BGE 119 III 22 vom 19. Januar 1993

Datum: 19. Januar 1993

Artikelreferenzen:  Art. 17 SchKG, Art. 106 SchKG, Art. 107 SchKG, Art. 109 SchKG , Art. 106 ff. SchKG, Art. 106 und 107 SchKG, Art. 17 ff. SchKG, Art. 106 Abs. 1 und Art. 109 SchKG

BGE referenzen:  88 III 115, 99 III 11, 80 III 71, 111 III 75

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

119 III 22


7. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 19. Januar 1993 i.S. Schweizerischer Bankverein (Rekurs)

Regeste

Widerspruchsverfahren ( Art. 106 ff. SchKG ).
1. In der Pfändungsurkunde ist nichts weiter zu vermerken, als was ein Drittanspruch umfasst. Ein vom Wortlaut einer Abtretung nicht gedeckter Zusatz darf nicht in die Pfändungsurkunde aufgenommen werden (E. 3).
2. Ist ein Resterlös für den Fall des Verkaufs eines Grundstücks abgetreten worden, so wird die Abtretung erst im Augenblick der Veräusserung wirksam. Die abgetretene bedingte Forderung kann nicht Gegenstand eines Widerspruchsverfahrens in der Betreibung, in welcher das Grundstück gepfändet wird, bilden (E. 4).

Sachverhalt ab Seite 23

BGE 119 III 22 S. 23

A.- In der Betreibung auf Pfändung Nr. 790 des Betreibungsamtes B. gegen M. stellte der Schweizerische Bankverein am 2. Juni 1992 das Fortsetzungsbegehren. Am 17. Juni 1992 wurde die Pfändung vollzogen und dabei als Pos. 1 das Grundstück GB ... gepfändet. Zu diesem Pfandgegenstand wurde die folgende Bemerkung in die am 6. August 1992 versandte Pfändungsurkunde aufgenommen:
"Ein allfälliger Mehrerlös (Erlös aus dem Grundstück abzüglich Pfandforderung bis zum Betrage von Fr. 125'000.--) beansprucht die SKA, Lenzburg, zufolge Zession vom 28. Oktober 1991. Gestützt auf Art. 109 SchKG wird dem Gläubiger mittels separatem Formular eine 10tägige Klagefrist angesetzt, innerhalb welcher er gegen den Dritten gerichtliche Klage richten kann."
Mit Verfügung vom 6. August 1992 setzte das Betreibungsamt dem Schweizerischen Bankverein Frist zur Klage nach Art. 109 SchKG an.

B.- Nachdem eine Beschwerde des Schweizerischen Bankvereins gegen diese Verfügung des Betreibungsamtes vom Gerichtspräsidium Brugg als unterer Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen abgewiesen worden war, zog der Beschwerdeführer die Sache an die Schuldbetreibungs- und Konkurskommission des Obergerichts des Kantons Aargau weiter. Er verlangte, dass die Verfügung des Betreibungsamtes aufzuheben und dieses anzuweisen sei, die obenerwähnte Bemerkung dahingehend abzuändern, dass ein allfälliger Mehrerlös (Erlös aus dem Grundstück, abzüglich der Forderungen der Pfandgläubiger und der Pfändungsgläubiger) bis zum Betrag von Fr. 125'000.-- zufolge Zession vom 28. Oktober 1991 von der Schweizerischen Kreditanstalt beansprucht werde. Eventuell sei das Betreibungsamt anzuweisen, das Widerspruchsverfahren gemäss Art. 106 und 107 SchKG durchzuführen und demzufolge die Schweizerische Kreditanstalt als Drittansprecherin zur Klage aufzufordern.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskommission des Obergerichts des Kantons Aargau wies die Beschwerde ab.
BGE 119 III 22 S. 24

C.- Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts, an welche der Schweizerische Bankverein die Sache weiterzog, hiess den Rekurs gut. Sie wies das Betreibungsamt B. an, die Pfändungsurkunde durch Streichung der Bemerkung "Erlös aus dem Grundstück abzüglich Pfandforderung bis zum Betrage von Fr. 125'000.--" zu berichtigen. Sodann wurde die Verfügung des Betreibungsamtes vom 6. August 1992 aufgehoben, womit dem Schweizerischen Bankverein Frist zur Klage nach Art. 109 SchKG angesetzt worden war.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. a) Unter Berufung auf die Rechtsprechung ( BGE 88 III 115 ) ist die Schuldbetreibungs- und Konkurskommission des Obergerichts des Kantons Aargau davon ausgegangen, dass sich der im Widerspruchsverfahren abzuklärende Drittanspruch nicht nur auf Eigentum oder ein Pfandrecht stützen könne, sondern auch auf einen Eigentumsvorbehalt, ein beschränktes dingliches Recht wie auch auf ein Gläubigerrecht an einer gepfändeten Forderung.
Durch Vorlegung einer zwischen ihm und der Schweizerischen Kreditanstalt am 28. Oktober 1991 getroffenen Vereinbarung habe der Schuldner im vorliegenden Fall auf einen von der Schweizerischen Kreditanstalt geltend gemachten Anspruch auf den Veräusserungserlös bis zum Betrag von Fr. 125'000.-- am gepfändeten Grundstück hingewiesen. Das Betreibungsamt sei daher verpflichtet gewesen, diesen Drittanspruch in der Pfändungsurkunde vorzumerken und hiefür das Widerspruchsverfahren einzuleiten. Die Parteirollen im Widerspruchsverfahren richteten sich - gemäss der zitierten Rechtsprechung - danach, wessen Rechtsstandpunkt aufgrund einer summarischen Prüfung der Akten die grössere Wahrscheinlichkeit für sich habe. Da der Drittanspruch der Schweizerischen Kreditanstalt auf einer schriftlichen Abtretungsvereinbarung beruhe, habe er den Rechtsschein für sich und sei somit dem Schweizerischen Bankverein Frist zur Klage anzusetzen ( Art. 109 SchKG ).
b) Der Schweizerische Bankverein wirft der kantonalen Aufsichtsbehörde vor, sie gehe irrtümlich von der Annahme aus, dass der Anspruch der Schweizerischen Kreditanstalt auf eine künftige Forderung - nämlich auf einen Anteil am Verkaufserlös der Liegenschaft des Schuldners - im Widerspruchsverfahren abzuklären sei. Gegenstand des Widerspruchsverfahrens seien lediglich dingliche,
BGE 119 III 22 S. 25
beschränkte dingliche oder obligatorische Rechte mit dinglich verstärkter Wirkung am gepfändeten Objekt. Im vorliegenden Fall sei aber nicht eine Forderung gepfändet worden, sondern die Liegenschaft selbst. Somit finde das Widerspruchsverfahren hier keine Anwendung.
Zumindest hätte das Betreibungsamt gemäss Art. 106 SchKG der Drittansprecherin und nicht dem Rekurrenten Frist zur Klage ansetzen müssen - macht dieser weiter geltend -, da sich der Pfandgegenstand, also die Liegenschaft, im Gewahrsam des Schuldners befinde. Die Ausführungen der kantonalen Aufsichtsbehörde betreffend Gewahrsam an einer Forderung seien unbeachtlich, weil es nicht um eine gepfändete Forderung, sondern um eine gepfändete Liegenschaft gehe. Da der Anspruch der Schweizerischen Kreditanstalt nicht aus dem Grundbuch ersichtlich sei, sei diese ohne Rücksicht auf den Gewahrsam zur Klage aufzufordern.

3. Im Darlehensvertrag, den M. am 28. Oktober 1991 mit der Schweizerischen Kreditanstalt geschlossen hat, wird als Sicherheit u.a. angeboten: "Abtretung Erlös Restverkaufspreis aus der Liegenschaft GB ... von ca. Fr. 125'000.--, fällig spätestens am 30.9.1995, verpfändet gemäss Urkunde vom 17.9.1990." Doch nicht dieser Wortlaut ist in die hier umstrittene Pfändungsurkunde aufgenommen worden; vielmehr ist die Bemerkung in der Pfändungsurkunde mit dem Zusatz versehen worden: "Erlös aus dem Grundstück abzüglich Pfandforderung bis zum Betrage von Fr. 125'000.--." Hierin liegt eine Rechtsverletzung, die im Verfahren nach Art. 17 ff. SchKG gerügt werden kann. Indessen kann die Pfändungsurkunde nicht in der vom Schweizerischen Bankverein begehrten Weise geändert werden, sondern lediglich dahingehend, dass das Betreibungsamt angewiesen wird, den vom Wortlaut der Abtretung nicht gedeckten Zusatz zu streichen; denn in der Pfändungsurkunde ist nichts weiter zu vermerken, als was ein Drittanspruch umfasst ( BGE 53 III 195 ).

4. Das Widerspruchsverfahren ist durchzuführen, wenn ein Dritter ein die Pfändung ausschliessendes oder zurückdrängendes Recht geltend macht ( BGE 99 III 11 E. 3, BGE 80 III 71 f., BGE 59 III 123 f. E. 2). Stets muss es sich aber um ein Recht an der "Sache", d.h. dem gepfändeten Vermögensgegenstand, handeln ( Art. 106 Abs. 1 und Art. 109 SchKG ; BGE 59 123 f. E. 2; BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechts, Bern 1911, S. 383 Ziff. 2; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Band I, Zürich 1984, S. 361 Rz. 2; AMONN, Grundriss
BGE 119 III 22 S. 26
des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 4. Auflage Bern 1988, § 24 N. 7). Durch die "Abtretung Erlös Restkaufpreis aus der Liegenschaft GB ... von ca. Fr. 125'000.--" ist im vorliegenden Fall kein Recht an der Sache - das ist das gepfändete Grundstück - begründet worden, und zwar selbst dann, wenn die Erklärung im Darlehensvertrag "verpfändet gemäss Urkunde vom 17.9.1990" zutreffen sollte. Abgetreten worden ist nämlich nicht das Grundstück, sondern ein Resterlös bei dessen Verkauf, so dass erst eine Veräusserung des Grundstücks die Abtretung wirksam werden lässt ( BGE 111 III 75 E. 3 mit Hinweisen). Es geht mithin ebensowenig um eine gepfändete Forderung.
Für ein Widerspruchsverfahren, also ein Verfahren zur Klärung der materiellrechtlichen Begründetheit eines streitigen Anspruchs auf die gepfändete Sache (AMONN, a.a.O., § 24 N. 7), besteht demnach kein Raum.

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