Urteilskopf
119 II 289
56. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 8. April 1993 i.S. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt gegen X. Versicherungsgesellschaft (Berufung)
Regeste
Haftung des Motorfahrzeughalters. Regressrecht gegen die Haftpflichtversicherung. Einredenausschluss gemäss
Art. 65 Abs. 2 SVG
.
1. Das direkte Forderungsrecht des Geschädigten gegen den Versicherer und der Einredenausschluss bilden sowohl nach dem alten MFG (Art. 49/50) wie auch nach dem SVG (
Art. 65 SVG
) ein einheitliches System und verhelfen zusammen dem Geschädigten zu einer wirksamen Sicherung seiner Ansprüche (E. 3).
2. Beim Einredenausschluss handelt es sich um ein akzessorisches Nebenrecht, das aufgrund von
Art. 41 UVG
auf den subrogierenden Sozialversicherer übergeht (E. 4/5).
Der bei der X. Versicherungsgesellschaft haftpflichtversicherte A. verursachte am 24. Juni 1989 mit seinem Personenwagen bei Thun einen Selbstunfall. Dabei erlitt der Beifahrer B. eine instabile, stark dislozierte Luxationsfraktur der Halswirbel C5/C6 mit einem Querschnittsyndrom ab dem Halswirbelkörper C7. B. wurde mit dem Helikopter der Rettungsflugwacht ins Inselspital Bern überführt und am 26. Juni 1989 ins Schweizerische Paraplegikerzentrum nach Basel verlegt. Am 6. Oktober 1989 konnte er nach Hause entlassen werden, und Anfang 1990 nahm er seine berufliche Tätigkeit wieder auf. Die Nachbehandlung im Paraplegikerzentrum dauert noch an. Weil A. bei der Unterzeichnung des Antrags für die Haftpflichtversicherung eine Verurteilung wegen SVG-Widerhandlungen und damit die ihm obliegende Anzeigepflicht verletzt hatte, trat die X. Versicherungsgesellschaft rückwirkend auf den Vertragsbeginn vom Vertrag zurück.
Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), bei der B. gegen Unfall versichert war, belangte die X. Versicherungsgesellschaft mit (Teil-)Klage vom 18. November 1991 auf Ersatz der von ihr gegenüber B. bis zum 14. Mai 1991 erbrachten gesetzlichen Leistungen im Betrage von Fr. 85'351.60 nebst 5% Zins ab Urteilsdatum. Auf den beiden Teilforderungen (Heilungskosten von Fr. 75'815.60 sowie Taggeldleistungen von Fr. 9'536.--) forderte sie zudem für die Zeit vom 24. Juni 1989 bis zum Urteilsdatum einen mittleren Zins von 5%. Für sämtliche ab Mitte Mai 1991 erbrachten und noch zu erbringenden Leistungen behielt sie sich ein Nachklagerecht vor. Die Beklagte widersetzte sich der Klage und verlangte widerklageweise festzustellen, dass sie der Klägerin aus dem von A. am 24. Juni 1989 verursachten Verkehrsunfall nichts schulde. Der Appellationshof des Kantons Bern (III. Zivilkammer) wies die Klage am 7. Mai 1992 ab und hiess die Widerklage gut.
Das Bundesgericht heisst die von der Klägerin eingelegte Berufung gut, hebt das angefochtene Urteil auf und schützt die Teilklage.
Aus den Erwägungen:
1.
Unbestritten ist, dass die Beklagte berechtigt war, von dem mit A. geschlossenen Versicherungsvertrag rückwirkend zurückzutreten. Anerkannt ist ebenfalls, dass dieser Vertragsrücktritt aufgrund von
Art. 65 Abs. 2 SVG
nichts an der Haftung der Beklagten gegenüber dem unfallgeschädigten B. ändert. Umstritten ist allein die vom
BGE 119 II 289 S. 291
Appellationshof verneinte Rechtsfrage, ob sich auch die Klägerin auf den Einredenausschluss gemäss
Art. 65 Abs. 2 SVG
berufen kann.
3.
Die Bestimmung von
Art. 65 SVG
lautet wie folgt:
"Unmittelbarer Anspruch gegen den Versicherer, Einreden
1. Der Geschädigte hat im Rahmen der vertraglichen Versicherungsdeckung ein Forderungsrecht unmittelbar gegen den Versicherer.
2. Einreden aus dem Versicherungsvertrag oder aus dem Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag können dem Geschädigten nicht entgegengehalten werden.
3. (Rückgriffsrecht des Haftpflichtversicherers auf den Versicherungsnehmer)."
a) Sowohl das direkte Forderungsrecht als auch der Einredenausschluss fanden ihren gesetzlichen Niederschlag erstmals im Bundesgesetz über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr vom 15. März 1932 (MFG; AS 48, 513), mit dem gleichzeitig das Obligatorium für die Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherung eingeführt wurde. Weder die bundesrätliche Botschaft vom 12. Dezember 1930 (BBl 1930 II 849 ff.) noch die parlamentarischen Beratungen zum MFG haben sich ausdrücklich mit der hier zu entscheidenden Frage befasst. Die Kommentatoren STREBEL/HUBER halten diesbezüglich fest, obwohl Art. 49 Abs. 1 MFG nur vom unmittelbaren Forderungsrecht des Geschädigten spreche, sei die Möglichkeit der direkten Geltendmachung nicht an die Person des Geschädigten, sondern an dessen Anspruch geknüpft; sie sei ein mit der Forderung verbundenes Vorzugsrecht, gehe daher im Falle der Abtretung oder der Subrogation auf den neuen Gläubiger über. Das Recht bestehe z.B. auch für die Suval, soweit ihr anstelle des Versicherten Regressrechte gegen einen Halter zustehen. Auf den Ausschluss der Einreden gemäss Art. 50 MFG könne sich nicht nur der Geschädigte selbst, sondern auch ein in dessen Rechte eingetretener Regressberechtigter berufen (Kommentar zum Bundesgesetz über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr, Band II, 1938, N. 14 zu Art. 49 und N. 6 zu Art. 50 MFG).
b) Mit der Einführung des Bundesgesetzes über den Strassenverkehr vom 19. Dezember 1958 (SVG) wurde bezüglich der in Art. 49 und 50 MFG enthaltenen Regelung keine materiellrechtliche Änderung vorgenommen. Sie fand unverändert Eingang in Art. 61 des Entwurfs bzw. in Art. 65 der bereinigten Fassung des SVG (vgl. bundesrätliche Botschaft vom 24. Juni 1955, BBl 1955 II 51). Die seitherigen Revisionen des SVG brachten in bezug auf Inhalt und
BGE 119 II 289 S. 292
Wortlaut von
Art. 65 SVG
keine Änderungen. An den betreffenden Grundprinzipien der bisherigen Regelung wurde nicht gerüttelt (GEISSELER, Haftpflicht und Versicherung im revidierten SVG (Änderung vom 20. März 1975), Diss. Freiburg 1980, S. 109).
c) Sinn und Zweck der Vorschrift können allgemein dahin zusammengefasst werden, dass sie den konsequenten und umfassenden Schutz des Geschädigten zum Ziel haben. Das direkte Forderungsrecht und der Einredenausschluss sind dabei eng miteinander verknüpft und verhelfen zusammen dem Geschädigten zu einer wirksamen Sicherung seiner Ansprüche (STREBEL/HUBER, a.a.O., N. 4 zu Art. 50 MFG; WALTER CASSANI, Das direkte Forderungsrecht des Geschädigten gegen den Versicherer des Automobilhalters, Diss. Bern 1935, S. 69; ABDÜLCELIL KALAV, L'action directe de la victime d'un dommage contre l'assureur de la responsabilité selon le droit suisse et le droit français, Diss. Genf 1952; ROLAND CHÂTELAIN, L'action directe du lésé contre l'assureur de la responsabilité civile du détenteur d'un véhicule automobile, Diss. Lausanne 1961, S. 137; OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Band I, 1975, S. 458; ROLF HEUSSER, Das direkte Forderungsrecht des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer, Diss. Zürich 1979, S. 56; DORIS MARIA MEYER, Der Regress im internationalen Privatrecht, Diss. Zürich 1982, S. 36; BUSSY/RUSCONI, Code suisse de la circulation routière, 2. Auflage 1984, N. 2.1 zu
Art. 65 SVG
; SCHAFFHAUSER/ZELLWEGER, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Band II, 1988, S. 291; GEISSELER, a.a.O., S. 106; OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Band II, 1989, S. 363 und 407 f.). Die beiden Elemente finden sich als einheitliches System nicht nur in
Art. 65 SVG
, sondern auch in anderen Haftpflichtgesetzen, die ein Versicherungsobligatorium vorsehen (vgl. Art. 37 Rohrleitungsgesetz, SR 746.1; Art. 9 Kernenergiehaftpflichtgesetz, SR 732.44; Art. 33 Binnenschiffahrtsgesetz, SR 747.201; Art. 16 Jagdgesetz, SR 922.0). Insoweit kann
Art. 65 SVG
somit entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht als ausgesprochene Sondernorm verstanden werden. Einzuräumen ist dagegen, dass sich das direkte Forderungsrecht und der Einredenausschluss aufgrund von Wortlaut, Sinn und Zweck der Bestimmung in erster Linie auf den direkt Geschädigten selbst beziehen. Die Tragweite des Wortlautes steht damit freilich noch nicht fest. Die Frage der Höchstpersönlichkeit bzw. der Übergangsfähigkeit des Einredenausschlusses ist vielmehr in einem weiteren Zusammenhang zu prüfen.
BGE 119 II 289 S. 293
4.
Das direkte Forderungsrecht gemäss
Art. 65 Abs. 1 SVG
bzw. Art. 49 MFG wird von der herrschenden Lehre zutreffend als akzessorisches Neben- oder Vorzugsrecht verstanden (STREBEL/HUBER, a.a.O., N. 14 zu Art. 49 MFG; OFTINGER/STARK, a.a.O., S. 409; ROELLI/KELLER, Kommentar zum schweizerischen Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag vom 2. April 1908, Band IV, 2. Auflage 1962, S. 111 und 154; KELLER/GABI, Das schweizerische Schuldrecht, Band II, 1988, S. 156; MEYER, a.a.O., S. 43; CHRISTIAN SCHÖBI, Die Akzessorietät der Nebenrechte von Forderungen unter besonderer Berücksichtigung des Rechtsinstituts der Verjährung, Diss. Zürich 1990, S. 71). Aufgrund des erwähnten sachlichen Zusammenhangs und der gegenseitigen Abhängigkeit ist auch der Einredenausschluss gemäss
Art. 65 Abs. 2 SVG
als Nebenrecht aufzufassen und sind die beiden Rechtsinstitute rechtlich gleich zu behandeln.
5.
Zu entscheiden bleibt, ob der Einredenausschluss als akzessorisches Nebenrecht auf den subrogierenden Sozialversicherer übergehen kann oder ob er als höchstpersönliches Vorzugsrecht nur dem Direktgeschädigten selbst zugute kommt.
a) Wie die Beklagte mit Recht hervorhebt, geht die Berufung der Klägerin auf einen gewohnheitsrechtlichen Einredenausschluss von vornherein fehl. Denn die Klägerin und die Haftpflichtversicherer haben es bisher offenbar vorgezogen, Fälle, in denen sich diese Frage stellte, aussergerichtlich zu erledigen. Wie die befolgte Praxis dabei gelautet hat, spielt keine Rolle. Sie darf sich jedenfalls für keine der Parteien negativ auswirken in jenem Moment, in dem sie sich entschliessen, die durch Gesetzesauslegung zu entscheidende Rechtsfrage durch den Richter beurteilen zu lassen.
b) Gemäss Art. 41 des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung vom 20. März 1981 (UVG) tritt die SUVA gegenüber einem Dritten, der für den Unfall haftet, im Zeitpunkt des Ereignisses bis auf die Höhe der gesetzlichen Leistungen in die Ansprüche des Versicherten und seiner Hinterlassenen ein. Eine entsprechende Rückgriffsbestimmung enthielt bereits Art. 100 des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung vom 13. Juni 1911 (KUVG).
Dem Sozialversicherer steht ein integrales Regressrecht zu. Dies bedeutet, dass der Rückgriff gegen sämtliche Ersatzpflichtigen möglich ist, unabhängig davon, ob diese kausalhaftpflichtig sind, aus Verschulden oder aus Vertragsverletzung haften. Die Sozialversicherer unterstehen mit andern Worten der Rangordnung von
Art. 51 OR
nicht (
BGE 47 II 487
E. 1; WILLY KÖNIG, Schweizerisches
BGE 119 II 289 S. 294
Privatversicherungsrecht, 3. Auflage 1967, S. 497; ALFRED MAURER, Schweizerisches Privatversicherungsrecht, 2. Auflage 1986, S. 403; ALFRED KELLER, Haftpflicht im Privatrecht, Band II, 1987, S. 187; GHÉLEW/RAMELET/RITTER, Commentaire de la loi sur l'assurance-accidents, 1992, S. 162). Mit dem Eintritt in die Rechtsstellung des Geschädigten übernimmt der Sozialversicherer nicht nur dessen Schadenersatzforderung, sondern auch die damit verbundenen Vorzugs- und Nebenrechte, soweit diese nicht untrennbar mit der Person des Geschädigten verbunden sind (
Art. 170 Abs. 1 OR
; KELLER/GABI, a.a.O., S. 150). Nach der in der Lehre vorwiegend vertretenen Ansicht geht das direkte Forderungsrecht gemäss
Art. 65 Abs. 1 SVG
bzw. Art. 49 MFG als nicht mit der Person des Geschädigten, sondern mit dessen Anspruch verbundenes Vorzugs- oder Nebenrecht auf den subrogierenden Sozialversicherer über (STREBEL/HUBER, a.a.O., N. 14 zu Art. 49 MFG); CASSANI, a.a.O., S. 48 f.; JAKOB STREBEL, Haftpflicht und Haftpflichtversicherung nach dem Bundesgesetz über den Strassenverkehr, in Schweizerische Zeitschrift für Sozialversicherung, 3. Jahrgang 1959, S. 105; ROELLI/KELLER, a.a.O., S. 155; KELLER/SCHÖBI, Das schweizerische Schuldrecht, Band IV, 1984, S. 24; SCHÖBI, a.a.O., S. 71; HEUSSER, a.a.O., S. 76; OFTINGER/STARK, a.a.O., S. 409; GHÉLEW/RAMELET/RITTER, a.a.O., S. 161 f.). Aus dem erwähnten Gebot der Gleichbehandlung der beiden Rechtsinstitute ergibt sich, dass auch der Einredenausschluss gemäss
Art. 65 Abs. 2 SVG
bzw. Art. 50 MFG als akzessorisches Nebenrecht auf den subrogierenden Sozialversicherer übergeht. Auch diesbezüglich ist eine Höchstpersönlichkeit, die dem Rechtsübergang im Wege stünde, zu verneinen. Der Übergang des Einredenausschlusses auf den Regressberechtigten wird denn auch von einem Teil der Lehre ausdrücklich anerkannt (vgl. STREBEL/HUBER, a.a.O., N. 6 zu Art. 50 MFG; KALAV, a.a.O., S. 131; KELLER, a.a.O., S. 189; OFTINGER/STARK, a.a.O., S. 428; STEPHAN FUHRER, Der Regress der Sozialversicherer auf den haftpflichtigen Dritten, in Schweizerische Versicherungszeitschrift, 60. Jahrgang 1992, S. 125).
c) GERHARD STOESSEL (Das Regressrecht der AHV/IV gegen den Haftpflichtigen, Diss. Zürich 1982, S. 12 Fn. 17 und 60) und ROLAND SCHAER (Grundzüge des Zusammenwirkens von Schadenausgleichsystemen, 1984, S. 194 ff.) halten demgegenüber den Einredenausschluss gemäss
Art. 65 Abs. 2 SVG
für einen besonders ausgestalteten, höchstpersönlichen Anspruch des Geschädigten, der nicht auf den subrogierenden Ersatzleistenden übergehe. Die ratio legis,
BGE 119 II 289 S. 295
machen sie geltend, rechtfertige unter keinen Umständen eine Ausdehnung dieses persönlichen Privilegs auch auf regressierende Versicherer, für die der Regress nicht dieselbe existenzielle Bedeutung habe wie der Schadenersatz für den Geschädigten. Der Sozialversicherungsträger sei kein alter ego des Geschädigten, er trete nur in dessen Rechte, nicht aber in dessen Person ein. Nach dem Ausbau der Sozialversicherungen habe das ursprüngliche Leitmotiv des Haftpflichtversicherungsobligatoriums, namentlich der Schutz des Geschädigten, tendenziell an Bedeutung verloren; komme der Haftpflichtversicherer faktisch nur noch auf dem Regresswege zum Zuge, so sei der Grund, der zu dieser Haftpflichtversicherung mit Zwittercharakter geführt habe, weitgehend überholt.
Dieser Sicht der Dinge, der sich der Appellationshof angeschlossen hat, kann nicht gefolgt werden. Mag auch der Gesetzgeber bei der Einführung der Bestimmung betreffend Einredenausschluss im Jahre 1932 vorab den Schutz des Geschädigten selbst vor Augen gehabt haben, so ist doch nicht zu verkennen, dass mit
Art. 100 KUVG
bereits damals eine Vorschrift in Kraft war, die ein integrales Regressrecht des Sozialversicherers vorsah. In den Materialien zum MFG findet sich jedoch kein Hinweis, wonach sich der regressierende Sozialversicherer nicht auf das direkte Forderungsrecht bzw. den Einredenausschluss gemäss Art. 49/50 MFG berufen könne. Es wird allein in genereller Weise festgehalten, dass die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt für die von ihr erbrachten Leistungen gestützt auf
Art. 100 KUVG
ein Regressrecht gegenüber dem Motorfahrzeughalter oder seiner Versicherung besitze (vgl. bundesrätliche Botschaft in BBl 1930 II 876 und Sten.Bull. 1931 N 248). Obschon sich die bis zum damaligen Zeitpunkt erschienene Literatur dafür ausgesprochen hatte, dass die Sozialversicherung zufolge Subrogation in die Stellung des Geschädigten eintrete und sich ebenfalls auf den Einredenausschluss berufen könne, wird auch in der Botschaft zum SVG vom 24. Juni 1955 lediglich allgemein ausgeführt, dass der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt der Rückgriff auf die Personen, die für den von ihr gedeckten Schaden nach dem Strassenverkehrsgesetz haften, ausdrücklich gewahrt werde (BBl 1955 II 58). Dasselbe gilt in bezug auf die Ablösung der Rückgriffsordnung gemäss
Art. 100 und 129 Abs. 2 KUVG
durch diejenige gemäss
Art. 41-44 UVG
im Jahre 1981. Auch hier hat der Gesetzgeber hinsichtlich des Übergangs von direktem Forderungsrecht und Einredenausschluss keine Ausnahme vom integralen Regressrecht festgehalten. Dies lässt sich nur dahin deuten, dass der Gesetzgeber das
BGE 119 II 289 S. 296
akzessorische Nebenrecht des Einredenausschlusses nicht als ausschliesschlich höchstpersönliches Vorzugsrecht des Geschädigten verstanden wissen wollte, sondern zumindest stillschweigend bereit war, es auch dem regressberechtigten Sozialversicherer einzuräumen.
Der umfassende Rechtseintritt des Sozialversicherers in die Rechte des Geschädigten kann auch von der Sache her nicht als unbillig bezeichnet werden. Denn der obligatorische Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherer steht dem Schädiger näher als die Unfallversicherung des Geschädigten, weshalb es sich rechtfertigen lässt, die Folgen von Versicherungsverträgen, die sich nachträglich als nichtig erweisen, als spezifisches Risiko des Haftpflichtversicherers durch diesen tragen zu lassen und nicht durch den Sozialversicherer als sozusagen haftpflichtfremdem Ersatzpflichtigen. Dem Haftpflichtversicherer bleibt schliesslich als Ausgleich für das Erbringen von vertraglich nicht geschuldeten Leistungen das Rückgriffsrecht gegen den haftpflichtigen Versicherungsnehmer gemäss
Art. 65 Abs. 3 SVG
(früher Art. 50 Abs. 2 MFG). Es bleibt somit dabei, dass es sich beim Einredenausschluss um ein nicht höchstpersönliches, auf den subrogierenden Sozialversicherer übergangsfähiges Nebenrecht handelt. Daran vermag auch der von der Beklagten unter Berufung auf SCHAER (a.a.O., S. 196 f.) angestrebte rechtsvergleichende Ausblick auf das deutsche Recht nichts zu ändern.
Indem die Vorinstanz der Klägerin die Berufung auf den Einredenausschluss von
Art. 65 Abs. 2 SVG
verweigert hat, verletzt sie daher Bundesrecht.