Urteilskopf
121 III 125
29. Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. März 1995 i.S. ASTA Medica Aktiengesellschaft gegen Peter Lendi und Vereinigung für biologischen Kräuteranbau im Schweizer Berggebiet (Berufung)
Regeste
Patentschutz für eine neue Kamillensorte? (
Art. 1, 1a und 8 Abs. 3 PatG
).
Für eine neue Kamillensorte, die nach dem Sortenschutzgesetz schützbar ist, kann wegen des Doppelschutzverbotes kein Erzeugnispatent erteilt werden. Das gilt unabhängig davon, ob die entsprechende Pflanzenfamilie im Artenverzeichnis aufgeführt ist. Das Doppelschutzverbot steht dagegen der Gewährung derivierten Stoffschutzes im Sinne von
Art. 8 Abs. 3 PatG
nicht entgegen. Im vorliegenden Fall handelt es sich zudem nicht um ein - gemäss
Art. 1a PatG
vom Patentschutz ausgeschlossenes - im wesentlichen biologisches Verfahren (E. 1, 2 und 4).
Auslegung der Patentansprüche (E. 3).
Begriffe des Naheliegens bzw. Nichtnaheliegens, des Analogieverfahrens und der Kombinationserfindung (E. 5a-c). Verneinung des Patentschutzes im konkreten Fall, weil es an einer hinreichenden erfinderischen Tätigkeit fehlt (E. 5d).
Die ASTA Medica Aktiengesellschaft ist Inhaberin des am 30. September 1988 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 29. Juli 1983 erteilten Schweizer Patents Nr. 667 180 für ein "Verfahren zur Herstellung der neuen Kamillensorte Manzana". Die Patentansprüche haben folgenden Wortlaut:
"1. Verfahren zur Herstellung von Pflanzen oder Vermehrungsgut der tetraploiden Kamillensorte Manzana der Kulturpflanzenart Echte Kamille (Chamomilla recutita (L.) Rauschert, synonym mit Matricaria chamomilla L., Asteraceae), deren bei 40o C getrocknete Blüten, bezogen auf die Trockensubstanz, mindestens 150 mg% Chamazulen, mindestens 300 mg% (-)-a-Bisabolol und weniger als 50 mg% an übrigen Bisaboloiden aufweisen, dadurch gekennzeichnet, dass die diploide Kamillensorte "DEGUMILL" tetraploidisiert wird und die ausselektierten tetraploiden Pflanzen auf den
BGE 121 III 125 S. 127
erforderlichen Wirkstoffgehalt weiteren Selektions- und Vermehrungsschritten unterworfen werden.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Tetraploidisierung mittels Chemikalien bei Temperaturen zwischen 0 und 35o C, mittels Gammastrahlen, Röntgenstrahlen oder UV-Strahlen bei Temperaturen zwischen 0 und 35o C, mittels hoher Temperaturen von 33-50o C, mittels niedriger Temperaturen von 0-5o C, mittels der Dekapitierungs-Kallus-Methode oder durch Antherenkultur erfolgt.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass nach der Tetraploidisierung
a) eine Selektion der tetraploiden Pflanzen nach Wirkstoffgehalt, nämlich mit mindestens 150 mg% Chamazulen, mindestens 300 mg% Bisabolol und weniger als 50 mg% übrige Bisaboloide, alles bezogen auf die Trockensubstanz, gleichzeitigem Blühtermin, gleichmässiger grundständiger Verzweigung sowie einer Blütenköpfchengrösse von 25-35 mm erfolgt, die so herausselektierten Pflanzen verklont werden und aus den durch die Verklonung erhaltenen Pflanzen Saatgut gewonnen wird,
b) aus dem so erhaltenen Saatgut Nachkommen gezogen werden, anschliessend eine Selektion gemäss a) erfolgt und aus den ausselektierten Pflanzen wiederum Saatgut gewonnen wird,
c) die Massnahmen gemäss b) 2-4 mal wiederholt werden,
d) aus dem gemäss c) erhaltenen Saatgut Nachkommen gezogen werden, diese gemäss a) selektiert werden, die so selektierten Pflanzen verklont werden und aus den durch die Verklonung erhaltenen Pflanzen Saatgut gewonnen wird.
4. Kamille oder Kamillenvermehrungsgut, erhalten nach einem der Ansprüche 1-3.
5. Verfahren zur Herstellung einer Kamillendroge aus Blüten der Kamille nach Anspruch 4, die mindestens 150 mg% Chamazulen, mindesten 300 mg% (-)-a-Bisabolol und weniger als 50 mg% an übrigen Bisaboloiden enthält, dadurch gekennzeichnet, dass die Blüten in dem Vegetationsstadium geerntet werden, wo erst 30-70% der Röhrenblüten eines Blütenköpfchens geöffnet sind, und die Blüten bei einer Lufttemperatur von nicht höher als 50o C getrocknet werden.
6. Kamillendroge, die mindesten 150 mg% Chamazulen, mindestens 300 mg% (-)-a-Bisabolol und weniger als 50 mg% an übrigen Bisaboloiden enthält, dadurch gekennzeichnet, dass sie Blüten der Kamille nach Anspruch 4 enthält."
Am 22. Februar 1991 reichten Peter Lendi, der hauptberuflich als Kräuterzüchter tätig ist, und die Vereinigung für biologischen Kräuteranbau im Schweizer Berggebiet (VBKB) gegen die ASTA Medica Aktiengesellschaft Klage ein mit den Anträgen, die Nichtigkeit des Patents der Beklagten gerichtlich festzustellen, dieses im Patentregister zu löschen und sie zu
BGE 121 III 125 S. 128
ermächtigen, das Urteilsdispositiv in der Schweizer Tagespresse zu veröffentlichen.
Mit Urteil vom 16. Dezember 1993 stellte das Handelsgericht des Kantons Bern die Nichtigkeit des Streitpatents fest und ordnete dessen Löschung im Patentregister an. Das Begehren um Urteilsveröffentlichung wies es dagegen ab. Seine Auffassung, wonach das Patent nichtig sei, begründete es zur Hauptsache damit, die Pflanzenzüchtung "Manzana" falle unter die Schutzvoraussetzungen des Sortenschutzgesetzes und sei deshalb gemäss Art. 1a des Patentgesetzes (PatG; SR 232.14) nicht patentfähig. In einer Eventualbegründung verneinte es eine für den Patentschutz hinreichende erfinderische Tätigkeit.
Die Beklagte hat das Urteil des Handelsgerichts mit Berufung angefochten, die vom Bundesgericht abgewiesen wird.
Erwägungen:
1.
a) Das Internationale Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen vom 2. Dezember 1961, das für die Schweiz am 10. Juli 1977 in Kraft getreten ist (UPOV Übereinkommen; SR 0.232.161), verpflichtet die Vertragsstaaten, in die nationalen Gesetzgebungen einen bestimmten Mindestschutz von Pflanzenzüchterrechten aufzunehmen (Art. 5), sei es durch Gewährung eines besonderen Schutzrechts oder eines Patents (Art. 2 Abs. 1). Indessen darf - nach der ursprünglichen Fassung des Übereinkommens - ein Verbandsstaat, dessen innerstaatliches Recht den Schutz in diesen beiden Formen zulässt, nur eine von ihnen für die gleiche botanische Gattung oder Art vorsehen (Doppelschutzverbot; Art. 2 Abs. 1). Seit der Revision des Übereinkommens im Jahre 1978 (SR 0.232.162) ist diese Bestimmung allerdings insoweit nicht mehr zwingend, als Art. 37 des Übereinkommens neu hinzukommenden Mitgliedstaaten ermöglicht, eine in ihren nationalen Rechten bestehende Doppelschutzmöglichkeit trotz Beitritts zum Übereinkommen beizubehalten. Mit einer weiteren, von der Schweiz unterzeichneten, aber noch nicht in Kraft getretenen Änderung des Übereinkommens vom 19. März 1991 wird den Vertragsstaaten allgemein die Möglichkeit gegeben, das Doppelschutzverbot aufzuheben (vgl. Biotechnologie und Patentrecht, Bericht des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements, August 1993, S. 20).
b) Im internationalen Patentrecht befasste sich erstmals das Übereinkommen zur Vereinheitlichung gewisser Begriffe des materiellen Rechts der
BGE 121 III 125 S. 129
Erfindungspatente (vom 27. November 1963; SR 0.232.142.1) mit der Biotechnologie, indem es in Art. 2 lit. b den Vertragsstaaten freistellte, für Pflanzensorten oder Tierarten sowie für im wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren die Erteilung von Patenten vorzusehen, mit Ausnahme der mikrobiologischen Verfahren und der mit deren Hilfe gewonnen Erzeugnisse, die dem Patentschutz zugänglich zu machen waren. Das Europäische Patentübereinkommen aus dem Jahre 1973 (EPÜ; SR 0.232.142.2) sodann schliesst in Art. 53 lit. b Pflanzensorten oder Tierarten sowie im wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren von der Patentierbarkeit aus. Damit stimmt
Art. 1a PatG
, der am 1. Januar 1978 in Kraft getreten ist, inhaltlich überein.
c) Für die Beurteilung des vorliegenden Falls - insbesondere die Auslegung von
Art. 1a PatG
- ist das im folgenden zu erörternde Verhältnis zwischen Sortenschutz und Patentrechtsschutz von entscheidender Bedeutung.
aa) Das Rechtsinstitut des Sortenschutzes ist historisch aus dem technischen Verständnis des Patentrechts zu begreifen. In der im 19. Jahrhundert breit einsetzenden Entwicklung der europäischen Patentrechtssetzung stand der Gedanke der Förderung der industriell und gewerblich anwendbaren Technik im Vordergrund. Zu diesem Zweck ermöglichte das Patentrecht die zeitlich beschränkte Monopolisierung gewerblich anwendbarer Lehren zum technischen Handeln mit "toter Materie". Verfahren zur Behandlung von Lebewesen wurden nicht als zum Gebiet der Technik gehörend betrachtet, da deren Erfolg nach damaliger Auffassung wesentlich von der selbständigen, das heisst technisch nicht beherrschbaren Funktion der lebenden Natur abhing und damit dem patentgemässen Erfordernis der Wiederholbarkeit, der überschaubaren Kausalkette vom technischen Einsatz zum angestrebten Erfolg, angesichts des mitwirkenden Zufalls der naturgegebenen Aleatorik nicht genügte. Zum gleichen Ergebnis führte die Entwicklung des Patentrechts in den Vereinigten Staaten von Amerika, das nach der "Product-of-Nature-Doctrine" Naturerzeugnisse grundsätzlich nicht als patentfähige Leistungen anerkannte. Zwar wurden in Europa wie in Amerika in Durchbrechung dieser Grundsätze bereits im letzten Jahrhundert Patente für die Züchtung von Hefen, später auch für Bakterien zur Herstellung von Buthylalkohol und Aceton sowie für biologische Antibiotika (Penicillin) erteilt, doch setzte die Diskussion über die Patentfähigkeit von Pflanzenzüchtungen erst in den dreissiger Jahren dieses Jahrhunderts
BGE 121 III 125 S. 130
ein. Diese mündete, im Bestreben, den technischen Erfindungsbegriff nicht übermässig aufzuweichen, in einen eigenständigen Schutz von Züchterrechten (vgl. zum Ganzen: BENKARD/BRUCHHAUSEN, Patentgesetz, 9. Aufl., N. 8 zu § 2 DPatG; STRAUS, Gewerblicher Rechtsschutz für biotechnologische Erfindungen, S. 56 ff.; MOUFANG, Genetische Erfindungen im gewerblichen Rechtsschutz, S. 81 ff.; STAMM, Biotechnologische Erfindungen, in Kernprobleme des Patentrechts, S. 159 ff.). Folge dieser Gabelung des Rechtsschutzes ist das Doppelschutzverbot, wie es in Art. 2 des UPOV Übereinkommens und in
Art. 1a PatG
seinen Niederschlag gefunden hat.
bb) Das Aufkommen der Gentechnologie hat die Beschäftigung mit Organismen in den Bereich der Technik gerückt und dazu geführt, dass der Grundsatz des Patentierungsausschlusses dogmatisch relativiert wurde. Folge davon war eine weltweite Zunahme von Patenterteilungen für biotechnologische Erfindungen und eine neu entfachte Diskussion über die Rechtfertigung von Patentierungsausschlüssen im Sinne von
Art. 1a PatG
und des Doppelschutzverbots (vgl. dazu VON PECHMANN, Zum Problem des Schutzes gentechnologischer Erfindungen bei Pflanzen durch Sortenschutz und/oder Patente, GRUR 1985, S. 717 ff.; STRAUS, Pflanzenpatente und Sortenschutz - Friedliche Koexistenz -, GRUR 1993, S. 794 ff.; DI CERBO, Die Patentierbarkeit von Tieren, GRUR Int. 1993, S. 399 ff.). Diese Entwicklung hat denn auch das Bundesamt für geistiges Eigentum dazu veranlasst, im Jahre 1986 seine Prüfungsrichtlinien zu
Art. 1a PatG
zu ändern (vgl. PMMBl 1986 I S. 36 ff.). In den geänderten Richtlinien wird namentlich darauf hingewiesen,
Art. 1a PatG
sei als Ausnahmebestimmung zur allgemeinen Regel von
Art. 1 Abs. 1 PatG
formuliert und dementsprechend eng auszulegen. Sodann wird angekündigt, das Amt werde zukünftig Erzeugnisansprüche zum Patent zulassen, die ganze Pflanzen oder deren Vermehrungsmaterial beträfen, in denen aber keine Pflanzensorte spezifiziert sei, das heisst die nur solche Merkmale enthielten, welche für mehrere Sorten (z.B. für eine ganze Gattung) gälten. Zu diesen Richtlinien ist hier festzuhalten, dass sie weder Gesetzeskraft haben noch für rechtsanwendende Behörden verbindlich sind (vgl.
BGE 120 II 137
E. 2b S. 139 mit Hinweisen). Davon abgesehen kommt ihnen im vorliegenden Fall ohnehin keine Bedeutung zu, wie sich im folgenden zeigen wird.
Der weitgehende Wegfall der technischen Hindernisse für die Patentierbarkeit biotechnologischer Erfindungen hat indessen zu einer
BGE 121 III 125 S. 131
grundsätzlichen Diskussion auf neuer Grundlage geführt, indem der Bio- und Gentechnologie zunehmend Einwände aus religiösen, ethischen oder ökologischen Überlegungen entgegengesetzt werden (vgl. zit. Bericht des EJPD, S. 7 und S. 27 ff.; GRÜTTER/PADRUTT, Patentierung von Lebewesen: Kamille als Versuchsballon, Plädoyer 1994, S. 27 ff., insbes. S. 35). Zur Zeit sind in der Schweiz verschiedene parlamentarische Vorstösse sowie Gesetzesprojekte oder Anträge zum Beitritt zu internationalen Abkommen hängig, welche diese Fragen betreffen (vgl. BBl 1994 IV 1 und 777 ff.: Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum, Art. 27 Ziff. 3; BBl 1993 III 706 ff. und 1989 III 232 ff.). Unter diesen Umständen hat es die Vorinstanz zu Recht abgelehnt, bei ihrer Entscheidfindung die divergierenden Meinungen in der einen oder andern Richtung mitzuberücksichtigen. Sie ist vielmehr zutreffend davon ausgegangen, die Gesetzesauslegung sei im vorliegenden Fall nach der üblichen, auf die Regelungsabsicht des Gesetzgebers abstellenden Methode vorzunehmen, da nicht eindeutig feststellbar ist, dass sich die Realien seit dem Erlass der massgebenden Artikel des Patentgesetzes geändert haben (vgl. dazu
BGE 116 II 525
E. 2b S. 527 f.).
d) Für den vorliegenden Fall von Bedeutung ist schliesslich
Art. 8 Abs. 3 PatG
, wonach sich das Recht aus einem Verfahrenspatent auch auf die unmittelbaren Verfahrenserzeugnisse erstreckt. Die Vorinstanz verneint für das hier streitige Patent die Möglichkeit eines solchen derivierten Stoffschutzes mit der Hauptbegründung, der Patentierungsausschluss für Pflanzensorten nach
Art. 1a PatG
gehe
Art. 8 Abs. 3 PatG
vor. Diese Auffassung steht indessen im Widerspruch zu jener, welche der Bundesrat in der Botschaft vom 16. August 1989 zur Änderung des Patentgesetzes vertreten hat (BBl 1989 III 232 ff.). Dort (S. 252) wurde darauf hingewiesen, der derivierte Stoffschutz komme auch dann in Frage, wenn das Erzeugnis selbst nicht gültig patentiert werden könne, weil es zum Beispiel aufgrund einer Sonderregel von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sei. Die Meinung des Bundesrats stützt sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu
Art. 8 Abs. 3 PatG
(Urteile vom 22. September 1970 und 24. Februar 1966, abgedruckt in SMI 1971 S. 29 ff. und 1966 S. 133 f.).
An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Nicht zu überzeugen vermag der Einwand der Vorinstanz, die konsequente Anwendung der Praxis führe zum Schutz von Erzeugnissen, die gemäss
Art. 2 lit. a PatG
wegen Verstosses gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten von der Patentierung
BGE 121 III 125 S. 132
ausgeschlossen seien. Damit wird verkannt, dass
Art. 2 lit. a PatG
nicht bloss Erzeugnisse, sondern ebenso Verfahren von der Patentierung ausschliesst, deren Veröffentlichung oder Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstossen. Verfahrenspatente beziehen sich ihrem Wesen nach auf die Herstellung von Erzeugnissen, auf bestimmte Arbeitsvorgänge oder die Verwendung eines Stoffs. Geht es um ein Herstellungsverfahren, führt dieses notwendigerweise zu einem näher zu bezeichnenden Endprodukt. Widerspricht aber dessen Bekanntgabe oder Verwendung der öffentlichen Ordnung oder den guten Sitten, so versteht sich von selbst, dass auch das Herstellungsverfahren nicht patentierbar ist.
Für den hier interessierenden Bereich stellt sich indessen die zusätzliche Frage, ob dem derivierten Stoffschutz für eine sortenspezifische Pflanze nicht das Doppelschutzverbot entgegenstehe. In der Tat wird in der Literatur zum Teil die Auffassung vertreten, eine Pflanzensorte könne als unmittelbares Erzeugnis eines patentierten Züchtungsverfahrens nur geschützt werden, wenn sie auch selbständigen Patentschutzes fähig wäre (vgl. MOUFANG, Genetische Erfindungen im gewerblichen Rechtsschutz, S. 380 f.). Andere Autoren sind indessen, im wesentlichen mit der gleichen Begründung, wie sie in der Botschaft des Bundesrates vom 16. August 1989 angeführt wird, gegenteiliger Meinung (vgl. VON PECHMANN, a.a.O., S. 723). Diese zweite Meinung ist durchaus vereinbar mit dem Doppelschutzverbot, so wie es im geltenden schweizerischen Recht durch die Abgrenzung zwischen Sorten- und Patentschutz Ausdruck gefunden hat. Danach bildet Gegenstand des Sortenschutzes dessen Wesen nach das Züchterrecht, das begrifflich an biologische Verfahren anknüpft. Dem trägt das Recht der Verfahrenspatente insoweit Rechnung, als mit dem Ausschluss der im wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung von Pflanzensorten vom Patentschutz (
Art. 1a PatG
) verhindert werden soll, dass über
Art. 8 Abs. 3 PatG
ein Patentschutz der Sorte selbst erreicht werden kann. Das schliesst indessen nicht aus, einem patentfähigen biotechnologischen Verfahren den derivierten Stoffschutz beizugeben. Dafür spricht denn auch, dass es kaum einen Sinn hätte, dem Verfahren Patentschutz zu gewähren, dem damit gewonnenen Erzeugnis dagegen patentrechtlichen Stoffschutz zu versagen. Wirtschaftliches Ziel des Verfahrenspatents ist regelmässig das Verwertungsrecht über das verfahrensgemässe Endprodukt. Zudem darf nicht übersehen werden, dass sich der Sortenschutz auf alle Individuen einer konkreten und homogenen
BGE 121 III 125 S. 133
Pflanzenmehrheit erstreckt (vgl. Art. 12 Sortenschutzgesetz), der derivierte Stoffschutz aus einem Pflanzenzüchtungsverfahren dagegen solche Benutzungshandlungen Dritter nicht berührt, die sich auf unabhängig vom geschützten Verfahren erzeugte und vermehrte Individuen derselben Pflanzenmehrheit beziehen. In diesem Sinne gewährt der derivierte Stoffschutz nur einen eingeschränkten Patentschutz des Erzeugnisses. Damit besteht keine Veranlassung, Pflanzenzüchtungen von der Rechtsprechung zum derivierten Stoffschutz nicht selbständig patentierbarer Erzeugnisse auszunehmen.
2.
a) Aus den dargelegten Gründen schliesst das schweizerische Recht die Erteilung eines Erzeugnispatents für eine Pflanzensorte aus. Und zwar gilt das entgegen der Meinung der Beklagten unabhängig davon, ob sie im Artenverzeichnis (Art. 4 Abs. 1 Sortenschutzverordnung; SR 232.161) aufgeführt ist oder nicht. Der Umstand, dass die Familie der Korbblütler (Asteraceae) im Zeitpunkt der Patentanmeldung noch nicht in das Artenverzeichnis aufgenommen worden war, sondern dies erst mit der Änderung der Sortenschutzverordnung vom 11. Juni 1990 geschah (vgl. AS 1990 1030), ändert nichts an der Anwendbarkeit von
Art. 1a PatG
. Nach schweizerischem Recht beschränkt sich der Patentierungsausschluss nicht auf Sorten, die im Artenverzeichnis aufgezählt sind.
Da sich die Rechtslage insoweit von jener in Deutschland unterscheidet, kann nicht - im Sinne einer harmonisierten Auslegung staatsvertraglich bestimmter nationaler Regelungen - auf die deutsche Rechtsprechung zur Frage des Patentschutzes für die Kamillensorte "Manzana" abgestellt werden (vgl. insbes. den Entscheid des BGH vom 30. März 1993, abgedruckt in GRUR 1993, S. 651 ff.). Das deutsche Recht sah bis zum Jahre 1992 nur einen beschränkten Patentierungsausschluss von Pflanzensorten vor (BENKARD/BRUCHHAUSEN, a.a.O., N. 8 zu § 2 DPatG). Der umfassende Schutz, den das - im übrigen noch nicht endgültig bestätigte - deutsche Patent der Kamillensorte "Manzana" für sich selbst und das Vermehrungsgut, für das Herstellungsverfahren und die Verarbeitung sowie Verwendung als Droge gewährt, erklärt sich denn auch im wesentlichen daraus, dass die Kamille im deutschen Artenverzeichnis zum Sortenschutz nicht enthalten war (vgl. VON PECHMANN, Ausschöpfung des bestehenden Patentrechts für Erfindungen auf dem Gebiet der Pflanzen- und Tierzüchtungen unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesgerichtshofs-Tollwutvirus GRUR 1987, S. 476). Dass der BGH sodann trotz des Doppelschutzverbots und des Umstands, dass für die
BGE 121 III 125 S. 134
Kamillensorte "Manzana" in der früheren DDR bereits Sortenschutz gewährt worden war, den Patentschutz nicht ausschloss, liegt in den Besonderheiten der Rechtslage nach der deutschen Wiedervereinigung begründet (vgl. dazu STRAUS, Pflanzenpatente und Sortenschutz - Friedliche Koexistenz -, GRUR 1993, S. 794) und vermag das schweizerische Recht nicht zu beeinflussen.
b) Die Patentschrift der Beklagten nennt als Endprodukt der zum Schutz beanspruchten Lehre zum technischen Handeln die "neue Kamillensorte Manzana". Dazu wird im angefochtenen Urteil festgehalten, dieses Erzeugnis erfülle die Kriterien an eine Pflanzensorte im Sinne des Sortenschutzgesetzes und sei daher nach
Art. 1a PatG
nicht patentierbar. Mit der Berufung werden - abgesehen vom soeben (E. 2a) verworfenen Einwand - keine den Begründungsanforderungen von
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
gerecht werdenden Einwände gegen die Erwägungen der Vorinstanz zur Frage der Sortenschutzfähigkeit vorgebracht. Eine Verletzung von Bundesrecht durch die Vorinstanz ist denn auch insoweit nicht ersichtlich, weshalb auch im bundesgerichtlichen Verfahren davon auszugehen ist, die Kamillensorte "Manzana" sei als solche im Sinne von
Art. 1a PatG
vom Patentschutz ausgeschlossen.
3.
Die Vorinstanz ist aufgrund einer Auslegung der Patentansprüche zum Ergebnis gekommen, die Beklagte beanspruche in erster Linie Patentschutz für das Erzeugnis, das heisst die Kamillensorte "Manzana". Es handle sich deshalb nicht um ein Verfahrens- sondern um ein Erzeugnispatent. Daraus schliesst die Vorinstanz, dass Patentanspruch 4 als einziger selbständiger Anspruch zu betrachten sei, von welchem die übrigen Ansprüche abhingen; da Patentanspruch 4 aber wegen Verstosses gegen
Art. 1a PatG
nichtig sei, gelte dies auch für die übrigen Ansprüche. Mit der Berufung wird demgegenüber eingewendet, sowohl die Qualifikation als Erzeugnispatent wie auch die Beurteilung des Verhältnisses zwischen den einzelnen Patentansprüchen sei falsch und verletze Bundesrecht.
Wie es sich damit verhält, kann letztlich offenbleiben, da sich im folgenden zeigen wird, dass das Streitpatent aus anderen Gründen nichtig ist. Immerhin ist anzumerken, dass die Auslegung der Vorinstanz eher unzutreffend erscheint. Aus dem insoweit klaren Wortlaut ergibt sich nämlich, dass das Patent einen unabhängigen und zwei davon abhängige Verfahrensansprüche (Ansprüche 1-3), einen Erzeugnisanspruch (Anspruch 4) und zwei darauf bezügliche Verwendungsansprüche (Ansprüche 5 und 6)
BGE 121 III 125 S. 135
umfasst. Die erstgenannten Ansprüche halten Verfahren und Erzeugnis in eindeutiger Weise auseinander, betreffen allein den patentrechtlichen Verfahrensschutz und definieren damit nicht bloss ein Erzeugnis mittels des Herstellungsverfahrens. Es liegt deshalb kein sogenannter "product-by-process claim" vor, der nach den Prüfungsrichtlinien des Bundesamtes für geistiges Eigentum nicht zugelassen wird (vgl. dazu COMTE, Die Schweiz und die internationale Harmonisierung des Patentrechts, in: Kernprobleme des Patentrechts, S. 461 ff., S. 472 f.). Mit dem Patentanspruch 4 wird sodann nicht Schutz für die Kamillensorte "Manzana" schlechthin verlangt, sondern für Pflanzen oder Vermehrungsgut, das aus einem Verfahren nach den Patentansprüchen 1-3 hergestellt wird. Der Anspruch ist gemäss seiner Formulierung bloss im Lichte des derivierten Stoffschutzes nach
Art. 8 Abs. 3 PatG
zu verstehen, hat mithin keine selbständige, sondern lediglich deklaratorische Bedeutung (vgl. SMI 1971, S. 29 ff.).
4.
Vom Patentschutz ausgeschlossen sind gemäss
Art. 1a PatG
, der wörtlich mit
Art. 53 lit. b EPÜ
übereinstimmt, im wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen. Nach früherer Auffassung war der Begriff des "Biologischen" als Gegensatz zu jenem des "Technischen" zu verstehen. Die Abgrenzung zwischen patentfähigen und nicht patentfähigen Verfahren hing deshalb davon ab, in welchem Umfang von menschlicher Seite technisch eingewirkt wurde (MOUFANG, Münchner Gemeinschaftskommentar zum EPÜ, N. 110 zu Art. 53; STRAUS, Gewerblicher Rechtsschutz für biotechnologische Erfindungen, S. 74 ff.). Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft ist dagegen die Annahme überholt, dass Technik und Biologie in grundsätzlichem Gegensatz zueinander stehen. Als Abgrenzungskriterium wird jetzt vielmehr der Wissenschaftsbereich betrachtet und deshalb auf die naturwissenschaftliche Grenzziehung zwischen Biologie und Chemie oder Physik abgestellt (MOUFANG, Münchner Gemeinschaftskommentar zum EPÜ, N. 112 zu Art. 53). Diese Frage braucht indessen im vorliegenden Fall nicht weiter untersucht zu werden, da sie den Entscheid über die Anwendbarkeit von
Art. 1a PatG
nicht zu beeinflussen vermag.
Die Vorinstanz ist zum Ergebnis gekommen, die in den Patentansprüchen 2 und 3 beschriebenen erfindungswesentlichen Verfahrensschritte seien ihrem Wesen nach nicht der Biologie zuzuordnen; insoweit liege kein Anwendungsfall der Ausnahmebestimmung von
Art. 1a PatG
vor. Dem kann insoweit ohne Bedenken zugestimmt werden, als die im Patentanspruch 2 beschriebene Tetraploidisierung der Kamillensorte "DEGUMILL" mittels Chemikalien,
BGE 121 III 125 S. 136
Bestrahlung, Temperaturschocks, Dekapitierungs-Kallus-Methode oder Antherenkultur technische und nicht "im wesentlichen biologische" Verfahren darstellen. Ob das auch für die in Patentanspruch 3 beschriebenen selektiven Verfahrensschritte gilt, ist dagegen fraglich. Zwar hat der deutsche Bundesgerichtshof in einem Entscheid vom 27. März 1969 (BGHZ 52, S. 74, 84, "Rote Taube") Selektionen ausdrücklich als nicht biologische Verfahrensschritte bezeichnet, doch gilt anderseits die Selektion im Bereich der Pflanzenzüchtungen allgemein als nicht patentfähiges Verfahren (MOUFANG, Münchner Gemeinschaftskommentar zum EPÜ, N. 107 zu Art. 53; MOUFANG, Genetische Erfindungen im gewerblichen Rechtsschutz, S. 195). Im vorliegenden Fall ist jedoch ausschlaggebend, dass bei Patentanspruch 3 in seiner von Patentanspruch 2 abhängigen Form die technischen Verfahrensschritte im Vordergrund stehen. Das genügt für die Annahme, es handle sich nicht um ein im wesentlichen biologisches Verfahren im Sinne von
Art. 1a PatG
.
5.
Zu prüfen bleibt, ob die in den Patentansprüchen 1-3 sowie 5 und 6 beschriebenen Verfahren die übrigen Voraussetzungen des Patentschutzes, insbesondere jene nach
Art. 1 PatG
, erfüllen. Nach Auffassung der Vorinstanz ist das nicht der Fall. Im angefochtenen Urteil wird dazu festgehalten, das zur Patentierung beanspruchte Verfahren sei nicht erfinderisch, da es sich im massgebenden Zeitpunkt in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben habe. Sowohl die beschriebene Tetraploidisierung wie die ihr nachfolgenden Selektionen seien für Kamillenpflanzen bekannt gewesen, und die gefundene Lösung einer bestimmten Dosierung der Wirkstoffe habe dem Fachmann aus dem massgebenden Wissensstand nahegelegen. Die beanspruchten positiven Eigenschaften des verfahrensgemässen Erzeugnisses sodann seien bloss in der Beschreibung genannt worden und daher für die Beurteilung der Erfindung untauglich; überdies reichten sie auch für die Annahme einer Kombinationserfindung nicht aus.
Mit der Berufung wird auch insoweit an der Schutzfähigkeit des Patents festgehalten. Die Beklagte wirft dem Handelsgericht vor, es habe verkannt, dass das Streitpatent ein Analogieverfahren bzw. eine Kombinationserfindung betreffe; zudem habe es bundesrechtswidrig bestimmte Eigenschaften des Erzeugnisses unbeachtet gelassen und dadurch
Art. 1 Abs. 2 PatG
verletzt.
a) Die Beklagte macht darüber hinaus geltend, die Ablehnung der von beiden Parteiseiten beantragten Expertise durch die Vorinstanz habe es
BGE 121 III 125 S. 137
verunmöglicht, den patenttechnisch relevanten Sachverhalt in jeder Beziehung vollständig, richtig und widerspruchslos zu erfassen. Diese Unterlassung könne, was sie anrege, gemäss
Art. 67 OG
vom Bundesgericht von Amtes wegen nachgeholt werden.
Art. 67 Ziff. 1 OG
ermöglicht es dem Bundesgericht, unter bestimmten Umständen (vgl. dazu
BGE 120 II 312
E. 3b S. 315) die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Instanz über technische Verhältnisse von Amtes wegen zu überprüfen und zu diesem Zweck Beweismassnahmen zu ergreifen, insbesondere einen Sachverständigen zu bestellen. Im vorliegenden Fall besteht indessen keine Veranlassung, von Amtes wegen zusätzliche Beweismassnahmen durchzuführen, da die technischen Einwände der Beklagten richtig besehen nicht den Sachverhalt, sondern dessen Subsumtion unter den Begriff des Naheliegens bzw. Nichtnaheliegens betreffen. Dabei handelt es sich aber um eine Rechtsfrage, die nicht von einem technischen Sachverständigen, sondern vom Bundesgericht zu beantworten ist.
b) Der Bereich des Erfinderischen beginnt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts erst jenseits der Zone, die zwischen dem vorbekannten Stand der Technik und dem liegt, was der durchschnittlich gut ausgebildete Fachmann des einschlägigen Gebiets gestützt darauf mit seinem Wissen und seinen Fähigkeiten weiterentwickeln und finden kann. Entscheidend ist daher, ob ein solcher Fachmann nach all dem, was an Teillösungen und Einzelbeiträgen den Stand der Technik ausmacht, schon mit geringer geistiger Anstrengung auf die Lösung des Streitpatentes kommen kann oder ob es dazu eines zusätzlichen schöpferischen Aufwandes bedarf. Diese Anforderungen an die erfinderische Tätigkeit, welche das Patentgesetz mit dem Begriff des Nichtnaheliegens umschreibt (
Art. 1 Abs. 2 PatG
), galten im wesentlichen - damals unter dem Begriff der Erfindungshöhe - schon vor der Revision des Patentgesetzes von 1978, mit der dieses harmonisiert, das heisst an bestimmte internationale Übereinkommen, darunter das EPÜ, angeglichen worden ist. Festzuhalten ist im übrigen, dass der deutsche Ausdruck "naheliegend" diesen Sachverhalt sinnbildlicher umschreibt als das in der französischen und italienischen Fassung von
Art. 1 Abs. 2 PatG
verwendete "évident" bzw. "evidente" oder das englische "obvious" in
Art. 56 EPÜ
. Daher ist eine Lösung nicht bereits dann patentfähig, wenn sie für einen Fachmann "nicht offensichtlich ist" oder "nicht klar auf der Hand" liegt, sondern erst dann, wenn er sie auch aufgrund einfacher Experimente
BGE 121 III 125 S. 138
im entsprechenden Forschungsbereich nicht zu finden vermag (
BGE 120 II 312
E. 4b S. 317, 71 E. 2 S. 72 f. je mit Hinweisen).
c) Analogieverfahren, die im chemischen Bereich verbreitet sind, liegen als solche dem Fachmann in der Regel nahe. Eine erfinderische Tätigkeit kann sich aber daraus ergeben, dass das bis anhin unbekannte Erzeugnis des Verfahrens Eigenschaften oder Wirkungen aufweist, die in Anbetracht der zu bekannten Erzeugnissen analogen Konstitution nach dem Stand der Wissenschaft zur Zeit der Anmeldung ihrer Art oder ihrem Ausmass nach nicht oder nicht in gleichem Masse erwartet werden konnten, sondern überraschend waren. Die Patentfähigkeit des Verfahrens wird von den Eigenschaften des Endprodukts getragen (Urteil vom 10. November 1976, in SMI 1976, S. 171 ff. E. 3b; TROLLER, Immaterialgüterrecht, Bd. I, 3. Aufl., S. 179 ff.). Allerdings ist zu beachten, dass diese unerwartet vorteilhaften Eigenschaften des Erzeugnisses zwar bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit mitzuberücksichtigen sind, aber bei Herstellungsverfahren nicht einfach an deren Stelle treten, das heisst bei dieser Art von Erfindungen nicht ohne weiteres der erfinderischen Tätigkeit gleichzusetzen sind. Vorhersehbare Ergebnisse, die bei der Anwendung neuer Ausgangsstoffe oder erwartungsgemäss neuer Endprodukte des Verfahrens erzielt werden, weisen daher auch ein neues Analogieverfahren als naheliegend aus (BENKARD/BRUCHHAUSEN, a.a.O., N. 94a zu § 1 DPatG).
Der Begriff der Kombinationserfindung kennzeichnet eine besondere Grundlage für die Beurteilung des Nichtnaheliegens, indem die erfinderische Tätigkeit das Zusammenwirken mehrerer Merkmale betrifft, die für sich allein keine Erfindungen darzustellen brauchen. Geschützt ist die erfinderische Verknüpfung verschiedener Merkmale, die technisch-betriebliche, funktionelle Bestimmung der Elemente in der Gesamtkombination und ihre Eignung gerade für diese. Die erfinderische Tätigkeit muss bei vorbekannten Merkmalen folgerichtig in deren Verbindung liegen, ihre Zusammenfassung muss eine neue Anweisung geben. Das ist - wie bei allen Erfindungen - zu verneinen, falls bereits der durchschnittlich gut ausgebildete Fachmann aufgrund seines Fachkönnens die bekannten Merkmale zu der beschriebenen Kombination vereinigen kann. Trifft dies zu, so liegt die Kombination nahe. Sie gehört damit zum freien Stand der Technik und ist deshalb dem Patentschutz entzogen. Mithin bestimmt auch im Kombinationsbereich das Kriterium des Naheliegens bzw. Nichtnaheliegens die erfinderische Tätigkeit, ohne dass allerdings darüber hinaus ein von den kompilierten
BGE 121 III 125 S. 139
Merkmalen qualitativ verschiedenes Ergebnis oder ein die Summe der Einzelwirkungen übersteigender Synergieeffekt erforderlich ist (
BGE 120 II 312
E. 4a S. 316 f. mit Hinweisen).
d) Gemäss Patentschrift liegt der beanspruchten Erfindung die Aufgabe zugrunde, eine neue Kamillensorte mit verbesserten Eigenschaften, insbesondere einem erhöhten Gehalt an (-)-a-Bisabolol und einer besonderen Widerstandskraft der Pflanzen gegen Fremdbestäubung durch die natürlich vorkommenden Kamillenpopulationen (Wildkamille) herzustellen. Die in den Patentansprüchen beschriebene Lösung der Aufgabe liegt in der Kombination einer Tetraploidisierung der diploiden Kamillensorte "DEGUMILL" mit nachfolgenden Selektions- und Vermehrungsschritten.
aa) Nach den Feststellungen der Vorinstanz war das Polyploidisieren (Vervielfachen des Chromosomensatzes) von Pflanzen, insbesondere auch das Tetraploidisieren (Verdoppeln eines bereits diploiden, zweifach vorhandenen Chromosomensatzes) im Prioritätszeitpunkt vorbekannt. In diesem Verfahren liegt deshalb nichts Erfinderisches, was die Beklagte im übrigen selbst anerkennt. Gleiches gilt für die in Patentanspruch 3 beschriebene Selektion der tetraploidisierten Pflanzen nach Wirkstoffgehalt. Dass sodann eine Kombination der beiden Verfahrensschritte dem Fachmann grundsätzlich nahelag, bedarf keiner besonderen Erörterung. Die erforderliche erfinderische Tätigkeit könnte demnach einzig in der Wahl des Ausgangsmaterials oder in überraschenden Eigenschaften des Endprodukts liegen.
Die Patentschrift selbst nennt eine Reihe vorbekannter tetraploider Kamillensorten, die allerdings einen geringeren (-)-a-Bisabolol-Gehalt aufweisen als jener, der mit dem patentgemässen Verfahren erreicht werden soll. Es lag denn auch durchaus nahe, eine Sorte mit höherem Wirkstoffgehalt dadurch zu züchten, dass eine diploide Kamillensorte mit grossem (-)-a-Bisabolol-Gehalt durch Tetraploidisierung weiterentwickelt wurde, zumal einer der beiden in der Patentschrift genannten Erfinder, Chlodwig Franz, ein solches Vorgehen bereits in seiner 1981 erschienen Habilitationsschrift angeregt hatte. Eine erfinderische Leistung kann demnach auch nicht in der Wahl des Ausgangsmaterials erblickt werden.
bb) Die Beklagte macht weiter geltend, die überraschenden Eigenschaften des Endproduktes wiesen das Verfahren als nicht naheliegend aus. Als vorteilhafte Eigenschaften der Kamillensorte "Manzana" nennt sie deren gleichmässigen Wuchs mit grundständiger Verzweigung und vielen Blüten, den
BGE 121 III 125 S. 140
einheitlichen Blühtermin, die grossen Blütenköpfchen in einer Ebene, die geringe Grusbildung sowie den hohen Gehalt an Chamazulen und Bisabolol bei unverändertem Oxidgehalt. Das Handelsgericht will diese Eigenschaften indessen nur insoweit berücksichtigen, als sie in den Patentansprüchen selbst und nicht lediglich in der Patentbeschreibung aufgeführt sind. Davon abgesehen fehlt nach seiner Meinung aber auch insoweit eine erfinderische Leistung.
Im Ergebnis kann der Vorinstanz zugestimmt werden. Die Begründung ist dagegen insoweit zu korrigieren, als damit prinzipiell verlangt wird, die erfinderische Tätigkeit müsse in den Patentansprüchen umschrieben sein. Zwar ist richtig, dass die Erfindung in den Patentansprüchen zu definieren ist und diese den sachlichen Geltungsbereich des Patents bestimmen (
Art. 51 Abs. 1 und 2 PatG
). Doch wird damit bloss das Fundament des Rechtsschutzes umschrieben. In den Schutz der Erfindung darf nichts hineininterpretiert werden, was nicht in den objektiv, das heisst mit Hilfe der Beschreibung und der Zeichnungen (
Art. 51 Abs. 3 PatG
), ausgelegten Ansprüchen enthalten ist. Patentierungsvoraussetzungen und Schutzbereich sind auseinanderzuhalten. Jene begründen den Rechtsschutz, dieser begrenzt ihn sachlich. Die Patentansprüche aber stehen im Dienste des Schutzbereichs. Sie sollen das Schutzbegehren, und nur dieses umschreiben. Das Definitionsgebot nach
Art. 51 Abs. 1 PatG
erschöpft sich darin, die unter Schutz gestellte Erfindung klar zu umschreiben. Die Erfindung als solche zu offenbaren, ist demgegenüber Gegenstand der Patentanmeldung (
Art. 50 PatG
) und der daraus hervorgehenden Patentschrift als Ganzes. Im übrigen ist nicht erforderlich, dass daraus auch die gesamte Tragweite des Erfindungsgedankens erkennbar ist, muss sie doch selbst vom Erfinder nicht in vollem Umfang erfasst worden sein (
BGE 64 II 392
ff. E. 2c). Das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit lässt sich somit nicht bereits mit der Begründung verneinen, sie sei in den Patentansprüchen nicht oder nicht hinreichend offenbart.
Die Erfindung ist schöpferische Tätigkeit auf technischem Gebiet. Patentwürdig wird sie erst dann, wenn sie den normalen Weg der ständigen Weiterentwicklung verlässt und neue Wege geht, die einer schöpferischen Leistung entspringen. Die handwerksmässige oder fachmännische Weiterentwicklung der Technik genügt hierzu nicht, ebensowenig, was mit den normalen Fähigkeiten eines Praktikers erreicht werden kann (BENKARD/BRUCHHAUSEN, a.a.O., N. 2 zu
§ 4 PatG
). Das gilt auch für den sogenannten Überraschungseffekt. Zwar ist dieser oft ein Indiz dafür, dass
BGE 121 III 125 S. 141
eine neue Lehre nicht nahelag, doch ist auch er am Massstab der Voraussehbarkeit zu messen. Lag dem Fachmann die Erfolgserwartung aufgrund des allgemeinen Wissensstandes nahe, ist die sie bestätigende Lehre nicht erfinderisch. Im Lichte dieser Kriterien aber kann dem Handelsgericht keine Bundesrechtsverletzung vorgeworfen werden, wenn es die beschriebenen Verfahrensschritte einerseits im einzelnen und anderseits in ihrer Kombination nicht als erfinderisch gewertet hat. Die Vorteile der Tetraploidisierung mit jenen einer Selektion nach Wirkstoffen zu kombinieren, lag dem fachmännischen Pflanzenzüchter nahe, da die beschriebene Lösung der gestellten Aufgabe im pragmatischen Versuch nach Massgabe der bekannten Vorgaben vorauszusehen war. Die Nichtigerklärung des Verfahrenspatents durch die Vorinstanz ist aus diesen Gründen bundesrechtlich nicht zu beanstanden.
e) Die Beklagte macht mit der Berufung nicht geltend, die Verwendungsansprüche (Patentansprüche 5 und 6) seien selbständig patentierbar. Insoweit ist der angefochtene Entscheid nicht zu überprüfen (
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
; vgl. dazu
BGE 116 II 745
E. 3 S. 748 f.).