaftsdepartementes bei der Kantonalbank Schwyz anvertraut gewesen seien, denn er habe zwar über das "sogenannte Visumsrecht" verfügt, demgegenüber aber "weder faktisch, geschweige denn rechtlich eine unkontrollierbare Verfügungsbefugnis über Gelder und Konti seines Arbeitgebers" gehabt. Nur durch die geschilderten arglistigen Machenschaften habe er eine Freigabe der Gelder und in der Folge eine unrechtmässige Vermögensverschiebung zu seinen Gunsten und zugunsten Dritter erreicht. Wenn der Täter die tatsächliche Verfügungsmacht über Güter erst durch arglistige Täuschung erlange, sei Veruntreuung zu verneinen und ausschliesslich Betrug gegeben. Eine Verurteilung wegen Betruges sei im vorliegenden Fall aber (ohne Verletzung des Anklageprinzips) nicht möglich.
d) Nach Auffassung der Beschwerdeführerin ist demgegenüber entscheidend, dass der Beschwerdegegner nach der Freigabe der Gelder durch die Finanzverwaltung die faktische Verfügungsbefugnis über die Konti der kantonalen Verwaltung bzw. des Landwirtschaftsdepartementes bei der Kantonalbank hatte. Er habe ein "Zugangsvertrauen" gehabt, das nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung geschützt sei. Im übrigen laufe auch die Begründung der Vorinstanz darauf hinaus, dass Veruntreuung in
BGE 117 IV 429 S. 433
Konkurrenz mit Betrug anzunehmen sei, weshalb man den Tatbestand der Veruntreuung nicht verneinen dürfe.

2. Die Frage, ob der Anklagesachverhalt bundesrechtlich als Veruntreuung zu qualifizieren ist, beantwortet sich unabhängig davon, ob bei einer erweiterten Anklage auf Betrug hätte erkannt werden müssen und ob in diesem Fall eine Verurteilung wegen Veruntreuung schon aus Konkurrenzgründen entfallen müsste. Zu prüfen ist demnach, ob gestützt auf die tatsächlichen Feststellungen, die die Vorinstanz im Rahmen des Anklagesachverhaltes getroffen hat, die Voraussetzungen einer Veruntreuung gemäss Art. 140 StGB gegeben sind.

3. a) Gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB begeht eine Veruntreuung, wer anvertrautes Gut, namentlich Geld, unrechtmässig in seinem oder eines anderen Nutzen verwendet. Die Gutsveruntreuung gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB unterscheidet sich von der eigentlichen Veruntreuung gemäss Absatz 1 zunächst und vor allem durch das Tatobjekt. Tatobjekt ist - zunächst negativ - nicht eine fremde bewegliche Sache. Demgegenüber bereitet es Schwierigkeiten, den Begriff des anvertrauten Gutes positiv in einer Art zu umschreiben, die den sich aus dem Grundsatz nullum crimen sine lege ergebenden Anforderungen genügt.
Absatz 2 erfasst zweifellos einmal bewegliche Sachen, die aufgrund besonderer zivilrechtlicher Konstellationen im Eigentum des Täters stehen, obwohl die Konstellation als solche mit der eigentlichen Veruntreuung vergleichbar ist (vgl. SCHUBARTH, Kommentar Strafrecht, Band 2, Art. 140 N 24 ). Nach der Rechtsprechung gilt Absatz 2 aber auch in Fällen, in denen die Verwandtschaft mit der Aneignung einer fremden beweglichen Sache nur noch entfernt gegeben ist, etwa bei der Verfügung über ein Guthaben des Treugebers, über welches der Täter Vollmacht hat. In der Doktrin wird demgegenüber angenommen, Absatz 2 sollte nur solches Unrecht erfassen, das dem in Absatz 1 vertypten strukturell gleichwertig ist (JENNY, Aktuelle Fragen des Vermögens- und Urkundenstrafrechts, ZBJV 124/1988, S. 402 f.; LUKAS SCHAUB, Die unrechtmässige Verwendung anvertrauten Gutes, Basel 1979, S. 105 ff.; SCHUBARTH, a.a.O. Art. 140 N 24 ; gleicher Grundgedanke bei REHBERG, Zum objektiven Tatbestand der Veruntreuung, ZStrR 92/1976, S. 44).
In der Praxis ist Gutsveruntreuung bejaht worden bei der unrechtmässigen Verwendung von Post- oder Bankguthaben des Treugebers, über welche der Täter aufgrund einer Vollmacht verfügen
BGE 117 IV 429 S. 434
konnte ( BGE 109 IV 27 ), bei der unrechtmässigen Ausschöpfung der mit dem Konto verbundenen Kreditmöglichkeit ( BGE 109 IV 33 E. 4) sowie bei der unrechtmässigen Verfügung über Konti, über die der Prokurist einer Bank faktisch allein verfügen kann ( BGE 111 IV 19 ).
b) aa) Nach der Rechtsprechung ist eine Forderung dem Bevollmächtigten immer dann anvertraut, wenn er ohne Mitwirkung des Treugebers über die Werte verfügen kann. Sobald diese unkontrollierbare Verfügungsbefugnis eingeräumt wurde oder kraft Gesetzes vorhanden ist, besteht das Bedürfnis nach strafrechtlichem Schutz des Vertrauensverhältnisses, dem Art. 140 StGB gerecht werden soll ( BGE 109 IV 32 ). Die Vorinstanz stellt zunächst für das Bundesgericht verbindlich fest, dass der Beschwerdegegner jedenfalls generell weder faktisch, geschweige denn rechtlich eine unkontrollierbare Verfügungsbefugnis über Gelder oder Konti seines Arbeitgebers hatte. Im Lichte dieser tatsächlichen Feststellung ist die Auffassung der Vorinstanz nicht bundesrechtswidrig.
bb) Die Beschwerdeführerin bringt jedoch vor, dem Beschwerdegegner sei nach der Freigabe der Gelder durch die Finanzverwaltung die faktische Verfügungsbefugnis über die Konti der kantonalen Verwaltung bzw. des Landwirtschaftsdepartementes bei der Kantonalbank Schwyz zugestanden. Damit sei ihm das nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung geschützte Zugangsvertrauen eingeräumt worden.
Diese Argumentation zielt also dahin, auch wenn dem Beschwerdegegner zunächst in der ersten nicht zur Anklage gebrachten Deliktsphase die Gelder nicht anvertraut gewesen seien, habe sich dies mit der Freigabe der Gelder geändert. Die Vorinstanz stellt fest, dass der Beschwerdegegner in dieser zweiten Phase des Geschehens die faktische Befugnis hatte, die Checks auf die Namen der berechtigten Bezüger zu erstellen und mit dem Faksimilestempel des Departementssekretärs zu "unterzeichnen". Dennoch schliesst sie Veruntreuung aus; anders zu entscheiden sei möglicherweise dann, "wenn der Beschwerdegegner nur seine faktische Kompetenz im Bereich Checkverkehr dazu missbraucht hätte, die Gelder zu seinen oder eines anderen Gunsten unrechtmässig zu verwenden, ohne zu vorhergehenden täuschenden Machenschaften zu greifen".
cc) Wie in E. 2 dargelegt, ist für die Beurteilung einer Veruntreuung nicht entscheidend, ob dem Sachverhalt, der unter dem
BGE 117 IV 429 S. 435
Gesichtspunkt der Veruntreuung zu prüfen ist, ein betrugsrelevantes Geschehen vorangegangen ist. Entscheidend ist deshalb, ob die faktische Befugnis, Checks mit Hilfe eines Faksimilestempels zu unterzeichnen, zur Bejahung des Anvertrautseins im Sinne von Art. 140 StGB genügt.
JENNY (a.a.O. S. 402 ff.) vertritt die Ansicht, dass derjenige, dessen Vermögen sich durch das ihm entgegengebrachte Vertrauen nicht vermehrt, der also nichts empfängt, sondern nur die Befugnis erhält, über Werte des Vollmachtgebers, d.h. über rechtlich fremdes "Gut" zu verfügen, keine Veruntreuung im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB begehen könne. Denn die strukturelle Gleichwertigkeit von Absatz 2 mit Absatz 1 liege nur vor, wenn der Treugeber analog dem gänzlichen Verzicht auf die Sachherrschaft gemäss Absatz 1 das Recht am "Gut" völlig aufgibt. Nur dann bestehe in Analogie zur besonderen Pflicht der Respektierung des Eigentums gemäss Absatz 1 die Verpflichtung des Treuhänders, dem Treugeber den Wert des Empfangenen ständig zur Verfügung zu halten. Nur dadurch sei sichergestellt, dass Absatz 2 die gleiche Art von Vertrauen schütze wie Absatz 1. Absatz 2 sei deshalb nur anwendbar, wenn die missbräuchliche Ausübung eingeräumter Befugnisse äquivalentes Vertrauen enttäusche, d.h. Treuepflichten desselben Typs verletze. JENNY kommt zum Schluss, der Bevollmächtigte habe bloss eine dem Mitgewahrsamsinhaber, in Fällen intern beschränkter Verfügungsbefugnis eine dem Gewahrsamsdiener vergleichbare Stellung, weshalb ihm das Gut nicht anvertraut sei.
Demgegenüber nimmt SCHAUB (a.a.O. S. 111 f.) an, es ergebe sich in dieser Hinsicht vom Faktischen her eine Relativierung. Der Mitgewahrsamsinhaber habe bei körperlichen Sachen die Möglichkeit, sich jeder unbefugten Verfügung des Täters über die Sache zu widersetzen. Diese Möglichkeit fehle dem Forderungsgläubiger; mangels Körperlichkeit der Forderung sei eine Verfügung des Täters nicht augenfällig. Insofern sei die Situation des Bevollmächtigten, der über eine einem andern zustehende Forderung verfügen könne, mit demjenigen zu vergleichen, der Alleingewahrsam an einer fremden Sache innehabe.
JENNY (a.a.O. S. 405) fügt seiner Argumentation den Gesichtspunkt hinzu, dass das Gesetz sehr wohl eine Bestimmung kenne, die exakt auch jenes Vertrauen schütze, um das es bei der Bevollmächtigung gehe, nämlich die ungetreue Geschäftsführung gemäss Art. 159 StGB . Die Tatbestandserfordernisse dieser Bestimmung
BGE 117 IV 429 S. 436
würden unterlaufen, wenn man Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB systemwidrig auf Vermögensschädigungen ausdehne, die ihrer Struktur nach in den Bereich von Art. 159 StGB fallen.
An der in BGE 109 IV 27 ff. begründeten Rechtsprechung ist unter Hinweis auf die von SCHAUB genannten Gründe festzuhalten. Im übrigen wird es Sache des Gesetzgebers sein, im Zusammenhang mit der Revision des Vermögensstrafrechtes die Tatbestände der Gutsveruntreuung besser aufeinander abzustimmen.
c) Zu prüfen bleibt, ob ein Gut dem Täter auch dann anvertraut sein kann, wenn er sich die Verfügungsmöglichkeit durch eine vorangegangene Täuschung erschlichen hat. Die Vorinstanz scheint dies unter Bezugnahme auf BGE 111 IV 130 zu verneinen.
BGE 111 IV 130 nimmt zur Konkurrenz zwischen Betrug und Veruntreuung Stellung. Wer die tatsächliche Verfügungsmacht durch arglistige Täuschung erlangt, ist - wenn die übrigen Betrugsvoraussetzungen erfüllt sind - ausschliesslich nach Art. 148 StGB zu bestrafen und nicht wegen Veruntreuung und zwar auch dann nicht, wenn qualifizierte Veruntreuung gemäss Art. 140 Ziff. 2 StGB in Frage steht. Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht darum, ob der Beschwerdegegner (bei erweiterter Anklage) wegen Betruges hätte verurteilt werden müssen, sondern ob die Voraussetzungen von Art. 140 StGB erfüllt sind (oben E. 2).
Zutreffend ist allerdings, dass dem Täter eine Sache in der Regel nicht anvertraut ist, die er durch Täuschung erlangt hat. Dem Betrüger, der eine Sache betrügerisch gekauft hat, ist der Kaufgegenstand so wenig anvertraut wie dem Dieb die Sache, die er gestohlen hat. Anders verhält es sich jedoch, wenn die Täuschung sich gerade darauf bezieht, dass der Getäuschte dem Täter die Sache anvertraut. Denn nach der Rechtsprechung ist eine Sache anvertraut, wenn der Täter sie mit der Verpflichtung empfängt, sie in bestimmter Weise im Interesse eines andern zu verwenden ( BGE 105 IV 33 ). Entscheidend ist jedenfalls die Verpflichtung des Empfängers, die Sache in dem Zustand zu erhalten, dass er sie vertragskonform zurückgeben kann, wobei statt Rückgabe je nach Abmachung auch Weitergabe an einen Dritten in Betracht kommt (SCHUBARTH, a.a.O. Art. 140 N 5 ). Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der Täter den Treugeber beim Vertragsschluss getäuscht hat. Denn ist ein übereinstimmender innerer Wille der Parteien, welcher in erster Linie massgebend wäre, nicht festgestellt, ist eine vertragliche Vereinbarung nach dem Vertrauensprinzip auszulegen ( BGE 111 II 457 ). Nach diesem Grundsatz ist
BGE 117 IV 429 S. 437
die Berufung auf einen eigenen einseitigen versteckten Dissens ausgeschlossen ( BGE 107 II 230 E. 5). Dass der Getäuschte den Vertragsschluss anfechten kann ( Art. 31 OR ), ändert daran nichts. Denn nur ihm steht die Möglichkeit der Anfechtung zu, und auch dann, wenn er anficht, bleibt die gegebenenfalls vereinbarte Pflicht des Vertragspartners, für den anvertrauten Gegenstand zu sorgen, bis zur Beendigung der Rückabwicklung des Vertrages bestehen. Dass der Treugeber die Sache dem Empfänger aufgrund eines Willensmangels anvertraut hat, ändert also nichts daran, dass sie anvertraut im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB ist. Entsprechendes gilt für das anvertraute Gut gemäss Absatz 2 dieser Bestimmung.
d) Es kann offenbleiben, ob die vom Beschwerdegegner verwendeten Checks ihm anvertraut waren, was er in seiner Vernehmlassung in Abrede stellt. Denn vorliegend ist entscheidend, dass ihm die auf dem Konto befindlichen Gelder nach deren Freigabe durch die Finanzverwaltung anvertraut waren und dass er unrechtmässig über sie verfügt hat.

Diese Seite ist durch reCAPTCHA geschützt und die Google Datenschutzrichtlinie und Nutzungsbedingungen gelten.

Feedback
Laden