BGE 117 V 268 vom 8. November 1991

Datum: 8. November 1991

BGE referenzen:  121 V 40, 122 II 140, 122 II 234, 124 V 225, 125 V 465, 135 V 339

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

117 V 268


35. Auszug aus dem Urteil vom 8. November 1991 i.S. B. & Co. gegen Ausgleichskasse des Kantons Zürich und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich

Regeste

Art. 31 ff. Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge.
Präzisierung der Rechtsprechung zur Auslegung staatsvertraglicher Begriffe nach Inkrafttreten des Wiener Übereinkommens.

Erwägungen ab Seite 268

BGE 117 V 268 S. 268
Aus den Erwägungen:

3. a) Art. 6 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika
BGE 117 V 268 S. 269
über Soziale Sicherheit lautet in der hier noch anwendbaren ursprünglichen Fassung vom 18. Juli 1979 des französischen Originaltextes:
Sous réserve des dispositions contraires du Titre III de la présente Convention ou du Protocole final, un ressortissant de l'un des Etats contractants qui exerce une activité lucrative salariée sur le territoire de l'un ou des deux Etats contractants, est soumis aux dispositions légales concernant l'assurance obligatoire de l'Etat où il exerce son activité; pour le calcul des cotisations dues selon la législation de cet Etat, il n'est pas tenu compte des revenus que la personne réalise du fait d'une activité lucrative salariée exercée sur le territoire de l'autre Etat contractant.
Und in der deutschen Übersetzung:
Unter Vorbehalt abweichender Bestimmungen im Abschnitt III dieses Abkommens oder im Schlussprotokoll ist ein Staatsangehöriger eines Vertragsstaates, der im Gebiet eines oder beider Vertragsstaaten eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften über die Versicherungspflicht des Staates unterstellt, in dessen Gebiet er beschäftigt ist; für die Berechnung der nach der Gesetzgebung dieses Staates zu entrichtenden Beiträge wird das Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit, das im Gebiet des andern Vertragsstaates erzielt worden ist, nicht berücksichtigt.
b) Die Auslegung eines Staatsvertrages hat in erster Linie vom Vertragstext auszugehen. Erscheint dieser klar und ist seine Bedeutung, wie sie sich aus dem gewöhnlichen Sprachgebrauch sowie aus Gegenstand und Zweck des Übereinkommens ergibt, nicht offensichtlich sinnwidrig, so kommt eine über den Wortlaut hinausgehende ausdehnende bzw. einschränkende Auslegung nur in Frage, wenn aus dem Zusammenhang oder der Entstehungsgeschichte mit Sicherheit auf eine vom Wortlaut abweichende Willenseinigung der Vertragsstaaten zu schliessen ist ( BGE 116 Ib 221 Erw. 3a, 114 V 11 Erw. 1b, 113 V 103 Erw. 2b, 265 Erw. 3a).
In diesem Rahmen sind nach der bisherigen Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts Wendungen und Begriffe, die in einem Sozialversicherungsabkommen Anwendung finden und für die Versicherungsleistungen einer schweizerischen Sozialversicherungseinrichtung massgeblich sind, stets direkt nach schweizerischem innerstaatlichen Recht auszulegen ( BGE 112 V 149 Erw. 2a, BGE 111 V 120 Erw. 1b).
Diese Rechtsprechung muss angesichts der am 6. Juni 1990 für die Schweiz in Kraft getretenen Wiener Konvention zum Vertragsrecht vom 23. Mai 1969 (SR 0.111; AS 1990 1112) relativiert werden. Nach Massgabe der in den Art. 31 bis 33 der Konvention festgelegten allgemeinen Grundsätze der Staatsvertragsauslegung
BGE 117 V 268 S. 270
ist in erster Linie nach der autonomen Bedeutung der Abkommensbestimmung zu suchen. Nur wenn ein Abkommen - im Lichte dieser Regeln ordnungsgemäss ausgelegt - eine bestimmte Frage weder ausdrücklich noch stillschweigend regelt, ist es angängig, subsidiär die Begriffe und Konzeptionen des anwendbaren Landesrechts zur Auslegung beizuziehen (Botschaft des Bundesrates über den Beitritt der Schweiz zur Wiener Konvention von 1969 über das Recht der Verträge, BBl 1989 II 775 ff.; VPB 1989 [53] Nr. 54, S. 432; JACOT-GUILLARMOD, Strasbourg, Luxembourg, Lausanne et Lucerne: méthodes d'interprétation comparées de la règle internationale conventionnelle, in: Les règles d'interprétation. Principes communément admis par les juridictions, Freiburg 1989, S. 115 ff.; SPIRA, L'application du droit international de la sécurité sociale par le juge, in: Mélanges Berenstein, Lausanne 1989, S. 483 ff.).
Im vorliegenden Fall erklärt die zitierte Abkommensbestimmung mit der Wendung "in dessen Gebiet er beschäftigt ist" den Erwerbsort als Anknüpfungspunkt für die Versicherteneigenschaft. Was unter Erwerbsort zu verstehen ist, lässt sich weder Art. 6 noch den übrigen Bestimmungen des Staatsvertrages direkt oder indirekt entnehmen, weshalb die an den Grundsätzen der Art. 31 ff., insbesondere Art. 31 Abs. 1 Wiener Konvention (Vertragsauslegung "nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zwecks") orientierte Auslegung keinen Aufschluss gibt. Es liegt eine Lücke im zwischenstaatlichen Vertragsrecht vor, zu deren Ausfüllung schweizerisches Landesrecht ergänzend herangezogen werden darf.

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