Urteilskopf
121 III 201
"121 III 201 42. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 11. April 1995 i.S. N. gegen M. (Berufung)
Regeste
Ehescheidung;
Art. 151 Abs. 1 und
Art. 197 ZGB
.
Ein Rentenanspruch im Sinne von
Art. 151 Abs. 1 ZGB
besteht nicht, wenn die Ehefrau schon während der Trennungszeit wirtschaftlich unabhängig war und keine ehelichen Unterhaltsleistungen geltend gemacht hat (E. 3).
Ist ein Lotterielos aus Errungenschaft erworben worden, so stellt der realisierte Gewinn eine Ersatzanschaffung für Errungenschaft im Sinne von
Art. 197 Abs. 2 Ziff. 5 ZGB
dar (E. 4a).
Aus den Erwägungen:
3.
Des weitern macht der Beklagte eine unrichtige Anwendung von
Art. 151 Abs. 1 ZGB
geltend. Die Klägerin sei während der ganzen Ehedauer einer
BGE 121 III 201 S. 202
vollen Erwerbstätigkeit nachgegangen. In den letzten zehn Jahren, seit die Parteien getrennt lebten, habe sie wirtschaftlich für sich allein sorgen können, was sich daran zeige, dass sie vom Beklagten nie persönliche Unterhaltsbeiträge verlangt habe, auch nicht im Rahmen des Eheschutzverfahrens (1991/92). Sie erleide daher durch die Scheidung keinen wirtschaftlichen Nachteil.
Gemäss
Art. 151 Abs. 1 ZGB
dient die betreffende Entschädigung dem Ausgleich einer "durch die Scheidung" bewirkten Beeinträchtigung von Vermögensrechten oder Anwartschaften des schuldlosen Ehegatten. Dabei spielt die Frage der wirtschaftlichen Selbständigkeit des eine Leistung beanspruchenden Ehegatten eine entscheidende Rolle, wobei es wesentlich auf seine Erwerbsfähigkeit und damit auch auf Art und Umfang seiner schon während der Ehe ausgeübten Erwerbstätigkeit, ankommt (
BGE 115 II 6
E. 3 und 4 S. 8 ff.; SPÜHLER/FREI-MAURER, N. 33 zu
Art. 151 ZGB
; HEGNAUER/BREITSCHMID, Grundriss des Eherechts, 3. Aufl., Bern 1993,
§ 11 N 11.20
). Während vorliegend die erste Instanz den Anspruch auf eine Rente im Sinne von
Art. 151 Abs. 1 ZGB
abgelehnt hat, wurde die Zusprechung einer Rente von der Vorinstanz nur damit begründet, dass die Parteien bis zu ihrer Trennung im Jahre 1984 offenbar eine gemeinsame Kasse geführt und dabei die vorhandenen Geldmittel zur Finanzierung einer gehobeneren Lebenshaltung eingesetzt hätten. Mit der Scheidung und dem damit verbundenen Wegfall der Beitragszahlungen des Beklagten an den ehelichen Unterhalt im Sinne von
Art. 163 ZGB
verliere die Klägerin die Möglichkeit, ihre bis 1984 geführte Lebenshaltung beizubehalten. Seit der faktischen Trennung im Jahre 1984 sei die Klägerin zudem selber für ihren Lebensunterhalt und denjenigen ihrer Kinder aufgekommen. Dadurch sei ihr die Möglichkeit entgangen, auch weiterhin von den Beiträgen des Beklagten an den ehelichen Unterhalt zu profitieren. Sie sei wirtschaftlich schlechter gestellt gewesen, habe sich infolge fehlender finanzieller Unterstützung des Ehemannes verschuldet und müsse heute ausstehende Kredite in Höhe von Fr. 30'000.-- amortisieren. Das Obergericht fährt fort, demgegenüber habe der Beklagte in diesen Jahren Gelder zur Befriedigung seiner Spielleidenschaft freizumachen vermocht und habe auf diese Weise in letzter Zeit monatlich mindestens Fr. 1'000.-- für das Lottospiel aufwenden können. Nach knapp dreissigjähriger Ehedauer habe die Klägerin Anrecht auf eine Lebenshaltung, wie sie auch dem Beklagten offenstehe, insbesondere auch deshalb, weil dieser das überwiegende Scheidungsverschulden zu
BGE 121 III 201 S. 203
vertreten habe. Zudem sei zu berücksichtigen, dass beide Söhne noch bei der Klägerin wohnten, wobei der ältere Sohn arbeitslos sei.
Damit verkennt die Vorinstanz Wortlaut und Sinn von
Art. 151 Abs. 1 ZGB
völlig. Die Klägerin machte in der zehnjährigen Trennungszeit weder eheliche Unterhaltsleistungen geltend noch erhielt sie vom Beklagten solche. Sie war von ihm jedenfalls schon in dieser Zeit wirtschaftlich unabhängig. Daran wird sich durch die Scheidung nichts ändern. Unter diesen Umständen bleibt - da andere Vermögensrechte oder Anwartschaften nicht in Frage stehen - für eine Rente im Sinne von
Art. 151 Abs. 1 ZGB
kein Raum. Eine solche dient weder dazu, allfällige wirtschaftliche Ungleichheiten unter den Ehegatten (Einkommen und Lebenshaltungskosten) während der Ehe nachträglich auszugleichen, noch dazu, eine allfällig während der Ehe nicht geltend gemachte Forderung bzw. unterlassene Klage auf Leistungen an den ehelichen Unterhalt nachzuholen.
Das führt in diesem Punkt zur Gutheissung der Berufung und zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils, d.h. zur Streichung von Dispositiv-Ziff. 1/4 und entsprechenden Anpassung von Dispositiv-Ziff. 1/5.
4.
Schliesslich wendet sich die Berufung gegen die von der Vorinstanz vorgenommene güterrechtliche Qualifikation des vom Beklagten erzielten Lottogewinns.
a) Der Beklagte hatte im Jahre 1991 im Lotto netto Fr. 65'139.40 gewonnen. Das Obergericht hat diesen Gewinn des Beklagten seiner Errungenschaft zugeschlagen, da das gewinnbringende Los aus seinem Arbeitserwerb finanziert wurde. Letzteres wird an sich auch in der Berufung nicht in Abrede gestellt, doch ist der Beklagte der Meinung, angesichts des Lottoeinsatzes von lediglich Fr. 7.-- liege ein unentgeltlicher Vermögenszuwachs im Sinne von
Art. 198 Ziff. 2 ZGB
vor, der dem Eigengut zuzurechnen sei, allenfalls unter Abzug der Ersatzforderung zugunsten der Errungenschaft in der Höhe des Kaufpreises für das Lotterielos. Zumindest müsse aber von einem teils unentgeltlichen, teils entgeltlichen Gewinn ausgegangen werden, analog einer gemischten Schenkung, wobei der Lottogewinn mindestens im Umfang der Unentgeltlichkeit dem Eigengut zugeschlagen werden müsse. Es liege somit eine Missachtung von
Art. 198 Ziff. 2 ZGB
vor.
Das Bundesgericht hatte bis anhin nicht über die güterrechtliche Qualifikation eines Lottogewinns zu befinden. Gemäss
Art. 197 Abs. 1 ZGB
sind Errungenschaft Vermögenswerte, die ein Ehegatte während der Dauer des Güterstandes entgeltlich erwirbt. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung umfasst die
BGE 121 III 201 S. 204
Errungenschaft eines Ehegatten insbesondere seinen Arbeitserwerb (Ziff. 1) und Ersatzanschaffungen für Errungenschaft (Ziff. 5). Die güterrechtliche Einordnung des Lottogewinns als Errungenschaft im Sinne von
Art. 197 ZGB
durch die Vorinstanz ist zutreffend, und zwar handelt es sich um eine Ersatzanschaffung im Sinne von Art. 197 Abs. 2 Ziff. 5 in Verbindung mit Ziff. 1 ZGB. Was unter Ersatzanschaffungen zu verstehen ist, wird vom Gesetzgeber nicht näher umschrieben. Immerhin knüpft das neue Recht in Art. 197 Abs. 2 Ziff. 5 wie in
Art. 198 Ziff. 4 ZGB
an die Ausdrucksweise des Zivilgesetzbuches von 1907 an (vgl. insbesondere Art. 239 Abs. 2 aZGB). Es kann daher an sich weiterhin von der bisherigen Lehre und Rechtsprechung ausgegangen werden (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, N. 106 zu
Art. 197 ZGB
). Dementsprechend hat die güterrechtliche Qualifikation von Lottogewinnen nach Massgabe ihrer Finanzierungsquelle zu erfolgen (LEMP, N. 15 zu Art. 190, N. 34 zu Art. 195, N. 24 zu Art. 224, N. 13 zu Art. 230 aZGB). Ist wie hier das Lotterielos aus dem Mannesverdienst, also aus der Errungenschaft, erworben worden, so stellt der in der Folge realisierte Gewinn eine Ersatzanschaffung für Errungenschaft dar. Ein unentgeltliches Zufallen im Sinne von
Art. 198 Ziff. 2 ZGB
läge daher nur vor, wenn auch das Los dem Beklagten unentgeltlich zugefallen wäre (LEMP, N. 13 i.V.m. N. 15 zu Art. 230 aZGB). Die Berufung ist somit in diesem Punkt unbegründet.