Urteilskopf
123 IV 125
19. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 2. Juli 1997 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen L. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste
Art. 277bis Abs. 1 Satz 1 BStP
; Bindung des Kassationshofes an den Antrag.
Der Antrag ist im Lichte der Beschwerdebegründung auszulegen. Wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen einen Freispruch und beschränkt sie in der Beschwerdebegründung ihren Antrag der Sache nach dahin, die Angelegenheit sei zurückzuweisen zur Verurteilung wegen unrechtmässiger Verwendung von Vermögenswerten, so hat sich das Bundesgericht nicht dazu zu äussern, ob sich der Angeklagte wegen Betruges strafbar gemacht habe (E. 1).
Art. 141bis StGB
; unrechtmässige Verwendung von Vermögenswerten; "ohne seinen Willen zugekommen".
Wer über Beträge verfügt, deren Überweisung er selber veranlasst hat, ist nicht wegen unrechtmässiger Verwendung von Vermögenswerten strafbar (E. 2).
A.-
L. war von September 1994 bis Frühjahr 1995 bei der K. AG als Buchhalter angestellt. Anfangs 1995 fragte er seinen
BGE 123 IV 125 S. 126
Kollegen H., ob er ihm ein Konto zur Verfügung stellen könne; denn er wolle unrechtmässig Geld seiner Arbeitgeberfirma abzweigen. H. stellte dem L. darauf sein Konto bei der Bank X. zur Verfügung, auf welches L. vom Konto der K. AG folgende Zahlungen überweisen liess:
am 11. Januar 1995 Fr. 7'767.--
am 25. Januar 1995 Fr. 5'614.--
am 28. Februar 1995 Fr. 206'200.--.
Dabei ging L. wie folgt vor: Er buchte fiktive Lieferantenrechnungen in die Buchhaltung ein und erstellte dann den sog. DTA-Zahlungsauftrag (DTA: Datenträgeraustausch). Darin waren als Begünstigte unter anderem die fiktiven Lieferanten aufgeführt. Als Zahlstelle der fiktiven Lieferanten setzte L. den Namen und die Kontonummer von H. ein, damit die entsprechenden Zahlungen auf dessen Konto überwiesen wurden. Diesen so erstellten Zahlungsauftrag kopierte L. in der Folge auf eine DTA-Diskette, worauf automatisch das Gesamtzahlungsvolumen (ohne Aufführung der einzelnen Begünstigten) in Form eines Zahlungsauftrages ausgedruckt wurde. Diesen Zahlungsauftrag liess er in der Folge vorschriftsgemäss von zwei unterschriftsberechtigten Vorgesetzten seiner Arbeitgeberfirma unterschreiben. Aufgrund der bisherigen Erfahrung - durchschnittlich wurden pro Woche etwa ein bis zwei solche Zahlungsaufträge ausgeführt - ging er davon aus, die unterschriftsberechtigten Personen würden die detaillierten Vergütungen an die einzelnen Begünstigten, welche nur im Computersystem und auf der DTA-Diskette ersichtlich waren, aus arbeitsökonomischen Gründen nicht nachkontrollieren, sofern nicht ein aussergewöhnlich hoher Gesamtbetrag zu unterschreiben war; denn bisher hatten sie eine solche Kontrolle nicht vorgenommen. Nach der Unterzeichnung durch die beiden Vorgesetzten wurde der Zahlungsauftrag mit dem Gesamtbetrag an die Bank und die DTA-Diskette, auf der die einzelnen Vergütungen gespeichert waren, an die Y. AG gesandt, welche die Diskette für die Bank einlas. In der Folge wurden die oben erwähnten Beträge zum Nachteil der K. AG auf das Konto von H. überwiesen.
Einen Teil des so erlangten Geldes überliess L. dem H. Den Rest, der ihm von H. überwiesen wurde, verwendete L. für eigene Bedürfnisse, insbesondere für Ferien in Thailand.
B.-
Am 13. Februar 1997 sprach das Obergericht des Kantons Zürich L. in zweiter Instanz vollumfänglich frei.
C.-
Die Staatsanwaltschaft führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an dieses zurückzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
aus folgenden Erwägungen:
1.
Die Vorinstanz hat den Beschwerdegegner von der Anklage des Betruges freigesprochen, da das Tatbestandsmerkmal der Arglist nicht gegeben sei. Ebenso verneinte die Vorinstanz die Voraussetzungen der Strafbarkeit wegen Veruntreuung nach
Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
und wegen unrechtmässiger Verwendung von Vermögenswerten nach
Art. 141bis StGB
.
Die Beschwerdeführerin ficht den Freispruch vom Vorwurf des Betruges und der Veruntreuung ausdrücklich nicht an. Sie macht einzig geltend, der Freispruch vom Vorwurf der unrechtmässigen Verwendung von Vermögenswerten nach
Art. 141bis StGB
verletze Bundesrecht. Sie beschränkt damit der Sache nach ihren Antrag darauf, die Angelegenheit sei unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an die Vorinstanz zurückzuweisen zur Verurteilung nach
Art. 141bis StGB
. Über diesen Antrag darf das Bundesgericht nicht hinausgehen (
Art. 277bis Abs. 1 Satz 1 BStP
). Der Antrag ist im Lichte der Beschwerdebegründung auszulegen. Das Bundesgericht hat sich deshalb nicht dazu zu äussern, ob die Vorinstanz den Beschwerdegegner zu Recht von der Anklage des Betruges freigesprochen hat.
2.
a) Gemäss
Art. 141bis StGB
wird, auf Antrag, mit Gefängnis oder mit Busse bestraft, wer Vermögenswerte, die ihm ohne seinen Willen zugekommen sind, unrechtmässig in seinem oder eines anderen Nutzen verwendet.
Art. 141bis StGB
ist durch die Revision des Vermögensstrafrechtes von 1994, in Kraft seit dem 1. Januar 1995, in das Gesetz aufgenommen worden. Das frühere Recht kannte den Tatbestand nicht, und auch im Vorentwurf war keine entsprechende Bestimmung vorgesehen. Der Tatbestand wurde vielmehr ohne Vorarbeiten der Expertenkommission in den Entwurf des Bundesrates aufgenommen aufgrund einer Anregung in
BGE 116 IV 134
E. 2c. Das Bundesgericht führte in diesem Entscheid aus, wenn der Gesetzgeber der Auffassung sei, dass die Unterschlagung von Forderungen, etwa begangen durch die unrechtmässige Verwendung eines Bankguthabens, welches dem Täter irrtümlich gutgeschrieben wurde, strafbar sei, dann sollte er im Rahmen der Revision des Vermögensstrafrechts einen
BGE 123 IV 125 S. 128
diesbezüglichen klaren und eindeutigen Tatbestand schaffen. In der Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 24. April 1991 (BBl 1991 II, S. 1007) wird darauf Bezug genommen.
Art. 141bis StGB
geht zurück auf die im Fall Nehmad (
BGE 87 IV 115
) aufgetretene Problematik - die sich dann in
BGE 116 IV 134
erneut ergab -, dass nach Wortlaut und Systematik der frühere Unterschlagungstatbestand (Art. 141 aStGB) nur die Unterschlagung von Sachen, nicht aber die Unterschlagung von Forderungen erfasste. In der Praxis ergaben sich daraus Probleme bei der irrtümlichen Überweisung von Geldbeträgen auf ein falsches Konto, wenn der Empfänger über den irrtümlich überwiesenen Betrag verfügte. Auf diese Konstellation ist
Art. 141bis StGB
zugeschnitten.
b) Die hier in Frage stehenden 3 Beträge sind dem Beschwerdegegner nicht ohne seinen Willen, sondern mit seinem Willen zugekommen. Er hat die Überweisung der Beträge durch die Täuschung der beiden Vorgesetzten selber veranlasst. Der Wortlaut von
Art. 141bis StGB
steht somit einer Bestrafung des Beschwerdegegners nach dieser Bestimmung entgegen. Ausserdem ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte, dass
Art. 141bis StGB
nicht für die strafrechtliche Erfassung eines Falles wie hier geschaffen worden ist. Im Auge hatte man vielmehr den Fall, wo der Täter von der irrtümlichen Gutschrift überrascht wurde und mit der Fehlleitung der Vermögenswerte nichts zu tun gehabt hat.
Die Bestrafung des Beschwerdegegners nach
Art. 141bis StGB
scheidet deshalb aus.