Urteilskopf
120 V 224
32. Urteil vom 29. Juli 1994 i.S. G. gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt und Versicherungsgericht des Kantons Aargau
Regeste
Art. 37 Abs. 2 und 3 UVG
.
- Zur Abgrenzung der Bestimmungen von
Art. 37 Abs. 2 und 3 UVG
(Erw. 2c).
- Begriff des Vergehens gemäss
Art. 37 Abs. 3 UVG
(Erw. 2d).
Art. 37 Abs. 3 UVG
,
Art. 91 Abs. 1 SVG
,
Art. 12 StGB
,
Art. 263 StGB
. Kürzung oder Verweigerung von Geldleistungen nach Unfällen, die sich beim Führen eines Motorfahrzeuges in angetrunkenem Zustand ereignet haben (Erw. 3).
Art. 37 Abs. 3 UVG
.
-
Art. 37 Abs. 3 UVG
räumt kein Entschliessungsermessen in dem Sinne ein, dass der UVG-Versicherer frei darüber entscheiden könnte, ob eine Sanktion zu verfügen ist oder nicht (Erw. 4b).
- Bestätigung der SUVA-Praxis, wonach bei Unfällen unter Alkoholeinfluss der Kürzungssatz vom Ausmass der Trunkenheit abhängig ist (Erw. 4c).
A.-
Der 1951 geborene R. G. war als Inhaber der Firma P. Metallbau-Montagen bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) für Betriebs- und Nichtbetriebsunfall versichert. Am 2. Februar 1991, kurz nach 21.00 Uhr, fuhr er mit seinem Personenwagen auf der Hauptstrasse von N. Richtung M. In einer leichten Linkskurve kam er von der Strasse ab, überfuhr den Dorfbach und kollidierte mit einem Stromleitungsmasten. R. G. wurde aus dem sich überschlagenden Fahrzeug geschleudert und war auf der Stelle tot. Die im Pathologischen Institut des Kantonsspitals Aarau durchgeführte Blut-Alkoholbestimmung ergab eine Alkoholkonzentration von 2,85 bis 3,15%o.
Mit Verfügung vom 14. Januar 1992 sprach die SUVA der hinterlassenen Ehefrau und dem Sohn des Verstorbenen ab 1. März 1991 eine Witwen- sowie eine Waisenrente zu, welche sie nach
Art. 37 Abs. 3 UVG
um 50% kürzte. Mit Einspracheentscheid vom 9. April 1992 bestätigte sie diese Verfügung.
B.-
Die von den Hinterlassenen gegen die verfügte Leistungskürzung erhobene Beschwerde wurde vom Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 23. November 1992 abgewiesen.
C.-
D. G. und S. G. lassen Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben, sinngemäss mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids und des Einspracheentscheids vom 9. April 1992 sei die SUVA zu verpflichten, die Hinterlassenenrenten ungekürzt auszurichten; eventuell sei die Kürzung auf 10% herabzusetzen.
Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, hat sich das Bundesamt für Sozialversicherung zur Sache nicht vernehmen lassen.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
2.
Streitig und im folgenden zu prüfen ist, ob die SUVA die den Beschwerdeführern zustehenden Hinterlassenenleistungen zu Recht wegen schuldhafter Herbeiführung des Unfalls um 50% gekürzt hat.
a) Wie das Eidg. Versicherungsgericht in Änderung seiner früheren Praxis (
BGE 111 V 201
) festgestellt hat, sind die Bestimmungen von Art. 32 Ziff. 1 lit. e des Übereinkommens Nr. 128 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) und Art. 68 lit. f der Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit (EOSS) direkt anwendbar (
BGE 119 V 171
ff.). Daraus folgt, dass auch im Rahmen der obligatorischen Unfallversicherung Leistungskürzungen wegen grobfahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls (
Art. 37 Abs. 2 UVG
) ausgeschlossen sind (RKUV 1994 Nr. U 193 S. 152 ff.,
BGE 120 V 128
), wogegen die Kürzung oder Verweigerung von Leistungen infolge Herbeiführung eines Unfalles bei Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens insoweit zulässig bleibt, als sie Leistungen an den anspruchsberechtigten Versicherten zum Gegenstand hat (vgl. Art. 68 lit. e in Verbindung mit
Art. 33 EOSS
sowie
BGE 119 V 244
ff. Erw. 3). Der staatsvertragliche Ausschluss der Leistungskürzung oder -verweigerung beschränkt sich indessen auf die Berufsunfallversicherung und findet auf die Versicherung von Nichtberufsunfällen keine Anwendung (
BGE 118 V 309
Erw. 4b). Ob die im vorliegenden Fall angefochtene Kürzung der Hinterlassenenleistungen rechtmässig ist, beurteilt sich somit allein nach dem Landesrecht.
b) Hat der Versicherte den Unfall grobfahrlässig herbeigeführt, so werden die Geldleistungen gekürzt. Die Kürzung beträgt jedoch höchstens die Hälfte der Leistungen, wenn der Versicherte im Zeitpunkt des Unfalles für Angehörige zu sorgen hat, denen bei seinem Tode Hinterlassenenrenten zustehen würden, oder wenn er an den Unfallfolgen stirbt (
Art. 37 Abs. 2 UVG
).
Hat der Versicherte den Unfall bei Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt, so können die Geldleistungen gekürzt oder in besonders schweren Fällen verweigert werden. Hat der Versicherte im Zeitpunkt des Unfalles für Angehörige zu sorgen, denen bei seinem Tode Hinterlassenenrenten zustünden, oder stirbt er an den Unfallfolgen, so werden Geldleistungen höchstens um die Hälfte gekürzt (
Art. 37 Abs. 3 UVG
).
c) Die Bestimmung von
Art. 37 Abs. 3 UVG
unterscheidet sich von derjenigen gemäss Abs. 2 dieses Artikels zunächst dadurch, dass die Geldleistungen im Falle der Herbeiführung des Unfalles bei Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens nicht nur gekürzt, sondern in besonders schweren Fällen auch verweigert werden können. Bezüglich ihrer Anwendbarkeit unterscheiden sich die Bestimmungen darin, dass Abs. 3 die Erfüllung eines objektiven Straftatbestandes und nicht notwendigerweise Absicht oder Grobfahrlässigkeit voraussetzt. Der Unfall muss nicht zwingend schuldhaft herbeigeführt worden sein; es genügt, wenn er bei (anlässlich) der Begehung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt wurde (vgl. MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, Bern 1985, S. 482). Wird der Unfall gleichzeitig grobfahrlässig und bei Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt, findet
Art. 37 Abs. 3 UVG
als lex specialis Anwendung. Ist eine strafbare Handlung lediglich als Übertretung zu qualifizieren und wurde der Unfall grobfahrlässig herbeigeführt, gelangt
Art. 37 Abs. 2 UVG
zur Anwendung (RUMO-JUNGO, Die Leistungskürzung oder -verweigerung gemäss
Art. 37-39 UVG
, Diss. Freiburg 1993, S. 170).
d) Der Begriff des Vergehens gemäss
Art. 37 Abs. 3 UVG
bestimmt sich nach
Art. 9 Abs. 2 StGB
(
BGE 119 V 245
Erw. 3a mit Hinweisen). Danach gelten als Vergehen die mit Gefängnis als Höchststrafe bedrohten Handlungen. Soweit es das Gesetz vorsieht, gehören dazu auch fahrlässig begangene Handlungen (
Art. 18 StGB
). Kein Vergehen im Sinne von
Art. 37 Abs. 3 UVG
liegt vor, wenn der Versicherte die strafbare Handlung im Zustand der Unzurechnungsfähigkeit begangen hat (
Art. 11 StGB
). Wurde der Zustand der Unzurechnungsfähigkeit vom Handelnden selbst herbeigeführt, um in diesem Zustand eine strafbare Tat auszuführen, oder hat der Handelnde die Unzurechnungsfähigkeit insofern fahrlässig herbeigeführt, als er die Erfüllung eines Straftatbestandes voraussehen konnte oder musste, findet
Art. 11 StGB
nicht Anwendung (
Art. 12 StGB
;
BGE 117 IV 294
Erw. 2 mit Hinweisen). Die Leistungen sind alsdann trotz Unzurechnungsfähigkeit im Zeitpunkt der Tat gemäss
Art. 37 Abs. 3 UVG
zu kürzen oder zu verweigern (RUMO-JUNGO, a.a.O., S. 171).
3.
Zu prüfen ist zunächst, ob der Unfall vom 2. Februar 1991 im Sinne von
Art. 37 Abs. 3 UVG
bei Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt wurde.
a) Gemäss
Art. 91 Abs. 1 SVG
wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft, wer ein Motorfahrzeug in angetrunkenem Zustand führt. Nach der
BGE 120 V 224 S. 228
Legaldefinition des
Art. 9 Abs. 2 StGB
handelt es sich um ein Vergehen im strafrechtlichen Sinn, welches nicht nur strafbar ist, wenn es vorsätzlich, sondern auch wenn es fahrlässig begangen wird (
Art. 100 Ziff. 1 SVG
).
War der Täter zum Zeitpunkt der Tatbegehung nicht zurechnungsfähig, kann er nur unter den Voraussetzungen von
Art. 12 StGB
betreffend die sog. actio libera in causa oder von
Art. 263 StGB
betreffend die Verübung einer Tat in selbstverschuldeter Unzurechnungsfähigkeit bestraft werden. Für das Fahren in angetrunkenem Zustand bedeutet dies, dass eine allfällige Unzurechnungsfähigkeit des Fahrzeuglenkers unbeachtlich ist, wenn er zur Zeit, als er noch nicht unzurechnungsfähig war, zumindest in Kauf nahm, dass er in angetrunkenem Zustand noch ein Fahrzeug lenken würde ([eventual]-vorsätzliche actio libera in causa). Hätte der Fahrzeuglenker zur Zeit, als er noch nicht unzurechnungsfähig war, bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit voraussehen können, dass er in angetrunkenem Zustand noch fahren würde (fahrlässige actio libera in causa), ist er wegen fahrlässigen Fahrens in angetrunkenem Zustand zu verurteilen (
BGE 117 IV 295
Erw. 2). Ist weder der Tatbestand der vorsätzlichen noch der fahrlässigen actio libera in causa gegeben, kommt
Art. 263 StGB
zur Anwendung, wonach mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Busse bestraft wird, wer infolge selbstverschuldeter Trunkenheit oder Betäubung unzurechnungsfähig ist und in diesem Zustand eine als Verbrechen oder Vergehen bedrohte Tat verübt (
BGE 104 IV 249
,
BGE 93 IV 41
Erw. 2; SUVA-Rechtsprechungsbericht 1987 Nr. 7 S. 13).
b) Im vorliegenden Fall steht aufgrund der polizeilichen Ermittlungen fest, dass R. G. am Freitag, dem 1. Februar 1991, um ca. 20.00 Uhr die eheliche Wohnung verliess und die Nacht auswärts verbrachte. Am darauffolgenden Samstag besuchte er einen Kollegen in M., mit welchem er das Mittagessen einnahm. Um ca. 16.00 Uhr verabschiedete er sich, wobei er erwähnte, er werde sich nach Hause begeben. Vor dem Unfall hielt er sich indessen noch im Restaurant K. in N. auf. In der Folge ereignete sich der tödliche Unfall, bei welchem R. G. eine Blutalkoholkonzentration von 2,85 bis 3,15%o aufwies.
In welchem Zeitpunkt R. G. mit dem Trinken begonnen hatte, lässt sich den Akten nicht entnehmen und heute nicht mehr abklären. Fest steht indessen, dass R. G. seinen Wohnort mit dem eigenen Personenwagen verlassen und bei Trinkbeginn vorausgesehen hat bzw. bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit voraussehen musste, dass er noch ein Motorfahrzeug steuern werde. Ob er bei Antritt der Unfallfahrt im Sinne von
Art. 10 StGB
unzurechnungsfähig war,
BGE 120 V 224 S. 229
ist nicht entscheidend. Denn wer die Weichen für den ins Delikt führenden Geschehensablauf schon in einem Zeitpunkt gestellt hat, in dem er noch uneingeschränkt verantwortlich war, hat die strafrechtlich bedeutsame Handlung bereits und noch im Zustand der vollen Zurechnungsfähigkeit begangen. Hat er im Zustand der vollen Zurechnungsfähigkeit fahrlässig die spätere Deliktsbegehung nicht bedacht, so ist er in Anwendung der allgemeinen Zurechnungsregeln, d.h. insbesondere von
Art. 18 StGB
, wegen fahrlässiger Tatbegehung (fahrlässige actio libera in causa) strafbar (
BGE 117 IV 295
Erw. 2; nicht veröff. Urteil des Bundesgerichts i.S. W. vom 1.3.93; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, Bern 1982, S. 251; SCHULTZ, Einführung in den allgemeinen Teil des Strafrechts, Bd. I, 4. Aufl., Bern 1982, S. 185; NOLL/TRECHSEL, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 3. Aufl., Zürich 1990, S. 133).
Wenn SUVA und Vorinstanz zum Schluss gelangt sind, dass der Verstorbene den Unfall im Sinne von
Art. 37 Abs. 3 UVG
bei Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt hat, verstösst dies in beweisrechtlicher Hinsicht weder gegen
Art. 4 BV
noch gegen
Art. 6 Ziff. 2 EMRK
. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer bedurfte es keines Beweises hinsichtlich der Zurechnungsfähigkeit des Versicherten vor dem Unfallereignis. Denn selbst wenn der Verstorbene unmittelbar vor Antritt der Unfallfahrt unzurechnungsfähig gewesen wäre, hat er den Unfall im Sinne einer fahrlässigen actio libera in causa schuldhaft herbeigeführt. Würde anders entschieden, wäre jedenfalls der Tatbestand von
Art. 263 StGB
gegeben, weil sich der Verstorbene schuldhaft in den Zustand der Unzurechnungsfähigkeit versetzt und in diesem Zustand ein Vergehen (Fahren in angetrunkenem Zustand) verübt hat (
BGE 93 IV 41
Erw. 2). SUVA und Vorinstanz haben die Voraussetzungen für eine Kürzung bzw. Verweigerung der Versicherungsleistungen gemäss
Art. 37 Abs. 3 UVG
somit zu Recht bejaht.
4.
Zu prüfen bleibt das Massliche der verfügten Leistungskürzung.
a) Die Beschwerdeführer berufen sich darauf, dass der SUVA bei der Kürzung oder Verweigerung von Leistungen gemäss
Art. 37 Abs. 3 UVG
ein Entschliessungsermessen zustehe und nach dem Wortlaut der Bestimmung von einer Sanktion abgesehen werden könne. Im Rahmen des Entschliessungsermessens sei zu berücksichtigen, dass in der Nichtbetriebsunfallversicherung die Prämien nur in geringem Masse vom Risiko abhängig seien und die Leistungen eher einen sozialen Ausgleich denn
BGE 120 V 224 S. 230
eine Versicherungsleistung entsprechend dem Äquivalenzprinzip darstellten. Der Zweck von
Art. 37 Abs. 3 UVG
liege in der Prävention; die Bestimmung richte sich gegen denjenigen, welcher ein Verbrechen oder Vergehen begangen habe, und nicht gegen die Hinterlassenen. Von der Lehre werde in solchen Fällen daher der Verzicht auf die Verweigerung von Leistungen postuliert (SCHAER/DUC/KELLER, Das Verschulden im Wandel des Privatversicherungs-, Sozialversicherungs- und Haftpflichtrechts, Basel 1992, S. 144 f.). Hiefür spreche auch die systematische Auslegung des Gesetzes, werde doch in
Art. 37 Abs. 2 UVG
für den Fall der grobfahrlässigen Verursachung des Unfalls eine Kürzung verlangt, wogegen
Art. 37 Abs. 3 UVG
als "Kann-Vorschrift" formuliert sei. Für die von der SUVA nach dem Grad der Alkoholkonzentration abgestufte Leistungskürzung fehle es bezüglich der Hinterlassenenleistungen an einem vernünftigen Grund.
b) Wie bereits die Vorinstanz festgestellt hat, räumt
Art. 37 Abs. 3 UVG
kein Entschliessungsermessen in dem Sinne ein, dass der UVG-Versicherer frei darüber entscheiden könnte, ob eine Sanktion zu verfügen ist oder nicht. Richtig ist, dass nach dem Wortlaut von
Art. 37 Abs. 3 UVG
die Geldleistungen gekürzt oder in besonders schweren Fällen verweigert werden können, wenn der Versicherte den Unfall bei Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt hat, wogegen die Geldleistungen nach
Art. 37 Abs. 2 UVG
gekürzt werden, wenn der Versicherte den Unfall grobfahrlässig herbeigeführt hat. Der SUVA ist indessen darin beizupflichten, dass aus der unterschiedlichen Formulierung nicht auf eine grundlegend andere Regelung der Rechtsfolgen geschlossen werden kann. Vielmehr ergibt sich aus Sinn und Zweck der Bestimmungen, dass die Pflicht zur Kürzung der Leistungen gemäss
Art. 37 Abs. 2 UVG
grundsätzlich auch im Rahmen von
Art. 37 Abs. 3 UVG
Geltung hat. Denn es liesse sich nicht rechtfertigen, die Sanktion beim qualifizierten Tatbestand des bei Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführten Unfalls milder ausfallen zu lassen als beim verschuldensmässig in der Regel weniger ins Gewicht fallenden Tatbestand der grobfahrlässigen Herbeiführung des Unfalls. Die "Kann"-Formulierung von Art. 37 Abs. 3 erlaubt es indessen, Ausnahmefällen Rechnung zu tragen, so beispielsweise, wenn der bei Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführte Unfall nur mit einem geringen oder überhaupt mit keinem Verschulden des Versicherten in Zusammenhang steht (vgl. RUMO-JUNGO, a.a.O., S. 219). Ferner kann berücksichtigt werden, dass Verbrechen und Vergehen in Notwehr oder
BGE 120 V 224 S. 231
Notstand (
Art. 33 und 34 StGB
) nicht strafbar sind und daher auch zu keiner Sanktion gemäss
Art. 37 Abs. 3 UVG
Anlass geben (MAURER, a.a.O., S. 512; RUMO-JUNGO, a.a.O., S. 169).
Dem Umstand, dass bei den Hinterlassenenleistungen die Sanktion nicht den Unfallverursacher trifft, hat der Gesetzgeber mit
Art. 37 Abs. 3 UVG
in der Weise Rechnung getragen, dass die Leistungen nicht gänzlich verweigert und höchstens im Umfang von 50% gekürzt werden dürfen. Soweit in der Lehre die Auffassung vertreten wird, gegenüber den Hinterlassenen des bei Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens Getöteten sei auf jede Leistungskürzung zu verzichten, handelt es sich um Erwägungen de lege ferenda, die gegebenenfalls vom Gesetzgeber zu berücksichtigen sind. Sie vermögen den Richter, welcher an das Gesetz gebunden ist (
Art. 113 Abs. 3 und
Art. 114bis Abs. 3 BV
), zu keinem andern Schluss zu führen.
c) Die SUVA ist bei der Festsetzung der Leistungskürzung von den Empfehlungen der inoffiziellen Ad-hoc-Kommission der Schadenleiter der UVG-Versicherer ausgegangen. Diese stellen zwar keine Weisungen an die Durchführungsorgane der obligatorischen Unfallversicherung dar und sind insbesondere für den Richter nicht verbindlich. Sie sind jedoch geeignet, eine rechtsgleiche Praxis sicherzustellen, weshalb sie bei der Festsetzung der Leistungskürzung zu berücksichtigen sind (
BGE 114 V 318
Erw. 5c). Die Praxis der SUVA hält sich auch insofern im Rahmen der gesetzlichen Ordnung, als sie bei Unfällen unter Alkoholeinfluss den Kürzungssatz vom Ausmass der Trunkenheit abhängig macht. Denn es ist offensichtlich, dass mit zunehmendem Alkoholisierungsgrad die Fahrtüchtigkeit abnimmt und gleichzeitig die Unfallgefahr zunimmt. Es ist dem Grundsatze nach daher nicht zu beanstanden, wenn die SUVA bei Unfällen unter Alkoholeinfluss bei einer Alkoholkonzentration von 0,8 bis 1,2%o in der Regel eine Kürzung von 20% vornimmt und den Kürzungssatz für je 0,4 zusätzliche Promille um jeweils 10% erhöht (vgl. auch RUMO-JUNGO, a.a.O., S. 222).
Der im vorliegenden Fall festgestellten Blutalkoholkonzentration von 2,85 bis 3,15%o entspricht praxisgemäss ein Kürzungssatz in Höhe von 70%. Besondere Umstände, welche das Verschulden des Verstorbenen in einem milderen Licht erscheinen liessen oder sonstwie zu berücksichtigen wären, ergeben sich aus den Akten nicht und werden auch von den Beschwerdeführern nicht geltend gemacht. Indem die SUVA die Leistungskürzung auf den gesetzlich zulässigen Höchstsatz von 50% festgesetzt hat, hat sie weder ihr Ermessen missbraucht, noch ist der Entscheid unter dem Gesichtspunkt der
BGE 120 V 224 S. 232
Angemessenheit rechtsfehlerhaft. Hieran ändert entgegen den Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts, dass die Beschwerdeführer am Unfall völlig unbeteiligt waren. Diesem Umstand wird vom Gesetz insoweit Rechnung getragen, als die Leistungskürzung gemäss
Art. 37 Abs. 3 UVG
auf höchstens 50% begrenzt ist. Im übrigen bestimmt sich der Umfang der Leistungskürzung allein nach dem Verschulden des Versicherten.