BGE 118 III 43 vom 3. Juni 1992

Datum: 3. Juni 1992

Artikelreferenzen:  Art. 92 SchKG, Art. 191 SchKG, Art. 197 SchKG, Art. 44 BVG , Art. 92 Ziff. 13 SchKG, Art. 197 Abs. 2 SchKG, Art. 331c Abs. 2 OR, Art. 93 SchKG

BGE referenzen:  109 III 80 , 109 III 80, 117 III 23, 118 III 20

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

118 III 43


14. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 3. Juni 1992 i.S. Schärer (Rekurs)

Regeste

Art. 197 SchKG ; Umfang des Konkursbeschlags.
Wechselt ein Schuldner nach Konkurseröffnung von einer unselbständigen zu einer selbständigen Erwerbstätigkeit und verlangt die Barauszahlung seines Pensionskassenguthabens, so fällt dieses in die Konkursmasse.

Sachverhalt ab Seite 43

BGE 118 III 43 S. 43

A.- Am 22. August 1991 wurde über Enrico Schärer gestützt auf Art. 191 SchKG der Konkurs eröffnet. Per Ende September 1991 wurde sein Arbeitsverhältnis aufgelöst. In der Folge beschloss er, eine selbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Zu diesem Zwecke verlangte er am 6. März 1992 bei der "Neuenburger Lebensversicherungs-Gesellschaft" die Barauszahlung seines Pensionskassenguthabens in der Höhe von Fr. 62'061.85. Dieser Betrag wurde Enrico Schärer am 19. März 1992 avisiert und am 25. März 1992 seinem
BGE 118 III 43 S. 44
Konto Nr. ... bei der Basellandschaftlichen Kantonalbank Sissach gutgeschrieben. Mit Verfügung vom 15. April 1992 blockierte das Konkursamt Fraubrunnen den Saldo dieses Kontos, lautend auf Fr. 1'080.90 per 22. August 1991, sowie den Betrag von Fr. 62'061.85 plus Zins ab 26. März 1992. Diesen Betrag nahm es in das Konkursinventar auf.

B.- Die Verfügung des Konkursamtes vom 15. April 1992 focht Enrico Schärer mit einer Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern an und beantragte, der Saldo des Kontos bei der Basellandschaftlichen Kantonalbank Sissach sei aus dem Konkursbeschlag zu entlassen, da er Kompetenzgut darstelle.
Die kantonale Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde mit Entscheid vom 13. Mai 1992 ab.

C.- Enrico Schärer führt Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts mit dem Begehren, der Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass der Betrag von Fr. 62'061.85 plus Zins ab 26. März 1992 auf dem Konto Nr. ... der Basellandschaftlichen Kantonalbank Sissach nicht in die Konkursmasse falle und ihm - gegebenenfalls unter bestimmten Bedingungen - freizugeben sei.

Erwägungen

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

1. Unter Hinweis auf BGE 109 III 80 hat die kantonale Aufsichtsbehörde die Auffassung vertreten, dass das dem Rekurrenten ausbezahlte Pensionskassenguthaben nicht eine blosse Anwartschaft darstelle, die im Konkurs nicht zu berücksichtigen wäre. Nach Art. 197 Abs. 2 SchKG gehöre alles Vermögen, das dem Schuldner vor Schluss des Konkursverfahrens anfalle, zur Konkursmasse. Der Betrag von Fr. 62'061.85 sei daher dem Konkursbeschlag nicht entzogen.
Dagegen wird in der Rekursschrift eingewendet, die Vorinstanz habe sich zu Unrecht auf BGE 109 III 80 gestützt, weil bei Erlass dieses Urteils weder die gesetzliche Regelung des BVG noch diejenige von Art. 92 Ziff. 13 SchKG in Kraft gewesen seien. Zudem sei zu beachten, dass in dem zitierten Entscheid des Bundesgerichts die Abgangsentschädigung gegen den Willen des Gemeinschuldners festgesetzt worden sei, d.h. ihm "angefallen" sei, während vorliegend der Rekurrent selber die Auszahlung seines BVG-Guthabens verlangt habe.
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2. Unlängst hat das Bundesgericht in zwei Urteilen erkannt, dass die Barauszahlung des Pensionskassenguthabens an einen Arbeitnehmer, der eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnimmt, weder unpfändbar noch nur relativ pfändbar sei. Es wurde dabei festgehalten, dass der Gesetzgeber in Art. 331c Abs. 2 OR und Art. 92 Ziff. 13 SchKG lediglich Anwartschaften als nicht abtretbar oder unpfändbar bezeichne, dass aber dieser Schutz gegenüber einer Barauszahlung entfalle und dass insbesondere Art. 92 Ziff. 13 SchKG demzufolge nicht mehr anwendbar sei ( BGE 117 III 23 E. 3; BGE 118 III 20 E. 3). Aber auch Art. 93 SchKG , welcher die beschränkte Pfändbarkeit von Einkommensersatzansprüchen, die dem Unterhalt des Schuldners und seiner Familie dienen, vorsieht, kommt bei Barauszahlungen gestützt auf Art. 331c Abs. 4 lit. b Ziff. 2 OR nicht zur Anwendung ( BGE 117 III 23 ff. E. 4; BGE 118 III 20 E. 3). Damit hat das Bundesgericht an der von der kantonalen Aufsichtsbehörde angeführten Rechtsprechung festgehalten, so dass der Einwand des Rekurrenten, bei Erlass des Entscheides in BGE 109 III 80 hätten die gesetzlichen Regelungen des BVG und des Art. 92 Ziff. 13 SchKG noch nicht bestanden, hinfällig wird.
Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich eindeutig, dass auch das dem Rekurrenten ausbezahlte Guthaben bei der Pensionskasse seines früheren Arbeitgebers nicht vom Konkursbeschlag ausgenommen werden kann. Zutreffen mag, dass die Barauszahlung sinnvollerweise wieder dem Aufbau einer privaten Altersvorsorge oder als Betriebskapital für eine selbständige berufliche Existenz dienen sollte. Doch ist diese Zweckbestimmung weder ausdrücklich im Gesetz vorgesehen, noch wird die Barauszahlung im Falle der Zwangsvollstreckung in irgendeiner Weise vom Gesetzgeber geschützt. Die vom Rekurrenten vorgeschlagene Lösung, dass Art. 197 Abs. 2 SchKG in solchen Fällen nicht mehr angewendet werde, kommt zum vornherein nicht in Betracht. Der Berechtigte ist in der Verwendung der ausbezahlten Beträge vollkommen frei. Solange er sie nicht erneut der Altersvorsorge widmet, können auch die Gläubiger oder die Konkursmasse frei darauf greifen. Daran ändert auch nichts, dass in Art. 197 Abs. 2 SchKG von Vermögen, das dem Gemeinschuldner "anfällt", die Rede ist. Dieser Ausdruck ist entgegen der Meinung des Rekurrenten nicht in dem Sinne zu verstehen, dass dazu nur derartige Vermögenswerte gehören würden, welche während des laufenden Konkursverfahrens ohne Willenserklärung des Betroffenen zur Auszahlung gelangen. Im übrigen würde viel eher derjenige Arbeitnehmer, dessen Vorsorgeguthaben ohne sein Zutun ausbezahlt wird,
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Schutz verdienen als jener, der die Auszahlung ausdrücklich verlangt.
Schliesslich regt der Rekurrent noch an, dass ihm die Möglichkeit eingeräumt werde, seine irrtümlich abgegebene Erklärung zu widerrufen und den ausbezahlten Betrag wieder an die "Neuenburger Lebensversicherungs-Gesellschaft" zum Zwecke der BVG-gemässen Verwendung zurückfliessen zu lassen. Für ein derartiges Vorgehen fehlt indessen jegliche gesetzliche Grundlage. Der Rekurrent übersieht, dass er nun als Selbständigerwerbender ohnehin frei ist, sich einer Vorsorgeeinrichtung anzuschliessen oder nicht ( Art. 44 BVG , SR 831.40). Ein Zwangsanschluss fällt für ihn ausser Betracht.

Dispositiv

Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.

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