BGE 121 IV 258 vom 25. September 1995

Datum: 25. September 1995

Artikelreferenzen:  Art. 28 StGB, Art. 141 StGB , Art. 28 Abs. 1 StGB, Art. 141bis StGB

BGE referenzen:  87 IV 115, 116 IV 134, 117 IV 437, 118 IV 209, 126 IV 161, 126 IV 209, 130 IV 97, 131 IV 11, 144 IV 49 , 87 IV 115, 118 IV 209, 116 IV 134, 117 IV 437

Quelle: bger.ch

Urteilskopf

121 IV 258


41. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 25. September 1995 i.S. F. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)

Regeste

Art. 28 Abs. 1 StGB , Art. 141 aStGB und Art. 141bis nStGB; "Forderungsunterschlagung", Strafantragsrecht.
Bei der "Forderungsunterschlagung" ist als Verletzter anzusehen und deshalb zum Strafantrag berechtigt, wer durch die Tat unmittelbar am Vermögen geschädigt worden ist. Strafantragsrecht der Bank bejaht, die ein Mitverschulden bei der Fehlüberweisung anerkannt und sich gegenüber dem Auftraggeber verpflichtet hat, die Hälfte des Schadens zu tragen (E. 2c).

Sachverhalt ab Seite 258

BGE 121 IV 258 S. 258

A.- F. war Inhaber des Kontos YZ.276491 bei der Bank X. Auf diesem Konto wurde ihm am 14. Oktober 1992 aufgrund eines Versehens ein Betrag von US $ 15'000.-- (umgerechnet Fr. 19'230.--) gutgeschrieben. Der Betrag hätte der Inhaberin des Kontos YZ.273491, Frau C., zukommen sollen. Zur Fehlüberweisung kam es, weil die auftraggebende Stiftung P. irrtümlich als Kontonummer der Frau C. jene von F. angegeben und die Bank diesen Irrtum nicht bemerkt hatte. F. bezog nach Erhalt der Gutschriftsanzeige von seinem Konto, das keine anderen Guthaben aufwies, in 4 Bezügen insgesamt Fr. 19'200.--.
Die Bank X. stellte in der Folge Strafantrag wegen Unterschlagung.

B.- Am 31. Mai 1994 bestrafte das Bezirksgericht Zürich F. wegen Unterschlagung mit 45 Tagen Gefängnis, bedingt bei einer Probezeit von
BGE 121 IV 258 S. 259
2 Jahren. Es verpflichtete ihn, der Bank X. Fr. 19'200.-- nebst 5% Zins seit dem 27. September 1993 zu bezahlen.

C.- Auf Berufung von F. hin verurteilte ihn das Obergericht des Kantons Zürich am 14. Oktober 1994 wegen Unterschlagung zu 30 Tagen Gefängnis, bedingt bei einer Probezeit von 2 Jahren. Im Zivilpunkt bestätigte es das erstinstanzliche Urteil.

D.- F. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts im Strafpunkt aufzuheben; er sei von Schuld und Strafe freizusprechen. Er macht einzig geltend, es sei kein gültiger Strafantrag gestellt worden; die Bank X. sei zum Strafantrag nicht berechtigt.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Erwägungen

Erwägungen:

1. (Eintreten).

2. a) Gemäss Art. 141 StGB in seiner hier massgebenden, vor dem 1. Januar 1995 geltenden alten Fassung wird auf Antrag wegen Unterschlagung bestraft, wer, um sich oder einen anderen unrechtmässig zu bereichern, eine fremde bewegliche Sache, die ihm durch Naturgewalt, Irrtum, Zufall oder sonst ohne seinen Willen zugekommen ist, sich aneignet. Nach der Rechtsprechung ist die Anwendung dieser Bestimmung nicht auf die Aneignung körperlicher Sachen beschränkt. Der Unterschlagung macht sich vielmehr auch schuldig, wer in der Absicht unrechtmässiger Bereicherung über ein Guthaben verfügt, das, wie er weiss, seinem Konto irrtümlich gutgeschrieben wurde ( BGE 116 IV 134 , BGE 87 IV 115 ).
Gemäss dem seit dem 1. Januar 1995 in Kraft stehenden Art. 141bis StGB wird auf Antrag bestraft, wer Vermögenswerte, die ihm ohne seinen Willen zugekommen sind, unrechtmässig in seinem oder eines anderen Nutzen verwendet. Diese Bestimmung wurde in das Gesetz aufgenommen, um die unter dem Gesichtspunkt "nullum crimen sine lege" und dem Analogieverbot problematische Anwendung des klassischen Unterschlagungstatbestandes auf die "Forderungsunterschlagung" überflüssig zu machen (vgl. Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes [strafbare Handlungen gegen das Vermögen und Urkundenfälschung] vom 24. April 1991, BBl 1991 II, S. 1007). Die Frage der Strafantragsberechtigung bei der Forderungsunterschlagung stellt sich nach
BGE 121 IV 258 S. 260
Art. 141bis nStGB im Prinzip gleich wie nach Art. 141 aStGB.
Im Schrifttum wird zu Art. 141bis nStGB die Auffassung vertreten, antragsberechtigt seien neben demjenigen, aus dessen Vermögen der Wert stammt, wohl auch die Organe der Bank oder Post, sofern sie wegen eigener Fehler für den Betrag einzustehen haben; hingegen dürfte demjenigen, für den der Vermögenswert tatsächlich bestimmt war, kein Antragsrecht zukommen (REHBERG/SCHMID, Strafrecht III, 6. Aufl., S. 136).
b) Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar, so kann jeder, der durch sie verletzt worden ist, die Bestrafung des Täters beantragen ( Art. 28 Abs. 1 StGB ).
Die Antragsberechtigung nach dieser Bestimmung richtet sich nach dem Träger des angegriffenen Rechtsgutes. Bei höchstpersönlichen Rechtsgütern (Ehre, Berufsgeheimnis usw.) ist Verletzter nur der Träger des Rechtsgutes selbst, bei anderen Rechtsgütern sind auch andere Personen, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Erhaltung des Rechtsgutes haben, antragsberechtigt. Die Antragsberechtigung kann auch im Interesse an der Erhaltung des Rechtsgutes begründet sein, welches nicht nur der eigentliche Rechtsgutsträger besitzt. Insofern kann auch derjenige im Sinne von Art. 28 Abs. 1 StGB verletzt sein, in dessen Rechtskreis die Tat unmittelbar eingreift, sowie derjenige, der ein besonderes Interesse an der Erhaltung des Gegenstandes hat ( BGE 118 IV 209 E. 3b). Hinsichtlich der Sachbeschädigung gemäss Art. 145 Abs. 1 aStGB hat das Bundesgericht die Antragsberechtigung in diesem Sinne auch auf den Mieter bzw. jeden Berechtigten, der die Sache nicht mehr gebrauchen kann, ausgedehnt (BGE BGE 117 IV 437 E. 1b mit Hinweis). Ebenso hat es angenommen, das Strafantragsrecht stehe bei der Entwendung (Art. 138 aStGB) neben dem Eigentümer auch jedem Berechtigten zu, dessen Interessen am Gebrauch der Sache durch deren Wegnahme unmittelbar beeinträchtigt sind ( BGE 118 IV 209 ).
c) Bei der "Forderungsunterschlagung" ist als Verletzter im Sinne von Art. 28 Abs. 1 StGB anzusehen, wer durch die Tat unmittelbar am Vermögen geschädigt worden ist.
In der bisherigen Praxis wurde ohne weiteres angenommen, dass der Auftraggeber einer fehlgeleiteten Gutschrift antragsberechtigt ist, offenbar weil ihm in diesen Fällen der fehlgeleitete Auftrag belastet wurde (vgl. BGE 87 IV 115 , 116 IV 134). Hier stellt sich demgegenüber die Frage, ob die Bank, die die Vergütung auf das falsche Konto vorgenommen hat, antragsberechtigt ist.
BGE 121 IV 258 S. 261
Wie sich aus dem angefochtenen Urteil und den Akten ergibt, hat die Bank X. ein Mitverschulden bei der Fehlüberweisung anerkannt. Sie hat sich mit der Stiftung P. vergleichsweise dahin geeinigt, die Hälfte des Schadens zu tragen und der Stiftung US $ 7'500.-- zu vergüten. Die Bank X. hat den ganzen Schadensbetrag im Strafverfahren adhäsionsweise eingeklagt und der Stiftung versprochen, ihr allfällige Zahlungen des Beschwerdeführers zur Hälfte zukommen zu lassen. Die Bank X. hat in diesen Vergleich eingewilligt, weil sie nach Prüfung der Rechtslage zum Schluss gekommen ist, dass zur getreuen und sorgfältigen Ausführung eines Zahlungsauftrages die Kontrolle gehört, ob Name des Empfängers und des Inhabers des angegebenen Kontos übereinstimmen (vgl. DANIEL GUGGENHEIM, Die Verträge der schweizerischen Bankpraxis, 3. Aufl., Zürich 1986, S. 245 f.). Die Interessen der Bank X. sind durch die "Forderungsunterschlagung" hier somit nicht nur irgendwie, d.h. mittelbar, betroffen worden, wie das etwa beim Erben oder Gläubiger eines am Vermögen Geschädigten der Fall ist. Die Bank X. hat durch die Tat des Beschwerdeführers vielmehr direkt einen Vermögensschaden erlitten. Ihre Berechtigung zum Strafantrag ist deshalb zu bejahen.

3. (Kostenfolgen).

Diese Seite ist durch reCAPTCHA geschützt und die Google Datenschutzrichtlinie und Nutzungsbedingungen gelten.

Feedback
Laden