Urteilskopf
118 II 376
74. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 12. November 1992 i.S. Y. gegen Y. und Kassationsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste
Vorsorgliche Massnahmen für die Dauer des Scheidungsprozesses (
Art. 145 ZGB
).
1. Anwendbarkeit von
Art. 8 ZGB
.
Wo es nach dem kantonalen Verfahrensrecht genügt, die behaupteten Tatsachen glaubhaft zu machen, kommt
Art. 8 ZGB
in seinem eigentlichen Ausmass gar nicht zum Tragen (E. 3).
2. Bemessung von Unterhaltsbeiträgen.
Obere Schranke für den Unterhaltsanspruch bildet auch während der Dauer des Scheidungsprozesses die Lebenshaltung bis zur Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes (E. 20).
In dem zwischen den Eheleuten A. und B. Y. hängigen Scheidungsverfahren erliess das zuständige Bezirksgericht am 2. Mai 1991 einen Beschluss betreffend vorsorgliche Massnahmen im Sinne von
Art. 145 ZGB
. Unter anderem wurde für die Dauer des Prozesses die eheliche Liegenschaft (in O.) A. Y. und die diesem gehörende Wohnung (in P.) B. Y. zu alleiniger Benützung zugewiesen. Ferner verpflichtete das Bezirksgericht A. Y., einerseits die mit der Wohnung in P. verbundenen Hypothekarzinsen und Öffentlichen Abgaben sowie den "grossen Unterhalt im Sinne des Mietrechts" zu tragen und andererseits der Ehefrau Unterhaltsbeiträge von Fr. 10'000.-- im Monat zu zahlen.
Den Rekurs, mit dem A. Y. unter anderem beantragt hatte, die Unterhaltsbeiträge seien auf Fr. 1'900.-- herabzusetzen und der Ehefrau sei die Benützung der Wohnung in P. zu untersagen, wies das Obergericht des Kantons Zürich am 31. Januar 1992 ab.
Gegen den obergerichtlichen Beschluss erhob A. Y. Nichtigkeitsbeschwerde. Das kantonale Kassationsgericht wies die Beschwerde am 27. Juli 1992 ab, soweit darauf einzutreten war.
Die von A. Y. gegen diesen Entscheid eingereichte staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
weist das Bundesgericht ab, soweit es darauf eintritt.
Aus den Erwägungen:
3.
Im Verfahren betreffend vorsorgliche Massnahmen für die Dauer des Scheidungsprozesses gemäss
Art. 145 ZGB
genügt es, die behaupteten Tatsachen glaubhaft zu machen (vgl. § 110 Abs. 1 der Zürcher Zivilprozessordnung).
Art. 8 ZGB
kommt daher in seinem eigentlichen Ausmass gar nicht zum Tragen (vgl. STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur Zürcherischen Zivilprozessordnung, 2. A., N 10 zu § 110). Die Rüge des Beschwerdeführers, diese Bestimmung sei durch das Kassationsgericht - im Zusammenhang mit der Feststellung seiner Einkünfte - willkürlich gehandhabt worden, stösst demnach von vornherein ins Leere.
20.
a) Der Beschwerdeführer macht schliesslich geltend, der angefochtene Entscheid verletze
Art. 4 BV
auch insofern, als er in krasser Weise gegen
Art. 163 Abs. 1 ZGB
verstosse. Der vom Kassationsgericht geschützte Obergerichtsentscheid verkenne die sich für die Beschwerdegegnerin aus dieser Bestimmung ergebenden Verpflichtungen vollumfänglich. Die Bedürfnisse der Parteien
BGE 118 II 376 S. 378
hätten sich nicht nach dem bisherigen Lebenswandel (auf Pump), sondern nach den verschlechterten wirtschaftlichen Verhältnissen zu richten. Die Beschwerdegegnerin erhalte durch die zugesprochenen Unterhaltsbeiträge weit mehr als den gebührenden Unterhalt, was ihr in unhaltbarer Weise die Bildung neuen Vermögens erlaube.
b) Ob sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers tatsächlich erheblich verschlechtert haben, durfte ohne Verletzung von
Art. 4 BV
offengelassen werden. Wie an verschiedenen Stellen dargelegt worden ist, hat der Beschwerdeführer selbst zu vertreten, dass seine Einkünfte nicht hinreichend geklärt werden konnten und deshalb von seinem Lebensaufwand während der letzten Jahre bzw. während der Dauer der Ehe ausgegangen werden musste. Auch liegt keine klare, einem Verstoss gegen
Art. 4 BV
gleichzusetzende Verletzung von
Art. 163 Abs. 1 ZGB
vor. Die Lebenshaltung bis zur Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes bildet auch nach neuem Eherecht die obere Schranke für den Unterhaltsanspruch eines Ehegatten (SPÜHLER/FREI-MAURER, N 166 zu
Art. 145 ZGB
; zum grundsätzlichen Anspruch auf Weiterführung der Lebenshaltung auch
BGE 115 II 424
ff. und 111 II 106 unten mit Hinweisen). Die der Beschwerdegegnerin zugesprochenen Leistungen erscheinen zwar als hoch bzw. liegen an der obern Grenze, verstossen aber nicht gegen die einschlägigen Richtlinien.