BGE 118 II 91 vom 4. März 1992

Datum: 4. März 1992

Artikelreferenzen:  Art. 50 Abs. 1 OG, Art. 50 OG, Art. 50 Abs. 2 OG, Art. 48 Abs. 1 OG, Art. 48 Abs. 3 OG

BGE referenzen:  122 III 254, 124 III 406, 131 III 87, 133 III 629, 133 IV 288, 133 II 409, 134 II 137, 134 II 142 , 116 II 741, 111 II 301, 113 II 351, 115 II 485

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

118 II 91


19. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 4. März 1992 i.S. R. J. gegen B. AG (Berufung)

Regeste

Berufung gegen einen Zwischenentscheid ( Art. 50 OG ).
Voraussetzungen (E. 1a). Die Nichtanfechtung eines Vor- oder Zwischenentscheides führt zu keinem prozessualen Nachteil (E. 1b).

Sachverhalt ab Seite 91

BGE 118 II 91 S. 91

A.- R. J. erlitt am 3. August 1983 bei einem Verkehrsunfall ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule. Sie klagte am 8. Oktober 1986 beim Appellationshof des Kantons Bern gegen die B. AG auf Zahlung eines Fr. 15'000.-- übersteigenden Betrages nebst Zins. In der Folge wurden verschiedene ärztliche Gutachten über die Auswirkungen des Unfalles auf die von Frau J. geltend gemachten Beschwerden eingeholt. Am 23. August 1990 verfügte der Instruktionsrichter mit Zustimmung der Parteien die Beschränkung des Verfahrens auf die Fragen der Haftung und des Invaliditätsgrades sowie die Beurteilung dieser Fragen in einem selbständigen Zwischenentscheid.
Der Appellationshof stellte mit Urteil vom 20. Februar 1991 fest, dass die Beklagte die Haftung dem Grundsatz nach anerkannt habe und dass die Klägerin infolge des Unfalles vom 3. August 1983 in der beruflichen Tätigkeit zu 100% und in der Tätigkeit als Hausfrau zu 50% eingeschränkt sei.

B.- Gegen diesen Entscheid führt die B. AG Berufung und beantragt die Aufhebung des Urteils und Abweisung der Klage.
Das Bundesgericht tritt auf sie nicht ein

Erwägungen

aus folgenden Erwägungen:

1. a) Beim angefochtenen Urteil handelt es sich um einen selbständigen Vor- oder Zwischenentscheid, gegen den die Berufung gemäss Art. 50 Abs. 1 OG nur zulässig ist, wenn dadurch sofort ein
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Endentscheid herbeigeführt und ein so bedeutender Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart werden kann, dass die gesonderte Anrufung des Bundesgerichts gerechtfertigt erscheint. Das Bundesgericht entscheidet über diese Voraussetzungen nach freiem Ermessen ( Art. 50 Abs. 2 OG ). Bei der Ermessensbetätigung sind die Gesamtumstände zu würdigen, was nach einer gewissen Flexibilität ruft. Auf eine Berufung kann von vornherein nicht eingetreten werden, wenn der Berufungskläger überhaupt nicht dartut, warum ein Ausnahmefall vorliegt, mithin die Eintretensfrage schlechthin übersieht. Wo er aber ausdrücklich geltend macht, die Bedingungen von Art. 50 OG seien erfüllt, ist zu differenzieren. Liegt es klar auf der Hand, dass ein bedeutender Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erforderlich sein wird, d.h. geht das bereits unzweifelhaft aus dem angefochtenen Urteil oder aus der Natur des Falles hervor, so darf auf lange Ausführungen verzichtet werden. Andernfalls hat der Berufungskläger im einzelnen darzutun, welche Tatfragen offen sind und welche weitläufigen Beweiserhebungen in welchem zeitlichen und kostenmässigen Umfang erforderlich sind ( BGE 116 II 741 E. 1). Zudem hat er unter Angabe der Fundstelle nachzuweisen, dass er die betreffenden Beweise im kantonalen Verfahren bereits angerufen oder entsprechende Anträge in Aussicht gestellt hat.
b) Art. 50 Abs. 1 OG enthält eine Ausnahmebestimmung, die restriktiv auszulegen ist. Das gilt umso mehr, als die Prozessparteien keiner Rechte verlustig gehen, wenn sie einen Vor- oder Zwischenentscheid der obern kantonalen Gerichte oder sonstigen Spruchbehörden nicht anfechten. Sie können mithin sämtliche Einwendungen in einer Berufung gegen den letztinstanzlichen Endentscheid gemäss Art. 48 Abs. 1 OG vorbringen.
Diese Möglichkeit steht ihnen selbstredend auch offen, wenn das Bundesgericht auf eine Berufung nach Art. 50 Abs. 1 OG nicht eingetreten ist. Art. 48 Abs. 3 OG zweiter Halbsatz kommt in einem solchen Fall nicht zum Tragen.
c) Vorliegend sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Behandlung der Berufung gegen den Zwischenentscheid des Appellationshofes nicht rechtsgenüglich dargetan. Die Beklagte macht lediglich geltend, bei Klageabweisung erübrige sich ein Beweisverfahren. Inwieweit dieses weitläufig, zeitaufwendig oder kostspielig sein soll, ist weder dargetan noch offenkundig.

2. Bei diesem Ausgang kann grundsätzlich offenbleiben, ob es im aktuellen Fall nicht schon am Nachweis fehlt, dass die Beurteilung
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der Berufung sofort zu einem Endentscheid führt. Der Appellationshof hat im angefochtenen Zwischenentscheid lediglich Tatfragen beurteilt, nämlich die Arbeitsunfähigkeit ( BGE 111 II 301 E. 3) und den natürlichen Kausalzusammenhang ( BGE 113 II 351 E. a). Soweit in einer Berufung zulässige Sachverhaltsrügen (offensichtliches Versehen, Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften, unvollständige Feststellung des Sachverhalts; vgl. dazu BGE 115 II 485 E. 2a) vorgebracht werden, kann das Bundesgericht in der Regel nicht selbst einen Entscheid fällen, sondern muss den Fall an die Vorinstanz zur Neubeurteilung unter den Gesichtspunkten des zu berichtigenden oder zu ergänzenden Sachverhalts zurückweisen.

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