Urteilskopf
120 IV 348
59. Beschluss der Anklagekammer vom 28. November 1994 i.S. Schweizerische Bundesanwaltschaft gegen F., G., M., P. und S.
Regeste
Art. 125 ff. BStP
;
Art. 6 Ziff. 3 lit. a EMRK
. Anklagezulassung.
Im Rahmen des Anklagezulassungsverfahrens prüft die Anklagekammer insbesondere, ob die Anklageschrift den gesetzlichen Vorschriften entspricht; erweist sich die Anklageschrift als mangelhaft, so kann diese - unter einstweiliger Nichtzulassung der Anklage - zur Behebung der Mängel (auch) an den Bundesanwalt zurückgewiesen werden (E. 1).
Der Anklageschrift kommt sowohl eine Umgrenzungs- als auch eine Informationsfunktion zu (E. 2).
Die Anklageschrift muss mindestens erlauben, in objektiver und subjektiver Hinsicht zu bestimmen, welche konkreten strafbaren Tatbeiträge den einzelnen Angeklagten zur Last gelegt werden; die Beweismittel sind den konkreten Anklagevorwürfen zuzuordnen (E. 3).
Inhalt des erläuternden Berichts (E. 4).
Am 15. Mai 1990 eröffnete die Bundesanwaltschaft im Zusammenhang mit Kriegsmaterialexporten nach dem Irak gegen die Verantwortlichen der Firma V. AG ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Widerhandlung im Sinne von Art. 17 des Kriegsmaterialgesetzes (KMG; SR 514.51). Das Verfahren wurde am 28. Juni 1990 auf die Verantwortlichen der Firma U. SA ausgedehnt.
Am 18. März 1991 beschloss der Bundesrat die Einleitung eines Bundesstrafverfahrens. Gleichzeitig wurde die Bundesanwaltschaft beauftragt, beim zuständigen eidgenössischen Untersuchungsrichter gestützt auf
Art. 108 BStP
die Eröffnung der Voruntersuchung zu beantragen.
Da der durch die Bundesanwaltschaft aufgrund des vorwiegend deutschsprachigen Geschäfts als zuständig erachtete eidgenössische Untersuchungsrichter für die deutschsprachige Schweiz zu diesem Zeitpunkt durch den Bundesrat bereits als besonderer Vertreter des Bundesanwalts gewählt worden war, bestimmte der Präsident der Anklagekammer des Bundesgerichts am 4. April 1991 die Stellvertreterin des
BGE 120 IV 348 S. 350
Untersuchungsrichters als zuständige eidgenössische Untersuchungsrichterin.
Auf Antrag der Bundesanwaltschaft vom 9. April 1991 eröffnete die eidgenössische Untersuchungsrichterin am 15. Mai 1991 eine Voruntersuchung gegen G., M. und P.
Am 5. Juli 1991 übertrug die Bundesanwaltschaft die Vertretung der Anklage dem ständigen Vertreter des Bundesanwalts für die deutschsprachige Schweiz.
Mit Verfügung vom 31. März 1992 wurde die Voruntersuchung auf S. und F. ausgedehnt.
Am 30. Juni 1994 erstattete die eidgenössische Untersuchungsrichterin den Schlussbericht und beantragte dem Vertreter des Bundesanwalts, gegen die Beschuldigten Anklage zu erheben.
Am 30. August 1994 erhob der Vertreter des Bundesanwalts Anklage wegen Herstellung und Ausfuhr von Kriegsmaterial im Sinne von
Art. 17 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 KMG
gegen die Beschuldigten F., G., M., P. und S. und reichte der Anklagekammer des Bundesgerichts die Anklageschrift mit den Akten und einem erläuternden Bericht ein.
Die Gesuche der Angeklagten um Erstreckung der Frist für die Einreichung einer Verteidigungsschrift wurden durch den Präsidenten der Anklagekammer des Bundesgerichts teilweise gutgeheissen und die Frist bis zum 10. bzw. 20. Oktober 1994 erstreckt.
In ihren Verteidigungsschriften beantragen die Angeklagten der Anklagekammer des Bundesgerichts in den Hauptanträgen, die Anklage nicht zuzulassen; in den zahlreichen Eventualanträgen beantragen sie u.a., die Akten an die eidgenössische Untersuchungsrichterin zur Ergänzung der Untersuchung bzw. an den Bundesanwalt zur Verbesserung der Anklageschrift zurückzuweisen.
Aus den Erwägungen:
1.
a) Das Anklagezulassungsverfahren soll die Gerichte vor überflüssigen Verfahren, die höchstwahrscheinlich zu einem Freispruch führen, und den Angeklagten vor ungerechtfertigten Anklagen und insbesondere vor einer allenfalls unnötigen Prangerwirkung des öffentlichen Gerichtsverfahrens bewahren (NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, Zürich 1993, N. 818; PETER NOLL, Strafprozessrecht, Zürich 1977, S. 90; WERNER LÜTHI, Das Zwischenverfahren im eidgenössischen Strafprozessrecht, ZStrR 1943, S. 139; HANS FELIX PFENNINGER, Die Frage der Anklagezulassung, in: Probleme des
BGE 120 IV 348 S. 351
schweizerischen Strafprozessrechts, Zürich 1966, S. 212 ff.); letzterem Argument kommt angesichts der erhöhten Publizität der Verfahren vor Bundesstrafgericht besondere Bedeutung zu. Das Anklagezulassungsverfahren dient darüber hinaus in erheblichem Masse der Prozessökonomie, indem das Gericht von Anklagen verschont bleibt, die wahrscheinlich zu einer Vertagung der Hauptverhandlung zwecks Aufnahme weiterer Beweise (vgl. ROBERT HAUSER, Kurzlehrbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, Zürich 1984, s. 229) oder zwecks Berichtigung bzw. Ergänzung der Anklage führen (vgl. NOLL, a.a.O., S. 89; vgl. auch LÜTHI, a.a.O., S. 149).
b) Das Verfahren der Anklagezulassung durch die Anklagekammer des Bundesgerichts wird bestimmt durch die Art. 127 bis 134 BStP.
Nachdem der Bundesanwalt durch Einreichung der Anklageschrift und des erläuternden Berichts Anklage erhoben hat und allfällige Verteidigungsschriften eingegangen sind, prüft die Anklagekammer,
- ob die Ergebnisse der Voruntersuchung die Erhebung der Anklage rechtfertigen und
- ob das in der Anklageschrift bezeichnete Gericht zuständig ist (
Art. 128 BStP
).
Die Anklagekammer stützt sich dabei auf die Akten des gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahrens und der Voruntersuchung (einschliesslich allfälliger Beweisgegenstände), den Schlussbericht des eidgenössischen Untersuchungsrichters, die Anklageschrift und den erläuternden Bericht sowie die allfällige Verteidigungsschrift des Angeklagten (LÜTHI, a.a.O., S. 146); diese Prüfung nimmt die Anklagekammer ohne eigenes Beweisverfahren vor (PETER BÖSCH, Die Anklagekammer des Bundesgerichts, Zürich 1978, S. 93; vgl. auch Sten.Bull. NR 1931, 729). Sie überprüft die Ergebnisse der Voruntersuchung daraufhin, ob der Bundesanwalt alles berücksichtigt hat, was für seine Anklageerhebung in Betracht kommt und sie rechtfertigt (LÜTHI, a.a.O., S. 147). Entgegen der von NOLL geäusserten Auffassung, wonach das Anklagezulassungsverfahren in der Praxis im allgemeinen zu einer blossen Formalität geworden sei, die routinemässig erledigt werde (a.a.O., S. 90), prüft die Anklagekammer des Bundesgerichts in jedem Fall überaus eingehend, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Anklage erfüllt sind, d.h. ob die Ergebnisse der Voruntersuchung Anlass zur Annahme geben, dass der dem Beschuldigten zur Last gelegte Sachverhalt in
BGE 120 IV 348 S. 352
der Hauptverhandlung erweislich sei (LÜTHI, a.a.O., S. 141); in diesem Zusammenhang hat die Anklagekammer daher auch die "Hinlänglichkeit des Beweises" zu prüfen (BBl 1929 II 617; STÄMPFLI, Das Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege vom 15. Juni 1934, Bern 1935, Art. 128 N. 1; LÜTHI, a.a.O., S. 147). Obwohl dies nicht ausdrücklich im Gesetz erwähnt wird, hat die Anklagekammer im Rahmen der ihr obliegenden formellen Prüfung insbesondere darüber zu befinden, ob die Anklageschrift den aufgrund des Akkusationsprinzips an sie zu stellenden Anforderungen (HAUSER, a.a.O., S. 229) bzw. den gesetzlichen Vorschriften entspricht (BÖSCH, a.a.O., S. 94).
Die Prüfung der Anklagekammer bleibt aber auf den Gegenstand der Anklage beschränkt (LÜTHI, a.a.O., S. 147), d.h. auf das in der Anklage umschriebene Ereignis, auf den Anklagesachverhalt.
c) Je nach dem Ergebnis dieser Prüfung geht die Anklagekammer wie folgt vor:
aa) Wenn eine bessere Aufklärung des Sachverhaltes notwendig ist, so weist sie die Akten zur Ergänzung der Voruntersuchung an den Untersuchungsrichter zurück (
Art. 129 Abs. 1 BStP
). Die Anklagekammer kann aber zufolge ihrer beschränkten Prüfungsbefugnis nicht zurückweisen, um weitere, in der Anklage nicht enthaltene Sachverhalte abklären zu lassen (BÖSCH, a.a.O., S. 95).
bb) Beurteilt die Anklagekammer den Fall rechtlich anders als die Anklage, macht der Präsident die Parteien darauf aufmerksam und gibt ihnen Gelegenheit zur Vernehmlassung; beschliesst die Anklagekammer in der Folge die Abänderung der Anklage, so hat der Bundesanwalt eine neue Anklageschrift einzureichen (
Art. 130 BStP
).
cc) Lässt die Anklagekammer die Anklage nicht zu, so stellt sie das Verfahren ein oder überweist die Sache gegebenenfalls an die zur Einleitung einer Strafverfolgung zuständige kantonale Behörde (
Art. 131 BStP
; vgl. Sten.Bull. NR 1931, 729), d.h. wenn es sich um kantonalrechtliche Straftatbestände handelt (Sten.Bull. SR 1932, 665).
Die Anklagekammer lässt die Anklage dann nicht zu, wenn das Verfahren an einem unheilbaren Mangel leidet oder die Anklage derart unhaltbar erscheint, dass vernünftigerweise nur ein Freispruch in Frage kommt. In Zweifelsfällen ist dieser Entscheid aber dem urteilenden Gericht zu überlassen (BÖSCH, a.a.O., S. 96).
dd) Obwohl dies gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen ist, muss der Anklagekammer auch die Kompetenz zukommen, eine fehlerhafte Anklageschrift
BGE 120 IV 348 S. 353
an den Bundesanwalt zurückzuweisen (vgl. auch ARMAND MEYER, Die Bindung des Strafrichters an die eingeklagte Tat, Diss. Zürich 1972, S. 165 f. und 175); dies ergibt sich bereits aus dem Grundsatz "in maiore minus". Kann die Anklagekammer die Anklage nicht zulassen, so ist darin auch die weniger weit reichende Kompetenz eingeschlossen, die Anklage einstweilen nicht zuzulassen und die Anklageschrift an den Bundesanwalt zur Behebung der Mängel zurückzuweisen (vgl. zum zürcherischen Recht: SCHMID, a.a.O., N. 821 zu
§ 167 Ziff. 2 StPO
/ZH; vgl. zum deutschen Recht PETER RIESS, in Löwe/Rosenberg, Strafprozessordnung, 24. A. § 200, N. 56). Von dieser Möglichkeit macht die Anklagekammer in sinngemässer Anwendung von
Art. 277 BStP
Gebrauch, wenn die Anklageschrift selber an Mängeln leidet, aufgrund welcher sie die ihr obliegende Prüfung gar nicht durchführen kann. Der Bundesanwalt hat dann darüber zu entscheiden, ob er allenfalls beim Untersuchungsrichter im Hinblick auf
Art. 129 BStP
eine Ergänzung der Akten beantragen soll (vgl. MARKUS PETER, Die Bundesanwaltschaft als Staatsanwaltschaft des Bundes, Diss. Bern 1972, S. 62).
Selbstverständlich kann es bei einer solchen Rückweisung nicht darum gehen, den Bundesanwalt zu zwingen, eine andere Tat (MEYER, a.a.O., S. 157) bzw. einen Sachverhalt einzuklagen, der zwar untersucht, aber nicht zum Gegenstand der Anklage gemacht worden ist (LÜTHI, a.a.O., S. 147).
ee) Lässt die Anklagekammer die Anklage zu, übermittelt sie die Akten dem zuständigen Gericht; der Beschluss wird nicht begründet, um das auszufällende Urteil des Bundesstrafgerichts in materieller Hinsicht nicht zu beeinflussen (Sten.Bull. NR 1931, 729).
2.
a) Die Angeklagten rügen in der Hauptsache eine Verletzung des Anklagegrundsatzes; diese erblicken sie darin, dass die Anklageschrift den gesetzlichen Anforderungen, insbesondere
Art. 126 Ziff. 2 BStP
nicht genüge; gleichzeitig liege darin eine Verletzung von
Art. 6 Ziff. 3 lit. a EMRK
.
b) Der Anklagegrundsatz bildet heute ein unverzichtbares Element eines rechtsstaatlichen Strafprozesses (SCHMID, a.a.O., N. 141 f.; NOLL, a.a.O., S. 89; HAUSER, a.a.O., S. 133 f.). Er verteilt nicht nur die Aufgaben zwischen Untersuchungs- und Anklagebehörde einerseits und Gericht andererseits, sondern er bestimmt auch den Gegenstand des Gerichtsverfahrens, weshalb die Anklage die Person des Angeklagten und die ihm zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzis umschreiben muss, dass die Vorwürfe im objektiven und subjektiven Bereich genügend
BGE 120 IV 348 S. 354
konkretisiert sind (vgl. MEYER, a.a.O., S. 105; SCHMID, a.a.O., N. 146; JÖRG REHBERG/MARKUS HOHL, Die Revision des Zürcher Strafprozessrechts von 1991, Zürich 1992, S. 7). Das Anklageprinzip bezweckt damit zugleich den Schutz der Verteidigungsrechte des Angeklagten (
BGE 103 Ia 6
E. 1b; vgl. MEYER, a.a.O., S. 70) und den Anspruch auf rechtliches Gehör nach
Art. 4 BV
und
Art. 6 EMRK
(unveröffentlichter BGE vom 30. Oktober 1991 i.S. W. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, E. 2a).
c) Konkretisiert wird der Anklagegrundsatz zur Hauptsache durch die Anforderungen, welche an die Anklageschrift gestellt werden (vgl. unveröffentlichter BGE vom 30. Oktober 1991 i.S. W. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, E. 2b). Diese hat somit eine doppelte Bedeutung. Sie dient einmal der Bestimmung des Prozessgegenstandes (Umgrenzungsfunktion) und sie vermittelt andererseits dem Angeschuldigten die für die Durchführung des Verfahrens und die Verteidigung notwendigen Informationen (Informationsfunktion), wobei die beiden Funktionen von gleichwertiger Bedeutung sind (
BGE 116 Ia 455
E. 3a, cc, unter Bezugnahme auf RIESS, a.a.O., N. 3 f.).
3.
a) Gemäss
Art. 126 BStP
bezeichnet die Anklageschrift:
"1. den Angeklagten;
2. das Vergehen, dessen er beschuldigt wird, nach seinen tatsächlichen und gesetzlichen Merkmalen;
3. die Bestimmungen des Strafgesetzes, die anzuwenden sind;
4. die Beweismittel für die Hauptverhandlung;
5. das zuständige Gericht."
Die Anklageschrift als prozessuale Grundlage des Verfahrens soll nach dem Willen des Gesetzgebers möglichst kurz gehalten werden und sich auf die Angaben beschränken, die zur deutlichen Bezeichnung des Angeklagten und der ihm zur Last gelegten Taten nach ihren tatsächlichen und rechtlichen Merkmalen notwendig sind. Ausserdem hat sie das zuständige Gericht und die Belastungs- und Entlastungsbeweise zu bezeichnen, die nach Auffassung des Bundesanwalts zur Durchführung der Hauptverhandlung erforderlich sind (BBl 1929 II 616 ff.; Sten.Bull. NR 1931, 728). Eine Eventualanklage ist zulässig (Sten.Bull. SR 664 f.).
Für die Auslegung von
Art. 126 BStP
können auch die Militärstrafgerichtsordnung (MStGO; heute: Militärstrafprozess), die für den Bundesstrafprozess wegleitend war (BBl 1929 II 580 f.), und die
BGE 120 IV 348 S. 355
vergleichbare Regelung des deutschen Rechts (vgl.
BGE 116 Ia 455
E. 3a,cc), die etwa auch der Militärstrafgerichtsordnung als Vorbild diente (MEYER, a.a.O., S. 42), beigezogen werden.
b) Die genaue Benennung des Angeklagten soll vermeiden, dass Verwechslungen entstehen können (MEYER, a.a.O., S. 7). Zur Bezeichnung des Angeklagten gehören auch die wesentlichen Angaben über seine persönlichen Verhältnisse.
c) Kernstück der Anklageschrift bildet die Darstellung der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat. Die Anklageschrift ist nicht Parteischrift, sondern sie hat den Sachverhalt zwar kurz, aber vollständig (unveröffentlichter BGE vom 30. Oktober 1991 i.S. W. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, E. 3c), objektiv, sachlich, genau aktenmässig darzustellen. Aus der Anklageschrift muss daher erhellen, welches historische Ereignis, welcher Lebensvorgang, welche Handlung oder Unterlassung des Angeklagten Gegenstand der Beurteilung bilden soll, und welches Delikt, welcher strafrechtliche Tatbestand in dieser Handlung zu finden sei. Einerseits muss die Tat individualisiert, d.h. ihre tatsächlichen Verumständungen oder Tatbestandsmerkmale - Zeit, Ort, Art der Begehung und Form der Mitwirkung, angestrebter oder verwirklichter Erfolg (einschliesslich Kausalzusammenhang) - angegeben sein; andererseits sind die einzelnen rechtlichen Elemente des Delikts hervorzuheben. Die Darstellung des tatsächlichen Vorgangs ist auszurichten auf den gesetzlichen Tatbestand, der nach Auffassung der Anklage als erfüllt zu betrachten ist, d.h. es ist anzugeben, welche einzelnen Vorgänge und Sachverhalte den einzelnen Merkmalen des Straftatbestandes entsprechen (ARTHUR HAEFLIGER, Kommentar zur Militärstrafgerichtsordnung, Bern 1959, Art. 124 N. 3).
Könnte zur Umschreibung der eingeklagten Tat jederzeit auf den gesamten Akteninhalt zurückgegriffen werden, würde das Anklageprinzip ausgehöhlt (MEYER, a.a.O., S. 67). Auf die Untersuchungsakten ist daher nur insoweit Bezug zu nehmen, als sie für die in der Anklage umschriebenen Vorwürfe wesentlich sind (vgl. unveröffentlichter BGE vom 30. Oktober 1991 i.S. W. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, E. 4b).
Bei unechten Unterlassungsdelikten ist in der Anklageschrift auszuführen, aus welchen tatsächlichen Umständen auf die Garantenstellung zu schliessen ist (vgl.
BGE 116 Ia 202
).
Zu den gesetzlichen Merkmalen der strafbaren Handlung gehören neben den Tatbestandsmerkmalen die Schuldform (sofern vorsätzliches und fahrlässiges
BGE 120 IV 348 S. 356
Verhalten strafbar ist), die Teilnahmeform (Mittäterschaft, Anstiftung, Gehilfenschaft) sowie die Erscheinungsform (Versuch oder vollendetes Delikt) und allfällige Konkurrenzen (RIESS, a.a.O., N. 17). Umfasst ein Gesetzesartikel einfache, privilegierte und qualifizierte Tatbestände, so muss die Anklageschrift im einzelnen angeben, welchen der in einem Artikel zusammengefassten Tatbestände die Tat des Angeklagten erfüllt (vgl. auch HAEFLIGER, a.a.O., Art. 124 MStGO N. 5).
In bezug auf die Erwähnung der Vorsatzelemente in der Anklage kann unter Umständen der jeweilige Hinweis auf den gesetzlichen Straftatbestand im Anschluss an die Darstellung des Einzelfalles als zureichende Umschreibung jener subjektiven Merkmale gelten, wenn der betreffende Tatbestand nur als Vorsatzdelikt erfüllbar ist (
BGE 103 Ia 6
E. 1d). Es muss aber immer völlig klar sein, ob dem Angeklagten Fahrlässigkeit oder vorsätzliche Begehung vorgeworfen wird, denn die beiden Varianten verlangen durchaus ein unterschiedliches Vorgehen der Verteidigung (STEFAN TRECHSEL, Die Verteidigungsrechte in der Praxis zur Europäischen Menschenrechtskonvention, ZStrR 1979, S. 346).
Bei Fahrlässigkeitsdelikten sind sämtliche tatsächlichen Umstände anzuführen, aus denen sich die Pflichtwidrigkeit des vorgeworfenen Verhaltens sowie die Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des eingetretenen Erfolges ergeben sollen (
BGE 116 Ia 455
E. 3a,cc; RIESS, a.a.O., N. 15). Es ist dazu insbesondere möglichst genau darzulegen, inwiefern es der Angeklagte an der Beachtung der gebotenen Sorgfalt oder Vorsicht habe fehlen lassen (MEYER, a.a.O., S. 131).
d) Bei mehreren Angeklagten muss sich aus der Anklageschrift klar ergeben, welche Tatbeiträge jedem einzelnen Angeklagten in welcher Beteiligungsform zur Last gelegt werden (vgl. RIESS, a.a.O., N. 21).
e) Die präzise Bezeichnung der Beweismittel ermöglicht dem Angeklagten, schon in der Verteidigungsschrift Einwendungen gegen die Beweise als solche bzw. die Qualität derselben geltend zu machen. Die Anklageschrift hat daher die Beweismittel einzeln anzuführen, d.h. Zeugen und Sachverständige mit Namen zu nennen und die einzelnen Urkunden genau zu bezeichnen. Der blosse Verweis auf die Akten der Voruntersuchung ist ungenügend (STOOSS, Kommentar zur Militärstrafgerichtsordnung, Bern 1915, Art. 124 MStGO, N. 6). Sind zahlreiche Urkunden vorhanden, so genügt es in der Regel, in der Anklageschrift nur diejenigen einzeln aufzuführen, die als besonders
BGE 120 IV 348 S. 357
wichtig erscheinen (vgl. MKG 4 Nr. 37). Bei der Zusammenstellung der Beweismittel ist auf die Erfordernisse der Beweisführung in der Hauptverhandlung Rücksicht zu nehmen; es führt zu einer unnötigen Aufblähung der mündlichen und unmittelbaren Hauptverhandlung, wenn die im Ermittlungsverfahren gesammelten Akten und Beweismittel ohne kritische Würdigung ihrer jetzt noch bestehenden Erheblichkeit unbesehen in die Anklageschrift übernommen werden (vgl. auch RIESS, a.a.O., N. 33). Auch ermöglicht erst die Darstellung und Gewichtung der im Ermittlungsverfahren gesammelten Beweismittel dem Angeklagten eine sachgerechte Verteidigung (RIESS, a.a.O., N. 4). Bei umfangreichen Anklagen sind die Beweismittel zweckmässigerweise den einzelnen Anklagevorwürfen zuzuordnen.
Der eigentliche Beweis des dargestellten Sachverhalts ist indessen in der Hauptverhandlung zu führen und nicht in der Anklageschrift (vgl.
BGE 103 Ia 6
E. 1d).
f) Bei mehrfacher bzw. wiederholter Begehung handelt es sich um selbständige Taten, die auch einzeln in der Anklageschrift aufgeführt werden müssen (MEYER, a.a.O., S. 139).
g) Nach
Art. 6 Ziff. 3 lit. a EMRK
hat der Beschuldigte auf jeden Fall im Zeitpunkt der Anklageerhebung mindestens das Recht darauf, "in allen Einzelheiten über die Art und den Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigungen in Kenntnis gesetzt zu werden" (vgl. ARTHUR HAEFLIGER, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, Bern 1993, S. 176 ff.), wodurch der Angeklagte vor Überraschung und Überrumpelung geschützt und ihm eine effektive Verteidigung ermöglicht werden soll (vgl. VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention, Zürich 1993, N. 496). Aus
Art. 6 Ziff. 3 EMRK
ergeben sich damit offensichtlich keine strengeren Anforderungen an den Inhalt der Anklageschrift, als dies nach den vorstehenden Ausführungen bereits aufgrund von
Art. 126 BStP
der Fall ist (vgl.: HAEFLIGER, EMRK, a.a.O., S. 176 ff.; TRECHSEL, a.a.O., S. 343 ff.; VILLIGER, a.a.O., N. 495 ff.; VOGLER, a.a.O.,
Art. 6 EMRK
, N. 479 ff.; PEUKERT, a.a.O.,
Art. 6 EMRK
, N. 122 ff.).
4.
Die Anklageschrift wird begleitet vom erläuternden Bericht. Der Bundesanwalt legt in diesem Bericht nicht nur dar, weshalb er etwa in einem Punkt Anklage erhebt und warum dies in einem anderen nicht der Fall ist, sondern er erhält damit insbesondere Gelegenheit zu Rechtserörterungen und Hinweisen über die Beweislage (Angabe der Beweismittel und ihre Würdigung). Der Bericht enthält hingegen wenig Tatsächliches, denn er ist keine
BGE 120 IV 348 S. 358
Wiederholung des Schlussberichts des Untersuchungsrichters sondern eine verarbeitete Zusammenfassung von Untersuchungsergebnissen (vgl. LÜTHI, a.a.O., S. 143). Der erläuternde Bericht soll den Angeschuldigten, den Verteidiger, aber auch das Gericht in gedrängter Form über den Stand der Ermittlungen, die Beweislage und alle sonst für die Entscheidung relevanten, nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens erkennbaren Umstände unterrichten; da auch er wie die Anklageschrift nicht Parteischrift ist, soll er eine neutrale Darstellung der be- und entlastenden Umstände enthalten, die das Ermittlungsverfahren zutage gefördert hat. Das bereits in der Anklageschrift dargestellte Tatgeschehen braucht nicht wiederholt zu werden; dieses Vorgehen kann sich indessen bei umfangreichen oder verwickelten Sachverhalten empfehlen. Der erläuternde Bericht setzt sich auch insbesondere mit den Prozessvoraussetzungen auseinander.
5.
Die vorliegende Anklageschrift einschliesslich des erläuternden Berichts des Vertreters des Bundesanwalts genügt den vorstehend umschriebenen Anforderungen nicht, die im Bundesstrafprozess an eine solche Prozessschrift zu stellen sind.
a) Die Darstellung des Sachverhalts mit stichwortartiger Darstellung von 21 Warenlieferungen, die zu drei irakischen Projekten gehören sollen, erlaubt es nicht, zu bestimmen, welche konkreten Tatbeiträge im Zusammenhang mit diesen einzelnen konkreten Lieferungen den einzelnen Angeklagten vorgeworfen werden. Es fehlen insbesondere auch Ausführungen über die Zuordnung der einzelnen Lieferungen zu den jeweiligen irakischen Projekten und - damit im Zusammenhang stehend - Angaben von konkreten Anhaltspunkten für ihre Qualifikation als Kriegsmaterial.
b) Die Darstellung der Tatbeiträge der einzelnen Angeklagten lässt auch sonst nicht erkennen, welche konkreten Handlungen bzw. Unterlassungen jedem Angeklagten vorgeworfen werden.
c) In subjektiver Hinsicht wird allen Angeklagten vorgeworfen, dass sie mit Wissen und Willen gehandelt bzw. mindestens billigend in Kauf genommen hätten, den verpönten Erfolg und die verpönte Gefahr (Versuch) zu bewirken, oder massgebend zu unterstützen. Der - ohne Differenzierung hinsichtlich der konkreten jeweiligen Tatbeiträge der einzelnen Angeklagten - beigefügte bloss allgemeine Hinweis auf die administrative und betriebliche Stellung sowie Ausbildung und Erfahrung der Angeklagten und auf Indizien für ein Waffengeschäft ("objektive Beschaffenheit des Materials", "Umstände der
BGE 120 IV 348 S. 359
Auftragserteilung", "Umstände im Laufe der Abwicklung des Auftrages"), ohne dass dargelegt wird, aus welchen konkreten Tatsachen sich diese bei welchen Angeklagten ergeben, vermag den Anforderungen, die in subjektiver Hinsicht an die genügende Individualisierung und Konkretisierung der den Angeklagten vorgeworfenen Taten zu stellen sind, offensichtlich nicht zu genügen. Der dazu angebrachte Hinweis im erläuternden Bericht, ausführliche Bemerkungen zu den diesbezüglichen Indizien ergäben sich aus dem Schlussbericht (Seiten 222 bis 245), in einer allfälligen Hauptverhandlung würden sie zu konkretisieren sein, ändert nichts daran. Auch wenn dieser Teil des Schlussberichts als integrierender Bestandteil der Anklageschrift bzw. des erläuternden Berichts betrachtet würde, sind die Anforderungen an die Anklage nicht erfüllt. Dasselbe gilt für die Seiten 248 bis 253 des Schlussberichts. Der Vertreter des Bundesanwalts wird anführen müssen, welches strafbare Verhalten er den einzelnen Beschuldigten konkret zur Last legt.
d) Die in der Anklageschrift angeführten Beweismittel lassen im einzelnen nicht erkennen, welchen konkreten Anklagevorwürfen sie zuzuordnen sind. Die gewählte Darstellung mit der undifferenzierten Verweisung auf nahezu alle Akten erlaubt den Angeklagten daher nicht, sich in Kenntnis der ihnen vorgeworfenen Tathandlungen bzw. Unterlassungen auf ihre Verteidigung einzurichten. Zu beanstanden sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Verweisungen auf ganze Ordner.
Der Hinweis, es sei schwer vorauszusehen, wie viele der angeführten Beweismittel in einem allfälligen Gerichtsverfahren verwendet werden müssten, dies hänge weitgehend von der Haltung der Angeklagten, aber auch vom Grad der geforderten Unmittelbarkeit des Verfahrens und vom Gang der Verhandlung ab, vermag die fehlende Zuordnung und Konkretisierung der Beweismittel nicht zu ersetzen. In der Anklageschrift oder im erläuternden Bericht sind jene Beweismittel anzuführen, aufgrund welcher der Vertreter des Bundesanwalts den Anklagesachverhalt als beweisbar betrachtet.
e) Aus diesen Gründen erfüllt die vorliegende Anklageschrift einschliesslich des erläuternden Berichts nicht die Umgrenzungs- und Informationsfunktion, die ihr nach
Art. 126 BStP
und
Art. 6 Ziff. 3 lit. a EMRK
zukommt, weshalb die Anklage vorläufig nicht zugelassen werden kann.
Da nicht ersichtlich ist, inwiefern eine bessere Aufklärung des Sachverhaltes notwendig wäre, wird die Anklage daher zur Verbesserung im
BGE 120 IV 348 S. 360
Sinne der vorstehenden Erwägungen an den Vertreter des Bundesanwalts zurückgewiesen.